Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.671/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_671/2017  
 
 
Urteil vom 14. August 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz-Xaver Ulrich, 
 
gegen  
 
Stadt Zürich, 
handelnd durch den Stadtrat von Zürich, 
Stadthaus, Postfach, 8022 Zürich, 
und dieser vertreten durch das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, 
Werdmühleplatz 3, Postfach, 8021 Zürich. 
 
Gegenstand 
Formelle Enteignung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, 3. Kammer, vom 26. Oktober 2017 (VR.2016.00002). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ stellte am 11. November 2015 das Begehren um Anordnung des
Schätzungsverfahrens. Darin verlangte sie eine Entschädigung für Schäden,
insbesondere Risse in der Fassade, die infolge von Strassenarbeiten an ihrer
Liegenschaft X.________strasse "..." in Zürich-Hottingen entstanden seien. Die
Sache wurde der Schätzungskommission in Abtretungsstreitigkeiten, Kreis III,
des Kantons Zürich überwiesen. 
Diese führte am 13. April 2013 vor Ort die Schätzungsverhandlung, verbunden mit
einem Augenschein, durch. Die Stadt beantragte, es sei festzustellen, dass sie
A.________ keine Entschädigung aus dem Strassenbauprojekt X.________strasse
schulde. 
Am 10. Oktober 2016 hiess die Schätzungskommission die Klage der Stadt Zürich
gut und stellte fest, dass die Klägerin der Beklagten keine Entschädigung für
die geltend gemachten Schäden an ihrer Liegenschaft im Zusammenhang mit dem
Strassenbauprojekt schulde. Sie verneinte einen Kausalzusammenhang zwischen den
Strassenarbeiten und den Rissen; diese seien konstruktionsbedingt. 
 
B.   
Dagegen rekurrierte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Dieses wies den Rekurs am 26. Oktober 2017 ab. Es bejahte zwar die Kausalität
der Strassenarbeiten für die Risse, erachtete die Einwirkungen aber nicht als
übermässig i.S.v. Art. 684 ZGB. 
 
C.   
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat A.________ am 1. Dezember 2017
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Sie beantragt,
ihr sei eine Entschädigung von Fr. 54'373.65 für die Enteignung von
Nachbarrechten zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen. 
Die Stadt Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht
beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
In ihrer Replik hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest. Die Stadt
hat auf eine weitere Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG). Die
Beschwerdeführerin ist als Grundeigentümerin, deren Entschädigungsgesuch
abgewiesen wurde, zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die
rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG) ist daher grundsätzlich -
vorbehältlich genügend begründeter Rügen (Art. 106 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2
BGG) - einzutreten. 
 
2.   
Das Verwaltungsgericht erwog, dass Rechtsgrundlage für einen
Entschädigungsanspruch gegenüber dem Gemeinwesen vorliegend nicht Art. 684
i.V.m. Art. 679 und 679a ZGB sei, sondern das Enteignungsrecht. § 1 des Zürcher
Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879
(AbtrG/ZH; LS 781) verpflichte die Grundeigentümer, ihr Eigentum sowie andere
dingliche Rechte dauernd oder zeitweilig abzutreten, wenn das öffentliche Wohl
es verlange. Zu den "anderen Rechten", die Gegenstand der Enteignung bilden
könnten, gehörten nach langjähriger Praxis auch die nachbarrechtlichen
Abwehransprüche i.S.v. Art. 684 und Art. 679 ZGB. Eine solche Enteignung sei
sinngemäss die zwangsweise Errichtung einer Dienstbarkeit auf dem Grundstück
des Nachbarn zugunsten des Eigentümers des im öffentlichen Interesse stehenden
Werkes. Der Inhalt der Dienstbarkeit bestehe in der Pflicht zur Duldung von
Immissionen. Demnach trete ein enteignungsrechtlicher Entschädigungsanspruch an
die Stelle der nachbarrechtlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- und
Schadenersatzansprüche. Dieser setze - in analoger Anwendung der im Zivilrecht
geltenden Bedingungen - voraus, dass die Einwirkungen ihrer Art, Stärke und
Dauer nach übermässig bzw. aussergewöhnlich seien und zu einer beträchtlichen
Schädigung des Nachbarn führten. Die Übermässigkeit der Einwirkungen müsse für
die Schädigung natürlich und adäquat kausal sein. 
 
2.1. Aus diesen (von keiner Seite bestrittenen) Rechtsausführungen ergibt sich,
dass sich der Entschädigungsanspruch nicht auf Bundes (zivil) recht stützt,
sondern auf kantonales Enteignungsrecht. Die nachbarrechtlichen Bestimmungen
des Zivilrechts (Art. 679 ff., insbesondere Art. 684 ZGB) werden nicht direkt,
sondern analog, als kantonales öffentliches Recht, angewendet. Dies hat zur
Folge, dass ihre Auslegung und Anwendung vom Bundesgericht nicht frei überprüft
werden kann, sondern nur unter verfassungsrechtlichen Aspekten, insbesondere
unter dem Blickwinkel des Willkürverbots (Art. 9 BV) und der Eigentumsgarantie
(Art. 26 BV). Dabei gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), d.h. das
Bundesgericht kann nur diejenigen Rechtsverletzungen prüfen, die von der
Beschwerdeführerin erhoben und hinreichend begründet worden sind (Art. 106 Abs.
2 BGG); hierfür gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).  
 
2.2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Bundeszivilrecht geltend
macht, ohne aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz mit ihrem Entscheid
verfassungsmässige Rechte verletzt haben soll, ist daher auf die Beschwerde
nicht einzutreten. Dies gilt insbesondere für die Rüge, das Verwaltungsgericht
habe Art. 684 ZGB falsch angewendet (Ziff. 4 und 5 der Beschwerdeschrift).
Gleiches gilt, soweit (in Ziff. 3.1 der Beschwerdeschrift) eine Verletzung von 
Art. 8 ZGB durch die Gewährung von Beweiserleichterungen gerügt wird, ohne
Willkür darzutun (vgl. Urteil 4A_453/2014 vom 23. Februar 2015 E. 3.2 mit
Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).  
Zu prüfen sind daher im Folgenden nur noch die Sachverhalts- und
Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hält die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach
die Richtwerte der einschlägigen Norm SN 640 312:2013
"Erschütterungseinwirkungen auf Bauwerke" bei den Strassenarbeiten im Herbst
2013 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weit unterschritten gewesen seien,
für offensichtlich unrichtig. 
 
3.1. Sie rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs,
weil das Verwaltungsgericht die Einvernahme der Eigentümerin des
Nachbargebäudes abgelehnt habe. Zwar habe diese keine eigenen Messungen
vorgenommen; sie hätte aber bestätigen können, dass die (von der Stadt
gemessenen) Erschütterungen im Juni 2014 nicht mit denjenigen im Oktober 2013
zu vergleichen gewesen seien, die nicht gemessen worden waren.  
Das Verwaltungsgericht wies die beantragte Einvernahme der Nachbarin zur Stärke
der Erschütterungen in antizipierter Beweiswürdigung ab, d.h. es nahm an, deren
Aussage vermöge die Annahme des Gerichts, dass die Erschütterungen weit unter
den Richtwerten gelegen hätten, von vornherein nicht zu ändern. Diese Annahme
kann nicht als willkürlich erachtet werden. Ohne Messungen sind Einschätzungen
über die relative Stärke von Erschütterungen, die zeitlich weit auseinander
liegen (hier: 9 Monate) sehr schwierig; es besteht insbesondere die Gefahr,
dass andere Faktoren (z.B. die Dauer der Verdichtungsarbeiten, die im Herbst
2013 einige Stunden länger dauerten) den subjektiven Eindruck beeinflussen
können. Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht den Beweisantrag
abweisen, ohne das rechtliche Gehör zu verletzen. 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin hält auch das Beweisergebnis für willkürlich, weil
eine plausible Erklärung dafür fehle, weshalb die Strassenarbeiten zu Rissen in
der Fassade führen konnten, wenn die Erschütterungen so geringfügig gewesen
wären wie angenommen. Das Verwaltungsgericht führte dies (in E. 4.5.8) auf die
offenbar erhöhte Empfindlichkeit der Baute der Beschwerdeführerin zurück.
Bereits die Schätzungskommission hatte die Risse in der Fassade als
konstruktionsbedingt angesehen und auf die - für Rissbildungen besonders
anfällige - Bauweise der 1927 erstellten Baute zurückgeführt. Dies erscheint
zumindest nicht offensichtlich unhaltbar.  
Allerdings trifft es zu, dass sich diese Erklärung nur auf die Rissbildung
bezieht (zu den übrigen, von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Schäden
vgl. sogleich, E. 4.4). 
 
4.   
Das Verwaltungsgericht verneinte einen Entschädigungsanspruch, weil die
Einwirkungen (Erschütterungen) nicht übermässig i.S.v. Art. 684 ZGB gewesen
seien. Es räumte zwar ein, dass eine deutliche Unterschreitung der Richtwerte
nicht in allen Fällen die Übermässigkeit ausschliesse. Vorliegend seien die
Immissionen jedoch von einer städtischen Strasse ausgegangen. Es sei mit deren
Funktion verbunden, dass sie periodisch unterhalten und saniert werden müsse,
womit zwingend Immissionen verbunden seien. Die Baute auf dem angrenzenden
Grundstück habe offenbar eine erhöhte Empfindlichkeit, wobei die hier infrage
stehenden Erschütterungen nicht zu statischen, sondern nur zu ästhetischen
Beeinträchtigungen der Fassade geführt hätten. Unter diesen Umständen seien die
Einwirkungen nicht als übermässig zu qualifizieren. 
 
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie, das Verwaltungsgericht habe
für die Beurteilung der Übermässigkeit einen falschen Massstab angewendet. Auf
diese Rüge kann jedoch nach dem oben (E. 2.2) Gesagten nicht eingetreten
werden.  
Zu prüfen ist jedoch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Verletzung
des rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht bei der Interessenabwägung
nur die Fassadenschäden, nicht aber die weiteren, von der Beschwerdeführerin
geltend gemachten Schäden an Toren und Leitungen berücksichtigt habe, ohne zu
begründen, weshalb diese nicht existierten oder vernachlässigt werden dürften. 
 
4.2. Es ist unstreitig, dass die Beschwerdeführerin im Schätzungsverfahren
neben den Fassadenrissen weitere Schadensposten geltend gemacht hatte, an
Abwasserleitungen und Toren (vgl. dazu E. 2.4 des angefochtenen Entscheids).
Die Schätzungskommission hat weder Feststellungen zum Bestand dieser Schäden
und ihrer Verursachung getroffen, noch die Abweisung des Schadenersatzbegehrens
insoweit begründet. Dies wurde vom Verwaltungsgericht als Verletzung des
rechtlichen Gehörs qualifiziert (vgl. E. 5 des angefochtenen Entscheids). Es
ging aber davon aus, diese Verletzung habe sich im Ergebnis nicht ausgewirkt,
weil das Begehren schon an der fehlenden Übermässigkeit der Immissionen
scheitere.  
 
4.3. Dem hält die Beschwerdeführerin zu Recht entgegen, dass das
Verwaltungsgericht bei der Interessenabwägung berücksichtigte, dass die
Einwirkungen nur zu primär ästhetischen Beeinträchtigungen der Fassade geführt
hätten, ohne sich mit den Schäden an Abwasserleitungen und Toren
auseinanderzusetzen, die nicht ästhetischer Natur seien. Diese Posten sind auch
nicht von so untergeordneter Bedeutung, dass sie ohne Begründung vernachlässigt
werden könnten (geltend gemacht wurden Fr. 9'400 für die Reparatur der Tore,
Fr. 15'024.70 für die Reparatur der Schmutzwasserleitung und Fr. 2'107.60 für
die Kanalfernsehuntersuchung). Es kann daher nicht von vornherein
ausgeschlossen werden, dass die Interessenabwägung anders ausgefallen wäre,
wenn das Verwaltungsgericht diese Posten mitberücksichtigt hätte.  
 
4.4. Schliesslich weist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, dass auch
die Ausführungen der Vorinstanzen zur erhöhten Anfälligkeit der Baute nur die
Fassadenrisse betreffen, und eine Erklärung dafür fehlt, weshalb es - trotz
deutlicher Unterschreitung der Richtwerte - zu Schäden an Toren und
Abwasserleitungen kommen konnte (oben E. 3.2).  
 
4.5. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass die fehlenden
Feststellungen zu den weiteren Schäden - die vom Verwaltungsgericht selbst als
Gehörsverletzung qualifiziert wurden - sich im Ergebnis ausgewirkt haben
könnten, sei es bei der Beweiswürdigung zur Intensität der Erschütterungen
(oben E. 3.2 und 4.4), sei es bei der Interessenabwägung zur Beurteilung der
Übermässigkeit der Immissionen (oben E. 4.3).  
 
5.   
Unter diesen Umständen ist die Gehörsrüge gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht
zurückzuweisen. 
Dieses wird den Bestand der weiteren Schäden und die Ursächlichkeit der
Strassenbauarbeiten für ihr Entstehen prüfen müssen. Sollte dies zu bejahen
sein, müsste geprüft werden, ob sie zu einem anderen Beweisergebnis
hinsichtlich der Intensität der Einwirkungen führen. Jedenfalls aber wäre eine
neue Interessenabwägung zur Beurteilung der Übermässigkeit der Einwirkungen
vorzunehmen. 
 
5.1. In diesem Zusammenhang wird sich die Frage stellen, ob neben Art. 684 ZGB
nicht auch Art. 685 ZGB analog anzuwenden ist. Diese Norm wird in der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Konkretisierung von Art. 684 ZGB bei
Grabungen und Bauten herangezogen, die das Erdreich des Nachbarn in Bewegung
bringen, gefährden oder dort vorhandene Vorrichtungen beeinträchtigen (vgl. BGE
119 Ib 334 E. 3b S. 341 f.). Aus dem Zweck dieser Norm, vorbestehende Bauten zu
schützen, wird gefolgert, dass hier - anders als sonst bei Art. 684 ZGB - der
Prioritätsgrundsatz zu beachten ist (FILIPPO GIANONI, L'expropriation des
voisins exposés aux nuisances de la construction, in: Journées suisses du droit
de la construction, Freiburg 2015, S. 88 oben mit Hinweisen). Die
Entschädigungspflicht kann daher nicht mit dem Argument verneint werden, die
geschädigte Baute sei aufgrund der inzwischen eingetretenen technischen
Entwicklung und des heutigen Wissensstandes mangelhaft oder besonders
empfindlich (BGE 119 Ib 334 E. 5d S. 347; Urteil 1C_460/2013 vom 6. November
2013 E. 3 in fine). So erachtete es das Bundesgericht im Urteil E.14/1994 vom
31. Dezember 1996 E. 4b (in: ZBl 99/1998 S. 233 und RDAF 1999 I S. 594) als
unerheblich, dass die Kunststein-Elemente, aus denen die beschädigte
Kirchenfassade bestand, eine aus heutiger Sicht zu dünne Betonüberdeckung über
der Armierung aufwiesen und die Armierungen aus Eisen und nicht aus rostfreiem
Stahl bestanden; entscheidend sei, dass die Baute den zur Bauzeit (1938)
geltenden Normen entspreche.  
Das Bundesgericht hat daher in allen Fällen, in denen Bauarbeiten für
öffentliche Werke des Bundes nicht nur zu Vermögenseinbussen, sondern zu
Schäden an Bauten und Anlagen führten, die Übermässigkeit der Einwirkungen
vorausgesetzt bzw. implizit bejaht, auch wenn die Richtwerte für
Erschütterungen gemäss SN 640 312:2013 eingehalten oder sogar deutlich
unterschritten waren (vgl. BGE 131 II 65, Sachverhalt S. 67 oben und E. 3 S.
71; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-37115/2010 vom 26. März 2013 E.
4.1.1 [bestätigt in Urteil 1C_460/2013 vom 6. November 2013, in: RtiD 2014 II
S. 287]: nachträgliche Messungen ergaben Werte zwischen 0.12 und 1.75 mm/s). 
Ob diese Rechtsprechung auch im Rahmen des kantonalen Enteignungsrechts zu
beachten ist und ob es eine schadensmindernde Rolle spielt, dass die vorliegend
streitigen Bauarbeiten an einer Quartierstrasse im Interesse der Anrainer und
damit auch der Beschwerdeführerin lagen, wird vom Verwaltungsgericht zu prüfen
sein. 
 
5.2. Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass auch in der
zivilrechtlichen Literatur angenommen wird, Art. 679a ZGB sei auf Fälle
zugeschnitten, in denen es um den Ersatz von blossen Vermögensschäden geht, wie
z.B. Geschäftseinbussen durch geschwundene Kundschaft (THOMAS ENDER, Die
Verantwortlichkeit des Bauherrn für unvermeidbare übermässige Bauimmissionen,
Diss. Freiburg 1995, N. 463; PASCAL ECKENSTEIN, Spannungsfelder bei
nachbarrechtlichen Klagen nach Art. 679 ZGB, Diss. Zürich 2010, S. 98).
Sachschäden müssten dagegen (von Bagatellen abgesehen) nicht geduldet werden
und könnten daher sogar mittels Abwehrklage nach Art. 679 ZGB abgewendet
werden; in jedem Fall aber seien sie zu entschädigen (BETTINA HÜRLIMANN-KAUP/
FABIA NYFFELER, Übermässige Immissionen als Folge rechtmässiger Bautätigkeit
Teil 1, BR 2015 S. 6; Ender, a.a.O., S. 180 ff., insbes. N. 665 f. und N. 677;
FRÉDÉRIC KRAUSKOPF/SOLUNA GIRÓN, Verantwortlichkeit des Grundeigentümers bei
rechtmässiger Bewirtschaftung des Grundstücks nach Art. 679a ZGB, HAVE 2014, S.
50 und 55; ECKENSTEIN, a.a.O. S. 98 f.; JÖRG SCHMID, Bauimmissionen - ein
Problem des öffentlichen und des privaten Rechts, Zweiter Teil:
Privatrechtliche Aspekte, in: Baurechtstagung, Freiburg 1997, Band I, S. 72
ff., insbes. S. 82 f.).  
 
6.   
Die Beschwerde ist daher im Eventualantrag gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht
zurückzuweisen. 
Obwohl die Beschwerde nur teilweise gutzuheissen ist, ist kostenmässig von
einem Obsiegen der Beschwerdeführerin auszugehen, da nicht ausgeschlossen
werden kann, dass sie nach Rückweisung mit ihrem Entschädigungsanspruch noch
durchdringt. Die Stadt (die in ihren Vermögensinteressen prozessiert; Art. 66
Abs. 4 BGG) trägt daher die Gerichtskosten und hat die Beschwerdeführerin für
das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68 BGG). Bei der
Bemessung der Parteientschädigung kann jedoch berücksichtigt werden, dass auf
einen Grossteil der Rügen nicht eingetreten werden konnte. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden
kann, und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, 3. Kammer, vom 26. Oktober 2017 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer
Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Stadt Zürich auferlegt. 
 
3.   
Die Stadt Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Stadt Zürich und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. August 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber 

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