Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1005/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
2C_1005/2017  
 
 
Urteil vom 20. August 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Gerichtsschreiberin Mayhall. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Manuel Rohrer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Personenstand des Kantons Bern, 
Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung infolge
Straffälligkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 24.
Oktober 2017 (100.2017.259). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (Jahrgang 1975) reiste am 7. Juli 2000 in die Schweiz ein. Er
heiratete am 21. Juli 2000 die italienische Staatsangehörige B.________ und
wurde am 7. November 2000 Vater des gemeinsamen Sohnes C.________. Gestützt auf
seine Ehe wurde ihm eine EU/EFTA-Niederlassungsbewilligung für die Schweiz und
die italienische Staatsbürgerschaft erteilt. Am 9. Juli 2003 verurteilte das
Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland A.________ wegen grober Verletzung
der Verkehrsregeln und Übertretungen des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1951
über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmG; SR 812.121). Am
9. September 2004 erging eine Verurteilung des Untersuchungsrichters des
Kantons Freiburg wegen Diebstahls zu einer bedingten Gefängnisstrafe von einem
Monat und zu einer Busse. Mit Urteil vom 16. Februar 2005 sprach der
Gerichtskreis VIII Bern-Laupen wegen Hehlerei gegen A.________ eine
Gefängnisstrafe von 20 Tagen aus. 
Die Ehe zwischen A.________ und B.________ wurde am 2. Juni 2006 geschieden. 
Am 2. Juni 2009 verurteilte das Untersuchungsrichteramt I Berner Jura-Seeland
A.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten
Geldstrafe von 15 Tagessätzen. Mit Urteil vom 11. September 2014 verurteilte
ihn die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg wegen Vergehen nach Art. 19
Abs. 1 BetmG zu einer bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen. Das
Kantonsgericht Freiburg verurteilte A.________ am 2. Oktober 2014 wegen
mehrfacher Vergewaltigung (begangen Ende 2005 und am 26. Oktober 2009),
mehrfacher Nötigung (begangen zwischen Ende 2005 und dem 30. Oktober 2009),
einfacher Körperverletzung (begangen im Sommer 2008 und am 1. Mai 2010),
Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs (begangen im September 2009), Hehlerei
(begangen zwischen dem 14. Dezember 2009 und dem 25. Januar 2010), Verleumdung
(begangen am 29. Oktober 2009) und Führens eines Motorfahrzeuges trotz
Verweigerung, Entzugs oder Aberkennung des erforderlichen Ausweises (begangen
am 4. Januar 2012) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon 24 Monate
bedingt vollziehbar mit einer Probezeit von fünf Jahren. Mit demselben Urteil
wurde das Verfahren betreffend Diebstahl, Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen, einfache Verkehrsregelverletzung sowie Übertretung des BetmG
eingestellt. Vom Vorwurf des Fahrens ohne Führerschein am 15. und am 24. Juni
2010 wurde A.________ freigesprochen. 
Mit Verfügung vom 9. September 2016 widerrief das Amt für Migration und
Personenstand des Kantons Bern die Niederlassungsbewilligung von A.________,
setzte im eine Ausreisefrist an und wies ihn aus der Schweiz weg. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 7. August 2017 wies die Polizei- und Militärdirektion des
Kantons Bern die Beschwerde von A.________ gegen die Verfügung vom 9. September
2016 ab und setzte eine neue Ausreisefrist an. Mit Urteil vom 24. Oktober 2017
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die von A.________ gegen diesen
Entscheid vom 24. Oktober 2017 erhobene Beschwerde ebenfalls ab und setzte eine
neue Ausreisefrist an. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 24. Oktober 2017 sei aufzuheben und es sei dem Beschwerdeführer die
Niederlassungsbewilligung EU/ EFTA zu belassen und praxisgemäss zu verlängern,
eventualiter sei der Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts aufzuheben
und (die Sache) zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der
Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der
Beschwerde mit Verfügung vom 29. November 2017 die aufschiebende Wirkung
erteilt. 
Die Vorinstanz und die kantonale Polizei- und Militärdirektion schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG)
eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten oberen
kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG; Art. 90 BGG) in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG).  
 
1.2. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über
ausländerrechtliche Bewilligungen ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder das
Bundes- noch das Völkerrecht einen Rechtsanspruch einräumen. Grundsätzlich
besteht ein Anspruch auf den Fortbestand einer bereits erteilten
Niederlassungsbewilligung. Wird die Niederlassungsbewilligung widerrufen, so
steht gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die
Beschwerde ist zulässig und der Beschwerdeführer dazu legitimiert (Art. 89 Abs.
1 BGG). Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich der Erfüllung der Rüge- und
Begründungspflicht, in dem Umfang einzutreten.  
 
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2
BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige
weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E.
1.6 S. 280 mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem
und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine
solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133
II 249 E. 1.4.2 S. 254).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist
ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen beinhaltet (BGE 137 I 58
E. 4.1.2 S. 62). Obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt, beruht auch eine
unvollständige Sachverhaltsfeststellung auf einer Rechtsverletzung. Was
rechtserheblich ist, bestimmt das materielle Recht; die unvollständige
Erstellung der für die rechtliche Beurteilung massgeblichen Tatsachen stellt
demzufolge eine Verletzung materiellen Rechts dar (BGE 136 II 65 E. 1.4 S. 68;
134 V 53 E. 4.3 S. 62; MEYER, Wege zum Bundesgericht - Übersicht und
Stolpersteine, ZBJV 146/2010 S. 857). Die dem Bundesgericht durch Art. 105 Abs.
2 BGG eingeräumte Befugnis, die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zu
berichtigen oder zu ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung von Art. 95 BGG beruht, entbindet den Beschwerdeführer
nicht von seiner Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 133 IV 286 E. 6.2 S.
288). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der
festgestellte Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft erscheint und die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG); rein
appellatorische Kritik an der Sachverhaltsermittlung und an der Beweiswürdigung
genügt den Begründungs- bzw. Rügeanforderungen nicht (vgl. BGE 139 II 404 E.
10.1 S. 445 mit Hinweisen).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt den angefochtenen Entscheid sowohl hinsichtlich der
Anlasstat wie auch der Verhältnismässigkeit der aufenthaltsbeendenden
Massnahme. Er wolle zwar die Vorfälle der Vergewaltigung nicht verharmlosend
darstellen, doch dürfe nicht übersehen werden, dass die Verurteilung aufgrund
eines Indizienprozesses erfolgt sei und sämtliche befragten Zeuginnen den
Vorfall nur vom Hörensagen gekannt hätten; das Gericht sei den Ausführungen des
Gutachters gefolgt und habe den Beschwerdeführer in zweiter Instanz für
schuldig erklärt. Dem Beschwerdeführer würde jedoch keineswegs die Einsicht in
seine Tat fehlen; es sei nur so, dass bei Sexualdelikten zahlreiche falsche
Anschuldigungen erhoben würden und der angebliche Täter auch das Recht habe,
sich dagegen zur Wehr zu setzen. Von einer mangelnden Integration könne beim
Beschwerdeführer, welcher eine feste Arbeitsstelle, keine Schulden und einen
Sohn habe, zu welchem er regelmässig Kontakt pflege, keine Rede sein. Die
eigentliche unrichtige Sachverhaltsfeststellung liege jedoch in der von der
Vorinstanz zu Unrecht bejahten Rückfallgefahr. Zur Beantwortung der Frage, ob
vom Beschwerdeführer eine Rückfallgefahr ausgehe, sei, entgegen einem
ausdrücklich gestellten Beweisantrag, kein Gutachten erstellt worden. Vielmehr
sei das Verhalten des Beschwerdeführers (Abstreiten der Tat) zu seinen
Ungunsten ausgelegt und daraus der Schluss gezogen worden, eine tatsächliche
und hinreichend schwere Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
liege vor. Die Gerichte in der Schweiz seien jedoch nicht unfehlbar und zu
Unrecht verurteilte Personen würden ebenso zum System gehören wie
fälschlicherweise freigesprochene Straftäter, weshalb dem Beschwerdeführer
nicht negativ angelastet werden dürfe, dass er bis heute (insbesondere) die
Sexualdelikte bestreite und einen Revisionsprozess in Erwägung ziehe. Seit der
letzten Tat sei eine beachtliche Anzahl von Jahren verstrichen, während welcher
der Beschwerdeführer auch eine neue, längerdauernde Beziehung ohne häusliche
Gewalt oder vergleichbaren Taten geführt habe. Indem die Vorinstanz von einer
aktuellen Rückfallgefahr des Beschwerdeführers ausgehe, diese
Sachverhaltsdarstellung weder mit einem psychiatrischen Gutachten noch
sonstigen forensischen Beweisen belege, sondern lediglich das Abstreiten der
Tat und die verhältnismässige Schwere des Delikts in die Beurteilung
einfliessen lasse, sowie auf positiv zu wertende Elemente wie die gewährte
Vollzugsform der Halbgefangenschaft und das Nachtatverhalten nicht eingehe,
habe sie den Sachverhalt unrichtig und willkürlich festgesetzt. 
 
2.1. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. b des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer
(AuG; SR 142.20) kann der Aufenthalt beendet werden, wenn der Ausländer zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde; dieser Beendigungsgrund
findet auch Anwendung, wenn sich eine ausländische Person seit über 15 Jahren
in der Schweiz aufhält (Art. 63 Abs. 2 AuG). Als längerfristig gilt nach der
gefestigten Rechtsprechung eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr (BGE
135 II 377 E. 4.2 S. 379 ff.), wobei mehrere unterjährige Strafen bei der
Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (BGE 139 I 31 E. 2.1 S. 32).  
 
2.2. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss zudem verhältnismässig
sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG). Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der
staatlichen Anordnung des Widerrufs (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AuG) entspricht
inhaltlich jener, welche bei eröffnetem Schutzbereich für die rechtmässige
Einschränkung der konventionsrechtlichen Garantie gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK
vorausgesetzt wird (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31
E. 2.3.1 S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). Massgebliche Kriterien sind grundsätzlich
die Schwere des Delikts, wobei besonders ins Gewicht fällt, ob diese Taten als
Jugendlicher oder als Erwachsener begangen wurden und ob es sich dabei um
Gewaltdelikte handelte, das Verschulden des Betroffenen, der seit der Tat
vergangene Zeitraum und das Verhalten des Betroffenen während diesem, der Grad
seiner Integration bzw. die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum
Aufenthalts- und zum Heimatstaat, die Dauer der bisherigen Anwesenheit, die ihm
und seiner Familie drohenden Nachteile, insbesondere unter gesundheitlichen
Aspekten, sowie die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer
der Fernhaltung (BGE 139 I 16 E. 2.2.1 S. 19, E. 2.2.2 S. 20; 139 I 31 E. 2.3.1
S. 33, E. 2.3.3 S. 34 f.). Nach der bundesgerichtlichen Praxis gelten Delikte
gegen die sexuelle Integrität als schwere Rechtsgutsverletzungen, die ein hohes
Interesse an der Ausreise des verurteilten Straftäters begründen (BGE 139 I 16
E. 2.2.1 S. 20; 139 II 121 E. 6.3 S. 131; Urteile 2C_520/2017 vom 15. November
2017 E. 3.2.6; 2C_787/2015 vom 29. März 2016 E. 4.3; 2C_860/2016 vom 2.
Dezember 2016 E. 2.3). Generalpräventive Gesichtspunkte dürfen berücksichtigt
werden, sofern die ausländische Person vom Anwendungsbereich des
Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) ausgenommen ist (BGE 136 II 5
E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; je zum FZA).  
 
2.3. Kann sich hingegen ein Angehöriger eines Mitgliedstaates der EU auf ein
aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und
der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) fliessendes
Anwesenheitsrecht berufen, kommt der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung
einer Beschränkung der aus dem FZA fliessenden Rechte gleich, weshalb der
Bewilligungsentzug auch den Anforderungen dieses Abkommens zu genügen hat (BGE
139 II 121 E. 5.3 S. 125; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 182 ff.; Urteile 2C_787/2015
vom 29. März 2016 E. 4.3; 2C_784/2014 vom 24. April 2015 E. 2.1; 2C_401/2012
vom 18. September 2012 E. 3.1). In Anwendung der Art. 5 Anhang I FZA zu Grunde
liegenden Prinzipien ist ein Widerruf einer Niederlassungsbewilligung nur
gerechtfertigt, wenn eine hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung der
öffentlichen Ordnung vorliegt. Eine strafrechtliche Verurteilung erfüllt dieses
Kriterium, wenn die betreffende Person mit der begangenen Tat ein persönliches
Verhalten zeigt, das eine künftige Gefährdung als wahrscheinlich erscheinen
lässt (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/ EWG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2
Anhang I FZA). Art. 5 Anhang I FZA steht Massnahmen entgegen, die (allein) aus
generalpräventiven Gründen verfügt werden (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125 f.; 136
II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; 129 II 215 E. 7.1 S. 221 f.).
Die Anwendbarkeit des FZA setzt eine abkommensrechtliche
Freizügigkeitskonstellation voraus (BGE 131 II 339 E. 2 S. 344). Eine solche
kann insbesondere durch die Arbeitnehmereigenschaft begründet werden (Art. 4
FZA in Verbindung mit Art. 6 ff. Anhang I FZA; BGE 141 II 1 E. 2 S. 3 ff.; 131
II 339 E. 2 S. 344). Die in Anwendung des FZA ausgestellten Bewilligungen haben
hingegen nach der Rechtsprechung nicht rechtsbegründenden, sondern bloss
deklaratorischen Charakter (BGE 134 IV 57 E. 4 S. 58 f.; 136 II 329 E. 2.2 S.
332 f.).  
 
3.  
 
3.1. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer sich auf das FZA berufen könnte,
geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Die Polizei- und
Militärdirektion des Kantons Bern hat in ihrem Entscheid vom 7. August 2017
jedenfalls erwogen, ob und welche Arbeitstätigkeit der Beschwerdeführer aktuell
ausübe, sei nicht aktenkundig. Aus den Vorakten, welche zur
Sachverhaltsergänzung von Amtes wegen herangezogen werden können (Art. 105 Abs.
2 BGG), geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit November 2000, mit
Unterbrechungen, bis zum 13. Oktober 2015 vom Sozialdienst Köniz nach den
SKOS-Richtlinien betreut und finanziell unterstützt wird, wobei sich die
Sozialhilfekosten auf Fr. 114'698.-- belaufen. Des Weiteren liegen
Lohnabrechnungen für Temporäreinsätze für die Monate Mai 2015, April 2015,
August, Juli und Juni 2014 im Recht. Ob der Beschwerdeführer sich in seiner
Eigenschaft als Wanderarbeitnehmer oder aus anderen Gründen (vgl. etwa BGE 144
II 121 E. 3.2 S. 125) auf das FZA berufen kann, kann vorliegend deswegen offen
bleiben, weil die in Art. 5 Anhang I zum FZA aufgestellten Voraussetzungen für
eine Einschränkung der Freizügigkeitsrechte jedenfalls erfüllt sind.  
 
3.2. Das Kriterium der hinreichend schweren und gegenwärtigen Gefährdung der
öffentlichen Ordnung muss nicht in jedem Fall mit einem Gutachten untermauert
werden, sondern kann sich rechtsprechungsgemäss auch aus einer strafrechtlichen
Verurteilung ergeben, wenn die betreffende Person mit der begangenen Tat ein
persönliches Verhalten zeigt, das eine künftige Gefährdung als wahrscheinlich
erscheinen lässt (oben, E. 2.3). Allein aus dem rechtskräftigen Urteil des
Strafappellationshofes des Kantonsgerichts Freiburg vom 2. Oktober 2014 geht
hervor, dass der Beschwerdeführer die Privatklägerin, mit welcher er ab März/
April 2005 eine intime Beziehung führte und mit welcher er bis Februar 2008
zusammen in Schliern bei Köniz wohnte, Ende 2005 und am 26. Oktober 2009
vergewaltigte. Im Sommer 2008 traktierte der Beschwerdeführer die
Privatklägerin mit Schlägen derart, dass ihr Gesicht geschwollen war und
Hämatome aufwies. Im September 2009 versuchte der Beschwerdeführer, sich
gewaltsam Zutritt zur Wohnung der Privatklägerin zu verschaffen, woraufhin sie
ihm aus Angst die Türe zur Wohnung öffnete, die er auch entgegen einer
ausdrücklichen Aufforderung nicht verliess. Ebenso rief der Beschwerdeführer am
29. Oktober 2009 bei der Arbeitgeberin der Privatklägerin an und erzählte, sie
würde Geld aus der Kasse des Geschäfts, Kaffee und andere Sachen stehlen sowie
Alkohol und andere Drogen konsumieren. Der Beschwerdeführer lauerte der
Privatklägerin wiederholt an ihrem Arbeitsplatz oder an ihrem Wohnort auf, fuhr
ihr nach oder blockierte mit seinem Fahrzeug ihr Auto, sodass sie nicht
wegfahren konnte. Trotz richterlicher Fernhalteverfügung fuhr der
Beschwerdeführer im Februar und März 2010 an ihrem Arbeitsort vorbei. Aus
Angst, dass der Beschwerdeführer sie schlage, demütige oder seine Drohungen in
die Tat umsetze, kam die Privatklägerin während mehreren Jahren den Forderungen
des Beschwerdeführers nach. Durch die Drohungen und das jahrelange Stalken des
Beschwerdeführers wurde die Privatklägerin massiv und bewusst in ihrer
Handlungsfähigkeit eingeschränkt und fremdbestimmt. Des Weiteren war der
Beschwerdeführer am 1. Mai 2010 in eine handgreifliche Auseinandersetzung mit
einer anderen Person verwickelt und war am 4. Januar 2012 im Wissen, dass ihm
der Fahrausweis entzogen war, mit seinem Personenwagen gefahren. Das
Strafurteil ist sorgfältig begründet. Es listet die Zeugenaussagen detailliert
auf, erwähnt die weiteren Beweismittel wie die Auswertung der Festplatte, der
Kommunikation der Privatklägerin, des Facebook-Profils des Beschwerdeführers
und die Polizeirapporte; sämtliche Beweismittel wurden eingehend gewürdigt. Die
Aussagen der Privatklägerin waren zudem einem aussagepsychologischen Gutachten
unterzogen worden. Die Leichtfertigkeit, mit welcher der Beschwerdeführer die
der Privatklägerin über Jahre zugefügten Verletzungen ihrer sexuellen,
psychischen und physischen Integrität in der Beschwerdeschrift in den Kontext
zahlreicher falscher Anschuldigungen bei Sexualdelikten setzt, die
strafrechtliche Verurteilung für die Vergewaltigungen als Ergebnis eines
Indizienprozesses ohne Sach- oder Zeugenbeweis darstellt und sich selbst als
seit über zehn Jahren delikt- und schuldenfreien und stets arbeitsamen, sehr
gut integrierten Menschen beschreibt, zeigt, dass ihm jegliches Unrechtsgefühl
für die begangenen Sexual-, Gewalt- und Vermögensdelikte fehlt und mit einer
Einsicht in seine fehlende berufliche Integration und seine jahrelange
Sozialhilfeabhängigkeit nicht zu rechnen ist. Dem Umstand, dass der
Beschwerdeführer unter dem Druck der auf Bewährung ausgesprochenen Strafe keine
weiteren Straftaten begangen hat, kommt hingegen keine ausschlaggebende
Bedeutung zu (BGE 139 II 121 E. 5.5.2 S. 128). Angesichts der zahlreichen
strafrechtlichen Verurteilungen, welche gegen den Beschwerdeführer
ausgesprochen worden sind (vgl. zur ausländerrechtlichen Relevanz von nicht
mehr im Strafregisterauszug erscheinenden Delikten Urteil 2C_711/2011 vom 27.
März 2012 E. 5.2), der Schwere und des andauernden Zeitraums der begangenen
Rechtsgutsverletzungen ist insbesondere wegen der fehlenden Einsicht des
Beschwerdeführers in seine Taten von einer nach wie vor bestehenden Gefährdung
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszugehen. Die Vorinstanz konnte sich
somit ihre Überzeugung gestützt auf die rechtskräftigen strafrechtlichen
Verurteilungen bilden und ohne Willkür annehmen, ihre Überzeugung werde durch
weitere Beweiserhebungen wie etwa ein Gutachten nicht geändert (BGE 131 I 153
E. 3 S. 157), weshalb sie Art. 29 Abs. 2 BV nicht verletzt hat. Die
Voraussetzungen, welche Art. 5 Anhang I FZA für eine Einschränkung der
Freizügigkeitsrechte des Beschwerdeführers aufstellt, sind zweifelsohne
erfüllt.  
 
3.3. Für die aufenthaltsbeendende Massnahme gegenüber dem Beschwerdeführer
besteht eine gesetzliche Grundlage (Art. 63 Abs. 1 lit. a AuG in Verbindung mit
Art. 63 Abs. 2 AuG und Art. 62 Abs. 1 lit. b AuG). Mit seiner strafrechtlichen
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten hat der Beschwerdeführer
einen gesetzlichen Tatbestand für den Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung
gesetzt. Der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung kann, entgegen seinen
Vorbringen in der Beschwerdeschrift, auch nicht als unverhältnismässig (Art. 5
Abs. 2 BV; Art. 96 AuG) bzw. als in einer demokratischen Gesellschaft zur
Wahrung bestimmter öffentlicher Interessen nicht erforderlich (Art. 8 Ziff. 2
EMRK) qualifiziert werden (vgl. oben, E. 3.3). Der Beschwerdeführer hat die
sexuelle, psychische und physische Integrität seiner vormaligen Lebenspartnerin
auf äusserst gravierende Weise und über einen sehr langen Zeitraum verletzt,
und zeigt auch in seiner dem Bundesgericht eingereichten Beschwerdeschrift
keine Einsicht in seine Taten. Dem unter dem Druck der strafrechtlichen
Bewährung gezeigten Wohlverhalten kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Diese Sexual- und Gewaltdelikte begründen zusammen mit den übrigen Delikten,
wozu auch Betäubungsmitteldelikte zählen, ein sehr hohes öffentliches Interesse
an einer Ausreise des Beschwerdeführers aus der Schweiz. Dieses öffentliche
Interesse wird durch die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem
weiteren Verbleib nicht aufgewogen. Der Beschwerdeführer ist erst im Alter von
25 Jahren in die Schweiz eingereist, weshalb davon auszugehen ist, dass er mit
dem Staat Marokko, wo er aufgewachsen ist und dessen Staatsbürgerschaft er nach
eigenen Angaben nach wie vor besitzt, vertraut ist. Aus den Akten geht hervor,
dass Arabisch seine Muttersprache ist. Eine Rückreise in seinen Heimatstaat
Marokko ist ihm ohne Weiteres zumutbar, weshalb vorliegend offen bleiben kann,
ob ihm auch eine Rückreise nach Italien offen steht. Angesichts des klar
überwiegenden, durch die Schwere der Straftaten und seinem Verschulden
begründeten öffentlichen Interesse an seiner Ausreise, welcher angesichts
seiner geringen Integration und der fast erreichten Volljährigkeit seines
Sohnes, für welchen er weder sorge- noch obhutsberechtigt ist, auch sein
langjähriger Aufenthalt in der Schweiz nicht entgegen steht, erweist sich der
angefochtene Entscheid auch unter dem Aspekt von Art. 13 BV und Art. 8 EMRK als
rechtmässig. Die Beschwerde erweist sich in allen Punkten als unbegründet und
ist abzuweisen.  
 
4.  
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig. Der
Beschwerdeführer hat zwar anfänglich um unentgeltliche Rechtspflege ersucht,
aber in der Folge trotz Aufforderung den fehlenden Bedürftigkeitsnachweis nicht
erbracht und den Kostenvorschuss bezahlt, womit auf einen stillschweigenden
Rückzug des Gesuchs zu schliessen ist (vgl. Urteile 2C_296/2013 vom 12. August
2013 E. 5; 2C_1197/2012 vom 17. Mai 2013 E. 5.2). Die Verfahrenskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und es sind keine
Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. August 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall 

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