Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.57/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[R]            
{T 0/2}
               
1C_57/2017

Urteil vom 22. Mai 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Huber,

gegen

B.D.________ und C.D.________,
Beschwerdegegner,

Gemeinderat Birmensdorf,
Stallikonerstrasse 9, 8903 Birmensdorf ZH,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Juchler.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Dezember 2016 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A. 
Der Gemeinderat Birmensdorf setzte am 27. Juli 1992 den amtlichen Quartierplan
Sonnhalde fest (nachstehend: Quartierplan). Dessen technischer Bericht bestimmt
in Ziff. 4.2:

"Die Neuzuteilung Kat.-Nr. 2808 der Politischen Gemeinde ist nicht überbaubar
und dient als öffentlich zugänglicher Ort mit Aussicht über das Dorf der
gesamten Bevölkerung. Das Grundstück wird verkleinert und der bestehenden
Topographie (Hangkante) angepasst."

Dem technischen Bericht des Quartierplans ist eine Grundeigentümertabelle
angehängt, welche die Parzelle Kat.-Nr. 2802 als "Aussichtsgrundstück"
bezeichnet.
Am 22. Januar 2014 verkaufte die Gemeinde Birmensdorf (nachstehend: Gemeinde)
einen 125 m2 grossen Teil der Parzelle Kat.-Nr. 2808 an B.D.________ und
C.D.________ (nachstehend: Bauherren). Dieser Parzellenteil bildet heute
zusammen mit dem ehemaligen Grundstück aKat.-Nr. 2806 die Parzelle Kat.-Nr.
4007 (nachstehend: Bauparzelle). Diese befindet sich in der Wohnzone W1 und ist
im südlichen Teil mit einem Einfamilienhaus überbaut.
Mit Beschluss vom 7. September 2015 erteilte der Gemeinderat Birmensdorf den
Bauherren unter Auflagen und Bedingungen die Bewilligung, auf der Bauparzelle
ein zweites Einfamilienhaus zu errichten. Das nördlich der Bauparzelle gelegene
Grundstück Nr. 3807 steht im Eigentum von A.________. Dieser erhob gegen die
Baubewilligung Rekurs, den das Baurekursgericht des Kantons Zürich mit
Entscheid vom 10. Juni abwies. Eine dagegen von A.________ eingereichte
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 20.
Dezember 2016 ab.

B.
A.________ (Beschwerdeführer) erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.
Dezember 2016 und die Baubewilligung des Gemeinderats Birmensdorf vom 7.
September 2015 seien aufzuheben.
Auf Antrag des Beschwerdeführers erkannte das Bundesgericht der Beschwerde mit
Präsidialverfügung vom 22. Februar 2017 die aufschiebende Wirkung zu.
Das Verwaltungsgericht und der Gemeinderat Birmensdorf beantragen, die
Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. B.D.________ und
C.D.________ (Beschwerdegegner) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 

1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
im Bereich des Baurechts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 ff. BGG; BGE 133 II 353 E. 2 S.
356).
Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als
Eigentümer einer Parzelle in unmittelbarer Nähe des Baugrundstücks zur
Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die weiteren
Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich
einzutreten.

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann geltend
gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht, Völkerrecht
oder kantonale verfassungsmässige Rechte (Art. 95 lit. a, b und c BGG). Die
Verletzung des übrigen kantonalen Rechts kann abgesehen von hier nicht
relevanten Ausnahmen gemäss Art. 95 lit. d BGG vor Bundesgericht nicht gerügt
werden; zulässig ist jedoch die Rüge, die Anwendung dieses Rechts führe zu
einer Verletzung von Bundesrecht, namentlich des verfassungsmässigen
Willkürverbots (BGE 138 I 143 E. 2 S. 149 f.). Nach der Praxis des
Bundesgerichts verstösst ein Entscheid gegen dieses Verbot, wenn er im Ergebnis
offensichtlich unhaltbar ist, weil er zum Beispiel eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt. Dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar erscheint, genügt nicht (BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72 mit
Hinweisen).

2.

2.1. Gemäss dem Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich vom 7. September
1975 (PBG) können Aussichtslagen und Aussichtspunkte Schutzobjekte sein (§ 203
Abs. 1 lit. b PBG). Über die Schutzobjekte erstellen die für Schutzmassnahmen
zuständigen Behörden Inventare (§ 203 Abs. 2 PBG). Staat, Gemeinden sowie jene
Körperschaften, Stiftungen und selbstständige Anstalten des öffentlichen und
des privaten Rechts, die öffentliche Aufgaben erfüllen, haben in ihrer
Tätigkeit dafür zu sorgen, dass Schutzobjekte geschont und, wo das öffentliche
Interesse an diesen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben (§ 204 Abs. 1
PBG). Nach § 1 der kantonalen Natur- und Heimatschutzverordnung des Kantons
Zürich vom 20. Juli 1977 (KNHV) besteht die Pflicht, gemäss § 204 PBG
Schutzobjekte zu schonen und zu erhalten, ohne förmliche Unterschutzstellung
oder Aufnahme in ein Inventar und ist namentlich beim Erteilen von
Bewilligungen zu beachten, soweit der Behörde dabei Ermessensfreiheit zusteht.
Nach § 205 PBG erfolgt der Schutz durch Massnahmen des Planungsrechts (lit.
a.), Verordnung (lit. b.), Verfügung (lit. c) und Vertrag (lit. d).

2.2. Im kantonalen Verfahren machte der Beschwerdeführer geltend, Ziff. 4.2 des
technischen Berichts des Quartierplans stelle eine Massnahme des Planungsrechts
zum Schutz der Parzelle aKat.-Nr. 2808 als Aussichtslagen und Schutzobjekte
gemäss § 203 Abs. 1 lit. b PBG dar.

2.3. Das Baurekursgericht prüfte in seinem Entscheid vom 10. Juni 2016, ob das
streitbetroffene Gelände trotz fehlender Aufnahme in ein Inventar eine
schutzwürdige Aussichtslage darstelle. Es führte dazu in E. 5 im Wesentlichen
aus, gemäss dem am 1. November 2006 revidierten Zonenplan sei der nördlich des
Baugrundstücks verlaufende ca. 300 m lange Weg mit einem Aussichtsschutz
belegt. Eine zusätzliche Zuweisung des Grundstück aKat.-Nr. 2808 sei nicht
erfolgt und auch nicht nötig gewesen, weil keine Anhaltspunkte für dessen
Schutzwürdigkeit bestünden. Wie der Augenschein gezeigt habe, habe die
Geländefläche keinen erheblichen landschaftlichen Reiz und sei daher nicht als
besonderes Aussichtsgebiet zu betrachten. Um als Schutzobjekt im Sinne von §
203 Abs. 1 lit. b PBG gelten zu können, müsste die Geländefläche klarerweise
einen bedeutend grösseren Eigen- und Stellenwert haben. Das öffentliche
Interesse an einer Unterschutzstellung sei auch deshalb gering, da die
Fernsicht über das Dorf nicht nur am betreffenden Standort, sondern auch an
anderen Stellen entlang des Weges und in der nahen Umgebung möglich sei.
Demnach bestehe mangels Schutzwürdigkeit auch kein Anlass, die Baubewilligung
aufzuheben und die Gemeinde zu verpflichten, ein Unterschutzstellungsverfahren
in Gang zu setzen.

2.4. Das Verwaltungsgericht ging ebenfalls davon aus, in materieller Hinsicht
fehlten Anhaltspunkte für eine Schutzwürdigkeit der fraglichen Parzelle, und
verwies zur Begründung auf die E. 5 des Entscheids des Baurekursgerichts.

2.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, mit diesem Verweis habe die Vorinstanz
sein rechtliches Gehör verletzt. Er habe im vorinstanzlichen Verfahren konkret
und eingehend aufgezeigt, dass die Ausführungen in Erwägung 5 des Entscheids
des Baurekursgerichts unhaltbar seien. Bei dieser Ausgangslage habe die
Vorinstanz nicht einfach auf diese Erwägungen verweisen dürfen.

2.6. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV wird die
Verpflichtung der Gerichte abgeleitet, ihre Entscheide zu begründen. Die
Begründung muss kurz die Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat
leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist
hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es
genügt, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (
BGE 142 III 433 E. 4.3.2 S. 436 mit Hinweisen).

2.7. Die Vorinstanz brachte mit ihrem Verweis auf die E. 5 des Entscheids des
Baurekursgerichts zum Ausdruck, dass sie diese Erwägung als überzeugend und die
daran geübte Kritik des Beschwerdeführers als unbegründet erachtete. Dies
erlaubte ihm eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids,
weshalb eine Verletzung der Begründungspflicht zu verneinen ist.

2.8. Vor Bundesgericht legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern die von
der Vorinstanz übernommene Meinung des Baurekursgerichts, die Bauparzelle sei
als Aussichtslage nicht schützenswert, unhaltbar sein soll, was gestützt auf
die Akten auch nicht ersichtlich ist. Demnach durfte die Vorinstanz willkürfrei
davon ausgehen, die nicht als Schutzobjekt inventarisierte Bauparzelle könne
mangels Schutzwürdigkeit nicht als Schutzobjekt im Sinne von § 203 lit. b PBG
qualifiziert werden. Damit verfiel die Vorinstanz entgegen der Meinung des
Beschwerdeführers auch nicht in Willkür, wenn sie Ziff. 4.2 des technischen
Berichts des Quartierplans nicht als Zuerkennung der Schutzwürdigkeit gemäss §
203 Abs. 1 lit. b PBG verstand.

3. 

3.1. Die Vorinstanz nahm sodann an, Ziff. 4.2 des technischen Berichts des
Quartierplans könne keine planungsrechtliche Schutzmassnahme im Sinne von § 205
lit. a PBG/ZH darstellen, weil für den planerischen Aussichtsschutz gemäss § 75
PBG ein Zonenplaneintrag erforderlich sei und die Bauparzelle im Zonenplan der
Gemeinde weder ganz noch teilweise als Aussichtspunkt vermerkt sei.

3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die vorinstanzliche Annahme,
planerische Massnahmen für Schutzobjekte im Sinne von § 203 Abs. 1 lit. a PBG
erforderten gemäss § 75 PBG einen Eintrag in der BZO, sei unhaltbar.

3.3. Auf diese Rüge ist nicht einzutreten, weil die nicht als Schutzobjekt
inventarisierte Bauparzelle nach dem Gesagten mangels Schutzwürdigkeit kein
Schutzobjekt im Sinne von § 203 Abs. 1 lit. b PBG bilden kann. Die Frage, ob
zum Schutz eines solchen Schutzobjekts ein Eintrag im Zonenplan der Gemeinde
erforderlich wäre, ist daher nicht entscheiderheblich. Gleiches gilt bezüglich
der vorinstanzlichen Erwägung, Ziff. 4.2 des technischen Berichts des
Quartierplans könne mangels der Erfüllung der Anforderungen gemäss § 10 Abs. 1
KNHV nicht als Schutzverfügung im Sinne von § 205 lit. c PBG qualifiziert
werden. Auf die daran geübte Kritik des Beschwerdeführers ist daher ebenfalls
nicht einzutreten.

4.

4.1. Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, er habe in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 6. Juli 2016 und in der Replik vom 26.
September 2016 vorgebracht, das Bauvorhaben hätte selbst dann nicht zugelassen
werden dürfen, wenn das Grundstück aKat.-Nr. 2808 kein Schutzobjekt darstellen
würde, weil es als Aussichtsgrundstück dem Gemeingebrauch gewidmet worden sei
und es nie eine formelle Entwidmung gegeben habe. Mit diesem Einwand habe sich
die Vorinstanz nicht auseinandergesetzt, was sein rechtliches Gehör verletze.

4.2. Zwar trifft zu, dass die Vorinstanz sich nicht ausdrücklich zum Einwand
der Widmung und der fehlenden formellen Entwidmung äusserte. Dagegen führte das
Baurekursgericht in seinem Entscheid vom 10. Juni 2016 aus, der Hinweis im
technischen Bericht zum Quartierplan, dass das Grundstück Kat.-Nr. 2808 nicht
überbaubar sei und der gesamten Bevölkerung als öffentlich zugänglicher Ort mit
Aussicht über das Dorf diene, stelle keinen förmlichen Verwaltungsakt dar, mit
dem das Grundstück der Öffentlichkeit gewidmet worden sei. Demnach bedürfe die
Beendigung des Gemeingebrauchs keiner Entwidmung, die mit förmlichem
Verwaltungsakt zu erfolgen habe. Indem die Vorinstanz den Entscheid des
Baurekursgerichts bestätigte, brachte sie erkennbar zum Ausdruck, dass sie
dieser Erwägung beipflichtete. Der Beschwerdeführer war daher in der Lage das
vorinstanzliche Urteil sachgerecht anzufechten, weshalb insoweit eine
Verletzung der Begründungspflicht zu verneinen ist (vgl. E. 2.5 hievor).

5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem
unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht
anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegner haben praxisgemäss keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Birmensdorf und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Karlen

Der Gerichtsschreiber: Gelzer

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