Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.475/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_475/2017  
 
 
Urteil vom 21. September 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Lichtensteiger, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hebeisen, 
 
Politische Gemeinde Münsterlingen, 
Klosterstrasse 4, 8596 Münsterlingen, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Vetterli, 
Staat Thurgau, Staatskanzlei, 
Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld Kant. Verwaltung, 
vertreten durch das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau,
Verwaltungsgebäude, Promenade, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Baubewilligung, Lichtemissionen, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
31. Mai 2017 (VG.2016.176/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Spital Thurgau AG betreibt auf der Parzelle Nr. 1005 (Grundbuch
Münsterlingen) in Landschlacht das Kantonsspital Münsterlingen. Die B.________
AG (im Folgenden: B.________) beabsichtigt, südöstlich des Kantonsspitals, auf
der Parzelle Nr. 1489, das Herz-Neuro-Zentrum Bodensee (im Folgenden: HNZ) zu
erstellen. Das Bauareal liegt in der Klinikzone. Am 13. Mai 2013 reichte die
B.________ das entsprechende Baugesuch ein. Während der Auflage erhob
A.________, Eigentümer der rund 280 m südlich des geplanten Neubaus gelegenen
Parzelle Nr. 1376, Einsprache. 
Am 26. November 2014 bewilligte die Gemeinde Münsterlingen das Baugesuch der
B.________ und trat auf die Einsprache von A.________ mangels Legitimation
nicht ein. Das Thurgauer Verwaltungsgericht wies den dagegen gerichteten Rekurs
am 25. November 2015 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B.   
Dagegen führte A.________ Beschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesamt für
Umwelt (BAFU) bejahte in seiner Vernehmlassung vom 17. Juni 2016 die
Einsprache- und Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers. Die B.________
widersprach dieser Einschätzung und reichte hierfür eine neue fachtechnische
Stellungnahme der Lichtplan GmbH vom 16. September 2016 ein. 
Das Bundesgericht hielt fest, dass es nicht seine Sache sei, als erste und
einzige Instanz die zu erwartenden Lichtimmissionen des HNZ auf die
Liegenschaft des Beschwerdeführers und deren Bedeutung für dessen Legitimation
aufgrund der neuen und kontroversen fachlichen Stellungnahmen zu beurteilen. Es
hob daher den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache an das
Verwaltungsgericht zurück mit der Anweisung, die Legitimationsfrage allein
unter dem Gesichtspunkt der Lichtimmissionen neu zu beurteilen. Im Übrigen wies
es die Beschwerde ab (Urteil 1C_101/2016 vom 21. November 2016). 
 
C.   
Das Verwaltungsgericht führte am 15. März 2017 einen Augenschein zu den
Lichtimmissionen durch. Am 31. Mai 2017 wies es den Rekurs ab. 
Dagegen hat A.________ am 13. September 2017 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Er
beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer
Beurteilung an den Gemeinderat zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer beantragt
die Durchführung eines bundesgerichtlichen Augenscheins. 
 
D.   
Das Verwaltungsgericht, das Departement für Bau und Umwelt (DBU), die
B.________ (Beschwerdegegnerin) und die Gemeinde Münsterlingen beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das
Verwaltungsgericht befürwortet einen bundesgerichtlichen Augenschein, sofern
die Wahrnehmungen der verwaltungsgerichtlichen Delegation nicht als hinreichend
aussagekräftig beurteilt werden sollten. 
Das BAFU kommt in seiner Vernehmlassung zum Ergebnis, das Verwaltungsgericht
habe die umweltrechtlich begründete Legitimation des Beschwerdeführers zu
Unrecht verneint und hätte somit über seine Vorbringen zur Begrenzung der
Lichtemissionen entscheiden müssen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben,
dazu Stellung zu nehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde nach Art.
82 ff. BGG offen. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts befugt, mit dem ihm die Einsprachebefugnis gegen das
streitige Bauvorhaben abgesprochen wurde (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die
übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde
grundsätzlich einzutreten, soweit sie in einer den gesetzlichen Anforderungen
genügenden Weise begründet wird (vgl. unten E. 2). 
 
2.   
Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG ist die Legitimation in kantonalen Verfahren
betreffend Nutzungspläne und raumplanerische Verfügungen - z.B.
Baubewilligungen - mindestens im gleichen Umfang gewährleistet wie für die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Gleiches ergibt sich auch
aus Art. 111 Abs. 1 BGG (Grundsatz der Einheit des Verfahrens; vgl. dazu Urteil
1C_101/2016 E. 3.1). Zu prüfen ist daher, ob der Beschwerdeführer nach der für
die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geltenden Kriterien (
Art. 89 Abs. 1 BGG; vgl. dazu Urteil 1C_101/2016 E. 3.2 und 3.3) zur Beschwerde
befugt wäre, wobei dies nur noch unter dem Gesichtspunkt der Lichtimmissionen
zu beurteilen ist. 
Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG); die Verletzung von Grundrechten überprüft es dagegen nur
insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und genügend
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit
Hinweisen). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97
Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht
werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1
BGG). 
 
3.   
Der Beschwerdeführer erhebt verschiedene Willkürrügen im Zusammenhang mit den
Sachverhaltsannahmen und der Begründung des Verwaltungsgerichts. 
 
3.1. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer, aufgrund
seiner erhöhten Position, nicht direkt auf die Leuchten der Aussen- und
Innenbeleuchtung schauen, sondern nur die reflektierenden Flächen sehen werde,
darunter auch einen Teil des (weniger reflektierenden) Bodens.  
Der Beschwerdeführer hält dies für willkürlich und führt zur Begründung aus,
trotz der leicht erhöhten Lage werde der Blickwinkel bei einer Distanz von 300
m verhältnismässig flach. Hinzukomme, dass das Gebäude eine nahezu
entsprechende Höhe aufweise. Er macht jedoch keine substanziierten Angaben zu
den Neigungswinkeln (vgl. dazu Gutachten Lichtplan GmbH vom 12. August 2015 S.
4) noch zu den Höhenunterschieden zwischen seinem Haus (das nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichts rund 20 m höher liegt als die Parkplätze
des HNZ) und dem HNZ ( vgl. Plan "Gebäudeansichten" vom 26. November 2012,
wonach die Oberkante Attika des HNZ 12.4 m hoch ist, d.h. die Oberkante der
obersten Fenster noch etwas tiefer liegt). Insofern ist schon fraglich, ob auf
diese Rüge überhaupt eingetreten werden kann; jedenfalls aber ist keine Willkür
erkennbar. 
 
3.2. Der Beschwerdeführer hält auch das Argument für willkürlich, wonach Möbel
in der Regel dunkler seien als weisse Wände und deshalb einen geringeren
Reflexionsgrad aufwiesen. Es gebe keine Begründung für die Annahme des
Verwaltungsgerichts, dass die Patientenzimmer nicht mit weissen Möbeln
ausgestattet würden.  
Die Lichtplan GmbH berechnete in ihrer Stellungnahme vom 16. September 2016
eine mittlere Leuchtdichte von 54.5 cd/m2 (statt 80-120 cd/m2 gemäss der
Ergänzung ihres ersten Gutachtens vom 10. September 2015), unter der Annahme
eines Reflexionsgrads von 35 % für das Mobiliar und 20 % für den Boden und
einem Anteil von 30 % Wand, 35 % Mobiliar und 35 % Boden. Das
Verwaltungsgericht erachtete diese Berechnung grundsätzlich als zutreffend,
weil Möbel in der Regel dunkler seien als weisse Wände und weniger
reflektierten. Es verwies darauf, dass sich auch nach der Hilfsrechnung der
Lichtplan GmbH vom 27. Februar 2017 (mit 85 % Vertikalflächen, mit dem
Reflexionsgrad weisser Wände, und nur 15 % Boden), eine mittlere Leuchtdichte
von 72.4 cd/m2ergebe, was weit unter dem strengsten vom BAFU herangezogenen
Richtwert (100 bis 110 cd/m2) liege. Auch in seinen materiellrechtlichen
Erwägungen (E. 7 S. 23) stellte es alternativ auf beide Werte ab. Unter diesen
Umständen bedurfte es keiner weiteren Feststellung zur Farbe des Mobiliars oder
zu dessen Anteil an den Vertikalflächen. 
 
3.3. Schliesslich kritisiert der Beschwerdeführer noch die Annahme des
Verwaltungsgerichts als willkürlich, wonach das Untergeschoss für den
Beschwerdeführer nicht einsehbar sei; dies widerspreche der vorherigen Annahme
des Verwaltungsgerichts, wonach der Beschwerdeführer auf das Spital herabsehe
(vgl. oben E. 3.1). Diese Kritik geht ins Leere, weil das Verwaltungsgericht
die mangelnde Einsehbarkeit nicht mit dem Neigungswinkel, sondern mit der
landwirtschaftlichen Baute begründete, die zwischen dem Untergeschoss des HNZ
und dem Haus des Beschwerdeführers stehe. Deren Existenz und Lage werden vom
Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten.  
 
3.4. Der Beschwerdeführer bestreitet schliesslich die Feststellung des
Verwaltungsgerichts, wonach der Spitalbau nicht in eine relativ dunkle Umgebung
zu stehen komme. Die Vorinstanz habe vielmehr mit ihren Foto- und
Videoaufnahmen vom Augenschein selbst den Beweis erbracht, dass der Spitalbau
in eine nahezu gänzlich dunkle Gegend zu stehen komme. Die Erwägung des
Verwaltungsgerichts, wonach die dunklen Aufnahmen auf technische Limiten des
Aufnahmegeräts zurückzuführen seien, sei unhaltbar, handle es sich doch
offenbar um ein digitales Aufnahmegerät; die Aufnahmen entsprächen exakt dem,
was mit dem menschlichen Auge tatsächlich wahrgenommen werde.  
Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht einwendet, ist es jedoch sehr schwierig,
realitätsgerechte Nachtaufnahmen zu machen. Es ist gerichtsnotorisch, dass die
Einstellungen des Aufnahmegeräts (z.B. Belichtungszeit) einen erheblichen
Einfluss auf die Belichtung eines Fotos haben, und zwar unabhängig davon, ob
Digital- oder Analogtechnik verwendet wird. Die dunklen Fotos widerlegen daher
die am Augenschein getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (E. 5.3)
zu den heute vorhandenen Lichtquellen nicht (Grundhelligkeit des Ballungsraums
Konstanz/Kreuzlingen; Lichter des Kantonsspitals Münsterlingen; angrenzende
Ortschaften Landschlacht im Osten und Scherzingen im Westen,
Strassenbeleuchtung und Fahrzeuglichter der stark befahrenen Kantonsstrasse und
der Geleise der Seelinie, Beleuchtung der deutschen Gemeinden auf der
gegenüberliegenden Seeseite). 
Eine andere - materiellrechtliche - Frage ist, welcher Helligkeitskategorie das
Gebiet aufgrund dieser Feststellungen zuzuordnen ist (z.B. Bereich E2 oder E3
i.S.d. Norm SN EN 12464-2:2014 bzw. Gebiet II oder III der ÖNORM O 1052:2012;
vgl. dazu unten E. 5 und 6). 
 
3.5. Zusammenfassend erweisen sich die Rügen des Beschwerdeführers zur
tatsächlichen Situation und zur Immissionsprognose als unbegründet, soweit
darauf überhaupt einzutreten ist.  
 
4.   
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Beschwerdegegnerin habe in ihrer Eingabe
vom 20. Januar 2017 vorgetragen, sie werde die Jalousien nach Eintritt der
Dämmerung nachts jeweils schliessen. Dies sei als Projektänderung zu
qualifizieren. Damit habe sie die Legitimation des Beschwerdeführers
ausdrücklich anerkannt. Indem das Verwaltungsgericht diese Anerkennung auch
nicht ansatzweise gewürdigt habe, sei es in Willkür verfallen. 
Die Beschwerdegegnerin bestreitet, die Rechtsmittellegitimation des
Beschwerdeführers anerkannt zu haben; diese stehe im Übrigen auch nicht zur
Disposition der Parteien. 
Dem ist zuzustimmen: Die Beschwerdelegitimation ist von den Gerichten von Amtes
wegen zu prüfen, ohne an die Parteistandpunkte gebunden zu sein. Fraglich ist
dagegen, inwiefern die besagte Zusage von immissionsbegrenzenden Massnahmen bei
der Legitimationsprüfung (Wahrnehmbarkeit der Lichtimmissionen, Betroffenheit
des Beschwerdeführers) zu berücksichtigen ist (unten E. 6). 
 
5.   
Gestützt auf den vom Verwaltungsgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt
ist im Folgenden die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts zu
überprüfen, unter Berücksichtigung insbesondere der detaillierten Stellungnahme
des BAFU. 
 
5.1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die besondere
Betroffenheit in der Regel zu bejahen, wenn eine direkte Sichtverbindung zur
Lichtquelle besteht und diese deutlich wahrnehmbar ist. Dies ist in einem
Umkreis von 100 m i.d.R. zu bejahen, sofern die Beleuchtung eine gewisse
Mindeststärke überschreitet. Bei Fehlen einer direkten Sichtverbindung bzw.
grosser Entfernung trägt die Beleuchtung zur Aufhellung des Nachthimmels bei,
die für praktisch alle Bewohner einer Region sichtbar ist. In solchen Fällen
müssen spezielle Umstände vorliegen, damit die erforderliche besondere
Betroffenheit zu bejahen ist. Ob eine Person deutlich wahrnehmbaren, sie
spezifisch treffenden Lichtimmissionen ausgesetzt ist, ist aufgrund
qualitativer Kriterien (Art des Lichts) und quantitativer Kriterien (Ausmass
der Raumaufhellung) zu beurteilen. Dabei sind insbesondere die Umgebung und die
darin vorbestehenden Lichtemissionen zu berücksichtigen (BGE 140 II 214 E. 2.4
S. 220 f.).  
 
5.2. Das Verwaltungsgericht verneinte vorliegend eine besondere Betroffenheit
des Beschwerdeführers. Der geplante Spitalbau befinde sich in 300 m Entfernung
und komme in eine in der Nacht bereits durch verschiedene Lichtimmissionen
vorbelastete Umgebung zu liegen. Von seinem gesamten Gesichtsfeld werde der
Rekurrent, wenn er nach Norden blicke, auf ca. einen Meter Distanz lediglich
die Umrisse der Spitalbaute in der Grössenordnung von 2.6 cm x 13 cm
wahrnehmen, wobei zusätzlich ein nicht unwesentlicher Teil durch das bestehende
landwirtschaftliche Gebäude abgedeckt werde. Sowohl die Aussen- als auch die
Innenbeleuchtung erreichten mit einer mittleren Leuchtdichte von 54.5 bzw. 72.2
cd/m2 nicht die strengsten vom BAFU herangezogenen Grenzwerte (100 - 110 cd/
m2). Schliesslich sei auch nicht davon auszugehen, dass am Abend sämtliche
Zimmer ohne Verdunkelung beleuchtet sein würden.  
 
5.3. Das BAFU führt in seiner Vernehmlassung aus, dass der Schutz vor
Lichtimmissionen nicht speziell geregelt sei, weshalb er durch die
rechtsanwendenden Behörden einzelfallweise, gestützt unmittelbar auf die Art.
11-14 sowie 16-18 USG, sichergestellt werden müsse. Dabei könnten folgende
ausländische und privatrechtliche Normen zur Beurteilung von übermässigen
Lichteinwirkungen auf den Menschen berücksichtigt werden:  
 
- Richtlinie 150 der Commission International de l'Eclairage CIE 150-2003
"Guide on the Limitation of the Effects of Obtrusive Light from Outdoor
Lighting Installations" (Leitfaden zur Begrenzung der Störlichtwirkungen von
Aussenbeleuchtungsanlagen); 
- Von CIE 150-2003 abgeleitet seien die Schweizer Normen SN EN 12193:2008
"Sportstättenbeleuchtung" und SN EN 12464-2:2014 "Beleuchtung von
Arbeitsstätten - Teil 2: Arbeitsplätze im Freien"; 
- Deutsche Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI),
"Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen", Stand
08.10.2012, Anh. 2 Stand 03.11.2015, mit z.T. von der CIE abweichendem
Beurteilungsansatz; 
- Österreichische ÖNORM O 1052:2012 "Lichtimmissionen - Messung und
Beurteilung", welche die Ansätze von CIE und LAI zum Teil kombiniere. 
 
Zu den belästigenden oder störenden Einwirkungen künstlichen Lichts auf den
Menschen gehörten neben der Wohnraumaufhellung auch die belästigende Blendung.
Von einer solchen spreche man, wenn sich Menschen in der Nacht durch helle
Lichtquellen in einer ansonsten eher dunklen Umgebung gestört oder belästigt
fühlten. Auch wenn die Sehfunktion nicht beeinträchtigt werde, könne es als
störend empfunden werden, dass eine helle Lichtquelle den Blick auf sich zieht,
ohne aber wesentliche Informationen zu liefern. Eine andere Hypothese gehe
davon aus, dass die Muskulatur, welche die Pupille bei Dunkelheit öffne, in
Konflikt gerate mit der Muskulatur, welche die Pupille bei Helligkeit
schliessen wolle. Die Störwirkung hänge ab von der Leuchtdichte der Lichtquelle
(cd/m2), der Fläche der Lichtquelle, ausgedrückt als Raumwinkel, unter dem
diese vom Betroffenen aus gesehen werde, und von der Umgebungshelligkeit bzw.
Umgebungsleuchtdichte. 
Vorliegend sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine direkte
Sichtverbindung zum Bauprojekt habe: Von seiner etwa 20 m höher gelegenen
Liegenschaft schaue er in einem Winkel von rund 6° praktisch frontal auf die
ca. 300 m entfernte Südseite des HNZ hinab, die nur im unteren Bereich durch
bestehende Gebäude teilweise verdeckt sein werde. Dabei könnten insbesondere
die hell erleuchteten Fensterflächen als störend empfunden werden. 
Das BAFU stellt auf den höheren der beiden von der Lichtplan GmbH neu
berechneten Werte für die mittlere Leuchtdichte der Fenster der Südfassade von
72.4 cd/m2 ab. Gemäss Plan vom 25. Juli 2016 zum Gutachten der Lichtplan GmbH
vom 16. September 2016 betrage der Anteil der Fenster an der Fassade (EG, 1.
und 2. OG, ohne UG) 284.4 m2, d.h. 30 % der Gesamtfläche (und nicht 24.6 %, wie
vom Verwaltungsgericht angenommen). 
Die Lichtplan GmbH habe das fragliche Gebiet in seinem Gutachten vom 12. August
2015 der Zone E2 gemäss EN 12464-2:2014 zugeordnet (Bereich mit geringer
Gebietshelligkeit, wie z.B. Industriegebiete oder Wohngebiete in ländlicher
Umgebung); dies erscheine sachgerecht, da der Korridor zwischen dem
Beschwerdeführer und dem Neubau weitgehend unüberbaut sei. Die Einschätzung der
Vorinstanz, wonach es sich um einen erheblich mit Lichtemissionen vorbelasteten
Bereich (E3) handle, sei nicht nachvollziehbar: Der Grossraum Konstanz/
Kreuzlingen liege in einem rechten Winkel zur Sichtverbindung des
Beschwerdeführers zum Neubau und helle diese daher nicht merklich auf; das
deutsche Gegenufer des Bodensees sei mehr als 6 km entfernt und vorwiegend
ländlich. Seien auch derart weit entfernte Lichter sichtbar, so handle es sich
grundsätzlich um eine Gegend mit geringer Gebietshelligkeit. 
Erleuchtete Fenster seien bezüglich ihrer Aussenwirkung am ehesten mit
Leuchtreklame vergleichbar, für welche die Norm ÖNORM O 1052:2012 einen
Höchstwert von 100 cd/m2 in der Umgebungszone E2 aufstelle. Dieser werde vom
Projekt zu mehr als 70 % ausgeschöpft. Die grosse Fläche (rund 250 m2)
verstärke noch die Störwirkung auf die Umwelt im Vergleich zu üblichen
Leuchtreklamen. 
Hinzu komme, dass sich die erleuchteten Spitalfenster aller Voraussicht nach
auch von ihrer Farbtemperatur her von den bereits vorhandenen Lichtern abheben
dürften, ähnlich wie die weiss erscheinenden Fenster des bestehenden
Kantonsspitals Münsterlingen, die sich auf den Fotos 1 und 5 deutlich von den
eher orange-gelblichen Lichtern der Strassenbeleuchtung abhöben. Es könne
zurzeit auch nicht davon ausgegangen werden, dass nach aussen leuchtende
Fensterflächen durch den üblichen Gebrauch von Jalousien systematisch vermieden
werden könnten, enthalte doch die Baubewilligung keine entsprechende
Verpflichtung. 
 
5.4. Die Beschwerdegegnerin macht ihrerseits geltend, das BAFU habe in seiner
Vernehmlassung vom 17. Juni 2016 (im Verfahren 1C_101/2016) noch darauf
abgestellt, ob die berechneten Immissionen deutlich bzw. weit unter den
Richtwerten lägen; dies sei vorliegend der Fall, selbst wenn eine Leuchtdichte
von 72.4 cd/m2 zugrunde gelegt werde. Im Übrigen habe jedoch das
Verwaltungsgericht den Wert von 54.5 cd/m2 für zutreffend erachtet. Sie
kritisiert auch das Abstellen auf den Richtwert der ÖNORM O 1052.2012, weil -
entgegen der Auffassung des BAFU - auch die Schweizer Norm SN EN 12464-2:2014
einen Richtwert für Leuchtreklamen enthalte. Dieser liege in der Zone E2 bei
400 cd/m2. Zudem seien die von der ÖNORM für die Gebietshelligkeit II genannten
Kriterien ("nicht für die Bebauung gewidmete Gebiete, Freilandgebiete,
unbebaute Gebiete, Grünland") strenger als diejenigen der SN für das Gebiet E2.
Vorliegend müsse daher auf den Richtwert für das "Gebiet III" ("Siedlungsrand,
ländliche und durchgrünte Siedlungsgebiete") mit einer maximalen Leuchtdichte
von 250 cd/m2 abgestellt werden. Auf die Fotos und Videos vom Augenschein dürfe
nicht abgestellt werden, habe die Vorinstanz doch ausdrücklich festgehalten,
dass diese die tatsächlich vorhandenen Lichtimmissionen nicht zutreffend
wiedergeben. Im Übrigen müsse das gesamte vom Beschwerdeführer aus sichtbare
Panorama berücksichtigt werden, und nicht nur der Blick auf die geplante Baute.
 
 
6.   
Nach der Praxis des Bundesgerichts (z.B. im Bereich des Lärmrechts) kommt es
für die Legitimation nur darauf an, dass die Immissionen (bzw. ihre Zunahme)
deutlich wahrnehmbar sind; nicht erforderlich ist, dass die Überschreitung von
Belastungsgrenzwerten glaubhaft gemacht wird. Es soll verhindert werden, dass
bereits zur Beurteilung der Legitimation komplexe Berechnungen angestellt und
Expertisen eingeholt werden müssen, und damit ein Teil der materiellen Prüfung
vorweggenommen wird. Auch soweit vereinzelt zahlenmässige Vorgaben für die
Legitimation bestehen, liegen diese sehr tief (z.B. der Einspracheperimeter bei
Mobilfunkanlagen; vgl. BGE 128 II 168 E. 2.3 S. 171: 10 % des vorsorglichen
Anlagegrenzwerts). 
 
6.1. In tatsächlicher Hinsicht ist auf die Feststellungen der Vorinstanz am
Augenschein abzustellen, insbesondere zu den bereits vorhandenen
Lichtemissionen, dem Blickwinkel des Beschwerdeführers und dessen Sicht auf den
geplanten Bau (vgl. oben E. 3). Dagegen ist es eine frei überprüfbare
Rechtsfrage, ob die Vorinstanz die für die Legitimation erforderliche Schwelle
der deutlichen Wahrnehmbarkeit zu hoch angesetzt hat oder nicht.  
Vorliegend ergibt sich eine mehr oder weniger deutliche Unterschreitung der
Richtwerte, je nachdem, auf welche Norm abgestellt wird und welcher
Helligkeitsstufe das Gebiet zugeordnet wird. Allerdings ist zu beachten, dass
es sich um Richtwerte für die Übermässigkeit von Lichtemissionen,
beispielsweise für Leuchtreklamen, handelt. Diese müssen von ihrer Funktion her
deutlich wahrnehmbar sein, so dass auch bei einer klaren Einhaltung der
Richtwerte die Legitimation nicht ohne Weiteres verneint werden kann. Diese
muss vielmehr im Einzelfall, aufgrund der konkreten Umstände, beurteilt
werden. 
 
6.2. Das BAFU geht davon aus, dass die nächtliche Beleuchtung des HNZ, das
zwischen dem Haus des Beschwerdeführers und dem See, auf einer bisher
unüberbauten Parzelle ausserhalb eines städtischen Zentrums zu stehen kommen
werde, auch in 300 m Entfernung deutlich zu sehen sein werde, aufgrund seiner
Grösse und der Anzahl Fenster, aber auch der von der Umgebung abweichenden
Farbtemperatur. Allerdings legt es seiner Beurteilung einen 24 h Betrieb mit
ständiger nächtlicher Innenbeleuchtung ohne Abschirmungsmassnahmen zugrunde,
während das Verwaltungsgericht annahm, am Abend würden nicht sämtliche Zimmer
beleuchtet sein; überdies werde ab Einbruch der Dunkelheit von den (bereits in
den Baubewilligungsunterlagen vorgesehenen) Jalousien Gebrauch gemacht werden.
Diese Annahme des Verwaltungsgerichts erscheint realistisch; allerdings wendet
das BAFU grundsätzlich zu Recht ein, dass die Schliessung der Jalousien ohne
entsprechende Auflage in der Baubewilligung nicht erzwungen werden kann.  
 
6.3. Der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin führte dazu mit Eingabe an das
Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2017 (Ziff. 4.3 S. 14) Folgendes aus:  
 
"In diesem Zusammenhang und auch im Hinblick auf eine weitestmögliche
Unterbindung sämtlicher aus der Innenbeleuchtung herrührender Immissionen
verpflichtet sich daher die Verfahrensbeteiligte 1 hiermit, folgende technische
Massnahmen zu ergreifen und im späteren Betrieb in Zukunft aufrechtzuerhalten: 
 
Die Bauherrschaft verpflichtet sich, sämtliche Fensterflächen an der Süd- und
Westfassade der projektierten Spitalbaute bei eingesetzter Dunkelheit
durchgehend bis zur wiedereinsetzenden Helligkeit mittels aussen angebrachter
Lamellenjalousien vollständig abzudecken. Die entsprechende Verschliessung
durch die Lamellen-Jalousien ist automatisiert durch ein auf die
Aussenhelligkeit geschaltetes Sensor-System oder gleichwertige Systeme, die die
Schliessung im vorerwähnten, zeitlichen Bereich gewährleisten,
sicherzustellen." 
Auf diese Verpflichtung ist die Beschwerdegegnerin zu behaften, um
sicherzustellen, dass Einbau und Funktionieren des automatischen
Schliesssystems von der zuständigen Behörde kontrolliert und durchgesetzt
werden. Damit ist gewährleistet, dass die Innenbeleuchtung abends und nachts
praktisch nicht mehr nach aussen in Erscheinung tritt. 
Jedenfalls unter dieser Voraussetzung kann mit dem Verwaltungsgericht die
deutliche Wahrnehmbarkeit der Lichtemissionen und damit die Legitimation des
Beschwerdeführers verneint werden, ohne dass hierfür ein eigener Augenschein
des Gerichts erforderlich wäre. 
 
7.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt der Beschwerdeführer teilweise (wegen
der erst vor Bundesgericht nachgeholten Behaftung der Beschwerdegegnerin auf
die versprochenen emissionsbegrenzenden Massnahmen) und unterliegt im Übrigen.
Es rechtfertigt sich daher, ihm die Kosten zu zwei Dritteln aufzuerlegen (Art.
66 BGG), die Parteientschädigung der Beschwerdegegnerin zu kürzen (Art. 68 BGG)
und auch die kantonale Kostenverteilung entsprechend anzupassen (Art. 67 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Beschwerdegegnerin auf die
mit Eingabe an das Verwaltungsgericht vom 20. Januar 2017 (Ziff. 4.3)
zugesagten technischen Massnahmen zur Begrenzung der Lichtemissionen behaftet.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000- werden dem Beschwerdeführer zu zwei Dritteln
(ausmachend Fr. 2'000.--) und der Beschwerdegegnerin zu einem Drittel
(ausmachend Fr. 1'000.--) auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Disp.-Ziff. 2 und 3 des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
31. Mai 2017 werden dahingehend angepasst, dass die Verfahrensgebühr von Fr.
10'000.-- zu zwei Dritteln (ausmachend Fr. 6'667.--) vom Beschwerdeführer
(Rekurrent des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) und zu einem Drittel
(ausmachend Fr. 3'333.--) von der Beschwerdegegnerin (Rekursgegnerin) zu tragen
sind. Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine ausseramtliche
Entschädigung von Fr. 2'500.-- zu entrichten. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Münsterlingen, dem
Staat Thurgau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für
Umwelt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 21. September 2018 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber 

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