Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.427/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

                    
1C_427/2017           

 
 
 
Urteil vom 15. Dezember 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiber Schoch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Jana Hrebik, 
 
gegen  
 
1. B.________, p.A. Kantonspolizei St. Gallen, 
Klosterhof 12, 9001 St. Gallen, 
2. C.________, p.A. Kantonspolizei St. Gallen, 
Klosterhof 12, 9001 St. Gallen, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Untersuchungsamt St. Gallen, 
Schützengasse 1, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Ermächtigungsverfahren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 31.
Mai 2017 
(AK.2017.110-AK und AK.2017.161-AK (ST.2017.9891) AK.2017.162-AP). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 15. Februar 2017 führten zwei Beamte der Kantonspolizei St. Gallen bei der
Autobahnausfahrt Rheineck-Thal eine Verkehrskontrolle durch. Im Rahmen dieser
Kontrolle wurde ein Personenwagen angehalten, in dem der Lenker D.________ und
der Beifahrer A.________ unterwegs waren. Weil die beiden sich nicht genügend
ausweisen konnten, wollten die Polizeibeamten sie zur Überprüfung auf den
Polizeiposten mitnehmen. Auf deren Anweisung setzte A.________ sich hinten ins
Patrouillenfahrzeug, während einer der Beamten beabsichtigte, mit D.________ im
Personenwagen zu fahren. Bevor der Beamte in den Personenwagen einsteigen
konnte, beschleunigte jener jedoch und flüchtete. Die beiden Polizisten wollten
sofort die Verfolgung aufnehmen. Als sie sich ins Fahrzeug setzten und
losfahren wollten, realisierten sie aber, dass der vorher stecken gelassene
Autoschlüssel sich nicht mehr im Zündschloss befand. Um den Schlüssel zu
finden, durchsuchten die Polizeibeamten A.________ darauf ausserhalb des
Patrouillenwagens und nahmen ihn vorläufig fest. Dabei zog sich dieser
Verletzungen unterhalb des linken Auges zu. Der Fahrzeugschlüssel wurde danach
zwischen Beifahrersitz und Mittelkonsole aufgefunden. A.________ wurde später
in der Klinik Stephanshorn medizinisch betreut. 
 
B.   
Am 23. März 2017 reichte A.________ beim Untersuchungsamt St. Gallen
Strafanzeige wegen Körperverletzung und Amtsmissbrauchs ein. Er brachte vor, er
sei anlässlich der oben erwähnten Kontrolle von den zwei Polizisten grundlos
geschlagen worden und habe dadurch insbesondere im Gesicht Verletzungen
erlitten. 
Am 28. März 2017 übermittelte das Untersuchungsamt St. Gallen die Strafanzeige
der Anklagekammer zwecks Durchführung eines Ermächtigungsverfahrens. Am 31. Mai
2017 entschied die Anklagekammer, keine Ermächtigung zu erteilen. Es wurden
keine Kosten erhoben. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
beantragt A.________ hauptsächlich die Aufhebung des Entscheids der
Anklagekammer. Die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die
angezeigten Beschwerdegegner sei zu erteilen. Er beantragt weiter, ihm sei
sowohl für das vorinstanzliche als auch für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen. Zudem sei er für das Verfahren
vor der Anklagekammer angemessen und für das bundesgerichtliche Verfahren
gemäss Honorarnote zu entschädigen. 
 
D.   
Das Untersuchungsamt St. Gallen hat Vernehmlassung eingereicht und beantragt,
die Beschwerde abzuweisen. Der Beschwerdeführer nahm Stellung. Nicht vernehmen
liessen sich die Beschwerdegegner und die Anklagekammer. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid über die Verweigerung der Ermächtigung
zur Strafuntersuchung steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1 S. 272).
Die Beschwerdegegner gehören nicht den obersten kantonalen Vollziehungs- und
Gerichtsbehörden an, weshalb der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. e BGG nicht
zur Anwendung gelangt (vgl. BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S. 272 f.).  
 
1.2. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die
Strafverfolgung der Mitglieder ihrer Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen
im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Ermächtigung einer nicht
richterlichen Behörde abhängt. Diese Bestimmung bietet den Kantonen die
Möglichkeit, die Strafverfolgung sämtlicher Mitglieder ihrer Vollziehungs- und
Gerichtsbehörden von einer Ermächtigung abhängig zu machen. Als
Vollziehungsbehörden gelten alle Organisationen, die öffentliche Aufgaben
wahrnehmen (Urteil 1C_775/2013 vom 15. Januar 2014 E. 3.1). Der Kanton St.
Gallen hat von seiner gesetzlichen Kompetenz Gebrauch gemacht und ein
Ermächtigungsverfahren eingeführt (Art. 17 Abs. 2 lit. b des
Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen vom 3. August 2010 zur
Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung [EG-StPO]; sGS 962.1). Die
hier angezeigten Beschwerdegegner fallen in den Anwendungsbereich des
Ermächtigungserfordernisses.  
 
1.3. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Anklagekammer die Ermächtigung zur
Strafverfolgung gegen die beiden angezeigten Personen verweigert. Damit fehlt
es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens,
womit das Verfahren abgeschlossen ist. Angefochten ist somit ein Endentscheid (
Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Der
Beschwerdeführer, der am kantonalen Verfahren beteiligt war und dessen
Strafanzeige nicht mehr weiter behandelt werden kann, ist zur Erhebung der
Beschwerde berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.4. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Im Ermächtigungsverfahren dürfen - ausser bei obersten Vollziehungs- und
Gerichtsbehörden - nur strafrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden (
BGE 137 IV 269 E. 2.4 S. 277 f.). Das Ermächtigungserfordernis dient namentlich
dem Zweck, Behördenmitglieder und Beamte vor mutwilliger Strafverfolgung zu
schützen und damit das reibungslose Funktionieren staatlicher Organe
sicherzustellen. Ein Strafverfahren soll daher erst durchgeführt werden können,
wenn die Anklagekammer vorher ihre Zustimmung dazu erteilt hat. Gestützt darauf
kann die Staatsanwaltschaft dann die Untersuchung eröffnen. Der förmliche
Entscheid über die Eröffnung oder die Nichtanhandnahme obliegt Kraft
ausdrücklicher bundesrechtlicher Regelung (Art. 309 und 310 StPO) in jedem Fall
der Staatsanwaltschaft (BGE 137 IV 269 E. 2.3 S. 277).  
 
2.2. Nach der Rechtsprechung ist für die Erteilung der Ermächtigung ein
Mindestmass an Hinweisen auf strafrechtlich relevantes Verhalten zu verlangen
(Urteil 1C_97/2015 vom 1. September 2015 E. 2.2; 1C_438/2014 vom 19. März 2015
E. 2.2 mit Hinweis). Dabei muss eine Kompetenzüberschreitung oder eine gemessen
an den Amtspflichten missbräuchliche Vorgehensweise oder ein sonstiges
Verhalten, das strafrechtliche Konsequenzen zu zeitigen vermag, in minimaler
Weise glaubhaft erscheinen und es müssen genügende Anhaltspunkte für eine
strafbare Handlung vorliegen (vgl. Urteil 1C_633/2013 vom 23. April 2014 E. 2.3
mit Hinweis). Der Entscheid über die Erteilung der Ermächtigung zur
Strafuntersuchung ist demjenigen über die Anhandnahme eines Strafverfahrens
bzw. über die Einstellung eines eröffneten Strafverfahrens vorangestellt. Es
ist daher zwangsläufig, dass die Ermächtigung bereits bei einer geringeren
Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit erteilt werden
muss, als sie für die Einstellung eines schon eröffneten Strafverfahrens
erforderlich ist. Während für die Anklageerhebung die Wahrscheinlichkeiten
einer Verurteilung und eines Freispruchs zumindest vergleichbar zu sein haben,
genügt bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit für strafbares Verhalten, um
die Ermächtigungserteilung auszulösen (vgl. zum Ganzen Urteil 1C_97/2015 vom 1.
September 2015 E. 2; 1C_438/2014 vom 19. März 2015 E. 2.2 mit Hinweis).  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Beschwerdegegner hätten ihn
geschlagen. Dies sei eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Er verlangt eine wirksame
und vertiefte amtliche Untersuchung des Polizeieinsatzes vom 15. Februar 2017.
Zudem rügt er eine Verletzung seines Rechts auf wirksamen Zugang zum
Untersuchungsverfahren (Art. 13 EMRK).  
 
3.2. Nach Art. 3 EMRK und Art. 10 Abs. 3 BV darf niemand der Folter oder
unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Damit sind massive Verstösse gegen die Menschenwürde angesprochen, die den
Betroffenen seelisch und meist auch körperlich schwer treffen. Der Unterschied
zwischen Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe ist
ein gradueller.  
Um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen, muss eine Behandlung ein
Mindestmass an Schwere ("minimum de gravité") erreichen (Urteil 1B_70/2011 vom
11. Mai 2011 E. 2.2.5.4 mit Hinweisen). Eine allenfalls für die betroffene
Person unangenehme Behandlung durch die Polizei genügt nicht (BGE 134 I 221 E.
3.2.1 S. 226 mit Hinweis). Die Würdigung des Mindestmasses hängt von den
gesamten Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und
ihren physischen und psychischen Auswirkungen, sowie manchmal vom Geschlecht,
dem Alter und dem Gesundheitszustand des Geschädigten (Urteil 1B_70/2011 vom
11. Mai 2011 E. 2.2.5.4; BGE 134 I 221 E. 3.2.1 S. 226; 124 I 231 E. 2b S. 236;
je mit Hinweisen). 
 
3.3. Soweit sie nicht aufgrund des Verhaltens des Betroffenen unbedingt
erforderlich ist ("strictement nécessaire"), beeinträchtigt die Anwendung
körperlicher Gewalt durch Polizeibeamte die menschliche Würde und stellt
grundsätzlich eine Verletzung von Art. 3 EMRK dar (vgl. Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] i.S. Perrillat-Bottonet gegen Schweiz
vom 20. November 2014, 66773/13, § 40 mit Hinweisen [angeblicher Bruch der
Rotationsmanschette an der rechten Schulter bei Polizeieinsatz; Verletzung von 
Art. 3 EMRK verneint]). Leistet die betroffene Person Widerstand oder verhält
sie sich gewalttätig, ist die Anwendung von Polizeizwang zulässig, sofern die
Verhältnismässigkeit gewahrt bleibt. Wenngleich das Vorliegen von Wunden oder
Verletzungen von besonderer Bedeutung ist, wurde die Anwendbarkeit von Art. 3
EMRK auch bei Quetschungen oder bei mehreren Beulen an einem Arm bejaht, von
denen der Betroffene behauptet hatte, sie seien ihm bei der Festnahme von
Polizisten rechtswidrig zugefügt worden (zur Zusammenfassung der Kasuistik vgl.
das Urteil 1B_70/2011 vom 11. Mai 2011 E. 2.2.5.4 sowie die Beispiele bei JENS
MEYER-LADEWIG, EMRK, Handkommentar, 4. Aufl. 2017, Rz. 23 zu Art. 3 EMRK).  
 
3.4. Nach der Rechtsprechung hat eine wirksame und vertiefte amtliche
Untersuchung stattzufinden, wenn jemand in vertretbarer Weise ("de manière
défendable") behauptet, von der Polizei in einer Art. 3 EMRK verletzenden Weise
misshandelt worden zu sein. Vertretbar erhoben wird eine Anschuldigung, wenn
nicht von vornherein sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Sache sich so
zugetragen hat, wie die betroffene Person behauptet (BGE 131 I 455 E. 1.2.5 und
1.2.6 S. 462 ff.; mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Die
Untersuchung muss zur Ermittlung und Bestrafung der Verantwortlichen führen
können. Verhielte es sich anders, wäre das Verbot der Folter und der
unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung - trotz seiner
grundlegenden Bedeutung - in der Praxis wirkungslos. Art. 3 EMRK weist insoweit
einen prozessualen Teilgehalt auf. Der Anspruch auf eine wirksame und vertiefte
Untersuchung ("enquête officielle approfondie et effective") bei vertretbarer
Behauptung einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ergibt sich ebenso aus dem
Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK (BGE 131 I 455 E. 1.2.5 S.
462 ff. mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen Urteil 1C_97/2015 vom 1. September 2015
E. 3.5). Diese Bestimmung verlangt überdies den wirksamen Zugang des Klägers
zum Untersuchungsverfahren.  
 
4.  
 
4.1. Die Darstellungen der beiden Seiten gehen hinsichtlich der Schwere der
Verletzung zwar auseinander. Im Rahmen der polizeilichen Intervention hat sich
der Beschwerdeführer aber unbestrittenermassen unterhalb des linken Auges
Verletzungen zugezogen, die eine medizinische Betreuung erforderlich machten.
Daher weist die Behandlung durch die Polizei das erforderliche Mindestmass an
Schwere auf, um in den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen.  
 
4.2. Zu prüfen ist somit, ob der Beschwerdeführer in vertretbarer Weise
vorgebracht hat, die Beschwerdegegner hätten ihm gegenüber mehr körperliche
Gewalt angewendet, als aufgrund seines Verhaltens unbedingt erforderlich
gewesen wäre und hätten dadurch Art. 3 EMRK verletzen können.  
 
4.2.1. Der Beschwerdeführer äussert die Vorwürfe gegen die Beschwerdegegner zum
ersten Mal in seiner Strafanzeige vom 23. März 2017 und macht geltend, dass er
beim Polizeieinsatz vom 15. Februar 2017 von den zwei Beschwerdegegnern
grundlos geschlagen worden sei. Zuerst habe der ältere Beschwerdegegner ihm von
hinten mit der Faust einen Schlag an den Hinterkopf verpasst, was eine Beule
nach sich gezogen habe. Anschliessend habe der jüngere Beschwerdegegner ihn mit
der Faust ins Gesicht geschlagen. Als der Beschwerdeführer aufgrund dieser
Hiebe in die Knie gegangen sei, sei ihm noch ein Teil des linken vorderen Zahns
ausgeschlagen worden. Als er aufgestanden sei bzw. aufgehoben worden sei, sei
ihm zudem noch ein weiterer Faustschlag von der Seite in die Rippen verpasst
worden. Um die beschriebenen Verletzungen zu dokumentieren, reichte der
Beschwerdeführer vier Fotos ein.  
 
4.2.2. Demgegenüber beschreiben die Beschwerdegegner im Festnahmerapport der
Kantonspolizei St. Gallen vom 15. Februar 2017, dem Polizeirapport vom 24.
Februar 2017 und in ihren Stellungnahmen vom 10. resp. 11. April 2017 den
Vorfall im Wesentlichen dahingehend, dass der Beschwerdeführer sich renitent
verhalten und der Durchsuchung widersetzt habe. Deshalb habe er auf den Boden
geführt und arretiert werden müssen. Dabei habe er sich unterhalb des Auges
verletzt. Der Beschwerdeführer sei nicht geschlagen worden und die polizeiliche
Gewaltanwendung habe den Rahmen der Verhältnismässigkeit nie überschritten.  
 
4.2.3. Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdegegner hätten nicht
unverhältnismässig Gewalt angewendet; sie hat folglich auch das Bestehen eines
hinreichend konkreten Anfangsverdachts verneint. Bei ihrem Entscheid lagen ihr
hauptsächlich die oben erwähnten Akten und die polizeilichen Einvernahmen des
Beschwerdeführers vom 15. und 16. Februar 2017 vor. Die Vorinstanz hat die
Aussagen der Beschwerdegegner als glaubhaft eingestuft, während die Darstellung
des Beschwerdeführers weder nachvollziehbar noch plausibel sei. So habe er die
Vorwürfe zum ersten Mal über einen Monat nach dem Vorfall erhoben, obwohl er
bereits am 17. Februar 2017 anwaltlich vertreten gewesen sei und insbesondere
an der polizeilichen Einvernahme vom 16. Februar 2017 schon Gelegenheit gehabt
habe, diese zu äussern. Das Verletzungsbild am Auge lasse sich auf die von den
Beschwerdegegnern geschilderte, zwangsweise durchgeführte Durchsuchung bzw.
Festnahme zurückführen. Die weiteren angeblichen Verletzungen durch Schläge auf
den Hinterkopf und in die Rippen seien gänzlich unbelegt. Die Beweisanträge des
Beschwerdeführers würden von vornherein keine relevanten Aufschlüsse liefern.  
 
4.2.4. Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe in der polizeilichen
Einvernahme vom 15. Februar 2017 sogleich auf seine Verletzungen hingewiesen
und um ärztliche Behandlung gebeten. Der drohenden Gefahr einer längeren
Inhaftierung durch die Anordnung von Untersuchungshaft ausgesetzt, habe er
jedoch nicht sogleich eine Anzeige gegen die Polizeibeamten erstatten wollen.
Aus dem Einvernahmeprotokoll gehe zudem hervor, dass sich der befragende
Polizist auch nicht danach erkundigt habe, wie die Verletzungen entstanden
seien. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass es trotz anwaltlicher Vertretung
einen Monat gedauert habe, bis er Anzeige erstattet habe, sei darauf
hinzuweisen, dass gemäss Art. 31 StGB für Antragsdelikte wie die vorliegend
angezeigte Körperverletzung innert drei Monaten Strafantrag zu stellen sei. Er
habe sich zuerst überlegen wollen, ob er überhaupt Anzeige einreiche, zumal die
Erfolgsaussichten bei Anzeigen gegen Polizeibeamte bekanntlich gering seien.  
 
4.2.5. Gemäss dem Einvernahmeprotokoll fragte der Polizist den Beschwerdeführer
tatsächlich nicht, wie die Verletzungen entstanden sind. Zudem erscheint
nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer die Vorwürfe nicht schon äusserte,
als ihm noch die Anordnung von Untersuchungshaft drohte und er zuerst überlegen
wollte, ob er Anzeige erstatte. Daher sind die Anschuldigungen auch nicht schon
zum Voraus unvertretbar, weil der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer diese
nicht bereits früher angebracht hat.  
Die Verletzungen, die der Beschwerdeführer durch den Polizeieinsatz vom 15.
Februar 2017 unterhalb seines linken Auges erlitt, sind unstrittig. Bezüglich
der Frage, wie er sich die festgestellten Verletzungen im Einzelnen zugezogen
hat, stehen sich die gegenteiligen Aussagen des Beschwerdeführers und der zwei
bei der Anhaltung beteiligten Beschwerdegegner gegenüber. Auf den vom
Beschwerdeführer eingereichten Fotos ist zu erkennen, dass die Lippen und die
Nase unverletzt blieben. Die Verletzungen unter dem Auge liessen sich daher mit
einem Faustschlag plausibel erklären. Bei einem Schneidezahn fehlt tatsächlich
ein kleines Stück. Angesichts des Verletzungsbildes kann demnach nicht von
vornherein sicher ausgeschlossen werden, dass sich die Sache so zugetragen hat,
wie der Beschwerdeführer behauptet. Hinsichtlich dieser Verletzungen erhebt er
die Anschuldigung, die polizeiliche Behandlung ihm gegenüber verstosse gegen 
Art. 3 EMRK, somit in vertretbarer Weise. Unabhängig davon, dass die weiteren
Schläge und Verletzungen nicht belegt sind, hat der Beschwerdeführer daher
Anspruch darauf, dass dieser Vorwurf näher untersucht wird. Hierfür hätten
insbesondere die Sanitäter der Ambulanz, die zufälligerweise am Ort des
Vorfalls eintrafen, einvernommen werden müssen, ebenso die Personen, die den
Beschwerdeführer später in der Klinik Stephanshorn behandelten. Diese und/oder
eine kundige Fachperson hätten auch dazu befragt werden können, ob die
Verletzungen des Beschwerdeführers mit der von den Beschwerdegegnern
behaupteten "Zu-Boden-Führung" vereinbar sind. Weiter hätten die Unterlagen der
Klinik über die Behandlung des Beschwerdeführers beigezogen werden müssen.
Indem die Vorinstanz lediglich auf die Aussagen der Beschwerdegegner einerseits
und des Beschwerdeführers andererseits abstellte, um die Entstehung der
Verletzungen zu beurteilen, hat eine genügende Untersuchung der Vorwürfe des
Beschwerdeführers jedoch nicht stattgefunden (vgl. zum Ganzen BGE 131 I 455 E.
1.2.6-E. 2.3 S. 463 ff.). 
 
4.2.6. Da weitere Untersuchungshandlungen unterblieben sind, haben die
kantonalen Behörden den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine wirksame und
vertiefte Untersuchung nach Art. 3 und 13 EMRK verletzt. Die Beschwerde ist in
diesem Punkt gutzuheissen.  
 
4.2.7. Zu unterstreichen ist aber, dass die Eröffnung der Untersuchung keine
Vorverurteilung der betroffenen Polizeibeamten bedeutet. Diese stehen unter dem
Schutz der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK). Es
geht vorerst einzig darum, dass die vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe
gründlich abgeklärt werden.  
 
5.  
 
5.1. In der Strafanzeige stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm sei die
unentgeltliche Rechtspflege und die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren.
Vor Bundesgericht beantragt er eine Entschädigung für das vorinstanzliche
Verfahren. Die Vorinstanz hat erwogen, das Gesuch des Anzeigers um
unentgeltliche Rechtspflege sei für das Ermächtigungsverfahren mangels
amtlicher Kosten gegenstandslos. Sodann sei das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung für das Ermächtigungsverfahren infolge Aussichtslosigkeit sowie
im Übrigen mangels sachlicher Notwendigkeit abzuweisen, da der massgebliche
Sachverhalt einfach und übersichtlich sei.  
 
5.2. Dem Beschwerdeführer wurden praxisgemäss keine Verfahrenskosten auferlegt.
Zudem entstanden ihm im Ermächtigungsverfahren keine Anwaltskosten, da dieses
Verfahren im Nachgang zu einer Strafanzeige von Amtes wegen eingeleitet und
durchgeführt wird und die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sich nicht zu
äussern brauchte. Ein Anspruch auf ein Anwaltshonorar besteht bei dieser
Sachlage nicht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.  
 
6.   
Die Beschwerde ist somit teilweise gutzuheissen, Dispositiv-Ziffer 1 des
angefochtenen Entscheids aufzuheben und die Ermächtigung zur Eröffnung eines
Strafverfahrens gegen die angezeigten Beschwerdegegner zu erteilen. Dem Kanton
St. Gallen sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Hingegen hat er dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren im
Umfang dessen teilweisen Obsiegens eine angemessene Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Da der Beschwerdeführer im
Wesentlichen obsiegt und überdies um unentgeltliche Rechtspflege ersucht hat,
rechtfertigt es sich, ihm keine Gerichtskosten aufzuerlegen. Damit erübrigt es
sich, zu prüfen, ob er seine Bedürftigkeit hinreichend ausgewiesen hat. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids
der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 31. Mai 2017 wird aufgehoben und
die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die angezeigten
Beschwerdegegner wird erteilt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton St. Gallen hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Dezember 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Schoch 

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