Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.7/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_7/2017

Urteil vom 10. Mai 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Misic.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich,
Bereich Administrativmassnahmen,
Lessingstrasse 33, Postfach, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Rekursabteilung, Neumühlequai 10,
Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Führerausweisentzug,

Beschwerde gegen das Urteil vom 10. November 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter.

Sachverhalt:

A. 
Mit Verfügung vom 20. August 2015 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons
Zürich A.________ (geb. 1941) den Führerausweis auf unbestimmte Zeit ab dem 28.
August 2015 und machte die Wiedererteilung des Führerausweises vom Vorliegen
eines günstig lautenden verkehrsmedizinischen Gutachtens des Instituts für
Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRMZ) oder eines Arztes/einer Ärztin mit
dem Titel "Verkehrsmediziner/in SGRM" oder mit einem von der SGRM als
gleichwertig anerkannten Titel abhängig. Dem Lauf der Rekursfrist oder der
Einreichung eines Rekurses entzog es die aufschiebende Wirkung.
Mit Entscheid vom 31. Mai 2016 wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich
den Rekurs von A.________ ab, soweit er nicht gegenstandslos geworden war. Die
von ihm dagegen erhobene Beschwerde wies der Einzelrichter der 1. Abteilung des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich mit Urteil vom 10. November 2016 ab.

B. 
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt die Aufhebung der Verfügung des Strassenverkehrsamts sowie die
unverzügliche Herausgabe des ihm entzogenen Führerausweises. Eventualiter seien
das Urteil des Verwaltungsgerichts, der Entscheid der Sicherheitsdirektion und
die Verfügung des Strassenverkehrsamts ersatzlos aufzuheben.
Die Rekursabteilung der Sicherheitsdirektion hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Das Verwaltungsgericht, das Strassenverkehrsamt sowie das Bundesamt
für Strassen (ASTRA) beantragen die Abweisung der Beschwerde. Dazu hat sich der
Beschwerdeführer geäussert.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine
Administrativmassnahme gegen einen Fahrzeuglenker. Dagegen steht die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein
Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur
Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen
geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.

2. 
In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), da die Vorinstanz sich
nicht ausdrücklich zu allen seinen Vorbringen geäussert habe. Nach der
Rechtsprechung stellt dies jedoch noch keine Gehörsverletzung dar. Die
Vorinstanz konnte sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte
beschränken. Die Begründung war auch so abgefasst, dass sich der
Beschwerdeführer über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn
in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen konnte (BGE 138
IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen).

3.

3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er erfülle die medizinischen
Minimalanforderungen und verfüge insoweit über die erforderliche Fahreignung
zum sicheren Führen von Fahrzeugen.

3.2. Nach Art. 16 Abs. 1 SVG sind Ausweise zu entziehen, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind. Grundvoraussetzung
für die Erteilung des Führerausweises ist die Fahreignung. Ist sie nicht mehr
gegeben, weil die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit einer Person
nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen (Art. 14
Abs. 2 lit. b SVG), ist der Führerausweis gemäss Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG auf
unbestimmte Zeit zu entziehen. Unter diese Bestimmung fallen alle medizinischen
und psychischen Gründe, welche die Fahreignung ausschliessen. Da der
Sicherungsentzug einen schwerwiegenden Eingriff in den Persönlichkeitsbereich
des Betroffenen bewirkt, setzt er eine sorgfältige Abklärung aller wesentlichen
Gesichtspunkte voraus (BGE 133 II 384 E. 3.1 S. 387 f. mit Hinweis). Für die
psychologischen Aspekte wird der Begriff der psychophysischen
Leistungsfähigkeit verwendet. Dabei geht es darum, ob bei einem Menschen aus
verkehrspsychologischer Sicht Hirnleistungsdefizite (kognitive
Beeinträchtigungen in den Bereichen optische Orientierung,
Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit)
in einem Ausmass bestehen, dass eine Teilnahme als Lenker der entsprechenden
Fahrzeugkategorie am Strassenverkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit eine
Überforderung darstellen würde (BGE 133 II 384 E. 3.5 S. 389).

3.3. Art. 7 Abs. 1 VZV verweist für die medizinischen Mindestanforderungen zum
Erwerb eines Führerausweises auf Anhang 1 zur VZV. Nach der ursprünglichen
Fassung (in Kraft bis zum 30. Juni 2016) durfte der Fahrzeugführer insbesondere
keine schweren Nervenkrankheiten, keine Geisteskrankheiten von Bedeutung,
keinen Schwachsinn, keine Psychopathien, keine periodischen
Bewusstseinseintrübungen oder -verluste und keine Gleichgewichtsstörungen
aufweisen. Nach der geltenden Fassung (in Kraft seit 1. Juli 2016) darf der
Fahrzeugführer z.B. keine Krankheiten oder organisch bedingte psychische
Störungen mit bedeutsamer Beeinträchtigung von Bewusstsein, Orientierung,
Gedächtnis, Denkvermögen, Reaktionsvermögen oder andere Hirnleistungsstörungen
aufweisen. Er darf zudem keine manische oder erhebliche depressive Symptomatik
und keine Beeinträchtigung von verkehrsrelevanten Leistungsreserven aufzeigen.

3.4. Die Vorinstanz hat sich auf das verkehrsmedizinische Gutachten des IRMZ
vom 6. Juli 2015 sowie auf die ergänzende verkehrsmedizinische Stellungnahme
vom 27. April 2016 abgestützt. Das Gutachten wurde vor Inkrafttreten der
revidierten Fassung des Anhangs 1 zur VZV verfasst. Da es aber im Moment des
Inkrafttretens noch nicht älter als ein Jahr war und von einer von der
kantonalen Behörde bezeichneten Untersuchungsstelle verfasst wurde, kann -
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch unter dem neuen Recht
weiterhin darauf abgestellt werden (vgl. die Übergangsbestimmungen zur Änderung
vom 1. Juli 2015 in Art. 151j VZV).
Dem verkehrsmedizinischen Gutachten kann im Wesentlichen Folgendes entnommen
werden: Beim Beschwerdeführer sei bereits aufgrund der Kurztests eine kognitive
Verlangsamung festgestellt worden. Er sei motorisch verlangsamt und in seinem
Denken weitschweifig und umständlich. Hinzu komme, dass eine
Medikamentenproblematik im Sinn eines verkehrsmedizinisch relevanten
Missbrauchs des Stimulans Ritalin vorliege, das ohne klare Indikation von den
behandelnden Ärzten seit mindestens 2011 verordnet werde. Der Beschwerdeführer
nehme täglich 120 mg dieses Präparats ein, wobei er seit mindestens 2011
erfolglos versucht habe, die Behandlung abzusetzen. Die Einnahme des Stimulans
sei gemäss der Stellungnahme vom 27. April 2016 eine mögliche Ursache für die
kognitiven Einschränkungen. Wegen der erhöhten Gefahr, dass der
Beschwerdeführer während des Lenkens eines Fahrzeugs aufgrund von
eingeschränkten Leistungsreserven resp. körperlicher Schwäche, ein
Fehlverhalten im Strassenverkehr zeige, könne - so das Ergebnis der
Begutachtung - die Fahreignung aus verkehrsmedizinischer Sicht nicht
befürwortet werden.

3.5. Nach der Rechtsprechung ist der Richter an die Auffassung des Experten
gebunden, soweit Fachfragen betroffen sind und soweit nicht triftige Gründe für
eine abweichende Würdigung sprechen (BGE 132 II 257 E. 4.4.1 S. 269 mit
Hinweisen).
Vorliegend beruht das Gutachten auf umfassenden verkehrsmedizinischen
Abklärungen, wobei auch auf die Vorakten (Anamnese) ausführlich eingegangen
wurde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er die medizinischen
Mindestanforderungen nicht unterschreite, wurde berücksichtigt. Die Beurteilung
der medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation leuchtet ein
und die Schlussfolgerungen des Experten basieren auf einer schlüssigen,
nachvollziehbaren und in sich geschlossenen Begründung (BGE 125 V 351 E. 3a S.
352; Urteil 1C_359/2008 vom 23. Februar 2009 E. 2.2, in: JdT 2009 I 517; je mit
Hinweisen). Weshalb die verkehrsmedizinische Beurteilung "unhaltbar" oder eine
"infame Unterstellung" sein soll, wird vom Beschwerdeführer nicht näher
ausgeführt und ist nach dem Dargelegten auch nicht nachvollziehbar.
Für die Vorinstanz bestand jedenfalls keine Veranlassung, von der
gutachterlichen Einschätzung, welche die Fahreignung des Beschwerdeführers klar
verneinte, abzuweichen. Sie hat nach Darlegung der Rechtslage und unter
Würdigung der Umstände den Entzug des Führerausweises als rechts- und
verhältnismässig erachtet. Auch wenn dies der Beschwerdeführer anders
beurteilt, kann deshalb von einer kritiklosen Übernahme des Gutachtens durch
die Vorinstanz keine Rede sein. Dies ist nicht zu beanstanden und verletzt kein
Bundesrecht. Im Übrigen hat die Vorinstanz auch zutreffend darauf hingewiesen,
dass der auf unbestimmte Zeit entzogene Führerausweis bedingt und unter
Auflagen wiedererteilt werden kann, wenn eine allfällige gesetzliche oder
verfügte Sperrfrist abgelaufen ist und die betroffene Person die Behebung des
Mangels nachweist, der die Fahreignung ausgeschlossen hat (Art. 17 Abs. 3 SVG).

4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Kosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons
Zürich, Bereich Administrativmassnahmen, der Sicherheitsdirektion des Kantons
Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter,
und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat Administrativmassnahmen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Mai 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Misic

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