Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.101/2017
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
2C_101/2017        

Urteil vom 1. März 2017

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiberin Mayhall.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt.

Gegenstand
Ausschaffungshaft
(Haft im Rahmen des Dublin Verfahrens),

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht,
vom 20. Januar 2017.

Sachverhalt:

A.
Am 5. Januar 2017 wurde der (nach eigenen Angaben) kamerunische
Staatsangehörige A.________ (geboren 1970) einreisend von Frankreich in die
Schweiz von den Schweizer Grenzwachbehörden kontrolliert, wobei er sich mit
einem französischen Aufenthaltstitel und einem französischen Führerausweis,
lautend auf B.________, auswies. Während einer Durchsuchung des gefahrenen
Personenwagens, bei welcher ein auf A.________ lautender, in Belgien gestellter
Asylantrag sowie eine auf den Namen C.________ lautende Kreditkarte gefunden
wurde, gab er an, A.________ zu heissen und keine eigenen Reisedokumente mit
sich zu führen. Die Grenzwachbehörde stellte weiter fest, dass der von
A.________ gefahrene Personenwagen auf Grund fehlenden Versicherungsschutzes
nicht zur Benutzung im Strassenverkehr zugelassen sei.
Gleichentags wurde A.________ vorläufig festgenommen. Am 6. Januar 2017
entliess ihn die Staatsanwaltschaft zu Handen des Migrationsamtes des Kantons
Basel-Stadt aus der vorläufigen Festnahme. Dieses führte gleichentags eine
Einvernahme durch, zu welcher A.________ eine Anwältin beigegeben wurde. Nach
dieser Einvernahme ordnete das kantonale Migrationsamt mit Verfügung desselben
Datums gestützt auf Art. 76a Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes vom 16. Dezember
2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) eine
Administrativhaft (sog. "Dublin-Haft", vgl. Botschaft vom 7. März 2014 über die
Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der
EU betreffend die Übernahme der Verordnungen [EU] Nr. 603/2013 und [EU] Nr. 604
/2013 [Weiterentwicklungen des Dublin/Eurodac-Besitzstands], BBl 2014 2694
[nachfolgend: Botschaft Dublin 2014]) von sieben Wochen an und eröffnete
A.________ diese Verfügung noch in Anwesenheit der Rechtsvertreterin. Am 12.
Januar 2017 zeigte Dr. Nicolas Roulet die Interessenwahrung beim kantonalen
Migrationsamt an und ersuchte um Akteneinsicht. Mit Eingabe vom 16. Januar 2017
an das kantonale Migrationsamt ersuchte der Rechtsvertreter im Namen von
A.________ um gerichtliche Überprüfung der Haft und stellte den Antrag,
A.________ sei, unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung, unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

B.
Der Antrag auf Haftüberprüfung wurde am 17. Januar 2017 an das Gericht weiter
geleitet. Dieses setzte dem Rechtsvertreter nach telefonischer Rücksprache am
18. Januar 2017 Frist bis Donnerstag, 19. Januar 2017, zur Einreichung einer
Begründung des Antrags an. Die Vorakten wurden beigezogen. Mit Urteil vom 20.
Januar 2017 erkannte die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, die vom
kantonalen Migrationsamt für die Dauer vom 6. Januar 2017 bis 24. Februar 2017
angeordnete Haft sei rechtmässig und angemessen. Gerichtskosten wurden nicht
erhoben. Der Antrag auf unentgeltliche Verbeiständung wurde abgewiesen.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. Januar 2017
beantragt A.________, vertreten durch Dr. Nicolas Roulet, das Urteil der
Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2017 sei
vollumfänglich, eventualiter teilweise, aufzuheben. Der Beschwerdeführer sei
unverzüglich aus der Ausschaffungshaft zu entlassen und auf freien Fuss zu
setzen. Der vorinstanzliche Kostenentscheid sei vollumfänglich aufzuheben,
eventualiter sei dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren die
unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit dem Unterzeichneten als
Advokaten zu bewilligen und es sei die Angelegenheit zur Festsetzung eines
angemessenen Anwaltshonorars an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventualiter
sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sei dem
Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung mit dem
Unterzeichneten als Advokaten zu bewilligen.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat am 6. Februar 2017 die Wegweisung
des Beschwerdeführers aus der Schweiz in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaat
Belgien verfügt, wobei er die Schweiz unter Androhung von Zwangsmitteln im
Unterlassungsfall spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu
verlassen habe. Das SEM beauftragte den Kanton Basel-Stadt mit dem
Wegweisungsvollzug und entzog einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Zur
Sicherstellung des Vollzugs dieser Verfügung ordnete das kantonale
Migrationsamt mit Verfügung desselben Datums gestützt auf Art. 76a Abs. 3 lit.
c AuG Dublin-Haft für sechs Wochen bis 27. März 2017 an. Mit Urteil vom 16.
Februar 2017 erkannte der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
am Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, die über
den Beschwerdeführer angeordnete Haft bis am 27. März 2017 sei rechtmässig, und
wies das Haftentlassungsgesuch ab.
Die Vorinstanz schliesst auf Abweisung der Beschwerde des Beschwerdeführers vom
30. Januar 2017 gegen das angefochtene Urteil der Vorinstanz vom 20. Januar
2017. Das kantonale Migrationsamt hat auf Einreichung einer Vernehmlassung
verzichtet. Das SEM teilt die Auffassung der Vorinstanz und des kantonalen
Migrationsamtes und weist insbesondere auf die mehrmalige, wissentliche
illegale Ein- und Ausreise in Schengenländer und die Schweiz hin. In einer
weiteren Eingabe lässt sich der Beschwerdeführer zu den Eingaben der Vorinstanz
und des kantonalen Migrationsamtes vernehmen. Die Vorinstanz reicht ihr Urteil
vom 16. Februar 2017 ein.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer hat frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht
(Art. 42 BGG) eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
eingereicht. Sie richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) eines
oberen kantonalen Gerichts (Art. 86 Abs. 2 BGG) auf dem Gebiet der
ausländerrechtlichen Dublin-Haft. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. d e contrario [BGE
142 I 135 E. 1.1 S. 138 ff.], Art. 86 Abs. 2 BGG [BGE 135 II 94 E. 4.1 S. 97
f.; MARTIN BUSINGER, Ausländerrechtliche Haft, Diss. 2015, S. 259 f.).

1.2. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und
ist mit seinen Anträgen unterlegen. Er ist zur Anfechtung des vorinstanzlichen
Entscheids vom 20. Januar 2017 legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Im Zeitpunkt
des Erlasses des bundesgerichtlichen Urteils befindet er sich zwar nicht mehr
gestützt auf die Verfügung vom 6. Januar 2017, sondern gestützt auf die
Verfügung vom 6. Februar 2017 in Haft. Seine Beschwerde ist hinsichtlich der 
Überprüfung der mit Verfügung vom 6. Januar 2017 angeordneten und mit
angefochtenem Entscheid vom 20. Januar 2017 bestätigten, auf Art. 76a Abs. 3
lit. a AuG abgestützten  Haft zwecks Vorbereitung seiner Überstellung an den
zuständigen Dublin-Mitgliedstaat durch die am 6. Februar 2017 angeordnete Haft
zwecks Sicherstellung des Vollzugs zwischen Eröffnung des Weg- und
Ausweisungsentscheides (Art. 76a Abs. 3 lit. c AuG) jedoch nicht gegenstandslos
geworden (Verfügung 2C_743/2016 vom 30. September 2016 E. 3.2 e contrario),
können sich doch die vertretbar gerügten EMRK-Verletzungen als Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung jederzeit wieder stellen und ist kaum je rechtzeitig
eine bundesgerichtliche Prüfung möglich, weshalb vom Erfordernis des
praktischen und aktuellen schutzwürdigen Rechtsschutzinteresses (Art. 89 Abs. 1
lit. c BGG) abzusehen ist (BGE 142 I 135 E. 1.3.2 S. 144; Verfügung 2C_743/2016
vom 30. September 2016 E. 3.3).

1.3. Mit Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Die
Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht
untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S.
254).

1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz
kann von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich
unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen
beinhaltet (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz
erwähnt, beruht auch eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung auf einer
Rechtsverletzung. Was rechtserheblich ist, bestimmt das materielle Recht; eine
in Verkennung der Rechtserheblichkeit unvollständige Erstellung der für die
rechtliche Beurteilung massgeblichen Tatsachen stellt demzufolge eine
Verletzung materiellen Rechts dar (BGE 136 II 65 E. 1.4 S. 68, 134 V 53 E. 4.3
S. 62).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, der vorinstanzliche Entscheid verletze Bundesrecht,
insbesondere Art. 76a AuG, sowie Art. 28 der Verordnung EU Nr. 604/2013 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der
Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung
eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat
gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-Verordnung,
ABl. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 31-59), wodurch seine persönliche Freiheit
eingeschränkt worden sei. Überdies rügt er eine Verletzung der allgemeinen
Verfahrensgarantie auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung nach Art. 29 Abs. 3 BV.

2.1. Freiheitsentziehende ausländerrechtliche Zwangsmassnahmen fallen sowohl in
den Anwendungsbereich von Art. 5 EMRK wie auch in denjenigen von Art. 31 BV (
BGE 142 I 135 E. 3.1 S. 147). Aus beiden Garantien fliesst ein Anspruch auf
Prüfung der Haftanordnung: Gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jede Person, der die
Freiheit entzogen ist, das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb
kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet. Nach
Art. 31 Abs. 4 BV nimmt ein Gericht so rasch wie möglich eine Haftprüfung vor.

2.2. Die Dublin-Haft wird nach der gesetzlichen Regelung von Art. 80a Abs. 2
und Abs. 3 AuG auf Beschwerde bzw. Antrag des Betroffenen hin richterlich
überprüft, wobei diese Bestimmungen keine Fristen vorgeben. Die
rechtsprechungsgemässe Frist für die Behandlung der Beschwerde (BGE 142 I 135
E. 3.3 S. 148, in Analogie zu Art. 80 Abs. 2 AuG und Art. 109 des Asylgesetzes
vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]) wurde mit dem richterlichen Entscheid vom
20. Januar 2017 eingehalten. Das vorinstanzliche Verfahren ist in Sachen
Fristeinhaltung bei der Haftprüfung nicht zu beanstanden.

2.3. Das Zwangsmassnahmegericht prüft, ob die Voraussetzungen für eine
Dublin-Haft vorlagen und immer noch vorliegen oder eine Entlassung aus der Haft
(Art. 80a Abs. 7 AuG) angezeigt ist.

2.3.1. Die Haftgründe der Dublin-Haft sind in Art. 76a AuG geregelt. Art. 76a
AuG wurde zur Erfüllung der in Art. 1 Abs. 3 und Art. 4 des Abkommens vom 26.
Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des
zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der
Schweiz gestellten Asylantrags (Dublin-Assoziierungs-Abkommen; SR 0.142.392.68)
eingegangenen Verpflichtung zur Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklungen
des Dublin/Eurodac-Besitzstands erlassen (Botschaft Dublin 2014, BBl 2014
2681). Art. 76a AuG ist in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen
Verpflichtungen der Schweiz im Sinne des zu übernehmenden Sekundärrechts der
Europäischen Union auszulegen (BGE 142 I 135 E. 4.1 S. 150).

2.3.2. Eine Person kann nicht einzig deswegen inhaftiert werden, weil sie sich
in einem Dublin-Verfahren befindet (Art. 28 Abs. 1 Dublin-Verordnung; Botschaft
Dublin 2014, BBl 2014 2689). Gemäss Art. 76a AuG kann,  zur Sicherstellung der
Wegweisung in den für das Asylverfahren zuständigen Staat, die betroffene
Person inhaftiert werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass die
Person sich der  Durchführung der Wegweisung entziehen will, die Haft 
verhältnismässig ist, und sich  weniger einschneidende Massnahmen nicht wirksam
anwenden lassen (Art. 76a Abs. 1 AuG; unter Verweis auf Art. 28 Abs. 2 der
Dublin-Verordnung); die Anzeichen für eine Vereitelung müssen erheblich sein
(HRUSCHKA/MAIANI, EU Immigration and Asylum Law, A Commentary, 2. Aufl. 2016,
N. 6 zu Art. 28 Dublin III Regulation [EU] Nr. 604/2013; BUSSLINGER/
SEGESSENMANN, a.a.O., S. 223). Art. 28 Abs. 2 der Dublin-Verordnung enthält,
von im Dublin-Verfahren selbst gründenden Abweichungen abgesehen, inhaltlich
denselben Standard wie andere sekundärrechtliche Normen zur
ausländerrechtlichen Haft, wie insbesondere Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von
Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen
(ABl. L. 180 vom 29. Juni 2013 S. 96-116; HRUSCHKA/MAIANI, a.a.O., N. 4 zu Art.
28 Dublin III Regulation [EU] No 604/2013; für eine Übersicht über prozedurale
Garantien im europäischen Migrationsrecht siehe CHRISTOPHE POULY, Les garanties
procédurales dans le nouveau régime d'asile européen commun, AJDA Nr. 41/2013
S. 2358 ff.). Die  konkreten Anzeichen, welche befürchten lassen, dass sich die
betroffene Person der Durchführung der Wegweisung entziehen will, hat der
Gesetzgeber in Art. 76a Abs. 2 AuG abschliessend umschrieben (BGE 142 I 135 E.
4.1 S. 150). Verletzungen der Mitwirkungspflicht zur Feststellung der Identität
oder bei Beweissicherungen vermögen dabei allenfalls kurze Anhaltungen zwecks
zwangsweiser Durchsetzung der verletzten Mitwirkungspflicht rechtfertigen (PEEK
/TSOURDI,  EU Immigration and Asylum Law, A Commentary, 2. Aufl. 2016, N. 17 zu
Art. 8 Asylum Reception Conditions Directive 2013/33/EU; die Vereinbarkeit von
Art. 8 Abs. 3 lit. a und b der Richtlinie 2013/33/EU mit höherrangigem Recht
bildet Gegenstand der vor dem Europäischen Gerichtshof   [EuGH]   hängigen
Rechtssache C-18/16, ABl. C 98/25 vom 14. März 2016).

2.3.3. Die Vorinstanz hat erwogen, die vom kantonalen Migrationsamt für sieben
Wochen angeordnete Haft sei wegen erheblicher Untertauchensgefahr (Art. 76a
Abs. 1 lit. a AuG), insbesondere wegen möglicher Missachtung von behördlichen
Verfügungen (Art. 76a Abs. 2 lit. b AuG) und Verschleierung des zuvor in
Belgien eingereichten Asylantrags (Art. 76a Abs. 2 lit. i AuG) rechtmässig
angeordnet worden. Anlässlich der Befragung des Beschwerdeführers habe dieser
falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und seinen in Belgien eingereichten
Asylantrag unerwähnt gelassen; die Behörde habe des weiteren erfahren, dass
sich der Beschwerdeführer im letzten Jahr mehrheitlich in der Schweiz, aber
auch in Frankreich und in Belgien aufgehalten habe, und zur Verschleierung
seines illegalen Aufenthalts in Schengenländern nicht auf seine wahre Identität
lautende Dokumente verwende. Die Rückführung des Beschwerdeführers nach Belgien
könne angesichts seines bisherigen Verhaltens nicht mit milderen Mitteln
sichergestellt werden; ein ausgefülltes, aber nicht eingereichtes Formular für
Ehevorbereitung mit einer in Genf lebenden Person vermöge die Untertauchgefahr
nicht zu entkräften. Die Dublin-Haft sei somit nicht nur rechtmässig angeordnet
worden (Art. 76a Abs. 1 lit. a AuG), sondern erweise sich auch als angemessen
(Art. 76a Abs. 1 lit. b und lit. c AuG).

2.3.4. Die Dublin-Haft wurde gegenüber dem Beschwerdeführer nicht bloss wegen
Unklarheiten seine Identität betreffend angeordnet. Die Anordnung erfolgte
vielmehr hauptsächlich deswegen, weil der Beschwerdeführer sich nicht nur seit
mehr als einem Jahr illegal im Schengenraum und in der Schweiz aufhält, sondern
seinen illegalen Aufenthalt gezielt und systematisch im Umgang mit Behörden
durch Verwendung nicht auf ihn ausgestellter Dokumente zu verschleiern
versucht. Die nicht nur ausnahmsweise, sondern systematische Verwendung von auf
andere Personen ausgestellte Dokumente lässt den Schluss zu, dass der
Beschwerdeführer höchstwahrscheinlich behördlichen Anordnungen keine Folge
leistet (Art. 76a Abs. 2 lit. b AuG) und bei einer Gesamtbetrachtung
erhebliche, konkrete Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Beschwerdeführer
einer Wegweisung aus der Schweiz nach Belgien entziehen wird (Art. 76a Abs. 1
lit. a AuG). Ob der Beschwerdeführer darüber hinaus gegenüber der Behörde auch
die Einreichung eines zuvor gestellten Asylantrags verneint hat (Art. 76a Abs.
2 lit. i AuG), muss nicht mehr geprüft werden, und die zum Versicherungsschutz
des geführten Personenwagens angebotenen Beweismittel (ungeachtet Art. 99 BGG)
sind bereits wegen fehlender Rechtserheblichkeit nicht abzunehmen (BGE 138 V
125 E. 2.1 S. 127; 136 I 265 E. 3.2 S. 272). Angesichts seines längeren
illegalen Aufenthalts in mehreren Schengenländern bzw. in der Schweiz und der
zu dessen Verschleierung entwickelten Strategien lässt die behauptete
jederzeitige Kontaktmöglichkeit an der Wohnadresse seiner Verlobten in Genf die
Dublin-Haft nicht als unangemessen erscheinen, zumal die Ehevorbereitungen nach
aussen noch nicht manifestiert worden sind. Die gestützt auf Art. 76a AuG
angeordnete Haft ist nicht zu beanstanden, weshalb das konventionsrechtlich
(Art. 5 EMRK) und verfassungsrechtlich garantierte Recht des Beschwerdeführers
auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) nicht verletzt worden
ist. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.

3.
Als begründet erweist sich die Beschwerde soweit dem Beschwerdeführer im
vorinstanzlichen Verfahren auf richterliche Überprüfung der Dublin-Haft die 
unentgeltliche Verbeiständung verwehrt worden ist.

3.1. Während die verfahrensrechtlichen Garantien in Zusammenhang mit dem 
Überstellungsentscheid in Art. 27 der Dublin-Verordnung und die unentgeltliche
Rechtspflege insbesondere in Art. 27 Abs. 6 der Dublin-Verordnung geregelt
worden ist (Botschaft Dublin 2014, BBl 2014 2688 f.; HRUSCHKA/MAIANI, a.a.O.,
N. 20 ff. zu Art. 27 Abs. 5 und Abs. 6 Dublin III Regulation [EU] Nr. 604/
2013), verweist Art. 28 Abs. 4 der Dublin-Verordnung hinsichtlich der 
Haftbedingungen und der  Garantien für in Haft befindliche Personen zwecks
Absicherung der Überstellungsverfahren in den zuständigen Dublin-Mitgliedstaat
auf die  Art. 9, Art. 10 und Art. 11 der Richtlinie 2013/33/EU.

3.2. Gemäss Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie 2013/33/EU sorgen die Mitgliedstaaten
bei der erstmaligen richterlichen Prüfung der Rechtmässigkeit und
Angemessenheit der Haft dafür, dass die Antragsteller unentgeltliche
Rechtspflege in Anspruch nehmen können,  wobei die Rechtsberatung und
-vertretung zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente
und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Inhaftierten vor den
Justizbehörden umfasst. Der Gesetzeswortlaut von Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie
2013/33/EU eröffnet, im Gegensatz zu Art. 26 Abs. 3 derselben Richtlinie, den
einzelnen Staaten  nicht die Möglichkeit, die unentgeltliche Rechtspflege vom
Erfordernis einer konkreten Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abhängig zu
machen. Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzestextes legen somit nahe, dass
Inhaftierte für die  Haftüberprüfung Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung  ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache selbst haben 
(PEEK/TSOURDI, a.a.O., N. 16 zu Art. 9 Asylum Reception Conditions Directive
2013/33/EU). Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch bestätigt, dass der
Verzicht auf das Erfordernis der Erfolgsaussicht im Wortlaut von Art. 9 Abs. 6
der Richtlinie 2013/33/EU auf einen zwischen Europäischem Parlament und dem Rat
erzielten Kompromiss zurückzuführen ist (Standpunkt des Rates in erster Lesung
im Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und
des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antragstellern auf
internationalen Schutz [Neufassung], angenommen am 6. Juni 2013 [ST 14654/2/12
REV 2 ADD 1], S. 4, 7). Die einzelnen Staaten können jedoch die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege im Zusammenhang mit dem  Haftprüfungsverfahren von
der finanziellen Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig machen (Art. 9 Abs.
7 lit. a, Abs. 8 lit. b Richtlinie 2013/33/EU), sie durch spezifische, nach
nationalem Recht zur Unterstützung von Antragsstellern bestimmten Personen
erbringen lassen (Art. 9 Abs. 7 lit. b Richtlinie 2013/33/EU) und sie nach
finanziellen und/oder zeitlichen Kriterien begrenzen (Art. 9 Abs. 8 lit. a
Richtlinie 2013/33/EU; vgl. dazu PEEK/TSOURDI, a.a.O., N. 14 f.).

3.3. Durch den in Art. 28 Abs. 4 Dublin-Verordnung enthaltenen Verweis wird die
Regelung, auf welche verwiesen wird (Art. 9, Art. 10, Art. 11 der Richtlinie
2013/33/EU), durch Inkorporation Teil der Dublin-Verordnung, und ist als solche
als Teil des  acquis auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbar (HRUSCHKA/MAIANI,
a.a.O., N. 5 zu Art. 28 Dublin III Regulation [EU] Nr. 604/2013; ausdrücklich
auch Botschaft Dublin 2014, BBl 2014 2707). Angesichts dessen, dass das Recht
auf unentgeltliche Verbeiständung anlässlich der erstmaligen richterlichen
Überprüfung der Dublin-Haft  nicht von den Erfolgsaussichten in der Sache
selbst und, anders als bei ausländerrechtlicher Haft üblich (vgl. BGE 139 I 206
E. 3.3.1 S. 214; 134 I 92 E. 3.2.3 S. 100; Urteile 2C_526/2016 vom 30. Juni
2016 E. 2.1; 2C_906/2008 vom 28. April 2009 E. 2.2.2), auch  nichterst nach
einem bestimmten Zeitablauf entsteht, hätte die Vorinstanz prüfen müssen, ob
der Beschwerdeführer bedürftig ist und ihm deswegen die Verbeiständung 
unentgeltlich hätte gewährt werden müssen. In diesem Punkt erweist sich die
Beschwerde als begründet, und ist sie teilweise gutzuheissen. Das angefochtene
Urteil ist insoweit aufzuheben, als der Antrag auf unentgeltliche
Verbeiständung im vorinstanzlichen Verfahren abgewiesen wurde, und die Sache in
diesem Umfang zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

4.
Dem Kanton Basel-Stadt, der teilweise unterliegt, sind keine Verfahrenskosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegner wird im Umfang seines
Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat jedoch für das
bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung gestellt. Dieses kann gutgeheissen werden (Art.
64 BGG), soweit es nicht gegenstandslos geworden ist, womit keine Kosten zu
erheben sind. Der Kanton Basel-Stadt hat dem Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren eine
reduzierte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Dieser wird
im Übrigen als unentgeltlicher Rechtsvertreter aus der Bundesgerichtskasse
entschädigt (Art. 64 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Urteil der Einzelrichterin für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2017 wird insoweit
aufgehoben, als der Antrag auf unentgeltliche Verbeiständung abgewiesen wurde.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an
die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht
gegenstandslos geworden ist, und Advokat Nicolas Roulet zum unentgeltlichen
Rechtsvertreter für das bundesgerichtliche Verfahren bestimmt.

3. 
Es werden keine Kosten erhoben.

4. 
Der Kanton Basel-Stadt hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. Aus der
Bundesgerichtskasse wird diesem eine Entschädigung von Fr. 1'000.--
ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Einzelrichterin für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem Staatssekretariat für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. März 2017

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Seiler

Die Gerichtsschreiberin: Mayhall

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben