Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.120/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_120/2017        

Urteil vom 18. Juli 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiberin Petry.

Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________,
2. B.A.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Bühlmann,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Abteilung, vom 21. Dezember 2016.

Erwägungen:

1. 
Die Eheleute A.A.________ (geb. 1951) und B.A.________ (geb. 1945; Name gemäss
ID-Kopie in den Akten) sind spanische Staatsangehörige. Nach einem ersten
Aufenthalt in der Schweiz zwischen 1980 und 1998 reisten sie am 23. September
2010 erneut in die Schweiz ein. Am 27. September 2010 trat A.A.________ eine
Stelle als Bauarbeiter an und ersuchte am 7. Dezember 2010 um eine
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zur unselbständigen Erwerbstätigkeit, welche ihm
am 8. Februar 2011 mit Gültigkeit bis 22. September 2015 erteilt wurde. Seine
Ehefrau erhielt eine ebenfalls bis zum 22. September 2015 gültige
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum Verbleib bei ihrem Ehemann. Am 17. Juli 2015
ersuchten die Eheleute A.________ um Verlängerung ihrer
Aufenthaltsbewilligungen. A.A.________ gab dabei an, nicht mehr erwerbstätig zu
sein, während seine Ehefrau sich als "Rentnerin" bezeichnete. Nachforschungen
des Migrationsamtes des Kantons Zürich (hiernach: Migrationsamt) ergaben, dass
A.A.________ nach einem Riss der Aortenwurzel am 22. Oktober 2010 keiner
Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen war und die Eheleute Ergänzungsleistungen
und Beihilfen, zuletzt im Gesamtbetrag von rund Fr. 50'000.-- pro Jahr,
erhalten hatten.
Mit Verfügung vom 13. November 2015 wies das Migrationsamt das
Verlängerungsgesuch der Eheleute ab und setzte ihnen eine Ausreisefrist. Ein
dagegen erhobener Rekurs bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich blieb
erfolglos (Entscheid vom 16. September 2016). Mit Urteil vom 21. Dezember 2016
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Beschwerde
ebenfalls ab. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1.
Februar 2017 beantragen die Eheleute A.________ die Aufhebung des
vorinstanzlichen Urteils. Ihre Gesuche um Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligungen seien gutzuheissen und von der Wegweisung sei
abzusehen. Eventualiter sei das Verfahren bis zum Vorliegen des Rentenbescheids
betreffend A.A.________ zu sistieren.
Mit Verfügungen vom 2. Februar und 6. Februar 2017 wurde der Beschwerde
antragsgemäss aufschiebende Wirkung erteilt und dem Beschwerdeführer
mitgeteilt, dass kein Anlass für eine Sistierung des bundesgerichtlichen
Verfahrens bestehe.

2. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen
Schriftenwechsel verzichtet. Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet,
weshalb sie nach Art. 109 BGG mit summarischer Begründung und Verweis auf die
vorinstanzlichen Erwägungen erledigt werden kann.

3.

3.1. Als spanische Staatsangehörige können sich die Beschwerdeführer
grundsätzlich auf das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen;
FZA; SR 0.142.112.681) berufen, welches ihnen potenziell einen
Bewilligungsanspruch einräumt. Damit ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2
BGG). Ob sich die Bewilligungsverweigerung rechtfertigt, ist Frage der
materiellen Prüfung.

3.2. In Auslegung von Art. 6 Anhang I FZA hat das Bundesgericht entschieden,
dass eine arbeitnehmende Person ihren freizügigkeitsrechtlichen Status als
unselbständig erwerbstätige Person verlieren kann, (1) wenn sie freiwillig
arbeitslos geworden ist, (2) aufgrund ihres Verhaltens feststeht, dass
keinerlei ernsthafte Aussichten (mehr) darauf bestehen, dass sie in absehbarer
Zeit eine andere Arbeit finden wird oder (3) ihr Verhalten gesamthaft als
rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden muss, da sie ihre Bewilligung (etwa)
gestützt auf eine fiktive bzw. zeitlich kurze Erwerbstätigkeit einzig zum Zweck
erworben hat, von günstigeren Sozialleistungen als im Heimat- oder einem
anderen Vertragsstaat zu profitieren (vgl. BGE 141 II 1 E. 2.2.1 S. 4 mit
Hinweisen).
Der heute 66-jährige Beschwerdeführer gab seine Beschäftigung als Bauarbeiter
wegen einer Krankheit einen Monat nach seiner Einreise in die Schweiz auf und
steht somit seit Oktober 2010 nicht mehr im Arbeitsleben. Gemäss Arztbericht
vom 11. August 2015 kann er nur noch leichte Arbeiten ausführen, und auch dies
nur zu 50%. Die Vorinstanz kam zum Schluss, es bestünden keine ernsthaften
Aussichten (mehr) darauf, dass der Beschwerdeführer in absehbarer Zeit auf dem
hiesigen Arbeitsmarkt wieder eine Stelle finden könnte, womit er den
freizügigkeitsrechtlichen Anwesenheitsanspruch als erwerbstätige Person
verloren habe. Dies wird von den Beschwerdeführern vor Bundesgericht nicht
(mehr) bestritten. Soweit ersichtlich liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die
zu einer gegenteiligen Auffassung führen könnten. Ob der vom Verwaltungsgericht
gegen den Beschwerdeführer zusätzlich geäusserte Vorwurf des Rechtsmissbrauchs
zutrifft, kann hierbei offen bleiben, da dem Beschwerdeführer - wie er selbst
einräumt - in jedem Fall die Arbeitnehmereigenschaft abgesprochen werden muss.

3.3. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht einen
Aufenthaltsanspruch nach Art. 6 FZA i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Anhang I FZA
verneint. Gemäss dieser Bestimmung hängt das Aufenthaltsrecht einer
nichterwerbstätigen Person, welche die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei
besitzt, namentlich vom Nachweis ab, dass sie über ausreichende finanzielle
Mittel verfügt. Damit soll vermieden werden, dass die öffentlichen Finanzen des
Aufnahmestaates über Gebühr belastet werden. Die Voraussetzung der
ausreichenden finanziellen Mittel ist nicht gegeben, wenn die betreffende
Person Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beansprucht (vgl. BGE 142 II 35 E.
5.1 S. 43; 135 II 265 E. 3.6 S. 272).
Die Beschwerdeführer räumen selbst ein, über kein existenzsicherndes Einkommen
zu verfügen und auf Ergänzungsleistungen angewiesen zu sein. Diese belaufen
sich gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz auf Fr. 45'516.--
pro Jahr. In der Beschwerdeschrift wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer
habe einen Antrag auf Altersrente eingereicht, dessen Prüfung noch nicht
abgeschlossen sei. Es sei nach Ansicht der Beschwerdeführer wahrscheinlich,
dass das derzeitige Manko durch das Renteneinkommen des Beschwerdeführers
inskünftig abgedeckt werden könne.
Mangels hinreichender Belege erweist sich diese Argumentation der
Beschwerdeführer jedoch als hypothetisch und spekulativ. Bei der gegebenen
Sachlage ist es evident und letztlich auch unbestritten, dass die
Beschwerdeführer die ökonomischen Voraussetzungen für die Bewilligung eines
erwerbslosen Aufenthaltes gemäss Freizügigkeitsabkommen gegenwärtig nicht
erfüllen. Die Vorinstanz hat somit zu Recht einen Aufenthaltsanspruch nach Art.
24 Abs. 1 Anhang I FZA verneint. Sollte sich die finanzielle Situation der
Beschwerdeführer in Zukunft verbessern, steht es ihnen frei, diesbezügliche
Änderungen des Sachverhalts in einem neuen Gesuch bei den kantonalen
Bewilligungsbehörden vorzubringen (vgl. Urteil 2C_243/2015 vom 2. November 2015
E. 1.5 mit Hinweis).

3.4. Schliesslich können die Beschwerdeführer auch aus dem in Art. 8 EMRK
verankerten Recht auf Privat- und Familienleben keinen Aufenthaltsanspruch
ableiten. Die Beschwerdeführer leben seit 2010 in der Schweiz, wo sie bereits
zwischen 1980 und 1998 ansässig waren. Auch wenn sie insgesamt über 20 Jahre in
der Schweiz gelebt haben, vermag diese lange Anwesenheitsdauer keinen
Aufenthaltsanspruch nach Art. 8 EMRK zu vermitteln (vgl. Urteile 2C_536/2013
vom 30. Dezember 2013 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 140 II 129; 130 II 281 E.
3.2.1 S. 286), zumal sie 1998 freiwillig nach Spanien zurückgekehrt sind und
dort wiederum zwölf Jahre gelebt haben. Eine überdurchschnittliche
Verbundenheit mit den hiesigen Verhältnissen ist nicht ersichtlich. Zwar leben
ihre drei volljährigen Kinder sowie die Enkelkinder in der Schweiz. Die
Beschwerdeführer legen jedoch nicht dar, dass ein besonderes
Abhängigkeitsverhältnis bestünde, welches ihre Anwesenheit in der Schweiz
erforderlich machen würde.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer erweist sich die Nichtverlängerung
ihrer Bewilligungen auch als verhältnismässig. Die heute 66- bzw. 72-jährigen
Beschwerdeführer haben bis 1980 und zwischen 1998 und 2010 in ihrem Heimatland
Spanien gelebt und sind mit den dortigen sprachlichen und gesellschaftlichen
Gegebenheiten nach wie vor bestens vertraut. Es ist ihnen ohne Weiteres
zuzumuten, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Wie die Vorinstanz zudem
zutreffend ausführt, verfügt Spanien über eine medizinische Versorgung nach
üblichen westlichen Standards, womit auch die medizinische Behandlung des
Beschwerdeführers im Heimatland gewährleistet ist. Dass die Beschwerdeführer,
wie sie geltend machen, vom spanischen Staat keinerlei finanzielle
Hilfestellung zu erwarten hätten, lässt ihre Rückkehr nicht unzumutbar
erscheinen.

3.5. Der Antrag der Beschwerdeführer betreffend Wegweisung ist im Rahmen der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zulässig (Art. 83
lit. c Ziff. 4 BGG). Er kann vorliegend auch nicht im Rahmen einer subsidiären
Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 113 BGG geprüft werden, da keine
entsprechenden Verfassungsrügen erhoben werden (vgl. Art. 116 BGG). Auf den
Antrag betreffend Wegweisung ist daher nicht einzutreten.

3.6. Der Beschwerdeschrift lässt sich nichts entnehmen, was geeignet wäre, dem
Verwaltungsgericht in Bezug auf die Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligungen eine Rechtsverletzung vorzuwerfen. Die Beschwerde ist
daher abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

3.7. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) den
Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind
keine geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden unter solidarischer Haftbarkeit den
Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Petry

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