Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.448/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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1C_448/2017            

 
 
 
Urteil vom 3. Juli 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Martin, 
 
gegen  
 
Politische Gemeinde Kreuzlingen, 
8280 Kreuzlingen, handelnd durch den 
Stadtrat Kreuzlingen, Stadthaus, 
Hauptstrasse 62, 8280 Kreuzlingen, 
Departement für Bau und Umwelt 
des Kantons Thurgau, 
Verwaltungsgebäude, Promenade, 
Postfach, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Sitzplatzverglasung, Rückbau, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 7. Juni 2017 (VG.2016.27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 16. März 2011 reichte die A.________ GmbH ein Baugesuch für ein
Einfamilienhaus auf der Parzelle Gbbl. Nr. 3121 in Kreuzlingen ein. Die
Gemeinde Kreuzlingen erteilte ihr dafür am 7. Juni 2011 eine Baubewilligung mit
Auflagen. Mit Ergänzungsgesuch zur Baubewilligung ersuchte die A.________ GmbH
am 20. Oktober 2013 um Bewilligung für eine "Überdachung Sitzplatz". Auf dem
offiziellen Formular führte sie unter Art des Bauvorhabens Folgendes aus:
"Erstellung einer Kaltüberdachung über die Hälfte der Terrasse als
Sonnenschutz. Konstruktion: Stahl/Aluminium/Glas. Die Terrasse heizt im Sommer
derart auf, dass man sich dort ohne Überdachung als Sonnenschutz nicht
aufhalten kann." Am 19. Dezember 2013 erteilte die Gemeinde Kreuzlingen die
entsprechende Baubewilligung. 
Anlässlich einer Baukontrolle vom 27. Juni 2014 stellte die Gemeinde
Kreuzlingen fest, dass die bewilligte Sitzplatzüberdachung allseitig
geschlossen und mit Glastüren und Lamellenstoren versehen worden war. Die
Gemeinde Kreuzlingen verfügte am 30. Juni 2014 die sofortige Baueinstellung und
reichte am 9. Juli 2014 gegen die A.________ GmbH Strafanzeige ein. Am 9.
September 2014 forderte die Gemeinde Kreuzlingen die A.________ GmbH zur
Einreichung eines nachträglichen Baugesuchs bezüglich der Sitzplatzüberdachung
(allseitig, mit Schiebetüren geschlossen) auf und drohte die Ersatzvornahme
(Ausarbeitung des Baugesuchs von Amtes wegen, unter Kostenfolge) an. Dieser
Aufforderung kam die A.________ GmbH nicht nach. 
Gegen das in der Folge von Amtes wegen ausgearbeitete Baugesuch vom 23. April
2015 gingen zwei Einsprachen ein. Mit Entscheiden vom 11. August 2015 hiess die
Gemeinde Kreuzlingen die beiden Einsprachen gut, verweigerte eine nachträgliche
Baubewilligung für die seitliche Sitzplatzverglasung und ordnete gleichzeitig
die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands (vollständiger Rückbau
zumindest einer Seite der Verglasung) innert 30 Tagen ab Rechtskraft an. 
Dagegen reichte die A.________ GmbH am 7. September 2015 Rekurs an das
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau (DBU/TG) ein und beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheide und die Feststellung, dass die
Baubewilligung vom 19. Dezember 2013 auch die Erstellung von Seitenwänden
umfasse. Eventualiter sei das von Amtes wegen erstellte Baugesuch vom 23. April
2015 für die Verglasung des Sitzplatzes (bereits erstellt) zu bewilligen.
Subeventualiter sei die angesetzte Wiederherstellungsfrist von 30 Tagen auf 60
Tage zu verlängern. Am 30. Oktober 2015 zog die A.________ GmbH ihren
Eventualantrag (Bewilligung des von Amtes wegen erarbeiteten Baugesuchs vom 23.
April 2015) wieder zurück. 
Mit Entscheid vom 12. Februar 2016 wies das DBU/TG den Rekurs ab, soweit es
darauf eintrat und ihn nicht als durch Rückzug erledigt abschrieb. Das DBU/TG
erwog, 2013 sei keine BaubewilIigung für die seitliche Verglasung erteilt
worden. Nachdem die A.________ GmbH ihren Eventualantrag, wonach das von Amtes
wegen erstellte Baugesuch vom 23. April 2015 zu bewilligen sei, zurückgezogen
habe, könne eine materielle Überprüfung der Verglasung unterbleiben. Die
ebenfalls eventualiter angefochtene Rückbaufrist von 30 Tagen erscheine ohne
Weiteres als verhältnismässig. 
Gegen diesen Entscheid erhob die A.________ GmbH mit Eingabe vom 1. März 2016
Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit dem Antrag, es sei
festzustellen, dass der gebaute Zustand bereits bewilligt worden sei. Am 26.
Oktober 2016 führte eine Delegation des Verwaltungsgerichts einen Augenschein
vor Ort durch. Mit Entscheid vom 7. Juni 2017 wies das Verwaltungsgericht die
Beschwerde ab. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 5. September 2017 führt die A.________ GmbH Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit dem
Hauptantrag, es sei festzustellen, dass der gebaute Zustand bereits bewilligt
worden sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. 
Mit Verfügung vom 31. Oktober 2017 hat der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt. 
Das DBU/TG, die Vorinstanz und die Gemeinde Kreuzlingen beantragen die
Beschwerdeabweisung. Die Beschwerdeführerin hat auf weitere Bemerkungen
verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen
Endentscheid öffentlich-rechtlicher Natur (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit.
d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Ein Ausschlussgrund ist nicht gegeben (Art. 83
BGG). Die Beschwerdeführerin hatte im vorinstanzlichen Verfahren Parteistellung
(Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG). Als Eigentümerin des von der Wiederherstellung
betroffenen Grundstücks ist sie durch den angefochtenen Entscheid besonders
berührt (lit. b) und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung (lit.
c). Sie ist zur Beschwerdeführung legitimiert.  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin beantragt mit ihrem Hauptbegehren, es sei
festzustellen, dass der gebaute Zustand (Verglasung des Sitzplatzes) bereits
bewilligt worden sei.  
Feststellungsbegehren sind gegenüber Leistungsbegehren subsidiär und bedürfen
eines ausgewiesenen Feststellungsinteresses. Dieses ist vorliegend gegeben
(vgl. Urteil 1C_344/2017 vom 17. April 2018 E. 1.2). 
 
2.  
 
2.1. Streitgegenstand bildet die Frage, ob der gebaute Zustand bereits
bewilligt worden ist. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt,
das Baugesuch vom 20. Oktober 2013 habe auch eine Verglasung der beiden gegen
Süden und Westen offenen Sitzplatzseiten und das Anbringen von Lamellenstoren
an den Glasschiebetüren beinhaltet.  
 
2.2. Das Baubewilligungsverfahren soll es der Behörde ermöglichen, das
Bauprojekt im Interesse der Öffentlichkeit und der Nachbarschaft vor seiner
Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und
der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen (BGE 139 II 134 E. 5.2 S.
139 f.; 119 Ib 222 E. 3a S. 226 f.). Das Baugesuch hat alle für die
baurechtliche Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Angaben zu enthalten;
insbesondere sind Pläne beizulegen. Nur was aus den Plänen mit hinreichender
Klarheit hervorgeht, kann von der Behörde bewilligt und mit Ablauf der
Rechtsmittelfrist rechtskräftig werden. Im Falle von unklaren oder
missverständlichen Bauplänen trägt die Bauherrschaft die Folgen unklarer
Planinhalte. Bloss schematische Darstellungen in Projekteingabeplänen genügen
nicht (vgl. zum Ganzen: Urteil 1C_344/2017 vom 17. April 2018 E. 3.1 mit
Hinweisen).  
 
2.3. Die Vorinstanz hat zusammenfassend erwogen, der von der Beschwerdeführerin
im Baugesuchsformular verwendete Begriff "Überdachung" beinhalte keinen
seitlichen, bis zum Boden reichenden Abschluss. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin stelle auch der Begriff der "Kaltüberdachung" keinen
allgemein anerkannten Fachbegriff dar, der zwingend einen allseitigen
seitlichen Abschluss bedingen würde. Aus den Baugesuchsplänen sei nicht
ersichtlich, dass neben dem Glasdach auch Glasschiebetüren mit Lamellenstoren
auf der Süd- und Westseite des Sitzplatzes realisiert werden sollten. In
Kombination mit der Beschreibung des Bauvorhabens als "Überdachung" hätte es in
den Plänen einer unzweideutigen zeichnerischen Darstellung bedurft, welche eine
bis zum Boden reichende Seitenverglasung gezeigt hätte. Dies wäre ohne grossen
Aufwand mit einer Schraffur der beiden Seitenflächen oder einer Bezeichnung
dieser Flächen als "Glasschiebetüren" möglich gewesen. Zudem habe die
Beschwerdeführerin eingeräumt, dass sie erst nach Erhalt der Baubewilligung vom
19. Dezember 2013 zwei Fachfirmen mit der Erstellung von Offerten beauftragt
habe. Ganz offensichtlich sei denn auch erst aufgrund dieser Offerten die Idee
entstanden, neben der Überdachung Glasschiebetüren mit Lamellenstoren zu
montieren. Das Baugesuch vom 20. Oktober 2013 habe mithin weder seitliche
Verglasungen in Form von Glasschiebetüren noch Lamellenstoren als Sonnenschutz
beinhaltet, womit diese auch nicht Bestandteil der am 19. Dezember 2013
erteilten Baubewilligung gebildet hätten. Die Einholung eines Gutachtens zu
dieser Frage erübrige sich.  
 
2.4. Die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung der Vorinstanz
sind ohne Weiteres haltbar. Die Vorinstanz ist nicht in Willkür verfallen,
indem sie geschlossen hat, aus den Baugesuchsplänen sei nicht ersichtlich, dass
neben dem Glasdach auch Glasschiebetüren mit Lamellenstoren auf der Süd- und
Westseite des Sitzplatzes realisiert werden sollten. Gegenteiliges wird von der
Beschwerdeführerin mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen auch nicht
aufgezeigt. Bei diesem Ergebnis konnte die Vorinstanz, ohne hierdurch den
Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör zu verletzen, in
zulässiger antizipierter Beweiswürdigung davon absehen, ein Fachgutachten zum
Begriff der "Kaltüberdachung" einzuholen (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 mit
Hinweisen).  
Zusammenfassend ist die Vorinstanz somit in sachlich vertretbarer Weise davon
ausgegangen, die erstellte Sitzplatzverglasung mit Lamellenstoren sei von der
Baubewilligung vom 19. Dezember 2013 nicht mitumfasst (vgl. auch Urteil 1C_344/
2017 vom 17. April 2018 E. 3.3). 
 
2.5. Die Beschwerdeführerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf einen
Vertrauensschutztatbestand berufen.  
Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht in der Form
des Vertrauensschutzes einen Anspruch auf Schutz berechtigten Vertrauens in
behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes
Verhalten, sofern sich dieses auf eine konkrete, die betreffende Bürgerin oder
den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit bezieht. Neben dem
behördlichen Verhalten als Vertrauensgrundlage setzt der Anspruch auch eine
Vertrauensbetätigung und einen Kausalzusammenhang zwischen Vertrauen und
Disposition voraus. Selbst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, bleibt eine
Interessenabwägung im Einzelfall vorbehalten (vgl. BGE 129 I 161 E. 4.1 S.
170). 
Im zu beurteilenden Fall haben die Behörden mit ihrem Verhalten und der
Bewilligungserteilung vom 19. Dezember 2013 keine Vertrauensgrundlage
geschaffen, auf welche die Beschwerdeführerin berechtigterweise hätte vertrauen
dürfen. Die Sitzplatzverglasung mit Lamellenstoren bildete im
Baubewilligungsverfahren kein Thema. 
 
2.6. Die Rechtmässigkeit der Wiederherstellung im Allgemeinen (Entfernung
mindestens einer Seitenverglasung) und die Angemessenheit der
Wiederherstellungsfrist von 30 Tagen im Besonderen werden von der
Beschwerdeführerin zu Recht nicht (mehr) bestritten.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegenden Behörden steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Politischen Gemeinde
Kreuzlingen, dem Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juli 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Stohner 

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