Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.497/2017
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_497/2017  
 
 
Urteil vom 23. Februar 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Einwohnergemeinde Dornach, 
Gemeindeverwaltung, Hauptstrasse 33, Postfach, 4143 Dornach 2, 
vertreten durch Rechtsanwalt Harald Rüfenacht, 
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, 
Werkhofstrasse 65, Rötihof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Verkehrsmassnahme / Tempo-30-Zone, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
18. August 2017 (VWBES.2017.81). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Dornach beschloss am 1. Februar 2016
die Verkehrsmassnahme "Zonensignalisation: Beginn und Ende der Zone (2.59.1/
2.59.2) : Tempo-30 (2.30) ". Der Perimeter der Tempo-30-Zonen sollte die
Siedlungsgebiete zwischen Goetheanumstrasse/Dorneckstrasse und Bruggweg/
Hauptstrasse, dasjenige nördlich des Rainwegs und schliesslich das zwischen
Birs und Bruggweg/Weidenstrasse umfassen. Innerhalb dieses Gebiets wurde der
Rechtsvortritt festgelegt. Gleichzeitig wurden alle in Widerspruch stehenden
Signalisationen in den Tempo-30-Zonen aufgehoben. Diese Massnahme wurde im
Wochenblatt Birseck und Dorneck vom 9. Juni 2016 publiziert.  
 
A.b. Dagegen erhob A.________ Beschwerde beim Bau- und Justizdepartement des
Kantons Solothurn (BJD). Dieses sprach A.________ am 8. Februar 2017 die
Beschwerdeberechtigung ab und trat auf die Beschwerde nicht ein. Subsidiär
hielt es fest, alle von A.________ erhobenen Rügen wären abzuweisen, wenn
darauf einzutreten wäre.  
 
B.   
Dagegen führte A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn. Er machte geltend, für die Einführung der 2. Etappe der
Tempo-30-Zone fehle jegliche "Grundlage des Souveräns". Mit Urteil vom 18.
August 2017 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. Zur Begründung
führte es im Wesentlichen aus, die Beschwerdelegitimation von A.________ sei
spätestens im Zeitpunkt weggefallen, als er sein schon seit längerem
unbewohntes Zweithaus im Perimeter der Tempo-30-Zone verkauft habe. Dieser
Verkauf sei im Amtsblatt vom 21. April 2017 aufgeführt gewesen. Da dies im
Zeitpunkt des Departementsentscheids noch nicht zugetroffen habe, habe sich das
Departement korrekterweise auch inhaltlich mit den Rügen von A.________
auseinandergesetzt. Die Einführung der strittigen Tempo-30-Zone sei
rechtmässig, weshalb die Beurteilung des Departements auch in der Sache nicht
zu beanstanden sei. 
 
C.   
Mit Beschwerde vom 20. September 2017 an das Bundesgericht beantragt
A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Zur Begründung macht
er im Wesentlichen geltend, die fragliche Tempo-30-Zone verstosse gegen das
Strassenverkehrsrecht des Bundes. Insbesondere belege das eingeholte
Verkehrsgutachten die Notwendigkeit der Tempolimite nicht, weshalb die
getroffenen Verkehrsmassnahmen bundesrechtswidrig seien. 
Die Einwohnergemeinde Dornach stellt Antrag auf Nichteintreten, eventuell auf
Abweisung. A.________ sei nicht zur Beschwerde legitimiert. Seine inhaltlichen
Rügen seien unbehelflich und die erforderlichen Voraussetzungen für die
Einführung der Tempo-30-Zone im betreffenden Perimeter erfüllt. Das Amt für
Verkehr und Tiefbau des Kantons Solothurn schliesst für das Bau- und
Justizdepartement ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde. Das
Verwaltungsgericht beantragt ebenfalls ohne ergänzende Begründung die Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen
Endentscheid im Zusammenhang mit der Anordnung von Verkehrsmassnahmen, gegen
den grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an
das Bundesgericht offen steht (vgl. Art. 82 ff. BGG). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer erhebt keine Stimmrechtsbeschwerde, sondern wendet
sich mit strassenverkehrsrechtlichen Argumenten gegen den angefochtenen
Entscheid. In Frage kommt daher lediglich eine Beschwerdeberechtigung gemäss 
Art. 89 Abs. 1 BGG. Danach ist zur Beschwerde legitimiert, wer vor der
Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit dazu erhalten hat
(lit. a), durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist (lit. b) und
ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c).
Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer, dass der Beschwerdeführer über
eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt und einen praktischen
Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht. Die
Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss insbesondere in räumlicher
Hinsicht gegeben sein (vgl. für Bauprojekte BGE 137 II 30 E. 2.2.2 S. 34). Die
Legitimationsanforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen und den
Charakter des allgemeinen Beschwerderechts als Instrument des
Individualrechtsschutzes unterstreichen (BGE 139 II 279 E. 2.2 S. 282). Bei der
Einrichtung einer Tempo-30-Zone als funktioneller Verkehrsanordnung steht die
Beschwerdebefugnis allen Verkehrsteilnehmern zu, welche eine mit der
Beschränkung belegte Strasse mehr oder weniger regelmässig benützen, wie das
bei Anwohnern oder Pendlern der Fall ist, während bloss gelegentliches Befahren
der Strasse nicht genügt (BGE 136 II 539 E. 1.1 542 f.).  
 
2.2. Liegt die erforderliche besondere Beziehungsnähe vor, braucht das
Anfechtungsinteresse nicht mit dem Interesse übereinzustimmen, das durch die
vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird. Er kann
all jene Rechtssätze anrufen, die sich rechtlich oder tatsächlich in dem Sinne
auf seine Stellung auswirken, dass ihm im Falle des Obsiegens ein praktischer
Nutzen entsteht. Nicht zulässig ist hingegen das Vorbringen von
Beschwerdegründen, mit denen einzig ein allgemeines öffentliches Interesse an
der richtigen Anwendung des Rechts verfolgt wird, ohne dass dem
Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens ein Vorteil entsteht (BGE 141 II 50 E.
2.1 S. 51; 137 II 30 E. 2.2.3 S. 34; 139 II 499 E. 2.2 S. 504; je mit
Hinweisen).  
 
2.3. Das schutzwürdige Interesse an der Beurteilung einer Beschwerde muss nicht
nur bei der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der
Urteilsfällung aktuell und praktisch sein. Fällt das schutzwürdige Interesse im
Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt; fehlte es
schon bei der Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten
(vgl. BGE 139 I 206 E. 1.1 S. 208 mit Hinweisen). Das Bundesgericht verzichtet
ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn
sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit
wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je
möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlichen Bedeutung im
öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 139 I 206 E. 1.1 S. 208 mit Hinweisen).
 
 
2.4. Das Verwaltungsgericht ging in Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts,
das es insofern im Wesentlichen als mit der bundesrechtlichen Regelung
identisch bezeichnete, davon aus, dass die Beschwerdeberechtigung spätestens im
Zeitpunkt weggefallen sei, als der Beschwerdeführer sein nicht bewohntes
Zweitgrundstück im Perimeter der Tempo-30-Zone verkauft habe. Es hielt dazu
fest, dass dies nach dem Beschwerdeentscheid des Departements der Fall gewesen
sei, weshalb sich dieses mit der bei ihm hängigen Beschwerde zu Recht auch
inhaltlich auseinandergesetzt habe. Das Verwaltungsgericht prüfte jedoch nicht,
ob der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht ein aktuelles Interesse
gehabt hätte und es selbst deswegen in der Sache überhaupt eintreten musste,
sondern behandelte die Angelegenheit auch materiell. Dadurch wurde der
Beschwerdeführer jedenfalls nicht benachteiligt und das Bundesgericht hat sich
dazu nicht weiter zu äussern.  
 
2.5. Davon unabhängig zu prüfen ist indessen, ob der Beschwerdeführer vor dem
Bundesgericht noch ein aktuelles schutzwürdiges Interesse hat. Weder in seiner
Beschwerdeschrift vom 20. September 2017 noch in seiner Vernehmlassung vom 3.
Januar 2018 begründet der Beschwerdeführer seine Legitimation. Er stellt auch
nicht die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts
in Frage oder gar in Abrede. Sachverhaltsmässig ist daher von diesen
Tatumständen auszugehen. Daraus ergibt sich, dass der Gartenweg, über den der
Beschwerdeführer zu seinem Wohnhaus gelangt, nicht in die Tempo-30-Zone
einbezogen wurde. Zwar besass der Beschwerdeführer eine zweite Liegenschaft am
Unteren Zielweg im Perimeter der Tempo-30-Zone, die er nicht bewohnte. Es kann
hier offenbleiben, wie oft er deswegen den Perimeter befuhr. Im April 2017
verkaufte der Beschwerdeführer diese zweite Liegenschaft. Jedenfalls seit
diesem Zeitpunkt ist er kein regelmässiger Nutzer der Tempo-30-Zone. Die neuen
Eigentümer des verkauften Grundstücks erklärten mit Schreiben vom 27. Mai 2017
gegenüber dem Verwaltungsgericht, sich nicht am Verfahren beteiligen zu wollen.
Diese Darstellung der tatsächlichen Umstände im angefochtenen Entscheid wird
vom Beschwerdeführer, wie bereits erwähnt, mit keinem Wort bestritten und
entspricht im Übrigen auch der Aktenlage.  
 
2.6. Handelt es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen regelmässigen Nutzer
der fraglichen Tempo-30-Zone, verfügt er nicht über eine spezifische
Beziehungsnähe zur Streitsache. Spätestens im April 2017 ist eine solche
weggefallen. Seine Beschwerde entspricht einer Popularbeschwerde. Damit hat er
vor Bundesgericht kein aktuelles schutzwürdiges Interesse mehr an der
Beschwerdeführung in der Sache. Insoweit ist auf die Beschwerde daher nicht
einzutreten. Besondere Umstände, die ein Abweichen vom Erfordernis des
aktuellen Interesses rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Im
Gegenteil könnte bei bestehender Legitimation eine massgeblich betroffene
Person ohne weiteres rechtsgültig Beschwerde führen und eine rechtzeitige
Beurteilung erlangen.  
 
3.  
 
3.1. Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst kann eine
Verfahrenspartei die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren
Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das erforderliche
rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer
Berechtigung in der Sache selbst, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren
teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80; 137 II 305 E. 2 S. 308; 133 I 185 E.
6.2 S. 198 f.; je mit Hinweisen). Insoweit kann ein Beschwerdeführer
grundsätzlich die Verletzung von Verfahrensrechten rügen, die ihm aufgrund des
kantonalen Rechts oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung oder der
Europäischen Menschenrechtskonvention zustehen (BGE 136 IV 41 E. 1.4 S. 44 mit
Hinweisen).  
 
3.2. Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann, von hier nicht
interessierenden Ausnahmen abgesehen, jedoch nur die Verletzung von Bundesrecht
unter Einschluss von Bundesverfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG).
Das Bundesgericht kontrolliert insbesondere die Auslegung und Anwendung von
kantonalem Recht nicht frei, sondern nur auf Verfassungsmässigkeit,
insbesondere auf Willkür (nach Art. 9 BV). Es wendet das Recht von Amtes wegen
an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber
grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern
geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte
Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten
unter Einschluss des Willkürverbots gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133
II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).  
 
3.3. Die beiden Vorinstanzen sind jeweils auf die Beschwerden des
Beschwerdeführers eingetreten bzw. haben sie inhaltlich geprüft. Insoweit
erlitt er keinen Rechtsnachteil. Er legt auch nicht rechtsgenüglich dar,
inwiefern in prozessualer Hinsicht Bundesrecht verletzt bzw. kantonales
Verfahrensrecht willkürlich angewandt worden sein sollte. Das gilt ebenfalls
für die Frage, ob er vom Verwaltungsgericht zur Leistung einer
Parteientschädigung im Umfang von Fr. 977.30 zugunsten der Einwohnergemeinde
Dornach verpflichtet werden durfte. Der Beschwerdeführer beruft sich insofern
auf kantonales Recht, legt aber nicht dar, weshalb dadurch Bundesrecht verletzt
worden sein sollte. Damit kommt er seiner Begründungspflicht nach Art. 42 Abs.
2 und Art. 106 Abs. 2 BGG nicht ausreichend nach.  
 
3.4. Auch auf die formellen Rügen ist daher nicht einzutreten.  
 
4.   
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig, weshalb darauf nicht eingetreten
werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Praxisgemäss ist der obsiegenden
Gemeinde im bundesgerichtlichen Verfahren keine Parteientschädigung
zuzusprechen (vgl. Art. 68 BGG sowie BGE 134 II 117 E. 7 S. 118 f.). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Einwohnergemeinde Dornach, dem
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Februar 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben