Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.69/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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1C_69/2017             

 
 
 
Urteil vom 25. Oktober 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B. C._______ und C. C.________, 
Beschwerdegegner, 
 
Einwohnergemeinde Bern, Direktion für Tiefbau Verkehr und Stadtgrün, 
Bundesgasse 38, Postfach, 3001 Bern, 
Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland, Poststrasse 25, 3072 Ostermundigen. 
 
Gegenstand 
Beseitigung eines Baums und Ersatzpflanzung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Dezember 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung (100.2015.337U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 17. Juli 2014 ersuchten B.C._______ und C.C.________ die Einwohnergemeinde
(EG) Bern, Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün, um die Bewilligung zur
Beseitigung der auf ihrer Parzelle Gbbl. Nr. 912 stehenden geschützten
Rosskastanie. 
Mit Verfügung vom 13. August 2014 hiess die EG Bern das Gesuch gut und ordnete
an, dass eine Ersatzpflanzung ("Aesculus hippocastanum" [Rosskastanie] am
selben Ort, mindestens 20/22 cm Stammumfang) in der nächsten Pflanzperiode
(Herbst, Frühling) nach der Fällung auszuführen sei. Im Oktober 2014 liessen
B.C._______ und C.C.________ die Rosskastanie fällen und einen neuen Baum
pflanzen. 
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 gelangte die D.________ AG als Verwalterin
der an das Grundstück von B.C._______ und C.C.________ angrenzenden
Liegenschaft Gbbl. Nr. 1278 an die EG Bern und verlangte, es sei ihr die
Möglichkeit zur Beschwerde gegen die Verfügung vom 13. August 2014 zu gewähren.
Am 23. Oktober 2014 eröffnete die EG Bern die Verfügung der D.________ AG. Am
21. November 2014 erhob A.________, Eigentümer von zwei
Stockwerkeigentumseinheiten der Liegenschaft Gbbl. Nr. 1278, gegen die
Verfügung der EG Bern vom 13. August 2014 Beschwerde beim
Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland. Dieses führte einen Augenschein
durch. Mit Entscheid vom 22. Oktober 2015 trat es auf die Beschwerde nicht ein.
Im Sinne einer Eventualbegründung hielt es fest, die Beschwerde wäre ohnehin
abzuweisen gewesen. 
Gegen diesen Entscheid reichte A.________ am 17. November 2015 Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern ein. Mit Urteil vom 20. Dezember 2016 wies
dieses die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Die Verfahrenskosten,
bestimmt auf eine Pauschalgebühr von Fr. 3'000.--, auferlegte es zur Hälfte dem
Beschwerdeführer; den Rest erhob es nicht. 
 
B.   
Mit Eingabe vom 1. Februar 2017 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde
beim Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil der Vorinstanz vom 20. Dezember
2016 und die Verfügung der EG Bern vom 13. August 2014 seien aufzuheben, und
B.C._______ und C.C.________ seien zu verpflichten, eine Ersatzpflanzung an
einem anderen Ort auf deren Grundstück unter Einhaltung der Grenzabstände zum
Grundstück des Beschwerdeführers auszuführen. 
Das Verwaltungsgericht stellt Antrag auf Beschwerdeabweisung. Die EG Bern
beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
könne. Das Regierungsstatthalteramt und B.C._______ und C.C.________ haben
Stellungnahmen eingereicht, ohne förmliche Anträge zu stellen. 
A.________ hat auf weitere Bemerkungen verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Verwaltungsgericht hat als letzte kantonale Instanz (Art. 86 Abs. 1
lit. d BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts entschieden (Art. 82
lit. a BGG). Ein Ausnahmegrund liegt nicht vor (Art. 83 BGG). Die
streitbetroffene Ersatzpflanzung der Beschwerdegegner befindet sich in einem
Abstand von weniger als 2 m zur Grenze des Grundstücks des Beschwerdeführers.
Der (ausgewachsene) Baum wird dereinst die beiden Stockwerkeinheiten des
Beschwerdeführers beschatten. Dieser hatte im vorinstanzlichen Verfahren
Parteistellung, ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Er ist damit zur
Beschwerdeführung berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, bleibt
für die subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum (Art. 113 BGG). Auf Letztere
ist nicht einzutreten. 
Anfechtungsobjekt ist ausschliesslich das vorinstanzliche Urteil. Soweit der
Beschwerdeführer zusätzlich die Aufhebung der erstinstanzlichen Verfügung vom
13. August 2014 beantragt, ist darauf mit Blick auf den Devolutiveffekt der
Beschwerdeverfahren nicht einzutreten (vgl. BGE 139 II 404 E. 2.5 S. 415). 
 
1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können
Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der
willkürlichen Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht und Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung - gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2
BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 281 f.).  
Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der
Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar
ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen
Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder
gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5). 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz befinde sich
die Ersatzpflanzung in einem Abstand von 1,7 m und nicht von 2 m zu seiner
Grundstücksgrenze. 
Sachverhaltlich relevant ist die Feststellung im angefochtenen Urteil, dass der
neu gepflanzte Baum - entsprechend der Auflage in der Verfügung vom 13. August
2014 - am selben Standort wie der gefällte gepflanzt wurde und den Grenzabstand
nach kantonalem Zivilrecht unterschreitet (vgl. hierzu nachfolgend E. 3.1.1).
Die Distanz dieses Standorts zum Grundstück des Beschwerdeführers hat die
Vorinstanz lediglich geschätzt ("rund zwei Meter"); sie brauchte nicht genauer
ermittelt zu werden. 
Das Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich damit als unbegründet. 
 
3.  
 
3.1. Die Verfügung der EG Bern vom 13. August 2014 stützt sich im Wesentlichen
auf Art. 3-5 sowie Art. 7 Abs. 3 des Baumschutzreglements der Stadt Bern vom 7.
Juni 1998 (BSchR; SSSB 733.1) :  
 
3.1.1. Gemäss Art. 3 Abs. 1 BSchR wird das Gemeindegebiet der Stadt Bern in
eine Baumschutzzone A und eine Baumschutzzone B eingeteilt. Die Baumschutzzone
A umfasst das Aaretalschutzgebiet und die Altstadt gemäss Bauordnung und
Bauklassenplan der Stadt Bern. Die Baumschutzzone B umfasst das ganze übrige
Gemeindegebiet. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a BSchR sind die Bäume (ab einem
Mindest-Stammumfang von 30 cm bzw. einem Durchmesser von ca. 10 cm, gemessen 1
m über dem gewachsenen Boden) in der Baumschutzzone A geschützt, und ihre
Beseitigung bedarf einer Bewilligung; Art. 79l des kantonalen Gesetzes vom 28.
Mai 1911 betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (EG
ZGB/BE; BSG 211.1) wird im Aaretalschutzgebiet für nicht anwendbar erklärt. Die
Grundstücke des Beschwerdeführers und der Beschwerdegegner befinden sich
unbestrittenermassen im Perimeter des Aaretalschutzgebiets gemäss
Bauklassenplan der Stadt Bern.  
Gemäss Art. 79l Abs. 1 lit. a EG ZGB/BE, welcher in Art. 3 Abs. 2 lit. a Satz 2
BSchR für nicht anwendbar erklärt wird, müssen hochstämmige Bäume, die nicht zu
den Obstbäumen gehören, sowie Nussbäume einen bis zur Mitte der Pflanzstelle zu
messenden Grenzabstand von 5 m einhalten. Rosskastanien sind hochstämmige
Bäume. Mit einem Grenzabstand der Pflanzung zum Grundstück des
Beschwerdeführers von weniger als 2 m ist der Grenzabstand von 5 m gemäss Art.
79l Abs. 1 lit. a EG ZGB/BE unbestrittenermassen nicht eingehalten. 
 
3.1.2. Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. b BSchR, auf welchen die EG Bern in der
Verfügung vom 13. August 2014 ausdrücklich Bezug nimmt, wird die Bewilligung
für die Beseitigung eines Baums oder das Entfernen wesentlicher Teile davon
erteilt, wenn mit der Erhaltung eines Baums eine wesentliche Gefahr für
Menschen oder Sachen verbunden wäre. Art. 4 Abs. 2 BSchR hält fest, dass im
Rahmen der Interessenabwägung namentlich der Wert des zur Beseitigung
beantragten Baums für das Orts- und Landschaftsbild sowie seine ökologische
Bedeutung und die Möglichkeit eines vollwertigen Ersatzes durch Neuanpflanzung
zu berücksichtigen sind. Art. 4 Abs. 3 BSchR bestimmt, dass die Beseitigung von
besonders schutzwürdigen Bäumen und Gehölzen im Sinne des kantonalen
Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG/BE; BSG 721.0; Art. 9 Abs. 2 und Art. 10
Abs. 1 lit. c BauG/BE in der bis zum 1. Januar 2001 gültigen Fassung) nur
ausnahmsweise und unter der Bedingung bewilligt wird, "dass ein nach Standort
und Baumart vollwertiger Ersatz geleistet wird".  
Gemäss Art. 5 Abs. 1 BSchR ordnet die Bewilligungsbehörde in der
Beseitigungsbewilligung in der Regel für jeden beseitigten Baum eine geeignete
Ersatzpflanzung auf dem gleichen oder, in Ausnahmefällen, mit Zustimmung des
betroffenen Grundeigentümers oder der betroffenen Grundeigentümerin, auf einem
benachbarten Grundstück an. Eine Ersatzpflanzung kann auch ein Obstbaum sein.
Die Kosten der Ersatzpflanzung gehen zu Lasten des Gesuchstellers oder der
Gesuchstellerin. 
Nach Art. 7 Abs. 3 BSchR erstellt die Verwaltungseinheit "Stadtgrün" zuhanden
des Gemeinderats ein Hinweisinventar der besonders schutzwürdigen privaten
Bäume und Gehölze. Die gefällte Rosskastanie ist in diesem Inventar
verzeichnet. 
 
3.1.3. Inwiefern - wie vom Beschwerdeführer behauptet - bauliche Veränderungen
(wie ein Swimmingpool) die Schutzwürdigkeit des Aaretalhangs (vgl. E. 3.1.1
hiervor) oder des geschützten Einzelbaums (vgl. E. 3.1.2 hiervor) schmälern
oder gar aufheben sollten, ist nicht ersichtlich. Für die Vorinstanz bestand
deshalb kein Anlass, die in den gesetzlichen Grundlagen und Inventaren
ausgewiesene Schutzwürdigkeit des Gebiets und des Baums in Frage zu stellen.  
 
3.2. Die Kantone und - nach Massgabe des kantonalen Rechts - die Gemeinden
werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht
nicht beschränkt (Art. 6 Abs. 1 ZGB; Arnold Marti, in Zürcher Kommentar ZGB, 3.
Aufl. 1998, N. 220 ff. und N. 368 zu Art. 6 ZGB). Dabei bestehen die Befugnisse
der Kantone auch in Bereichen, die - wie bei den privatrechtlichen
Pflanzabständen gemäss Art. 688 ZGB - dem kantonalen Zivilrecht vorbehalten
sind (BGE 132 III 6 E. 3.2 S. 8; Marti, a.a.O., N. 45 zu Art. 5 ZGB). Stehen
wie hier öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Schutz von Pflanzen
privatrechtlichen Beseitigungsansprüchen entgegen, so gehen erstere letzteren
grundsätzlich vor. Der Vorrang des öffentlichen Rechts ergibt sich aus dem
Schutzzweck sowie aus dem zwingenden Charakter. Privatrechtliche
Eigentumsrechte können nur soweit ausgeübt werden, als die Rechtsordnung,
insbesondere das öffentliche Recht mit seinen Eigentumsbeschränkungen, dies
zulässt. Solche öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen müssen
allerdings stets auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen
Interesse liegen und verhältnismässig sein (Art. 36 BV und Art. 28 KV/BE; vgl.
zum Ganzen auch angefochtenes Urteil E. 6.2).  
Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Beschwerde unter Bezugnahme auf BGE
132 III 6 E. 3.2 S. 8 ebenfalls auf den Vorrang der Vorschriften des kantonalen
öffentlichen Rechts über die Unterschutzstellung von Bäumen vor dem kantonalen
Zivilrecht (Beschwerde S. 7). Strittig ist, ob die öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (nachfolgend E.
3.3 ff.) und verhältnismässig ist (nachfolgend E. 3.6 ff.). 
 
3.3. Der Beschwerdeführer rügt, Art. 3 Abs. 2 lit. a BSchR, welcher Art. 79l EG
ZGB/BE im Aaretalschutzgebiet für nicht anwendbar erklärt, stütze sich nicht
auf eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage; insbesondere finde sich
keine solche im BauG/BE. Die gegenteilige Auslegung der Vorinstanz sei
willkürlich.  
 
3.4.  
 
3.4.1. Der Grundlage der umstrittenen Auflage (Ersatzpflanzung am selben Ort)
bildende Art. 4 Abs. 3 BSchR verweist für die besonders geschützten Bäume und
Gehölze, wie dargelegt (E. 3.1.2 hiervor), ausdrücklich auf aArt. 9 Abs. 2 und
aArt. 10 Abs. 1 lit. c BauG/BE in der bis 1. Januar 2001 gültigen Fassung.
Diese kantonalen Bestimmungen betrafen die besonders schutzwürdigen Objekte des
Ortsbild- und Landschaftsschutzes, die heute unter dem Titel des besonderen
Landschaftsschutzes geregelt sind. Gemäss Art. 9a Abs. 1 lit. c BauG/BE in der
geltenden Fassung ist in besonderem Masse Rücksicht zu nehmen auf für die
Landschaft oder Siedlung charakteristische Baumbestände und Gehölze. Nach Art.
9a Abs. 2 BauG/BE können die Gemeinden nähere Vorschriften erlassen.  
 
3.4.2. Die Vorinstanz hat hierzu ausgeführt, der kantonale Gesetzgeber habe die
Gemeinden im Bereich des besonderen Landschaftsschutzes somit ausdrücklich
ermächtigt, über die kantonalen Vorschriften hinaus weitergehende
Schutzvorschriften zu erlassen. Vor diesem Hintergrund hätten die ebenfalls vom
Kanton erlassenen zivilrechtlichen Bestimmungen zu den Pflanzabständen -
öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit der kommunalen Vorschriften
vorausgesetzt - zurückzutreten. Den Baumbeständen an den Aaretalhängen komme
aus Sicht des Landschaftsschutzes grosse Bedeutung zu. Die beiden Parzellen
befänden sich laut Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz
von nationaler Bedeutung (ISOS) in der Umgebungszone VII "Altenberg-Rabbental,
ungeordnet überbauter Südhang, stark durchgrünt", wo das Erhaltungsziel b gelte
("Erhalten der Eigenschaften, die für die angrenzenden Ortsbildteile wesentlich
sind"). Es bestehe somit ein ausgewiesenes öffentliches Interesse am Erhalt der
starken Durchgrünung der Aaretalhänge, dem die EG Bern mit dem besonderen
Baumschutz im Aaretalschutzgebiet in Art. 3 Abs. 2 lit. a BSchR Nachachtung
verschafft habe (angefochtenes Urteil E. 6.3 f.).  
 
3.5. Diese Auslegung, wonach Art. 9a BauG/BE eine hinreichende gesetzliche
Grundlage darstellt zum Erlass weitergehender kommunaler Schutzvorschriften,
ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ohne Weiteres vertretbar.
Gestützt auf die ausdrückliche Ermächtigung im kantonalen Baugesetz war und ist
die EG Bern mithin berechtigt, nähere Vorschriften zum Schutz
charakteristischer Baumbestände zu erlassen, was sie mit dem bestehenden
Baumschutzreglement bereits 1998 getan hat. Die Abweichung von den
kantonalrechtlichen Grenzabständen (Art. 79l EG ZGB/BE) und damit auch die
vorliegend umstrittene Anordnung einer Ersatzpflanzung stützen sich auf eine
hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Ersatzpflanzung liegt, wie die
Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat und vom Beschwerdeführer auch nicht
substanziiert bestritten wird, im öffentlichen Interesse.  
 
3.6. Der Beschwerdeführer lastet der Vorinstanz des Weiteren eine willkürliche
Anwendung von Art. 4 Abs. 3 BSchR an. Diese Bestimmung schreibe nicht vor, dass
die Ersatzpflanzung am selben Ort erfolgen müsse. Eine solche Auflage sei
unverhältnismässig.  
 
3.7. Die EG Bern hat ausgeführt, bei im stadtbernischen Inventar der besonders
schutzwürdigen Bäume verzeichneten Bäumen (vgl. Art. 7 Abs. 3 BSchR und E.
3.1.2 hiervor) werde bei deren Beseitigung in Anwendung von Art. 4 Abs. 3 BSchR
jeweils die Ersatzpflanzung eines gleichen Baums am selben Standort verfügt.
Für einen Baum, welcher wie die strittige Ersatzpflanzung unter der höchsten
Schutzstufe stehe, komme nach Sinn und Zweck des stadtbernischen Baumschutzes
grundsätzlich keine andere Baumart wie zum Beispiel ein Obstbaum und kein
anderer Standort in Frage. In diesem Sinn gehe Art. 4 Abs. 3 BSchR der
Bestimmung von Art. 5 Abs. 1 BSchR vor. Es entspreche ihrer konstanten Praxis,
bei besonders schutzwürdigen Bäumen die Ersatzpflanzung eines gleichen Baums am
selben Standort zu verlangen.  
 
3.8. Die Vorinstanz hat erwogen, die Verpflichtung, einen beseitigten Baum -
gegebenenfalls unter Verletzung des zivilrechtlichen Grenzabstands - nach
Standort und Baumart vollwertig zu ersetzen, sei nur für die besonders
schutzwürdigen Bäume festgeschrieben (Art. 4 Abs. 3 BSchR). Ansonsten sei in
der Regel eine Ersatzpflanzung auf dem gleichen Grundstück anzuordnen (Art. 5
Abs. 1 BSchR). Insoweit erweise sich die umstrittene öffentlich-rechtliche
Eigentumsbeschränkung nicht nur als geeignet, sondern auch als erforderlich, um
dem erhöhten Schutzbedürfnis besonders geschützter Einzelbäume Rechnung zu
tragen. Inwiefern der Ende 2014 gepflanzte Baum das Grundeigentum des
Beschwerdeführers heute in unzumutbarer Weise beeinträchtigen sollte, sei zudem
nicht ersichtlich und werde vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt. Sollten
von der Ersatzpflanzung dereinst übermässige Einwirkungen auf das
Nachbargrundstück ausgehen, stehe das BSchR einer Beseitigung des Baums oder
von Teilen davon im Übrigen nicht entgegen (Art. 4 Abs. 1 BSchR). Insofern
trage das kommunale Recht dem bundeszivilrechtlichen Mindestschutz vor
übermässigen Immissionen Rechnung. Der mit der Auflage einhergehende Eingriff
in das Grundeigentum des Beschwerdeführers erweise sich als verhältnismässig
(angefochtenes Urteil E. 6.4 f.).  
 
3.9. Der Gemeinde kommt bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des
von ihr erlassenen kommunalen Baumschutzreglements ein eigener Beurteilungs-
und Interpretationsspielraum zu (vgl. auch Urteil 1C_130/2014 vom 6. Januar
2015 E. 4.7).  
Die Auslegung der EG Bern, Art. 4 Abs. 3 BSchR gehe für den Spezialfall der
besonders schutzwürdigen Bäume der allgemeinen Bestimmung von Art. 5 Abs. 1
BSchR vor, und der Passus "ein nach Standort vollwertiger Ersatz" bedeute, dass
die Ersatzpflanzung exakt am selben Ort (am Standort des beseitigten, besonders
geschützten Baums) zu erfolgen habe, erweist sich ohne Weiteres als vertretbar
und ist daher nicht willkürlich. Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen
auch nicht, dass dies der konstanten Praxis der EG Bern entspricht. 
Auch die weiteren Ausführungen der Vorinstanz überzeugen. Sie hat kein
Bundesrecht verletzt, indem sie die Auslegung und Praxis der EG Bern geschützt
hat. 
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht anwaltlich
vertretenen Beschwerdegegner sowie die kommunalen und kantonalen Behörden haben
keinen Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Bern, Direktion für
Tiefbau Verkehr und Stadtgrün, dem Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner 

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