Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.88/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 1/2}
                   
1C_88/2017

Urteil vom 30. März 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio, Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
Claude Wyssmann,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann,

gegen

Oberamt Region Solothurn, Vorsteher,
Rötistrasse 4, 4501 Solothurn,

Staatskanzlei des Kantons Solothurn,
Rathaus, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Anmeldung für die Wahl eines Amtsgerichtspräsidenten,

Beschwerde gegen das Urteil vom 12. Januar 2017
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn.

Sachverhalt:

A. 
Am 21. Mai 2017 finden im Kanton Solothurn die Amteibeamtenwahlen statt. In der
Amtei Bucheggberg-Wasseramt werden zwei Amtsgerichtspräsidenten gewählt. Am 22.
November 2016 reichte Claude Wyssmann einen Wahlvorschlag für sich selber ein.
Der Vorsteher des Oberamts Region Solothurn beschied ihm mit Verfügung vom 28.
November 2016, Ausschreibungen für den ersten Wahlgang würden vorbehältlich
einer Demission unterbleiben und es seien einzig die beiden bisherigen
Stelleninhaber teilnahmeberechtigt. Seine Kandidatur könne deshalb für den
ersten Wahlgang nicht berücksichtigt werden.
Eine von Claude Wyssmann dagegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 12. Januar 2017 ab,
soweit es darauf eintrat.

B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 10. Februar 2017
beantragt Claude Wyssmann, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben
und dieses sowie der Vorsteher des Oberamts Region Solothurn seien anzuweisen,
für den anstehenden ersten Wahlgang sowohl ihn selbst als auch andere
Kandidaten als die bisherigen Stelleninhaber zuzulassen. Eventualiter seien die
Wahlberechtigten durch das Verwaltungsgericht und den Vorsteher des Oberamts im
Wahlbegleitmaterial darüber zu informieren, wie sie einen echten und freien
zweiten Wahlgang bewirken könnten. Zudem seien ihm für das kantonale
Beschwerdeverfahren keine Kosten aufzuerlegen. In prozessualer Hinsicht stellt
der Beschwerdeführer ein Gesuch um aufschiebende Wirkung.
Das Verwaltungsgericht und die Staatskanzlei beantragen, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Oberamt Region Solothurn
verweist auf seine Verfügung vom 28. November 2016 und seine Eingabe im
vorinstanzlichen Verfahren. Der Beschwerdeführer hat dazu Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im
Zusammenhang mit den Amtsgerichtspräsidentenwahlen im Kanton Solothurn. Dagegen
steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Form der
Stimmrechtsbeschwerde an das Bundesgericht offen, zumal es sich um eine
Volkswahl handelt (Art. 82 lit. c, Art. 86 und Art. 90 BGG). Der
Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als
direkter Adressat des angefochtenen Entscheids, als Wahlberechtigter sowie als
Kandidat in seinem Wahlrecht betroffen und damit zur Beschwerde legitimiert
(Art. 89 Abs. 1 und 3 BGG).

1.2. Der Eventualantrag, die Wahlberechtigten seien durch das
Verwaltungsgericht und den Vorsteher des Oberamts im Wahlbegleitmaterial
darüber zu informieren, wie sie einen echten und freien zweiten Wahlgang
bewirken könnten, ist neu und nach Art. 99 Abs. 2 BGG unzulässig.

1.3. Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann insbesondere die Verletzung von
Bundesrecht, von kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie von kantonalen
Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen
und über Volkswahlen und -abstimmungen gerügt werden (Art. 95 BGG). Das
Bundesgericht überprüft die Anwendung des kantonalen Rechts in diesem Umfang
mit freier Kognition.

2.

2.1. Der Vorsteher des Oberamts Region Solothurn und das Verwaltungsgericht
haben ihre Entscheide auf § 45 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 22.
September 1996 über die politischen Rechte (GpR; BGS 113.111) gestützt. Diese
Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
§ 45       2. Erneuerungswahlen
1 Liegt für Stellen mit besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen keine Demission
vor, unterbleiben die Ausschreibung und das Anmeldeverfahren für den ersten
Wahlgang. Teilnahmeberechtigt ist einzig der bisherige Stelleninhaber oder die
bisherige Stelleninhaberin.
2 Kommt es zu keiner Wahl im ersten Wahlgang, ist die Stelle vor dem zweiten
Wahlgang auszuschreiben. Die §§ 41-44 sind anwendbar.
3 Sind besondere Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht erforderlich, ist die Stelle
oder das Amt auszuschreiben. Die §§ 41-44 sind anwendbar.

Da gemäss § 88 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 13. März 1977 über
die Gerichtsorganisation (GO; BGS 125.12) für das Amt des
Amtsgerichtspräsidenten besondere Wählbarkeitsvoraussetzungen gelten
(Anwaltspatent und Schweizer Bürgerrecht), findet das Wahlverfahren gemäss Abs.
1 und 2 von § 45 GpR Anwendung.
Das Verwaltungsgericht legt dazu dar, den Materialien lasse sich nichts zur
Tragweite dieser Bestimmung entnehmen, doch bestehe die Wahlordnung seit
Jahrzehnten. Im Ergebnis diene es der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 30
Abs. 1 und Art. 191c BV), wenn im ersten Wahlgang nur die bisherigen
Stelleninhaber zugelassen würden. Befinde sich ein Richter im ständigen
Wahlkampf, sei seine Unabhängigkeit stark gefährdet. Art. 34 BV werde durch §
45 GpR nicht verletzt. Was der Beschwerdeführer aus Art. 27 KV/SO (SR 131.221)
für den vorliegenden Fall ableiten wolle, sei weder ersichtlich noch
rechtsgenüglich dargetan. Hinsichtlich des Arguments des Beschwerdeführers, die
Amtsgerichtspräsidenten könnten faktisch nicht abgewählt werden, verweist das
Verwaltungsgericht auf den Mitbericht der Staatskanzlei vom 15. Dezember 2016.
Die Staatskanzlei legt darin dar, es sei durchaus möglich, dass ein
Amtsgerichtspräsident vom Volk abgewählt werde, nämlich wenn der bisherige
Stelleninhaber beim ersten Wahlgang aufgrund der leeren Stimmen das absolute
Mehr nicht erreiche und er im zweiten Wahlgang einem neuen Kandidaten
unterliege.

2.2. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, § 45 GpR verletze Art. 27 KV/SO
und Art. 34 BV. Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit setze voraus, dass alle
Kandidaten mit gleichen Chancen an einer Wahl teilnehmen könnten und die Wähler
eine echte Auswahl hätten. Eine Einschränkung dieser Grundsätze sei nach der
Praxis nur aus gewichtigen Gründen möglich. Dazu sei eine Regelung auf
Verfassungsstufe erforderlich. Zudem sei § 45 GpR unpräzise, weil er im
Widerspruch zu Art. 27 KV/SO stehe und nicht hinreichend klar sei, ob er sich
überhaupt auf die Wahl eines Amtsgerichtspräsidenten beziehe. Ein öffentliches
Interesse an der Favorisierung der aktuellen Stelleninhaber gebe es nicht. Wenn
sich aus den Gesetzesmaterialien nichts ableiten lasse, so sei die Berufung auf
die richterliche Unabhängigkeit bloss eine spekulative Parteibehauptung. Es
treffe nicht zu, dass sich die Richter ohne die Regelung von § 45 GpR im
ständigen Wahlkampf befinden würden. Dies zeige das Beispiel der Amtsrichter,
die sich im Gegensatz zu den Amtsgerichtspräsidenten alle vier Jahre der
Wiederwahl stellen müssten. Bis heute habe im Kanton Solothurn jedoch kein
Wahlkampf stattgefunden. Alle Amtsrichter seien vielmehr immer wieder still
wiedergewählt worden. Die Möglichkeit von Druckversuchen auf Gerichtspersonen
sei rein theoretisch. Es gebe dazu keine fundierten Erfahrungswerte. Somit sei
ein Eingriff in die Wahlfreiheit unnötig. Die Möglichkeit der Abwahl eines
Amtsgerichtspräsidenten sei zudem den Stimmbürgern kaum bekannt. In den
Wahlunterlagen werde ihnen der "Protest-Mechanismus" nicht erklärt.
Entsprechend sei bis heute im Kanton Solothurn nie ein zweiter Wahlgang
erzwungen worden. Eine Abwahl werde faktisch verunmöglicht. Der Stimmbürger
habe den falschen Eindruck, dass sich innert Frist anscheinend nur ein Kandidat
gemeldet habe. Dieses staatliche Verhalten verstosse gegen Treu und Glauben
(Art. 9 BV). Zu beachten sei auch, dass der Wahlmodus für alle Beamten mit
besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen gelte, somit auch für den Sekretär des
kantonalen Steuergerichts und für alle Gemeindebeamten. Es handle sich mithin
bei der umstrittenen Bestimmung um einen "Beamtenschutzartikel" und nicht um
einen "Richterschutzartikel". Dies ergebe sich im Übrigen auch aus dem Umstand,
dass sich die Amtsrichter, für welche keine besonderen
Wählbarkeitsvoraussetzung gälten, einer echten und freien Wiederwahl stellen
müssten. Schliesslich gebe es auch mildere Massnahmen, um die richterliche
Unabhängigkeit zu wahren. So könnte das Gesetz vorsehen, dass Richter auf
unbestimmte Zeit gewählt würden. Diesfalls würde die Wahlfreiheit nicht
eingeschränkt, weil eben auf unbestimmte Zeit gar keine Wahlen stattfänden.

3.

3.1. Die Kantone sind in der Ausgestaltung ihres politischen Systems und des
Wahlverfahrens weitgehend frei. Art. 39 Abs. 1 BV hält fest, dass die Kantone -
entsprechend ihrer Organisationsautonomie - die Ausübung der politischen Rechte
in kantonalen und kommunalen Angelegenheiten regeln. Diese Zuständigkeit wird
im Rahmen der bundesverfassungsrechtlichen Garantie von Art. 34 BV ausgeübt (
BGE 140 I 394 E. 8 S. 401 mit Hinweisen; zur Publ. vorgesehenes Urteil 1C_511/
2015 vom 12. Oktober 2016 E. 3.1). Der konkrete Gehalt der politischen Rechte
mit ihren mannigfachen Teilgehalten ergibt sich nicht aus der Bundesverfassung,
sondern in erster Linie aus dem spezifischen Organisationsrecht des Bundes bzw.
der Kantone (BGE 140 I 394 E. 8.2 S. 402 mit Hinweisen; zur Publ. vorgesehenes
Urteil 1C_511/2015 vom 12. Oktober 2016 E. 3.3).
Die in Art. 34 Abs. 2 BV verankerte Wahl- und Abstimmungsfreiheit gibt den
Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und
unverfälscht zum Ausdruck bringt. Es soll garantiert werden, dass jeder
Stimmberechtigte seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und
umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen und entsprechend mit seiner
Stimme zum Ausdruck bringen kann. Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit
gewährleistet die für den demokratischen Prozess und die Legitimität
direktdemokratischer Entscheidungen erforderliche Offenheit der
Auseinandersetzung (a.a.O.).
Der Beschwerdeführer beruft sich, wie erwähnt, neben Art. 34 BV auch auf Art.
27 KV/SO. Diese Bestimmung sieht einzig vor, dass das Volk die
Amtsgerichtspräsidenten wählt. Die Vorinstanz hat festgehalten, weder sei
ersichtlich noch habe der Beschwerdeführer hinreichend dargelegt, was aus
dieser Bestimmung für den vorliegenden Fall abgeleitet werden könne. Der
Beschwerdeführer geht in seiner Beschwerde darauf nicht näher ein. Seine Kritik
ist deshalb vor dem Hintergrund von Art. 34 BV zu prüfen.

3.2. Zu Recht verlangt der Beschwerdeführer nicht, § 45 GpR sei aufzuheben.
Hierfür ist die Beschwerdefrist nach Art. 101 BGG längst abgelaufen. Der
Verstoss einer kantonalen Vorschrift gegen das übergeordnete Recht kann
indessen auch noch bei der Anfechtung eines auf sie gestützten Anwendungsaktes
geltend gemacht werden. Erweist sich der Vorwurf als begründet, so führt dies
allerdings nicht zur Aufhebung der entsprechenden Norm. Die vorfrageweise
Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit hätte lediglich zur Folge, dass die
Vorschrift auf die anstehende Wahl nicht angewendet und der auf sie gestützte
Entscheid aufgehoben würde (BGE 113 Ia 69 E. 5a S. 70 mit Hinweis). Der
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist entsprechend beschränkt. Zu
untersuchen ist nur, ob das vorliegend umstrittene Wahlverfahren für
Amtsgerichtspräsidenten verfassungswidrig ist, nicht jedoch, ob dies auch für
andere Stellen mit besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen zutrifft. Ebenso
wenig hat sich das Bundesgericht umfassend dazu zu äussern, ob die
Ausgestaltung des Wahlverfahrens für die verschiedenen, durch Wahl zu
besetzenden Stellen im Kanton Solothurn sinnvoll und kohärent ist.

3.3. Die Rüge, die beanstandete Bestimmung hätte wegen ihrer Bedeutung in die
Kantonsverfassung aufgenommen werden müssen, ist unbegründet. Sowohl in anderen
Kantonsverfassungen als auch in der Bundesverfassung wird die Wahl von
Behördenmitgliedern nur in den Grundzügen geregelt, und die nähere Ausführung
erfolgt erst auf Gesetzesstufe. Einen Verfassungsvorbehalt gibt es von
Bundesrechts wegen in diesem Bereich nicht und der Beschwerdeführer macht nicht
geltend, dass dies nach der Verfassung des Kantons Solothurn anders sei.
Nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen, § 45 GpR sei unpräzise, weil er im
Widerspruch zu Art. 27 KV/SO stehe und es nicht hinreichend klar sei, ob er
sich überhaupt auf die Wahl der Amtsgerichtspräsidenten beziehe. Der
Beschwerdeführer legt weder dar, worin der Widerspruch zu Art. 27 KV/SO liegen
soll, noch, wie dies mit der Frage zusammenhängt, ob § 45 GpR hinreichend klar
sei. Darüber hinaus folgt aus § 88 GO ohne Weiteres, dass für
Amtsgerichtspräsidenten besondere Wahlvoraussetzungen gelten und somit § 45
Abs. 1 und 2 GpR anwendbar ist (vgl. E. 2.1 hiervor).

3.4. Wiederwahlverfahren für Richterstellen stehen in einem Spannungsverhältnis
von demokratischer Legitimation und richterlicher Unabhängigkeit. Sie
gewährleisten die fortdauernde demokratische Legitimation der Justiz und
stellen sicher, dass nur solche Personen das Amt ausüben, die dazu nach wie vor
in der Lage sind; es geht damit bei einer Bestätigungswahl immer auch um die
Sicherstellung einer rechtsstaatlichen, funktionierenden Justiz (REGINA KIENER,
Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 286). Gleichzeitig eröffnet die
Wiederwahl Möglichkeiten äusserer Beeinflussungsversuche (vgl. NICCOLÒ RASELLI,
Richterliche Unabhängigkeit, Justice-Justiz-Giustizia 2011/3 S. 6 f.) und die
damit einhergehende Gefahr, dass die Richter sich - besonders kurz vor
Wiederwahlterminen - bei ihrer Rechtsprechungstätigkeit teilweise von der
mutmasslichen Akzeptanz durch das Wiederwahlorgan beeinflussen lassen könnten
(KIENER, a.a.O., S. 286). KURT EICHENBERGER hielt vor diesem Hintergrund
bereits 1960 fest, dass der schweizerische Richter faktisch unabhängig sei,
weil er regelmässig bestätigt werde, dass sich sichernde Normierungen jedoch
als notwendig erweisen könnten, wenn dieser faktische Zug zur Stabilität nicht
erhalten bleibe (KURT EICHENBERGER, Die richterliche Unabhängigkeit als
staatsrechtliches Problem, 1960, S. 228 f.). In der Literatur wird im Interesse
der institutionellen Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit teils
postuliert, die periodische Wiederwahl sei durch eine einmalige Ernennung, sei
es für eine unbestimmte Zeit, kombiniert mit einer Altersbeschränkung, sei es
für einen vorgegebenen Zeitraum, zu ersetzen (vgl. etwa, mit weiteren Hinweisen
RASELLI, a.a.O., S. 7; STEPHAN GASS, Wie sollen Richterinnen und Richter
gewählt werden?, AJP 2007 S. 607). In diesem Sinne werden im Kanton Freiburg
gemäss der Kantonsverfassung vom 16. Mai 2004 die Mitglieder der richterlichen
Gewalt auf unbestimmte Zeit gewählt (Art. 121 Abs. 2 KV/FR [SR 131.219]; die
Verfassung des Kantons Freiburg wurde mit Bundesbeschluss vom 13. Juni 2005 von
der Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft gewährleistet).

3.5. Die Amtsgerichtspräsidenten werden im Kanton Solothurn zwar nicht einmalig
gewählt, sondern müssen sich alle vier Jahre der Wiederwahl stellen (Art. 61
Abs. 1 KV/SO). Diese Amtsdauer erscheint angesichts des oben Ausgeführten als
kurz. Immerhin dürfen die Amtsgerichtspräsidneten aufgrund des in § 45 GpR
vorgesehenen Wahlverfahrens auf eine gewisse Stabilität vertrauen, indem ihre
Kandidatur im ersten Wahlgang der Erneuerungswahl exklusiv ist. Das Verfahren
entspricht im Wesentlichen jenem für die eidgenössischen Gerichte gemäss Art.
135 ff. des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung
(Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10; vgl. dazu den Bericht der
Staatspolitischen Kommission des Nationalrats vom 1. März 2001 zur
parlamentarischen Initiative Parlamentsgesetz, BBl 2001 3590 f.). Es ist zwar
nicht gleichbedeutend mit einer Wahl auf eine längere Dauer, dient aber im
Ergebnis ebenfalls - wenn eben auch nicht im gleichen Masse - der richterlichen
Unabhängigkeit. Somit besteht, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers,
durchaus ein gewichtiges öffentliches Interesse am Wahlverfahren gemäss § 45
GpR. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Einwand, es sei bisher im
Kanton Solothurn noch nie zu einem Wahlkampf um Richterstellen gekommen, auch
nicht bei Amtsrichtern. Für das öffentliche Interesse an der richterlichen
Unabhängigkeit ist dieser Umstand nicht massgebend.
Ob von einer "milderen Massnahme" gesprochen werden könnte, wenn die
Amtsgerichtspräsidenten stattdessen auf unbestimmte Zeit gewählt würden, wie
der Beschwerdeführer argumentiert, ist fraglich, letztlich aber auch nicht
entscheidend. Wie vorangehend dargelegt wurde, liegt es grundsätzlich in der
Kompetenz der Kantone, darüber zu entscheiden, wie sie die Richterwahlen
ausgestalten. Dazu gehört auch der Entscheid darüber, wie zwischen
demokratischer Legitimation und richterlicher Unabhängigkeit ein Ausgleich
geschaffen werden soll. Der Wahlmodus nach solothurnischem Recht lässt sich
insofern zwischen den Varianten der Wiederwahl auf kurze Amtsdauer mit offenem
Kandidatenkreis und der einmaligen Wahl auf längere Dauer verorten.
Trotz des Vorrangs der amtierenden Richter im ersten Wahlgang kann nicht von
einer im Widerspruch zu Art. 34 BV stehenden "Scheinwahl" gesprochen werden.
Wie die Staatskanzlei in ihrem Mitbericht darlegte, haben die Wähler die
Möglichkeit, durch leere Stimmen ihren Willen zur Abwahl eines
Amtsgerichtspräsidenten zum Ausdruck zu bringen (vgl. dazu BGE 96 I 59 E. 4b S.
62 f.). Erreicht ein bisheriger Stelleninhaber im ersten Wahlgang das absolute
Mehr nicht, ist die Stelle vor dem zweiten Wahlgang auszuschreiben (§ 45 Abs. 2
GpR). Dass die Stimmbürger zwar im ersten Wahlgang nur die kandidierenden
Stelleninhaber zur Auswahl haben, jedoch die Möglichkeit eines zweiten
Wahlgangs mit einem weiteren Kandidatenkreis besteht, geht nicht nur aus der
umstrittenen Gesetzesbestimmung hervor, sondern wird konkret in Bezug auf die
anstehende Wahl auch im Regierungsratsbeschluss vom 16. August 2016 über die
Einberufung der Wahlberechtigten für den Urnengang vom 21. Mai 2017 sowie im
Amtsblatt des Kantons Solothurn vom 19. August 2016 (S. 1584 ff.) dargelegt.
Gemäss dem von der Staatskanzlei vorgelegten Abstimmungsprotokoll für die
Erneuerungswahl von zwei Amtsgerichtspräsidenten für die Amtei
Bucheggberg-Wasseramt aus dem Jahr 2009 haben damals von 11'099 Wählenden 958
(8,6 %) einen gänzlich leeren Wahlzettel und 3'178 (28,6 %) ihren Wahlzettel
mit nur einem Namen sowie einer leeren Linie eingelegt. Sie machten somit von
ihrer Wahlmöglichkeit durchaus Gebrauch.
Zur Frage, weshalb das umstrittene Wahlverfahren auf die
Amtsgerichtspräsidenten Anwendung findet, nicht aber auf die Amtsrichter,
äussert sich das Verwaltungsgericht nicht. Eingehende Ausführungen dazu sind
angesichts des Streitgegenstands auch nicht angezeigt. Die unterschiedliche
Regelung liegt zwar nicht auf der Hand; hinzuweisen ist immerhin auf den
Umstand, dass den Amtsgerichtspräsidenten weitergehende Kompetenzen zukommen
und sie insbesondere auch als Einzelrichter amten (§§ 8 ff. GO). Es entbehrt
vor diesem Hintergrund nicht der sachlichen Rechtfertigung, ihre
institutionelle Unabhängigkeit durch ein entsprechendes Wahlverfahren verstärkt
abzusichern.
Aus all diesen Gründen erweist sich das Wahlverfahren für
Amtsgerichtspräsidenten im Kanton Solothurn mit der Wahl- und
Abstimmungsfreiheit gemäss Art. 34 BV vereinbar und verstösst es auch nicht
gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

4. 
Der Beschwerdeführer kritisiert, dass ihm das Verwaltungsgericht Gerichtskosten
in der Höhe von Fr. 1'000.-- auferlegt hat. Eine willkürliche Anwendung des
kantonalen Rechts macht er freilich nicht geltend und zeigt auch nicht auf,
inwiefern der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht Bundesrecht verletzen
sollte. Seine Hinweise auf die frühere bundesgerichtliche Praxis sowie auf den
"besonderen Charakter" der Beschwerde vermögen der Begründungsobliegenheit
gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht zu genügen. Auf die Rüge
ist nicht einzutreten.

5. 
Die Beschwerde ist aus den genannten Gründen abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung wird
damit gegenstandslos.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da es sich um eine Beschwerde im Bereich der
politischen Rechte handelt, rechtfertigt es sich, bloss reduzierte Kosten zu
erheben. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Oberamt Region Solothurn,
Vorsteher, der Staatskanzlei und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. März 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Dold

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