Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.76/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_76/2017

Urteil vom 19. Mai 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Pedretti.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Bereich Administrativmassnahmen,
Lessingstrasse 33, Postfach, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,
Rekursabteilung, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Vorsorglicher Führerausweisentzug,

Beschwerde gegen das Urteil vom 28. Dezember 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit Verfügung vom 5. August 2015 entzog das Strassenverkehrsamt des
Kantons Zürich A.________ den Führerausweis für verschiedene
Motorfahrzeug-Kategorien auf unbestimmte Zeit und machte dessen Wiedererteilung
vom Vorliegen eines für ihn günstigen verkehrsmedizinischen Gutachtens
abhängig. Diesen Entscheid hob das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich auf
die Beschwerde von A.________ hin auf und wies die Sache zu weiteren
Abklärungen an das Strassenverkehrsamt zurück (Urteil vom 26. April 2016).
Dieses entzog A.________ in der Folge mit Verfügung vom 31. Mai 2016 den
Führerausweis vorsorglich bis zur Abklärung von Ausschlussgründen. Einen
dagegen erhobenen Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich am 4.
Oktober 2016 ab. Der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts wies mit Urteil vom
28. Dezember 2016 die Beschwerde von A.________ gegen den Rekursentscheid ab,
soweit er darauf eintrat.

1.2. Mit Eingabe vom 5. Februar 2017 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid. Er beantragt im
Wesentlichen, es sei ihm der "Führerausweis (blau, per 28. 2. 2015 vorsorglich
entzogen) " ohne weitere Auflagen zuzustellen und das Administrativverfahren
einzustellen, eventuell sei ihm die Fahrerlaubnis für die "3. medizinische
Gruppe" sofort wieder zu erteilen. Eine allfällige erneute Abklärung für die
Kategorien der 2. Medizinischen Gruppe wäre auf Kosten des Zürcher Instituts
für Rechtsmedizin (IRMZ) durchzuführen. Ausserdem beantragt A.________ die
unentgeltliche Rechtspflege.

1.3. Die Sicherheitsdirektion hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das
Zürcher Strassenverkehrsamt und das Bundesamt für Strassen beantragen die
Abweisung der Beschwerde, das Verwaltungsgericht beantragt deren Abweisung,
soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hat am 18. April 2017
(Datum des Poststempels: 10. Mai 2017) repliziert.

2. 
Die Eingabe erweist sich als offensichtlich unbegründet und kann im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG behandelt werden.

3. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, gegen den die Beschwerde nach Art. 82
ff. BGG offen steht; ein Ausnahmegrund nach Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Die
falsche Bezeichnung des Rechtsmittels als "Einsprache" ist unschädlich. Der
vorsorgliche Entzug des Ausweises schliesst das Verfahren nicht ab; er stellt
einen Zwischenentscheid dar, der nach der Rechtsprechung anfechtbar ist, da er
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
bewirkt. Beim vorsorglichen Führerausweisentzug handelt es sich um eine
vorsorgliche Massnahme nach Art. 98 BGG. Der Beschwerdeführer kann somit nur
die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen (Urteil 1C_434/2016 vom 1.
Februar 2017 E. 1 mit Hinweisen). Nach Art. 106 Abs. 2 BGG prüft das
Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche
Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (BGE 141 I 36 E.
1.3 S. 41; 140 III 86 E. 2 S. 88 ff.).

4. 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG).

5. 
Gemäss Art. 16 Abs. 1 SVG werden Führerausweiseentzogen, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen, u.a. wenn die
Person an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst oder sie auf
Grund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim
Führen eines Motorfahrzeugs die Vorschriften beachten und auf Mitmenschen
Rücksicht nehmen wird (Art. 16d Abs. 1 lit. b und c SVG). Wecken konkrete
Anhaltspunkte Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen, ist eine
verkehrsmedizinische Untersuchung durch einen Arzt und/oder eine psychologische
Abklärung durch einen Verkehrspsychologen anzuordnen (Art. 15d Abs. 1 SVG und
Art. 28a Abs. 1 VZV). Wird eine verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet, so
ist der Führerausweis nach Art. 30 VZV im Prinzip vorsorglich zu entziehen (BGE
125 II 396 E. 3 S. 401; Urteil 1C_434/2016 vom 1. Februar 2017 E. 2.1 mit
Hinweisen). Diesfalls steht die Fahreignung des Betroffenen ernsthaft in Frage,
weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit grundsätzlich nicht
zu verantworten ist, ihm den Führerausweis bis zum Vorliegen des
Untersuchungsergebnisses zu belassen.

6. 
Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht vor, den Sachverhalt
willkürlich festgestellt zu haben. Diese Rüge ist zulässig (vgl. oben E. 4). Es
trifft zu, dass im Polizeirapport vom 9. Januar 2015 entgegen den Ausführungen
der Vorinstanz nicht von mehreren, sondern bloss von einem Suizidversuch die
Rede ist. Allerdings ist dieser Fehler für den Ausgang des Verfahrens nicht
entscheidend (Art. 105 Abs. 2 BGG) : Das Verwaltungsgericht hat den Vorakten,
namentlich dem genannten Polizeirapport sowie dem Gutachten des IRMZ vom 15.
Juni 2015 nämlich auch entnommen, der Beschwerdeführer habe Probleme mit
Alkohol und Drogen, wobei er kürzlich in Kontakt mit Kokain gekommen sei. Zudem
hat das Gericht festgehalten, er habe sich im Jahr 2011 und von März bis Juni
2014 im Rahmen freiwilliger Aufenthalte zur Krisenintervention aufgrund von
Suizidalität in der Klinik Schlosstal und Anfang 2015, nach dem letzten
Suizidversuch, in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich aufgehalten.
Gestützt auf obige Sachverhaltsfeststellungen hat die Vorinstanz gefolgert, es
bestünden im Sinne von Art. 30 VRVernstliche Zweifel an der Fahrfähigkeit des
Beschwerdeführers, weshalb ein vorsorglicher Ausweisentzug gerechtfertigt sei.
Diese Folgerung bestreitet der Beschwerdeführer nicht in einer Art. 106 Abs. 2
BGG genügenden Weise und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern dadurch
verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers verletzt sein könnten. Im
Übrigen wäre angesichts seines Alkohol- und Drogenkonsums sowie seiner
psychologischen Probleme wohl auch nicht davon auszugehen, dass er genügende
Gewähr dafür bieten würde, sich nicht in fahrunfähigem Zustand ans Steuer zu
setzen.

7. 
Der Beschwerdeführer stellt sodann den Eventualantrag, es sei ihm die
Fahrerlaubnis für die Kategorien der 3. medizinischen Gruppe sofort wieder zu
erteilen. Hierzu hat die Vorinstanz erwogen, unter dem Blickwinkel der
Verhältnismässigkeit wäre eine Erteilung des Führerausweises, beschränkt auf
diese Kategorie, zwar denkbar, nicht aber eine vorbehaltlose, sofortige
Wiedererteilung. Auch mit dieser Erwägung setzt sich der Beschwerdeführer nicht
auseinander, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist; festzuhalten ist
bloss, dass sich die Folgerung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht aus der
von ihm zitierten Erwägung aus dem des ersten Urteils des Verwaltungsgerichts
vom 26. April 2016 ergibt.

8. 
Auf den Antrag des Beschwerdeführers, eine allfällige erneute Abklärung für die
Kategorien der 2. Medizinischen Gruppe sei auf Kosten des IRMZ durchzuführen
(Beschwerdeantrag 3), ist das Verwaltungsgericht nicht eingetreten, weil die
Rekursinstanz dies bereits so angeordnet habe und er folglich nicht beschwert
sei. Dagegen macht der Beschwerdeführer geltend, die Sicherheitsdirektion habe
das Strassenverkehrsamt und nicht das IRMZ zur Tragung dieser Kosten
verpflichtet, doch habe das letztere sie verursacht und solle deshalb
kostenpflichtig werden. Diese Ausführungen ändern nichts daran, dass der
Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nicht beschwert war und insofern kein
schutzwürdiges Interesse an der Beschwerdeführung vor Verwaltungsgericht hatte.
Das Nichteintreten auf die Beschwerde in diesem Punkt ist nicht zu beanstanden.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Forderung des Beschwerdeführers, es seien
bei allfälligen weiteren Untersuchungen Tonaufnahmen zuzulassen, steht
ausserhalb des Streitgegenstands, denn die Vorinstanz hat über diesen Punkt
nicht befunden; auf diesen Antrag ist nicht einzutreten.

9. 
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Prozessausgang wären die Verfahrenskosten an sich dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen, doch hat er ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gestellt
(Beschwerdeantrag 4). Die Vorinstanz hat im Kostenpunkt ihres Urteils
festgestellt, die Kosten wären offensichtlich uneinbringlich. Angesichts dessen
rechtfertigt es sich, auch für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu
erheben. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt, Bereich
Administrativmassnahmen, der Sicherheitsdirektion, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, und dem Bundesamt für Strassen Sekretariat
Administrativmassnahmen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Mai 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Karlen

Die Gerichtsschreiberin: Pedretti

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