Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.71/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]                        
{T 1/2}
                                      
1C_71/2017, 1C_79/2017, 1C_85/2017

Urteil vom 30. März 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
1C_71/2017
Stefan Thöni,
Beschwerdeführer,

und

1C_79/2017
Severin Bischof,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Stefan Thöni,

gegen

1. Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren,
2. Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren,
3. Konferenz der Kantonsregierungen,
alle Haus der Kantone, Speichergasse 6, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerinnen,
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Felix Uhlmann,

sowie

1C_85/2017
Stefan Thöni,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren,
2. Konferenz der Kantonsregierungen,
beide Haus der Kantone, Speichergasse 6, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerinnen,
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Felix Uhlmann,

Bundeskanzlei, Bundeshaus West, 3003 Bern.

Gegenstand
Eidgenössische Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über das
Unternehmenssteuerreformgesetz III,

Beschwerden gegen die Beschlüsse vom 25. Januar 2017 und vom 2. und 3. Februar
2017 des Regierungsrats des Kantons Zug sowie
den Beschluss vom 30. Januar 2017 der Regierung
des Kantons St. Gallen.

Erwägungen:

1. 
Im Vorfeld der eidgenössischen Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über das
Unternehmenssteuerreformgesetz III erhob Stefan Thöni am 17. Januar 2017 eine
Abstimmungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zug. Am 20. Januar 2017
erhob Severin Bischof eine Abstimmungsbeschwerde an die Regierung des Kantons
St. Gallen. Stefan Thöni und Severin Bischof machten geltend, die Konferenz der
kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren (FDK), die Konferenz der
kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) sowie die Konferenz der
Kantonsregierungen (KdK) hätten sich anlässlich einer gemeinsamen
Medienkonferenz bzw. einer die Unternehmenssteuerreform befürwortenden
Medienmitteilung vom 13. Januar 2017 in unzulässiger Weise in den
Abstimmungskampf eingemischt und damit den Grundsatz der Abstimmungsfreiheit
verletzt.
Am 31. Januar 2017 erhob Stefan Thöni eine zweite Abstimmungsbeschwerde an den
Regierungsrat des Kantons Zug. Er machte geltend, die VDK habe mit einer die
Unternehmenssteuerreform befürwortenden Medienmitteilung vom 30. Januar 2017
erneut die Abstimmungsfreiheit verletzt. Am 1. Februar 2017 erhob Stefan Thöni
eine dritte Abstimmungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zug. Er
machte geltend, die KdK, verschiedene kantonale Regierungen sowie zahlreiche
Mitglieder von kantonalen Regierungen hätten mit einem am 30. Januar 2017 in
verschiedenen Zeitungen erschienenen, für die Unternehmenssteuerreform
werbenden Inserat ebenfalls die Abstimmungsfreiheit verletzt.
Mit Beschluss vom 25. Januar 2017 trat der Regierungsrat des Kantons Zug auf
die Beschwerde vom 17. Januar 2017 von Stefan Thöni nicht ein. Mit Beschluss
vom 30. Januar 2017 trat die Regierung des Kantons St. Gallen auf die
Beschwerde vom 20. Januar 2017 von Severin Bischof nicht ein. Mit Beschlüssen
vom 2. Februar 2017 sowie vom 3. Februar 2017 trat der Regierungsrat des
Kantons Zug auf die Beschwerden vom 31. Januar 2017 sowie vom 1. Februar 2017
von Stefan Thöni nicht ein.

2. 
Beim Bundesgericht sind folgende Eingaben eingegangen: Eine Beschwerde vom 3.
Februar 2017 von Stefan Thöni gegen den Beschluss vom 25. Januar 2017 des
Regierungsrats des Kantons Zug (Verfahren 1C_71/2017), eine Beschwerde vom 7.
Februar 2017 von Severin Bischof gegen den Beschluss vom 30. Januar 2017 der
Regierung des Kantons St. Gallen (Verfahren 1C_79/2017) sowie eine Beschwerde
vom 9. Februar 2017 von Stefan Thöni gegen die Beschlüsse vom 2. und 3. Februar
2017 des Regierungsrats des Kantons Zug (Verfahren 1C_85/2017). In allen drei
Verfahren wurde jeweils Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben.
Die Beschwerdeführer haben in den drei Beschwerden übereinstimmend beantragt,
die Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über das
Unternehmenssteuerreformgesetz III sei abzubrechen bzw. aufzuheben und neu
anzusetzen. Der FDK, der VDK sowie der KdK sei zu untersagen, sich künftig zu
eidgenössischen Volksabstimmungen zu äussern. Im Verfahren 1C_85/2017 hat der
Beschwerdeführer zudem eventualiter beantragt, es sei festzustellen, dass die
Abstimmungsfreiheit im Vorfeld der Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über
das Unternehmenssteuerreformgesetz III durch die Intervention der KdK, der
kantonalen Regierungen und zahlreicher Mitglieder der kantonalen Regierungen
verletzt worden sei.
Der Regierungsrat des Kantons Zug hat in den Verfahren 1C_71/2017 sowie 1C_85/
2017 auf Vernehmlassung verzichtet. Die Regierung des Kantons St. Gallen
beantragt im Verfahren 1C_79/2017, die Beschwerden seien abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Die Beschwerdegegnerinnen beantragen, auf die
subsidiären Verfassungsbeschwerden sei nicht einzutreten und die Beschwerden in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten seien abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die Bundeskanzlei beantragt, die Beschwerden in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten seien abzuweisen, und sinngemäss, auf
die subsidiären Verfassungsbeschwerden sei nicht einzutreten. Mit Eingabe vom
22. März 2017 halten die Beschwerdeführer an den Beschwerden fest.

3. 
Es rechtfertigt sich, die Verfahren 1C_71/2017, 1C_79/2017 sowie 1C_85/2017 zu
vereinigen.

4. 
Die eidgenössische Volksabstimmung über das Unternehmenssteuerreformgesetz III
fand am 12. Februar 2017 statt. Gemäss vorläufigem amtlichem Endergebnis wurde
das Unternehmenssteuerreformgesetz III von den Stimmberechtigten bei einer
Stimmbeteiligung von 45.2 % mit 1'427'946 Nein-Stimmen (59.1 %) zu 989'306
Ja-Stimmen (40.9 %) abgelehnt.
Damit ist das aktuelle Interesse an der Behandlung der Beschwerden in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten dahingefallen, soweit die
Beschwerdeführer beantragt haben, die Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über
das Unternehmenssteuerreformgesetz III sei abzubrechen bzw. aufzuheben und neu
anzusetzen sowie es sei festzustellen, dass die Abstimmungsfreiheit im Vorfeld
der Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über das
Unternehmenssteuerreformgesetz III verletzt worden sei. Dass das Bundesgericht
ausnahmsweise trotz fehlenden aktuellen Interesses auf eine Beschwerde
eintritt, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen
unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, ohne dass im
Einzelfall rechtzeitig eine höchstrichterliche Prüfung möglich wäre (vgl.
Urteil 1C_511/2015 vom 12. Oktober 2016 E. 1.3 mit Hinweis), ändert daran
nichts, zumal das Bundesgericht die von den Beschwerdeführern aufgeworfenen
Fragen in einem ähnlich gelagerten Fall überprüfen könnte, sofern eine
Eidgenössische Volksabstimmung - anders als im vorliegenden Fall - im Sinne der
in den Abstimmungskampf intervenierenden Behörden ausginge.
Soweit die Beschwerdeführer beantragt haben, die Volksabstimmung vom 12.
Februar 2017 über das Unternehmenssteuerreformgesetz III sei abzubrechen bzw.
aufzuheben und neu anzusetzen sowie es sei festzustellen, dass die
Abstimmungsfreiheit im Vorfeld der Volksabstimmung vom 12. Februar 2017 über
das Unternehmenssteuerreformgesetz III verletzt worden sei, sind die
Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegenstandslos geworden
und abzuschreiben (vgl. Art. 32 Abs. 2 BGG). Da bei gegebenem
Rechtsschutzinteresse die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
offenstünde, scheidet die subsidiäre Verfassungsbeschwerde von vornherein aus
(Art. 113 BGG). Auf die subsidiären Verfassungsbeschwerden ist nicht
einzutreten.

5. 
Zu prüfen bleibt, ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann, soweit die
Beschwerdeführer beantragen, es sei den Beschwerdegegnerinnen zu untersagen,
sich künftig zu eidgenössischen Volksabstimmungen zu äussern.

5.1. Bei der Kantonsregierung kann unter anderem Beschwerde geführt werden
wegen Unregelmässigkeiten bei eidgenössischen Volksabstimmungen
(Abstimmungsbeschwerde, Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR [SR 161.1]). Gerügt werden
können namentlich Mängel von Vorbereitungshandlungen im Vorfeld einer
eidgenössischen Volksabstimmung. Gegen Beschwerdeentscheide der
Kantonsregierung im Sinne von Art. 77 BPR steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Stimmrechtsbeschwerde) ans
Bundesgericht offen (Art. 80 Abs. 1 BPR i.V.m. Art. 82 lit. c BGG). Mit ihr
kann die Absetzung bzw. Verschiebung einer eidgenössischen Volksabstimmung bzw.
- falls die Abstimmung im Zeitpunkt des Urteils des Bundesgerichts bereits
stattgefunden hat - die Aufhebung der Abstimmung beantragt werden. Unter
bestimmten Voraussetzungen kann es sich sodann rechtfertigen, dass das
Bundesgericht eine Verletzung der politischen Rechte förmlich feststellt, ohne
die Abstimmung aufzuheben (BGE 138 I 61 E. 4.7.3 S. 79). Hingegen ist das
Bundesgericht nicht befugt, im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 82
lit. c BGG einer Behörde für künftige eidgenössische Volksabstimmungen, welche
nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bilden, förmlich Anweisungen zu
erteilen. Auch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) steht
dafür nicht zur Verfügung.

5.2. Das Begehren der Beschwerdeführer, es sei den Beschwerdegegnerinnen zu
untersagen, sich künftig zu eidgenössischen Volksabstimmungen zu äussern, ist
somit nicht zulässig. Insoweit erweisen sich die Beschwerden in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie die subsidiären
Verfassungsbeschwerden als offensichtlich unzulässig, weshalb darauf im
vereinfachten Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 BGG nicht einzutreten ist.

6. 
Es rechtfertigt sich, auf eine Kostenauflage zu verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1
BGG). Die nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sowie die
Beschwerdegegnerinnen haben keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl.
Art. 68 Abs. 3 BGG).

 Demnach erkennt der Präsident:

1. 
Die Verfahren 1C_71/2017, 1C_79/2017 sowie 1C_85/2017 werden vereinigt.

2. 
Auf die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht
eingetreten, soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind.

3. 
Auf die subsidiären Verfassungsbeschwerden wird nicht eingetreten.

4. 
Es werden keine Kosten erhoben.

5. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Bundeskanzlei, dem Regierungsrat des
Kantons Zug und der Regierung des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. März 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Mattle

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