Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.636/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_636/2017  
 
 
Urteil vom 22. Mai 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler. 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. C.________, 
Beschwerdegegner, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Hehli, 
 
Baudirektion der Stadt Luzern, 
Hirschengraben 17, 6002 Luzern, 
Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, 
Bahnhofstrasse 15, Postfach 3768, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Bau- und Planungsrecht, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 11.
Oktober 2017 (7H 16 323). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die A.________ AG ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 1419 im Grundbuch
Luzern, rechtes Ufer. Dieses liegt in der Zone für öffentliche Zwecke mit
spezifischem Zonenzweck "Spitäler" und "Alterswohn- und Pflegeheime,
Sozialbauten". Die A.________ AG plant auf dem Baugrundstück den Neubau eines
Ärztehauses mit Einstellhalle für die Orthopädische Klinik Luzern AG (OKL AG).
Am 27. April 2016 ersuchte sie bei der Stadt Luzern um die entsprechende
Baubewilligung. Gegen das Bauprojekt erhoben B.________ und C.________ als
Eigentümer von Nachbars- bzw. in unmittelbarer Nähe zum Baugrundstück liegenden
Parzellen gemeinsam Einsprache. Am 5. Dezember 2016 wies die Baudirektion der
Stadt Luzern die Einsprache ab, soweit sie nicht gutgeheissen oder an den
Zivilrichter verwiesen wurde, und erteilte die Baubewilligung für den Neubau
des Ärztehauses mit Einstellhalle unter Auflagen und Bedingungen. 
 
B.   
Dagegen führten B.________ und C.________ gemeinsam
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht Luzern. Dieses hiess die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 11. Oktober 2017 insofern gut, als es den
Entscheid der Baudirektion der Stadt Luzern aufhob und die Streitsache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Baudirektion zurückwies. Zur
Begründung führte das Kantonsgericht im Wesentlichen aus, das geplante
Ärztehaus sei kein Spital und auch die vertraglichen Bindungen der Ärzte mit
der in der gleichen Zone liegenden Hirslanden Klinik St. Anna bzw. ihre
Tätigkeit in dieser Klinik als Belegärzte vermöchten die Zonenkonformität nicht
zu begründen. In Betracht fiele allenfalls die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung in einer Bauzone unter Abweichung von der Zonenkonformität,
weshalb die Sache an die Bewilligungsbehörde zurückzuweisen sei zur Prüfung
einer solchen Ausnahmebewilligung. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. November 2017
an das Bundesgericht beantragt die A.________ AG, das Urteil des
Kantonsgerichts vom 11. Oktober 2017 aufzuheben; eventuell sei das Urteil
aufzuheben und die Sache an das Kantonsgericht zurückzuweisen zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen. Zur Begründung wird im Wesentlichen
geltend gemacht, es handle sich um einen anfechtbaren Zwischenentscheid, der
wegen Zonenkonformität des Bauvorhabens rechtswidrig sei, zumal das fragliche
Grundstück gerade im Hinblick auf das geplante Bauprojekt entsprechend
eingezont worden sei. 
B.________ und C.________ stellen Antrag auf Nichteintreten auf die Beschwerde,
eventuell auf deren Abweisung. Die Baudirektion der Stadt Luzern schliesst auf
Gutheissung der Beschwerde und Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts,
eventuell auf Rückweisung an dieses zu neuem Entscheid. Die Dienststelle Raum
und Wirtschaft (rawi) des Kantons Luzern verzichtete auf einen Antrag an das
Bundesgericht. Das Kantonsgericht beantragt ohne weitere Ausführungen die
Abweisung der Beschwerde. 
In Replik und Duplik halten die A.________ AG einerseits sowie B.________ und
C.________ andererseits an ihren Standpunkten fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine
Baubewilligung, gegen den grundsätzlich die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen steht (vgl. 
Art. 82 ff. BGG; BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251; 133 II 409 E. 1.1 S. 411).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin war am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und ist
als Bauherrin und direkte Adressatin des angefochtenen Entscheids zur
Beschwerde berechtigt (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Nach Art. 90 BGG ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig gegen
Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Endentscheide). Endentscheide sind
Entscheide, mit denen ein Verfahren in der Hauptsache aus prozessualen oder
materiellen Gründen beendet wird (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH/OBERHOLZER,
Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl., 2015, Rz. 4 zu Art. 90 BGG).  
 
2.2. Angefochten ist hier allerdings nicht ein das Verfahren abschliessender
End-, sondern ein Rückweisungsentscheid, mit dem das Verfahren vor der Stadt
Luzern weiter geführt wird. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide, gegen die nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht Beschwerde erhoben werden kann, selbst wenn damit über
materielle Teilaspekte der Streitsache, nicht aber über eines der
Beschwerdebegehren abschliessend befunden wird (vgl. BGE 142 II 20 E. 1.4 S. 23
f., mit Hinweisen). Davon geht grundsätzlich auch die Beschwerdeführerin aus.  
 
2.3. Von weiteren, hier nicht interessierenden bzw. von der Beschwerdeführerin
nicht angerufenen Ausnahmen (vgl. insbes. Art. 92 sowie Art. 93 Abs. 1 lit. b
BGG) abgesehen ist die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Zwischenentscheide
nur zulässig, wenn ein selbständig eröffneter Vor- oder Zwischenentscheid einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG).
 
 
2.4. Nach der Rechtsprechung gelten in diesem Sinne als nicht anfechtbare
Zwischenentscheide grundsätzlich Rückweisungsentscheide, bei denen der unteren
Instanz noch ein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt, d.h. die Rückweisung
nicht nur der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient. Die blosse
Verzögerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt als solche nicht, um einen
sofortigen Entscheid des Bundesgerichts zu erwirken. Den prozessökonomischen
Anliegen auf beförderliche Erledigung wird diesfalls im Rahmen der Anwendung
von Art. 93 BGG Rechnung getragen (BGE 142 II 20 E. 1.2 S. 23 f.; 134 II 124 E.
1.3 S. 127 f.; je mit Hinweisen). Immerhin muss sichergestellt werden, dass das
Verfahren insgesamt dem verfassungsrechtlichen Gebot genügt, im Rahmen eines
fairen Verfahrens innert angemessener Frist einen wirksamen Rechtsschutz zu
gewähren (Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK). Unter diesem Aspekt kann es
ausnahmsweise verfassungsrechtlich geboten sein, bereits auf einen
Zwischenentscheid einzutreten, wenn es rechtsstaatlich unzumutbar wäre, die
Parteien auf die Anfechtung des Endentscheids zu verweisen (BGE 136 II 165 E.
1.2.1 S. 170 f., mit Hinweisen).  
 
2.5. Im Zusammenhang mit der Anfechtung eines Gestaltungsplans hat das
Bundesgericht insbesondere entschieden, dass der Rückweisungsentscheid der
letzten kantonalen Gerichtsinstanz, der den Umfang der UVP-Pflicht für deren
Vorinstanzen verbindlich festlegt, einen selbständig anfechtbaren
Zwischenentscheid darstellt (BGE 142 II 20 E. 1.4 S. 24 f.).  
 
2.6. Schliesslich können Rückweisungsentscheide, welche die Verwaltung
anweisen, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu treffen, insbesondere
für die Behörden einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken, weshalb sie mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten anfechtbar sind (vgl. das Urteil des
Bundesgerichts 2C_76/2008 vom 2. Juli 2008 E. 1.3, nicht publ. in BGE 134 II
287, mit Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, mit der Rückweisung verlange das
Kantonsgericht eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung einer
Ausnahmebewilligung im Rahmen einer komplexen und umfangreichen
Gesamtbetrachtung, weshalb es mit Blick auf Art. 29 Abs. 1 BV zur
Gewährleistung einer angemessenen Verfahrensdauer geboten sei, auf die
Beschwerde gestützt auf Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG einzutreten.  
 
3.2. Das Kantonsgericht ging davon aus, die Stadt Luzern habe der
Beschwerdeführerin keine Ausnahmebewilligung erteilt und auch die
entsprechenden Voraussetzungen nicht abgeklärt, da sie von der Zonenkonformität
des Bauvorhabens ausgegangen sei und daher nur die Voraussetzungen einer
ordentlichen Baubewilligung geprüft und im Ergebnis eine solche gewährt habe.
Die Erteilung einer ordentlichen Bewilligung falle zwar ausser Betracht, nicht
aber von vornherein diejenige einer Ausnahmebewilligung, weshalb die Prüfung
der Voraussetzungen einer solchen durch die Stadt Luzern nachzuholen sei.
Gegebenenfalls sei auch abzuklären, ob die Ausnahmebewilligung ohne
Nebenbestimmungen erteilt werden könne oder mit Bedingungen und Auflagen zu
verbinden sei. Im Rahmen dieser Beurteilung sei jedenfalls eine
Gesamtbetrachtung unter Einbezug der Hirslanden Klinik St. Anna vorzunehmen,
wobei allfällige von dieser zukünftig benötigte Landreserven zu berücksichtigen
seien.  
 
3.3. Der Rückweisungsentscheid des Kantonsgerichts dient nicht bloss der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten, sondern belässt der Stadt Luzern
einen eigenen Entscheidungsspielraum. Diese schliesst sich zwar dem
Rechtsbegehren bzw. Standpunkt der Beschwerdeführerin an, hat hier aber nicht
selbst Beschwerde erhoben und behauptet auch nicht, zu einer rechtswidrigen
Verfügung gezwungen zu werden. Indem sie in ihrer Stellungnahme an das
Bundesgericht bestätigt, das fragliche Baugrundstück bewusst im Hinblick auf
das strittige Projekt der heute massgeblichen Zone zugewiesen zu haben, gibt
die Stadt Luzern immerhin zusätzlich zu erkennen, das Vorhaben grundsätzlich zu
unterstützen. Das Kantonsgericht verwies ausdrücklich auf die einschlägigen
Bestimmungen von Art. 23 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die
Raumplanung (RPG; SR 700) und § 37 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons
Luzern vom 7. März 1989 (PBG; SRL Nr. 735) über die Erteilung von Ausnahmen vom
Erfordernis der Zonenkonformität in Bauzonen und unterstrich, dass den
Gemeinden dazu nach der Praxis des Kantons Luzern ein erheblicher
Ermessensspielraum zustehe.  
 
3.4. Die mit der Rückweisung verbundene zeitliche Verzögerung verletzt nicht
den Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen wirksamen Rechtsschutz innert
angemessener Frist und erfüllt damit die Anforderung des nicht wieder
gutzumachenden Nachteils nicht (E. 2.4 hiervor). Die Stadt Luzern wird zwar
eine Gesamtbetrachtung der Zonensituation unter Berücksichtigung der
vorhandenen Landreserven sowie des wahrscheinlichen künftigen Bedarfs der
Hirslanden St. Anna Klinik vorzunehmen haben, wozu deren Interessen abzuklären
sind und diese dafür womöglich ins Verfahren einzubeziehen ist. Es handelt sich
dabei aber immer noch um ein Bewilligungs- und nicht um ein
Nutzungsplanverfahren. Der vorliegende Fall ist schon deswegen nicht mit dem in
BGE 142 II 20 beurteilten vergleichbar. Hinzu kommt, dass dort der Umfang und
das Ausmass der Pflicht zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit den
entsprechenden Auswirkungen auf das Planungsprojekt und auf eine Organisation
mit Verbandsbeschwerderecht strittig waren. Auch diese komplexe Thematik ist
mit der hier fraglichen Erteilung einer Ausnahmebewilligung selbst dann nicht
vergleichbar, wenn in Rechnung gestellt wird, dass das Kantonsgericht eine
Gesamtbeurteilung der Zonensituation unter Berücksichtigung der Landreserven
verlangt und dafür die Interessen einer Drittperson zu beachten sind.  
 
3.5. Sollte der Entscheid über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die
Beschwerdeführerin nachteilig ausfallen, würde sie immer noch im Rahmen einer
dannzumaligen Beschwerdeerhebung an das Bundesgericht erneut geltend machen
können, es hätte ihr ohnehin eine ordentliche Baubewilligung erteilt werden
müssen. Selbst bei einem Nichteintreten auf die vorliegende Beschwerde verliert
die Beschwerdeführerin mithin ihre entsprechenden Rechte nicht.  
 
3.6. Sind die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG demnach nicht
erfüllt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
4.   
Bei diesem Verfahrensausgang wird die unterliegende Beschwerdeführerin
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Überdies hat sie die
Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (vgl. Art. 68 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baudirektion der Stadt Luzern, dem Bau-,
Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, und dem Kantonsgericht
Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Mai 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax 

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