Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.416/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_416/2017        

Urteil vom 30. August 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Diego Reto Gfeller,

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung,
Bundesrain 20, 3003 Bern.

Gegenstand
Auslieferungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. August 2017 des Bundesstrafgerichts,
Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A. 
Mit diplomatischer Note vom 16. März 2015, ergänzt am 14. Mai 2015, ersuchte
die italienische Botschaft in Bern um die Auslieferung von A.________ wegen der
ihm im Haftbefehl des Gerichts von Reggio Calabria vom 12. November 2014 zur
Last gelegten Beteiligung an einer kriminellen Organisation.
Gestützt auf den Auslieferungshaftbefehl des Bundesamtes für Justiz (BJ) vom
25. Januar 2016 wurde A.________ am 8. März 2016 verhaftet. Infolge
Unterzeichnung einer Kautionsvereinbarung ordnete das BJ am 14. März 2016 die
provisorische Haftentlassung an.
Am 23. November 2016 bewilligte das BJ die Auslieferung. Die von A.________
dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht am 21. Juli 2017 ab.
Hiergegen reichte A.________ Beschwerde beim Bundesgericht ein, die derzeit bei
diesem hängig ist (Verfahren 1C_408/2017).

B. 
Zur Sicherstellung eines allfälligen Auslieferungsvollzugs erliess das BJ am
25. Juli 2017 gegen A.________ einen Auslieferungshaftbefehl. Am 28. Juli 2017
wurde er festgenommen und in Auslieferungshaft versetzt.
Die von A.________ gegen den Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 erhobene
Beschwerde wies das Bundesstrafgericht (Beschwerdekammer) am 11. August 2017
ab.

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, den Entscheid des Bundesstrafgerichts vom 11. August 2017 aufzuheben;
er sei (eventuell unter Anordnung von Ersatzmassnahmen) aus der
Auslieferungshaft zu entlassen. Eventualiter sei der Entscheid des
Bundesstrafgerichts vom 11. August 2017 aufzuheben und die Sache zwecks
Gewährung des rechtlichen Gehörs an dieses zurückzuweisen.

D. 
Im vorliegenden Verfahren 1C_416/2017 wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der
internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er
unter anderem eine Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders
bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt
insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare
Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere
Mängel aufweist (Abs. 2).
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im
Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Ein besonders
bedeutender Fall ist mit Zurückhaltung anzunehmen (BGE 139 II 340 E. 4 S. 342;
136 IV 139 E. 2.4 S. 144; 134 IV 156 E. 1.3.1 S. 160).
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über
Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall
vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder
teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).

1.2. Gemäss Art. 93 Abs. 2 BGG sind auf dem Gebiet der internationalen
Rechtshilfe in Strafsachen Zwischenentscheide nicht anfechtbar. Vorbehalten
bleiben Beschwerden gegen Entscheide unter anderem über die Auslieferungshaft,
sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind, was insoweit zutrifft (
BGE 136 IV 20 E. 1.1 S. 22).
Auch ein Entscheid über die Auslieferungshaft ist jedoch nur anfechtbar, wenn
insoweit ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG gegeben ist (BGE 136
IV 20 E. 1.2 S. 22 mit Hinweisen).

1.3. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann hier kein derartiger Fall
angenommen werden.

1.3.1. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, da das
BJ den Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 ungenügend begründet und ihn
nicht noch einmal persönlich befragt habe.
Es ist einzuräumen, dass der Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 kaum
eine hinreichende Begründung enthält. Zu einer genügenden Begründung des
Auslieferungshaftbefehls war das BJ jedoch verpflichtet (Art. 29 Abs. 2 und
Art. 31 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK; BGE 111 Ib 147 E. 3 S. 149; MARC
FORSTER, in: Internationales Strafrecht, Basler Kommentar, 2015, N. 1 zu Art.
47 IRSG). Nur wenn der Auslieferungshaftbefehl eine derartige Begründung
enthält, kann der Inhaftierte sein Beschwerderecht gemäss Art. 48 Abs. 2 IRSG
wirksam wahrnehmen. Ob das BJ den Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör verletzt hat, braucht jedoch nicht abschliessend beurteilt zu
werden.
Das BJ hat sich in der Beschwerdeantwort vom 4. August 2017 an die Vorinstanz
einlässlich zu den sich im Zusammenhang mit der Auslieferungshaft stellenden
Fragen geäussert. Dazu konnte der Beschwerdeführer mit Replik vom 7. August
2017 Stellung nehmen. Der Vorinstanz stand gemäss Art. 48 Abs. 2 Satz 2 IRSG
i.V.m. Art. 393 Abs. 2 StPO volle Kognition zu (FORSTER, a.a.O., N. 7 zu Art.
48 IRSG). Hätte das BJ den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör
verletzt, wäre dieser Mangel deshalb im vorinstanzlichen Verfahren geheilt
worden. Eine Heilung ist insoweit möglich (ROBERT ZIMMERMANN, La coopération
judiciaire internationale en matière pénale, 4. Aufl. 2014, S. 477; vgl. BGE
124 II 132 E. 2d S. 138/139; 117 Ib 64 E. 4 S. 87). Eine besonders schwer
wiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs, die eine Heilung ausschliesst (BGE
137 I 195 E. 2.3.2 S. 197), hätte hier nicht angenommen werden können. Der
Beschwerdeführer wurde am 14. März 2016 gegen Leistung einer Kaution und unter
Auflage einer Schriftensperre aus der Auslieferungshaft entlassen. Damit ging
es um die Bannung der Fluchtgefahr (vgl. Art. 50 Abs. 4 IRSG i.V.m. Art. 238
Abs. 1 StPO). Im Auslieferungshaftbefehl vom 25. Juli 2017 (S. 1) führte das BJ
unter der Überschrift "Osservazioni" aus, er ergehe nach dem
bundesstrafgerichtlichen Entscheid vom 21. Juli 2017 und diene dazu, die
Auslieferung nach Italien zu gewährleisten. Der Beschwerdeführer wusste
demnach, dass es um Fluchtgefahr ging und aus der dargelegten Bemerkung im
Auslieferungshaftbefehl musste er ohne Weiteres schliessen, dass das BJ
nunmehr, nach dem die Auslieferung bestätigenden Entscheid des
Bundesstrafgerichts vom 21. Juli 2017, die Fluchtgefahr als so hoch einstufte,
dass diese mit den erwähnten Ersatzmassnahmen nicht mehr hinreichend gebannt
werden konnte. Wie die Beschwerde vom 31. Juli 2017 an die Vorinstanz zeigt,
wusste der Beschwerdeführer denn auch, worum es ging. Er legte insbesondere
dar, weshalb Ersatzmassnahmen seiner Ansicht nach zur Beseitigung von
Fluchtgefahr nach wie vor ausreichten (S. 6 f. N. 21 ff.).
Wäre eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör demnach geheilt
worden, kann insoweit im Lichte der dargelegten restriktiven Rechtsprechung
(oben E. 1.1) kein besonders bedeutender Fall angenommen werden.

1.3.2. Was die Frage der Auslieferungshaft selber betrifft, lässt der
angefochtene Entscheid keine Bundesrechtsverletzung erkennen. Auf die darin
enthaltenen Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Zu Recht
trägt die Vorinstanz dem Umstand Rechnung, dass sich mit der Abweisung der
gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gerichteten Beschwerde am 21. Juli 2017
für den Beschwerdeführer die Möglichkeit der Auslieferung nach Italien
gegenüber dem Beginn des Auslieferungsverfahrens konkretisiert hat. Daraus
durfte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung auf eine Erhöhung der
Fluchtgefahr schliessen, welche unter den gegebenen Umständen die erneute
Versetzung in Auslieferungshaft rechtfertigte. Die Möglichkeit einer derartigen
erneuten Inhaftierung sieht Art. 51 Abs. 2 IRSG ausdrücklich vor. Rechtsfragen
von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht.

1.4. Für das Bundesgericht besteht deshalb kein Anlass, die vorliegende
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an die Hand zu nehmen.
Hervorzuheben ist, dass es hier einzig darum ging, ob ein besonders bedeutender
Fall im Zusammenhang mit der Auslieferungshaft gegeben sei. Die Frage, ob im
Verfahren 1C_408/2017, wo es um die Auslieferung als solche geht, ein
derartiger Fall zu bejahen sei, wird mit dem vorliegenden Urteil nicht
präjudiziert.

1.5. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unzulässig.
Auf die vom Beschwerdeführer für diesen Fall erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde kann ebenso wenig eingetreten werden. Diese kann gemäss
Art. 113 BGG nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen erhoben werden.
Beim Bundesstrafgericht handelt es sich um keine kantonale Instanz.

2. 
Der Beschwerdeführer ersucht darum, auf die Erhebung eines
Gerichtskostenvorschusses zu verzichten. Dies kann als Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gemäss Art. 64 BGG ausgelegt werden. Der Beschwerdeführer
begründet seine Mittellosigkeit jedoch nicht. Aus den von ihm eingereichten
Beschwerdebeilagen ergibt sich diese nicht. Die Mittellosigkeit kann umso
weniger angenommen werden, als der Beschwerdeführer zur Leistung einer Kaution
von Fr. 20'000.-- in der Lage war und vor Vorinstanz deren Verdoppelung
vorschlug (Beschwerde vom 31. Juli 2017 S. 3 N. 5 und S. 6 N. 23). Die
unentgeltliche Rechtspflege kann deshalb nicht bewilligt werden. Der
Beschwerdeführer trägt die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich
Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 30. August 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Härri

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