Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.167/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_167/2017        

Urteil vom 24. April 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecherin Laura Rossi,

gegen

Staatssekretariat für Migration.

Gegenstand
Verweigerung der Zustimmung zur Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI,
vom 28. Dezember 2016.

Erwägungen:

1. 
Die 1992 geborene kosovarische Staatsangehörige A.________ heiratete am 6.
August 2013 einen schweizerischen Staatsangehörigen kosovarischer Herkunft,
worauf ihr hier eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleib bei ihrem Gatten
erteilt wurde. Seit dem 1. Januar 2015 leben die Ehegatten getrennt.
Aufgrund eines entsprechenden Ersuchens von A.________, beantragten die
Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei (EMF) der Stadt Bern am 24. Juni
2015 beim Staatssekretariat für Migration (SEM) die Zustimmung zur Verlängerung
der Aufenthaltsbewilligung der Betroffenen. Mit Verfügung vom 7. Dezember 2015
verweigerte das SEM seine Zustimmung und wies A.________ aus der Schweiz weg.
Eine von der Betroffenen daraufhin eingereichte Beschwerde wurde mit Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Dezember 2016 abgewiesen.
Mit Eingabe vom 9. Februar 2017 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht und beantragt im
Wesentlichen, das SEM sei anzuweisen, dem Antrag auf Verlängerung ihrer
Aufenthaltsbewilligung zuzustimmen. Während das Bundesverwaltungsgericht auf
Vernehmlassung verzichtet, schliesst das SEM auf Abweisung der Beschwerde. Mit
Eingabe vom 24. März 2017 nimmt die Beschwerdeführerin zum
Vernehmlassungsergebnis Stellung. Mit Verfügung vom 13. Februar 2017 trat der
Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts auf ein
Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung nicht
ein.

2. 
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weswegen sie im
vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a i.V.m. Abs. 3 BGG, d.h.
mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid
zu erledigen ist:

2.1. Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch
des ausländischen Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung u.a. dann weiter, wenn wichtige persönliche Gründe einen
weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b
AuG). Nach Art. 50 Abs. 2 AuG und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE
138 II 229 E. 3.1 S. 232 f.; 136 II 1 E. 5 S. 3 ff.) kann dies namentlich der
Fall sein, wenn die ausländische Person mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht Opfer
ehelicher Gewalt geworden ist oder wenn ihre soziale Wiedereingliederung im
Herkunftsland stark gefährdet erscheint.

2.2. Auf diese Bestimmungen beruft sich die Beschwerdeführerin und behauptet,
sie sei einerseits Opfer psychischer Gewalt geworden und andererseits sei ihre
Wiedereingliederung im Kosovo gefährdet, da sie dort aufgrund der gescheiterten
Ehe geächtet werde: Bezüglich der geltend gemachten psychischen Gewalt bringt
die Beschwerdeführerin vor, sie habe keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und die
eheliche Wohnung generell nur mit Zustimmung der Schwiegereltern verlassen
dürfen; zudem sei sie verpflichtet gewesen, den Schwiegereltern als
Dienstmädchen zur Hand zu gehen. Als sie sich gegen das patriarchalische Regime
gewehrt habe, sei sie überdies während eines gemeinsamen Besuchs im Kosovo dort
bei ihren Eltern zurückgelassen worden. Hinsichtlich einer Wiedereingliederung
im Kosovo wendet die Beschwerdeführerin ein, sie müsse dort mit Repressalien
seitens der Familie des Ehemanns rechnen; die eigene Familie würde ihr zudem
als Folge der gescheiterten Ehe keine moralische Unterstützung bieten. Im
Weitern sei sie seit März 2015 aufgrund trennungsbedingter Belastung in
psychotherapeutischer Behandlung und latent suizidal; es sei nicht erstellt,
dass sie im Kosovo ebenfalls Zugang zu einer engmaschigen psychotherapeutischen
Betreuung haben werde.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtslage sowie die dazu ergangene
bundesgerichtliche Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben. Ebenso hat sich die
Vorinstanz mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin ausführlich und in
nachvollziehbarer Weise auseinandergesetzt und ist dabei zum Schluss gelangt,
dass die Beschwerdeführerin weder von relevanter psychischer Gewalt betroffen
war, noch im Falle einer Rückkehr in den Kosovo mit unüberbrückbaren
Schwierigkeiten konfrontiert wäre:
Hinsichtlich der behaupteten psychischen Gewalt seien die Ausführungen der
Beschwerdeführerin allgemein gehalten und weder substantiiert noch hinreichend
konkretisiert. Inwiefern die Beschwerdeführerin systematisch kontrolliert und
unter Druck gesetzt worden sei, den Schwiegereltern als Dienstmädchen zur
Verfügung zu stehen, bleibe sowohl aufgrund ihrer Vorbringen als auch der
weiteren Akten unklar. Aus den psychotherapeutischen Berichten ginge hervor,
dass sie unter der Trennung von ihrem Mann leide und durch den negativen
Bewilligungsentscheid des SEM stark belastet werde, da sie sich nicht
vorstellen könne, in den Kosovo zurückzukehren. Hingegen deuteten die
Therapieberichte gerade nicht darauf hin, dass das Verhalten der
Schwiegereltern als psychische Gewalt zu qualifizieren sei, welche mit Hilfe
der Therapie bewältigt werden sollte. Im Weitern sei es nur schwer vorstellbar,
dass die Beschwerdeführerin stets überwacht worden sei, zumal sie gemäss ihren
eigenen Angaben von Februar 2014 bis Dezember 2014 einen Intensiv-Deutschkurs
bei der Migros-Klubschule in Bern besucht habe; dies sei vielmehr als Hinweis
darauf zu werten, dass sie in einer Umgebung gelebt habe, in der ihr die
Integration ermöglicht worden sei. Auch die Behauptung, sie habe keine
Erwerbstätigkeit ausüben dürfen, sei zu relativieren: So habe der Ehemann bei
einer amtlichen Befragung angegeben, er wolle nicht, dass seine Gattin als
Putzfrau arbeite, sondern dass diese eine anständige Ausbildung absolviere.
Diese Angaben erschienen vor dem Hintergrund des von der Beschwerdeführerin
besuchten Intensiv-Deutschkurses als glaubhaft und plausibel. Dass der Ehemann
aus dem gemeinsamen Urlaub im Kosovo alleine in die Schweiz zurückgekehrt sei,
stelle für die Beschwerdeführerin zwar sicher ein belastendes Ereignis dar,
doch sei es ihr unbenommen und schliesslich auch ohne Weiteres möglich gewesen,
ebenfalls zurück in die Schweiz zu reisen.
Sodann sei vorliegend keine Gefährdung der Wiedereingliederung in der Heimat zu
erkennen: Die kinderlose und erst 24-jährige Beschwerdeführerin lebe erst seit
kurzer Zeit in der Schweiz, wogegen sie ihr ganzes übriges Leben im Kosovo
verbracht und dort vor ihrer Heirat in Pristina Jura studiert und in einem
Verkaufsgeschäft gearbeitet habe. Ihre Behauptungen betreffend Gefährdung durch
die Familie des Ehemanns bzw. bezüglich der fehlenden Unterstützung durch die
eigene Familie würden weder näher ausgeführt noch in irgendeiner Weise belegt.
Im Übrigen sei festzuhalten, dass einerseits die Sicherheitsbehörden im Kosovo
schutzwillig und weitgehend auch schutzfähig seien und andererseits ein
absoluter Schutz auch in der Schweiz nicht gewährleistet sei. Die ambulante
psychotherapeutische Behandlung der Beschwerdeführerin, welche vor allem mit
dem Verlust von Lebensperspektiven in der Schweiz und der drohenden Wegweisung,
nicht aber mit einer vorbestehenden schweren Erkrankung in Zusammenhang stünde,
sei grundsätzlich auch im Kosovo möglich, sofern sich die Situation nach der
Rückkehr und dem Wegfall der Ungewissheit nach einer Eingewöhnungsphase nicht
ohnehin verbessere.

2.4. Vor Bundesgericht bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was geeignet
wäre, die Ausführungen und die Schlussfolgerungen der Vorinstanz in Frage zu
stellen: Sie wiederholt im Wesentlichen die grundsätzlich unbestrittenen
Sachverhaltselemente und ihre von der Vorinstanz abweichende Rechtsposition.
Dagegen verzichtet sie betreffend die behauptete psychische Gewalt erneut
darauf, ihre allgemein gehaltenen Behauptungen näher zu umschreiben und etwa
durch die detaillierte Schilderung einzelner Ereignisse zu veranschaulichen und
zu verdeutlichen, inwiefern sie konkret in ihrer Bewegungsfreiheit
eingeschränkt worden oder gegen ihren Willen zu erniedrigenden Arbeiten
gezwungen worden wäre. Auch bezüglich der angeblich gefährdeten
Wiedereingliederung im Kosovo bleibt die Beschwerdeführerin noch immer vage und
unbestimmt: Die angebliche Bedrohung durch Angehörige ihres Ehemanns wird
weiterhin nur pauschal behauptet, wogegen weder dargetan wird, was sie genau
befürchtet, noch dass tatsächlich konkrete Drohung erfolgt wären. Hinsichtlich
der behaupteten fehlenden Unterstützung durch die eigene Familie behauptet sie
unter Hinweis auf ein Schreiben ihres Vaters vom 26. Januar 2017 - gemäss Art.
99 Abs. 1 BGG ein unzulässiges Novum - dass sie nicht mehr in ihr angestammtes
Dorf auf dem Lande ziehen könne, weil ihr das Stigma einer unehrenhaften Person
anhafte. Weshalb sie nicht weiter in Pristina studieren und arbeiten kann, legt
sie dagegen nicht dar. Hinsichtlich der geltend gemachten psychischen Belastung
verweist sie einerseits auf einen neuen Therapiebericht vom 24. Januar 2017,
ebenfalls ein unzulässiges Novum, und andererseits legt sie neu eine Auskunft
der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 4. Juli 2016 ins Recht, wonach in den
psychiatrischen Einrichtungen im Kosovo schlechte Bedingungen und
Personalmangel herrschten. Diese Auskunft beschränkt sich jedoch ausdrücklich
auf die (stationären) Behandlungsmöglichkeiten für schwere depressive Episoden
mit psychotischen Symptomen sowie für paranoide Schizophrenie; solche
Erkrankungen stehen im vorliegenden Fall nicht im Raum. Dass eine ambulante
Gesprächstherapie zur Überwindung der trennungsbedingten Anpassungsstörungen
der Beschwerdeführerin nicht möglich wäre, geht aus dem eingereichten Dokument
nicht hervor, und es wird dies von der Beschwerdeführerin auch nicht
substantiiert behauptet.

3. 
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zufolge
Aussichtslosigkeit kann ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Bundesverwaltungsgericht,
Abteilung VI, sowie der Einwohnergemeinde Bern, Einwohnerdienste, Migration und
Fremdenpolizei, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. April 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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