Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.652/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_652/2017  
 
 
Urteil vom 20. August 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Hansheiri Inderkum, 
 
gegen  
 
Regierungsrat des Kantons Uri, 
Rathausplatz 1, 6460 Altdorf. 
 
Gegenstand 
Reglement über den Schutz der Gewässer im Gebiet Uri Nord zwischen dem Urnersee
und Erstfeld, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des Kantons Uri vom 23.
August 2016 
(RRB Nr. 2016-506 R-750-11). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 25. September 2012/13. März 2013 genehmigte der Regierungsrat des Kantons
Uri das Schutz- und Nutzungskonzept Erneuerbare Energien im Kanton Uri (SNEE).
Das Konzept bestimmt unter anderem bei der Wasserkraftnutzung, welche Gewässer
künftig grundsätzlich nutzbar sind, und legt davon ausgeschlossene Schutzzonen
oder -landschaften fest. Nicht aufgeführte Gewässer dürfen, mit Ausnahme von
Kleinstwasserkraftwerken und ähnlichen Anlagen, künftig nicht mehr genutzt
werden. 
 
B.   
Mit Publikation im Amtsblatt Nr. 8 vom 26. Februar 2016 legte der Regierungsrat
das Reglement über den Schutz der Gewässer im Gebiet Uri Nord zwischen dem
Urnersee und Erstfeld öffentlich auf. Dagegen erhob A.________ Einsprache mit
dem Antrag, das Reglement nicht zu erlassen. Dieses verstosse gegen das Schutz-
und Nutzungskonzept. Hintergrund der Einsprache ist ein seit Januar 2010
hängiges Konzessionsgesuch von A.________ für ein Kleinwasserkraftwerk, mit
denen der Balmerbach, der Niemerstafelbach und die beiden Bäche zwischen
Vorderen und Hinteren Rustigen genutzt werden sollen. Diese vier Bäche sollen
nunmehr jedoch nach Art. 2 Abs. 1 des Reglements als Objekt Nr. 3 unter Schutz
gestellt werden. Mit Beschluss vom 23. August 2016 wies der Regierungsrat die
Einsprache ab, soweit er darauf eintrat. 
 
C.   
Mit als Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichneter Eingabe an das Obergericht
des Kantons Uri beantragt A.________, den Beschluss des Regierungsrats
aufzuheben und das Reglement über den Schutz der Gewässer im Gebiet Uri Nord
zwischen dem Urnersee und Erstfeld nicht zu erlassen. Zur Begründung macht er
im Wesentlichen geltend, das Schutzreglement widerspreche dem Schutz- und
Nutzungskonzept und der Regierungsrat verhalte sich widersprüchlich und
willkürlich und verletze seine Informationspflicht. 
Das Obergericht trat am 24. November 2017 auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht ein und überwies die Sache zuständigkeitshalber dem Bundesgericht.
A.________ focht diesen Entscheid nicht an. 
In ihrer Vernehmlassung vom 8. Januar 2018 an das Bundesgericht hält die
Justizdirektion für den Regierungsrat des Kantons Uri fest, beim angefochtenen
Reglement handle es sich "nicht um einen Rechtserlass im eigentlichen Sinne";
es sei Sache des Bundesgerichts, über die Möglichkeit der Anfechtung des
Reglements beim Bundesgericht zu entscheiden. Im Übrigen verzichtete die
Justizdirektion auf eine Stellungnahme. 
Weitere Rechtsschriften gingen beim Bundesgericht nicht mehr ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Formell behandelt der angefochtene Beschluss lediglich die Einsprache des
Beschwerdeführers. Dies erfolgt jedoch im Rahmen eines Verfahrens um Erlass von
Schutzmassnahmen. Mit der Abweisung der Einsprache bestätigt der Regierungsrat
somit die Rechtmässigkeit seines eigenen Reglements, was vom Beschwerdeführer
in Frage gestellt wird. Anfechtungsobjekt bildet lediglich dieser Beschluss vom
23. August 2016. Nicht angefochten und daher nicht Streitgegenstand ist hingen
der Nichteintretens- und Überweisungsentscheid des Obergerichts vom 24.
November 2017.  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren)
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29
Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).  
 
1.3. Nach Art. 82 lit. b BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
kantonale Erlasse. Die Beschwerde ist gemäss Art. 87 Abs. 1 BGG unmittelbar an
das Bundesgericht zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen
werden kann. Im Übrigen sind Beschwerden an das Bundesgericht gegen kantonale
Hoheitsakte, abgesehen von weiteren, hier nicht interessierenden Sonderfällen
wie insbesondere der Stimmrechtsbeschwerde (vgl. Art. 88 BGG), nur zulässig
gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, sofern diese nicht beim
Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).
Dafür müssen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere
Gerichte einsetzen, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide
anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen
(Art. 86 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Der Regierungsrat stellt in Frage, ob es sich beim angefochtenen Beschluss
um einen anfechtbaren Erlass handelt. Nach Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes über den
Natur- und Heimatschutz vom 18. Oktober 1987 des Kantons Uri (RB 10.5101;
nachfolgend: NHG/UR) erlässt der Regierungsrat Schutzmassnahmen für
Schutzobjekte von nationaler und regionaler Bedeutung. Schutzmassnahmen für ein
bestimmtes Gebiet sind gemäss Art. 11 Abs. 1 NHG nach den Vorschriften des
Planungs- und Baugesetzes vom 13. Juni 2010 des Kantons Uri (RB 40.1111;
nachfolgend: PBG) über den Erlass von Quartierplänen oder als Bestandteil eines
Zonenplans zu treffen. Sie sind daher während 30 Tagen öffentlich aufzulegen
und es kann dagegen schriftlich Einsprache erhoben werden (vgl. Art. 43 und
Art. 55 PBG).  
 
2.2. Die Rechtsnatur des angefochtenen Reglements erscheint auf den ersten
Blick nicht eindeutig. Äusserlich nimmt es die Form einer
allgemeinverbindlichen Regelung an; materiell weist es aber auch
individuell-konkrete Bezüge auf. Deswegen sieht Art. 11 Abs. 1 NHG/UR für
entsprechende Schutzmassnahmen wohl die Übernahme der Verfahrensvorschriften
für Quartierpläne oder Zonenplanteile vor. Das Reglement ist auch nicht eine
rein interne Verwaltungsverordnung, sondern hat Aussenwirkungen auf die
Rechtsstellung von Privaten, was im Übrigen das Einspracheverfahren zusätzlich
rechtfertigt. Das Reglement lässt sich inhaltlich als Sammelverfügung für 13
einzeln bezeichnete Gewässer verstehen, für die übereinstimmende konkrete
Schutzmassnahmen festgelegt werden. Dass sich das Reglement mit mehreren
Gewässern in einem geografisch einheitlichen Gebiet (Uri Nord) befasst, macht
es noch nicht zu einem Erlass oder Plan. Im Ergebnis handelt es sich vielmehr
um die Zusammenführung von 13 Schutzobjekten im gleichen Gebiet Uri Nord. Mit
Blick auf die einzelnen Verfügungen stellt die so verstandene Sammelverfügung
eine Allgemeinverfügung mit generell-konkretem Inhalt dar. Als solche ist sie
anfechtbar, wenn sie ohne zusätzliche konkretisierende Anordnung einer Behörde
angewendet und vollzogen werden kann (vgl. BERNHARD WALDMANN, in: Niggli/
Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.], Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2.
Aufl., 2011, N. 10 und 11a zu Art. 82). Das vorliegende Reglement erfüllt diese
Voraussetzung, weshalb es eine Allgemeinverfügung und nicht einen Erlass
darstellt. Nach Art. 86 Abs. 2 BGG ist daher als Vorinstanz des Bundesgerichts
ein oberes Gericht erforderlich; eine Ausnahmesituation liegt nicht vor.  
 
2.3. Das angefochtene Reglement könnte allenfalls auch als Planungsmassnahme
verstanden werden. Auch diesfalls träfe es jedoch keine generell-abstrakte,
sondern eine generell-konkrete Regelung, hier eine Schutzzone gemäss Art. 17
RPG. Von Bundesrechts wegen wäre dagegen ein kantonales Rechtsmittel vorzusehen
(vgl. Art. 33 Abs. 2 RPG) und es bräuchte ebenfalls eine gerichtliche
Vorinstanz gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG.  
 
2.4. Angefochten ist direkt das Reglement des Regierungsrates. Weder gab es
dagegen ein kantonales Rechtsmittel noch handelt es sich bei der Vorinstanz um
ein Gericht. Das Bundesgericht ist damit für die Streitsache im heutigen
Stadium funktionell unzuständig (Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 und 2 BGG
). Diese ist daher zur weiteren Behandlung an das Obergericht des Kantons Uri
zurückzuweisen.  
 
3.   
Angesichts der Unzuständigkeit des Bundesgerichts ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten. Die Sache geht zur weiteren Behandlung zurück an das Obergericht
des Kantons Uri. 
Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigt es sich, von der
Erhebung von Kosten abzusehen (vgl. Art. 66 Abs. 1). Da dem Beschwerdeführer im
bundesgerichtlichen Verfahren kein Zusatzaufwand entstanden ist, braucht über
die Zusprechung einer Parteientschädigung für das vorliegende
bundesgerichtliche Verfahren nicht entschieden zu werden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Streitsache wird zur weiteren Behandlung an das Obergericht des Kantons Uri
überwiesen. 
 
3.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat des Kantons Uri und
dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. August 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax 

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