Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.70/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_70/2017         

Urteil vom 18. Juli 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
Gemeinde Zollikon, Bergstrasse 20, 8702 Zollikon, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Prof. Dr. Isabelle Häner,

gegen

1. A.________,
2. B.________,
Beschwerdegegner,

Bezirksrat Meilen, Dorfstrasse 38, 8706 Meilen,
Regierungsrat des Kantons Zürich,
Neumühlequai 10, 8001 Zürich.

Gegenstand
Beschlüsse der Gemeindeversammlung vom 9. September 2015,

Beschwerde gegen das Urteil vom 21. Dezember 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer.

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit Testament vom 10. August 1920 vermachte der im Jahr 1923 verstorbene
Heinrich Ernst der Gemeinde Zollikon einen Teil seines Vermögens, darunter
Grundstücke an der Seestrasse 109, zur Verwendung insbesondere für ein Heim
"für alte Leute". Diese Vermögenswerte wurden in der Folge dem "Heinrich Ernst
Fonds" zugewiesen, mit entsprechenden, 1924 erlassenen Ausführungsbestimmungen.

A.b. Am 30. November 1969 beschloss die Gemeindeversammlung Zollikon, an der
Seestrasse ein neues Altersheim zu bauen und bewilligte dafür einen Kredit von
1,6 Millionen Franken. Gleichzeitig entschied sie, die Liegenschaften Kat.-Nrn.
3529 und 5621 aus dem "Heinrich Ernst Fonds" in die "nicht-realisierbaren
Aktiven des Gemeindeguts" zu übertragen, und bewilligte dafür - dem Buchwert
der Liegenschaften entsprechend - einen Kredit von Fr. 226'000.--. 1970
übertrug die Gemeinde den Saldo des "Heinrich Ernst Fonds" von Fr. 242'325.07
in den "Allgemeinen Reservefonds Alterswohnfürsorge". Dieser wurde mit
Beschluss der Gemeindeversammlung Zollikon vom 17. März 1976 aufgelöst und der
Saldo für den Bau des Altersheims Beugi verwendet.

A.c. Im Frühling 2016 wurde an einem anderen Standort in Zollikon ein neues
Wohn- und Pflegezentrum eröffnet. Im Hinblick darauf beschloss die
Gemeindeversammlung Zollikon am 9. September 2015, den Gemeinderat zu
ermächtigen, die Liegenschaft an der Seestrasse 109 zum Mindestpreis von 10
Millionen Franken an den Meistbietenden zu verkaufen und die
Ausführungsbestimmungen über den "Heinrich Ernst Fonds" aufzuheben.

B.

B.a. Dagegen erhoben B.________ und A.________ am 6. Oktober 2015
Gemeindebeschwerde beim Bezirksrat Meilen. Dieser wies die Beschwerde am 29.
August 2016 ab.

B.b. B.________ und A.________ reichten dagegen am 26. September 2016 wiederum
Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ein. Dieses hiess die
Beschwerde am 21. Dezember 2016 gut und hob den Entscheid des Bezirksrats
Meilen in den wesentlichen Punkten sowie die Beschlüsse der Gemeindeversammlung
Zollikon über den Verkauf der Liegenschaft Seestrasse 109, Kat.-Nr. 8723 in
Zollikon, und über die Aufhebung der Ausführungsbestimmungen zum "Heinrich
Ernst Fonds" auf.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Februar 2017 an
das Bundesgericht beantragt die Gemeinde Zollikon, den Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2016 aufzuheben. Im Wesentlichen macht sie
geltend, der Entscheid verletze ihre Gemeindeautonomie und sei willkürlich.
B.________ und A.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten sei. Der Bezirksrat Meilen, unter Verweis auf seinen
Entscheid vom 29. August 2015, sowie das Verwaltungsgericht verzichteten auf
eine Vernehmlassung.
Die Gemeinde Zollikon äusserte sich am 7. April 2017 nochmals zur Sache.
Weitere Eingaben gingen beim Bundesgericht nicht mehr ein.

Erwägungen:

1.

1.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid in einer Streitsache des öffentlichen Rechts.
Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG).

1.2. Für ihre Beschwerdeberechtigung beruft sich die Beschwerdeführerin sowohl
auf die Gemeindeautonomie und damit auf die besondere Vorschrift von Art. 89
Abs. 2 lit. c BGG als auch auf die allgemeine Legitimationsbestimmung von Art.
89 Abs. 1 BGG.

1.2.1. Die Gemeinden sind gestützt auf Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG zur Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert, soweit sie die
Verletzung von Garantien rügen, welche ihr die Kantons- oder Bundesverfassung
gewährt. Für das Eintreten ist allein entscheidend, dass die Gemeinde durch
einen Akt in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt berührt ist und
eine Verletzung der Autonomie in vertretbarer Weise geltend macht. Ob die
beanspruchte Autonomie besteht und ob sie im konkreten Fall verletzt ist, ist
keine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (BGE 136 I 404
E. 1.1.3 S. 407; 135 I 43 E. 1.2 S. 45 f.). Immerhin ist in der Beschwerde
darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind,
soweit diese nicht ohne Weiteres ersichtlich sind (BGE 133 II 353 E. 1 S. 356).
Bei einer Autonomiebeschwerde muss die Gemeinde begründen, worin die behauptete
Verletzung ihrer Autonomie liegen soll (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 136 I 404 E. 1.1.3 S. 407). Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, es
stehe ihr eine erhebliche Entscheidungsfreiheit darin zu, selbständig ihre
finanziellen Angelegenheiten zu ordnen und ihr Vermögen, insbesondere auch
Grundstücke, zu verwalten, und macht geltend, das Verwaltungsgericht habe
rechtswidrig in diesen geschützten Autonomiebereich eingegriffen. Sie verweist
dazu ausdrücklich auf § 41 Abs. 3 Ziff. 5 des zürcherischen Gemeindegesetzes
vom 6. Juni 1926 (GG; LS 131.1), wonach die Gemeindeversammlung bei Fehlen
einer davon abweichenden kommunalen Regelung über den Erwerb und die
Veräusserung von Grundstücken beschliesst, sowie auf § 151 GG, wonach
Beschlüsse der Gemeinde nur dann aufgehoben werden dürfen, wenn sie gegen
übergeordnetes Recht verstossen. Damit hat die Beschwerdeführerin ihre
behauptete Autonomieverletzung genügend substantiiert, um zur entsprechenden
Beschwerdeführung befugt zu sein.

1.2.2. Gemeinden können sich auf die allgemeine Legitimationsbestimmung (Art.
89 Abs. 1 BGG) berufen, wenn sie durch den angefochtenen Entscheid gleich oder
ähnlich wie eine Privatperson betroffen oder aber in spezifischer Weise in
schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen berührt sind, namentlich wenn
einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung
zukommt (ausführlich BGE 138 II 506 E. 2 S. 508 ff.; ferner statt vieler BGE
133 II 400 E. 2.4.2 S. 406 mit Hinweisen). So hat die Rechtsprechung die
Legitimation der Gemeinden hinsichtlich von Fragen des Finanzausgleichs oder
der Aufgabenverteilung zwischen Gemeinden oder zwischen Kanton und Gemeinden
bejaht (BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47; 135 II 156 E. 3 S. 157 ff.). Dasselbe gilt
auch im vorliegenden Fall, in dem es um die Regelung der Gemeindefinanzen bzw.
den Verkauf eines der Gemeinde gehörenden Grundstücks geht.

1.3. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können
Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Bezüglich des
kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht frei die Verletzung von kantonalen
verfassungsmässigen Rechten (Art. 95 lit. c BGG) und von kantonalen
Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung und über Volkswahlen und
-abstimmungen (Art. 95 lit. d BGG). Abgesehen davon prüft das Bundesgericht die
Anwendung von kantonalem Recht nur darauf hin, ob dadurch Bundes-, Völker- oder
interkantonales Recht verletzt wird (Art. 95 lit. a, b und e BGG), namentlich
auch, ob das kantonale Recht willkürlich angewendet worden ist (BGE 138 I 143
E. 2 S. 150).

1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. In der Sache beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, dass das
Verwaltungsgericht die den fraglichen Sachbereich regelnden kantonalen
Bestimmungen, namentlich die §§ 127, 129 und 151 GG, klar falsch angewandt und
in diesem Zusammenhang zugleich das Willkürverbot nach Art. 9 BV verletzt habe.
Damit habe es rechtswidrig in die durch Art. 50 Abs. 1 BV und Art. 85 der
Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2015 (KV/ZH; LS 101; SR 131.211)
geschützte Autonomie der Beschwerdeführerin eingegriffen. Das Bundesgericht
prüft die Vereinbarkeit des angefochtenen Entscheids mit der Gemeindeautonomie
grundsätzlich frei, hingegen nur auf Willkür hin, soweit die Beschwerdeführerin
die Verletzung von kantonalem Gesetzesrecht rügt. Die Berufung auf Art. 85 KV/
ZH führt diesbezüglich nicht zu einer weiteren Kognition, da die
Beschwerdeführerin nicht darzutun vermag, dass sie dadurch in ihrer Autonomie
über die Garantie von Art. 50 Abs. 1 BV hinaus geschützt würde. Die kantonale
Verfassungsbestimmung bildet jedoch die kantonalrechtliche Grundlage für die
behauptete Gemeindeautonomie.

2.2. Nach Art. 85 Abs. 1 KV/ZH regeln die Gemeinden ihre Angelegenheiten
selbständig; das kantonale Recht gewährt ihnen einen möglichst weiten
Handlungsspielraum. In ihren finanziellen Angelegenheiten unterstehen die
zürcherischen Gemeinden zwar der Aufsicht des Bezirks und des Kantons (vgl. §§
141 ff. GG, insbes. § 144 ff. GG). Das bedeutet aber nicht, dass sie insofern
nicht über Autonomie verfügen. Im Gegenteil belegt die in der Kantonsverfassung
und im Gesetz angelegte Zurückhaltung bei der Kontrolle, dass den Gemeinden
gerade in finanzieller Hinsicht ein rechtlich wesentlicher Entscheidungs- und
Handlungsspielraum und mithin Autonomie zukommt. Nach § 41 Abs. 3 Ziff. 5 GG
beschliesst die Gemeindeversammlung mangels einer davon abweichenden kommunalen
Regelung insbesondere über den Erwerb und die Veräusserung von Grundstücken.
Die den zürcherischen Gemeinden gewährte Autonomie reicht allerdings nur so
weit, als das Gesetz ihr nicht konkret Schranken setzt. Entsprechende
Bestimmungen finden sich namentlich in den §§ 125 ff. GG bzw. in den hier
strittigen §§ 127, 129 und 151 GG.

2.3. Nach § 127 ist die Zweckbindung von Mitteln der Gemeinde wie eine Ausgabe
zu beschliessen. Sie ist nur zulässig zur Speisung von Fonds, die das
übergeordnete Recht vorschreibt, sowie zur Vorfinanzierung von Investitionen,
für die ein Grundsatzbeschluss oder ein Projektierungskredit vorliegt (Abs. 1);
die Zweckbindung wird aufgehoben, wenn der Zweck erfüllt oder seit fünf Jahren
nicht mehr verfolgt worden ist (Abs. 2). Gemäss § 129 GG verwaltet die Gemeinde
Schenkungen und letztwillige Zuwendungen mit bestimmter Zweckbindung gesondert;
die Gemeindevorsteherschaft hebt die Zweckbindung auf oder ändert sie, wenn sie
unzeitgemäss oder unwirksam geworden ist. Nach § 151 Abs. 1 Ziff. 1 GG können
Gemeindebeschlüsse unter anderem dann durch Beschwerde angefochten werden, wenn
sie gegen übergeordnetes Recht verstossen.

2.4. Wie dargelegt, prüft das Bundesgericht auch im Rahmen einer
Autonomiebeschwerde die Auslegung und Anwendung dieser kantonalgesetzlichen
Bestimmungen nur auf Willkür hin. Gemäss der ständigen Praxis des
Bundesgerichts ist ein Entscheid willkürlich, wenn er offensichtlich unhaltbar
ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen
Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder
gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 134 II 124
E. 4.1 S. 133; je mit Hinweisen).

3.

3.1. Das Verwaltungsgericht hielt im angefochtenen Entscheid fest, die
Liegenschaft an der Seestrasse 109 werde nicht mehr für ein Altersheim
benötigt, nachdem die Gemeinde im Frühling 2016 an einem anderen Standort ein
neues Wohn- und Pflegezentrum eröffnet habe. Mit dem strittigen Beschluss der
Gemeindeversammlung solle das Grundstück verkauft und der daraus hervorgehende
Ertrag dem Finanzvermögen gutgeschrieben werden. Nach § 129 Satz 1 GG sei die
Liegenschaft gestützt auf die mit der letztwilligen Verfügung auferlegte
Zweckbindung als Sondervermögen zu verwalten gewesen. Die Zweckbindung des
Betriebs eines Altersheims sei offenkundig nicht unzeitgemäss. Wegen des neuen
Wohn- und Pflegezentrums sei die Zweckbindung allerdings unwirksam geworden.
Die Gemeinde dürfe daher das Grundstück verkaufen, unterliege aber weiterhin
der Zweckbindung, weshalb ein allfälliger Vermögensertrag immer noch dem Zweck
des Betriebs eines Altersheims dienen müsse. Der durch einen allfälligen
Verkauf erzielte Erlös müsse also wiederum als zweckgebundenes Sondervermögen
in der Bilanz der Gemeinde geführt bzw. dem "Heinrich Ernst Fonds"
gutgeschrieben werden. Daran ändere nichts, dass die Gemeinde am 30. November
1969 einen Kredit von Fr. 226'000.-- - der offenbar dem damaligen Wert der
Liegenschaft entsprochen zu haben scheint - beschlossen habe. Sie habe nämlich
gleichzeitig beschlossen, auf den vermachten Grundstücken ein neues Altersheim
zu bauen (das nunmehr 2016 wiederum durch das neue Wohn- und Pflegezentrum
abgelöst wurde). Damit sei die Zweckbindung bestehen geblieben. Die
Liegenschaft habe weiterhin dem ihr ursprünglich zugedachten Zweck gedient,
woran auch die bilanzmässigen Umbuchungen nichts geändert hätten. Überdies
hätte der Zweck des Fonds nach der im Jahre 1969 geltenden Rechtslage nur mit
Zustimmung des Regierungsrats des Kantons Zürich abgeändert werden dürfen;
diese Zustimmung zum Beschluss von 1969 sei aber nicht eingeholt worden. Der
strittige Gemeindeversammlungsbeschluss verstosse daher gegen § 129 Abs. 1 GG.

3.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen im Wesentlichen ein, die fragliche
Liegenschaft an der Seestrasse 109 sei im Jahre 1969 durch einen wirksamen
Gemeindebeschluss, der nicht angefochten und damit rechtskräftig geworden sei,
dem Verwaltungsvermögen zugewiesen worden. Seither habe ihr Wert kein
zweckgebundenes Sondervermögen mehr dargestellt. Im Gegenzug sei dem "Heinrich
Ernst Fonds" ein Betrag im Umfang des damaligen Werts der Liegenschaft
gutgeschrieben worden, der später dann auch zweckgebunden verwendet worden sei.
Da die Liegenschaft seit 1969 kein zweckgebundenes, gesondert zu verwaltendes
Vermögen mehr bilde, sondern zum Verwaltungsvermögen der Gemeinde gehöre, könne
§ 129 GG den hier strittigen Gemeindeversammlungsbeschlüssen vom 9. September
2015 offensichtlich nicht entgegenstehen bzw. habe die Gemeindeversammlung über
ihre Veräusserung beschliessen dürfen.

3.3. Auf den ersten Blick erscheinen beide Argumentationsschienen vertretbar.
Entscheidend erweist sich diesfalls, bei mehreren möglichen Auslegungen, dass
auch die Erwägungen und das Ergebnis des angefochtenen Entscheids nicht
unhaltbar oder stossend sind. Massgeblich ins Gewicht fallen dabei die
folgenden Gesichtspunkte: Trotz bilanzmässiger Umbuchung wurde die Liegenschaft
im Jahre 1969 weiterhin für den gleichen Zweck verwendet. Eine allfällige
Verschiebung vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen war damit nicht ohne weiteres
erkennbar, bzw. die Zweckbindung blieb jedenfalls inhaltlich bestehen, selbst
wenn sie allenfalls aus rechtlicher Sicht hätte wegfallen sollen. Für eine
solche Rechtsänderung wäre allerdings nach der damaligen Rechtslage die
Zustimmung des Regierungsrats erforderlich gewesen, die nicht eingeholt wurde,
was beides unter den Verfahrensbeteiligten unbestritten ist. Ob dieser formelle
Mangel durch Nichtanfechtung des damaligen Beschlusses geheilt bzw. dieser
Beschluss trotzdem rechtskräftig werden konnte, erscheint fraglich, kann aber
offenbleiben. Jedenfalls wurde dadurch nach aussen der Eindruck verstärkt, dass
die Zweckbindung weiterhin gelten sollte. Das Nichteinholen der nötigen
regierungsrätlichen Zustimmung lässt sich denn auch so verstehen, dass die
Aufhebung der Zweckbindung gar nicht beabsichtigt war. Das Verwaltungsgericht
durfte daher willkürfrei davon ausgehen, dass die Zweckbindung nicht
weggefallen und § 129 GG zu beachten ist. Damit ist es auch nicht unhaltbar,
vom grundsätzlichen Zweckbindungsverbot von § 127 GG, das für den Tatbestand
von § 129 GG gerade nicht gilt, abzusehen. Bei einem Abstimmungsergebnis von
101 zu 100 Stimmen erweist es sich sodann nicht als willkürlich, wenn das
Verwaltungsgericht annimmt, die Abstimmung über den Verkauf der Liegenschaft
hätte anders ausgehen können, wenn die Zweckbindung des Verkaufserlöses vor der
Stimmabgabe allen Beteiligten klar gewesen wäre.

3.4. Damit ist einzig noch zu prüfen, ob die Zweckbindung noch weiterhin
wirksam befolgt werden kann. Die Beschwerdeführerin bestreitet das und macht
überdies geltend, die Verwendung eines Legats für den Betrieb eines Altersheims
mache heutzutage in der Gemeinde Zollikon angesichts der völlig veränderten
Finanzierung der Alterspflege ohnehin keinen Sinn mehr. Wohl trifft es zu, dass
sich Organisation, Betrieb und Finanzierung der Alterspflege im Vergleich zu
1920, als Heinrich Ernst sein Testament verfasste, und auch mit 1969, als die
Beschwerdeführerin an der Seestrasse ein damals neues, inzwischen wieder
aufgegebenes Altersheim errichtete, wesentlich verändert haben. Das schliesst
aber nicht aus, dass sich der Zweck des Legats weiterhin befolgen lässt. Wird
etwa die Liegenschaft nicht verkauft, kann sie bei entsprechendem, nicht
auszuschliessendem zusätzlichem Bedarf in Zukunft auch wieder für die
Alterspflege genutzt werden. Wird sie verkauft, so liesse sich der Erlös im
Bedarfsfall für bestimmte zusätzliche bauliche Erweiterungen oder Anpassungen
des neuen Wohn- und Pflegezentrums oder für den Bau eines zusätzlichen
Altersheims verwenden sowie für sonstige Annextätigkeiten, die zwar
möglicherweise nicht unmittelbar für den Betrieb eines Altersheims notwendig
sind, einen solchen aber sinnvoll ergänzen können. Die Beschwerdegegner nennen
zu Recht als Beispiele für weitere Angebote im Interesse der Alterspflege
solche zur Unterstützung von bedürftigen älteren Personen, zur Abdeckung
spezifischer pflegerischer Massnahmen, sowie Fahrdienste, altersbezogene
kulturelle oder soziale Aktivitäten oder allenfalls auch Entlastungs- oder
Erholungsmassnahmen für Menschen, die abhängige Betagte betreuen bzw. pflegen.
Es ist daher nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht verneint hat, dass
der Tatbestand von § 129 Satz 2 GG erfüllt sei, wonach die Zweckbindung
aufgehoben oder geändert wird, wenn sie unzeitgemäss oder unwirksam geworden
ist.

3.5. Das Verwaltungsgericht durfte demnach willkürfrei entscheiden, dass die
Bestimmung von § 129 GG, wonach letztwillige Zuwendungen mit bestimmter
Zweckbindung gesondert zu verwalten sind, im vorliegenden Fall anwendbar und zu
beachten ist und die strittigen Beschlüsse der Gemeindeversammlung Zollikon vom
9. September 2015 im Sinne von § 151 Abs. 1 Ziff. 1 GG gegen übergeordnetes
Recht verstossen. Der angefochtene Entscheid ist mithin nicht willkürlich und
verletzt die Autonomie der Beschwerdeführerin nicht.

4.

4.1. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

4.2. Bei diesem Verfahrensausgangs sind keine Kosten für das bundesgerichtliche
Verfahren zu erheben. Die Streitsache weist zwar auch einen Bezug zum
kommunalen Finanzwesen auf, beschlägt aber nicht unmittelbar
Vermögensinteressen der Beschwerdeführerin, da sich das Gesamtvermögen der
Gemeinde letztlich nicht verändert, sondern nur die bilanzmässigen Zuweisungen
der Vermögenswerte und deren Nutzungsmöglichkeiten unterschiedlich ausfallen.
Die Beschwerdeführerin wird daher trotz Unterliegens nicht kostenpflichtig
(vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG).

4.3. Die Beschwerdegegner beantragen für den - nunmehr eingetretenen - Fall
ihres Obsiegens die Zusprechung einer Parteientschädigung (vgl. dazu Art. 68
BGG). Wie das Verwaltungsgericht für das vorinstanzliche Verfahren zu Recht
erkannt habe, hätten sie nur deshalb von einer anwaltlichen Vertretung absehen
können, weil sie selbst in besonderem Masse rechtskundig seien. Nach der
bundesgerichtlichen Praxis steht indessen nicht anwaltlich vertretenen
Verfahrensbeteiligten in der Regel keine Parteientschädigung zu (vgl. BGE 133
III 439 E. 4 S. 446), es sei denn, sie könnten in einem komplexen Rechtsstreit
einen wohl begründeten und belegten besonderen Aufwand geltend machen (vgl. BGE
129 V 113 E. 4.1 S. 116). Eine solche Ausnahme vermögen die Beschwerdegegner
nicht darzutun. Zwar mag es zutreffen, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse
auf einen Anwalt verzichten konnten; das gilt aber grundsätzlich für jeden
Rechtskundigen, der in eigener Sache prozessiert. Daran ändert hier nichts,
dass die Beschwerdegegner keine Eigeninteressen geltend machen, sondern im
öffentlichen Interesse handeln. Im Unterschied zum vorinstanzlichen Verfahren
hatten die Beschwerdegegner auch keinen besonderen Aufwand zu leisten. Die zu
behandelnden Rechtsfragen waren von den Verfahren vor dem Bezirksrat und vor
dem Verwaltungsgericht her weitgehend bekannt, und die Beschwerdegegner fanden
sich als solche vor Bundesgericht in der in der Regel einfacheren
Parteistellung wieder und mussten nicht, wie noch vor den beiden Vorinstanzen,
selbst Beschwerde führen. Im Übrigen belegen sie ihren angeblich erheblichen
Aufwand auch nicht. Damit ist ihnen keine Parteientschädigung zuzusprechen.

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksrat Meilen, dem Regierungsrat des
Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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