Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.421/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_421/2017        

Urteil vom 30. August 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stössel,

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,
Bundesrain 20, 3003 Bern.

Gegenstand
Auslieferungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. August 2017 des Bundesstrafgerichts,
Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A. 
Mit diplomatischer Note vom 16. Februar 2015, ergänzt am 15. April 2015,
ersuchte die italienische Botschaft in Bern um die Auslieferung von A.________
wegen der ihm im Haftbefehl des Gerichts von Reggio Calabria vom 12. November
2014 zur Last gelegten Beteiligung an einer kriminellen Organisation.
Gestützt auf den Auslieferungshaftbefehl des Bundesamtes für Justiz (BJ) vom
25. Januar 2016 wurde A.________ am 8. März 2016 verhaftet. Infolge
Unterzeichnung einer Kautionsvereinbarung ordnete das BJ am 11. März 2016 die
provisorische Haftentlassung an.
Am 19. Dezember 2016 bewilligte das BJ die Auslieferung unter Vorbehalt des
Entscheids des Bundesstrafgerichts über die Einrede des politischen Delikts.
Die von A.________ gegen den Entscheid des BJ erhobene Beschwerde wies das
Bundesstrafgericht am 21. Juli 2017 ab; ebenso die Einrede des politischen
Delikts. Dagegen reichte A.________ Beschwerde beim Bundesgericht ein, die
derzeit bei diesem hängig ist (Verfahren 1C_406/2017).

B. 
Zur Sicherstellung eines allfälligen Auslieferungsvollzugs erliess das BJ am
25. Juli 2017 gegen A.________ einen Auslieferungshaftbefehl. Am 28. Juli 2017
wurde er festgenommen und in Auslieferungshaft versetzt.
Die von A.________ gegen den Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 erhobene
Beschwerde wies das Bundesstrafgericht (Beschwerdekammer) am 9. August 2017 ab
(Dispositiv-Ziffer 5). Es auferlegte A.________ die Gerichtsgebühr
(Dispositiv-Ziffer 6).

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, die Dispositiv-Ziffern 5 und 6 des Entscheids des Bundesstrafgerichts
vom 9. August 2017 aufzuheben, sowie weiteren Anträgen.

Erwägungen:

1. 
Ein Schriftenwechsel gemäss Art. 102 Abs. 1 BGG ist im vorliegenden Verfahren
1C_421/2017 nicht erforderlich. Der prozessuale Antrag 5 ist abzuweisen. Der
bundesgerichtliche Instruktionsrichter erliess keine prozessleitenden
Verfügungen. Die prozessualen Anträge 6 und 7 sind demnach hinfällig. Das
Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten und jene aus dem Verfahren 1C_406/
2017 beigezogen. Dem prozessualen Antrag 8 ist damit entsprochen.

2.

2.1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er
unter anderem eine Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders
bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt
insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare
Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere
Mängel aufweist (Abs. 2).
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Ein besonders
bedeutender Fall ist mit Zurückhaltung anzunehmen (BGE 139 II 340 E. 4 S. 342;
136 IV 139 E. 2.4 S. 144; 134 IV 156 E. 1.3.1 S. 160).
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

2.2. Gemäss Art. 93 Abs. 2 BGG sind auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten
bleiben Beschwerden gegen Entscheide unter anderem über die Auslieferungshaft,
sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind, was insoweit zutrifft (
BGE 136 IV 20 E. 1.1 S. 22).
Auch ein Entscheid über die Auslieferungshaft ist jedoch nur anfechtbar, wenn
insoweit ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG gegeben ist (BGE 136
IV 20 E. 1.2 S. 22 mit Hinweisen).

2.3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann hier kein derartiger Fall
angenommen werden.

2.3.1. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und macht
geltend, das BJ habe den Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 mangelhaft
begründet.
Es ist einzuräumen, dass der Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 kaum
eine hinreichende Begründung enthält. Zu einer genügenden Begründung des
Auslieferungshaftbefehls war das BJ jedoch verpflichtet (Art. 29 Abs. 2 und
Art. 31 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK; BGE 111 Ib 147 E. 3 S. 149; MARC
FORSTER, in: Internationales Strafrecht, Basler Kommentar, 2015, N. 1 zu Art.
47 IRSG). Nur wenn der Auslieferungshaftbefehl eine derartige Begründung
enthält, kann der Inhaftierte sein Beschwerderecht gemäss Art. 48 Abs. 2 IRSG
wirksam wahrnehmen. Ob das BJ den Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör verletzt hat, braucht jedoch nicht abschliessend beurteilt zu
werden.
Das BJ hat sich in der Beschwerdeantwort vom 4. August 2017 an die Vorinstanz
einlässlich zu den sich im Zusammenhang mit der Auslieferungshaft stellenden
Fragen geäussert. Dazu konnte der Beschwerdeführer mit Replik vom 7. August
2017 Stellung nehmen. Der Vorinstanz stand gemäss Art. 48 Abs. 2 Satz 2 IRSG
i.V.m. Art. 393 Abs. 2 StPO volle Kognition zu (FORSTER, a.a.O., N. 7 zu Art.
48 IRSG). Hätte das BJ den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör
verletzt, wäre dieser Mangel deshalb im vorinstanzlichen Verfahren geheilt
worden. Eine Heilung ist insoweit möglich (ROBERT ZIMMERMANN, La coopération
judiciaire internationale en matière pénale, 4. Aufl. 2014, S. 477; vgl. BGE
124 II 132 E. 2d S. 138/139; 117 Ib 64 E. 4 S. 87). Eine besonders schwer
wiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs, die eine Heilung ausschliesst (BGE
137 I 195 E. 2.3.2 S. 197), hätte hier nicht angenommen werden können. Der
Beschwerdeführer wurde am 11. März 2016 gegen Leistung einer Kaution und unter
Auflage einer Schriften- und Ausreisesperre sowie einer Meldepflicht aus der
Auslieferungshaft entlassen. Damit ging es um die Bannung der Fluchtgefahr
(vgl. Art. 50 Abs. 4 IRSG i.V.m. Art. 238 Abs. 1 StPO). Im
Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 (S. 1) führte das BJ unter der
Überschrift "Osservazioni" aus, er ergehe nach dem bundesstrafgerichtlichen
Entscheid vom 21. Juli 2017 und diene dazu, die Auslieferung nach Italien zu
gewährleisten. Der Beschwerdeführer wusste demnach, dass es um Fluchtgefahr
ging und aus der dargelegten Bemerkung im Auslieferungshaftbefehl musste er
ohne Weiteres schliessen, dass das BJ nunmehr, nach dem die Auslieferung
bestätigenden Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 21. Juli 2017, die
Fluchtgefahr als so hoch einstufte, dass diese mit den erwähnten
Ersatzmassnahmen nicht mehr hinreichend gebannt werden konnte. Wie die
Beschwerde vom 28. Juli 2017 an die Vorinstanz zeigt, wusste der
Beschwerdeführer denn auch, worum es ging. Er legte insbesondere dar, weshalb
Ersatzmassnahmen seiner Ansicht nach zur Beseitigung von Fluchtgefahr nach wie
vor ausreichten (S. 6 ff.).
Wäre eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör demnach geheilt
worden, kann insoweit im Lichte der dargelegten restriktiven Rechtsprechung
(oben E. 2.1) kein besonders bedeutender Fall angenommen werden.

2.3.2. Was die Frage der Auslieferungshaft selber betrifft, lässt der
angefochtene Entscheid keine Bundesrechtsverletzung erkennen. Auf die darin
enthaltenen Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Zu Recht
trägt die Vorinstanz dem Umstand Rechnung, dass sich mit der Abweisung der
gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gerichteten Beschwerde am 21. Juli 2017
für den Beschwerdeführer die Möglichkeit der Auslieferung nach Italien
gegenüber dem Beginn des Auslieferungsverfahrens konkretisiert hat. Daraus
durfte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung auf eine Erhöhung der
Fluchtgefahr schliessen, welche unter den gegebenen Umständen die erneute
Versetzung in Auslieferungshaft rechtfertigte. Die Möglichkeit einer derartigen
erneuten Inhaftierung sieht Art. 51 Abs. 2 IRSG ausdrücklich vor. Rechtsfragen
von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.

2.4. Für das Bundesgericht besteht deshalb kein Anlass, die vorliegende
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an die Hand zu nehmen.
Hervorzuheben ist, dass es hier einzig darum ging, ob ein besonders bedeutender
Fall im Zusammenhang mit der Auslieferungshaft gegeben sei. Die Frage, ob im
Verfahren 1C_406/2017, wo es um die Auslieferung als solche geht, ein
derartiger Fall zu bejahen sei, wird mit dem vorliegenden Urteil nicht
präjudiziert.

2.5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig.
Auf die vom Beschwerdeführer für diesen Fall erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde kann ebenso wenig eingetreten werden. Diese kann gemäss
Art. 113 BGG nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen erhoben werden.
Beim Bundesstrafgericht handelt es sich um keine kantonale Instanz.

3. 
Der Beschwerdeführer ersucht darum, auf die Erhebung eines
Gerichtskostenvorschusses zu verzichten. Dies kann als Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gemäss Art. 64 BGG ausgelegt werden. Der Beschwerdeführer
begründet und belegt seine Mittellosigkeit jedoch nicht. Dazu wäre er umso mehr
gehalten gewesen, als er zur Leistung einer Kaution von Fr. 20'000.-- in der
Lage war. Die unentgeltliche Rechtspflege kann deshalb nicht bewilligt werden.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art.
66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich
Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 30. August 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Härri

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