Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.356/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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1C_356/2017            

 
 
 
Urteil vom 8. November 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Chaix, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. B.________, 
2. Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Ermächtigungsverfahren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 12.
April 2017 (AK.2017.84-AK AK.2017.85-AK (ST.2016.13558)). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ war Stiftungsrat der BVG-Sammelstiftung C.________ (seit dem 4.
September 2014: C.________ Vorsorgestiftung in Liquidation). Seine Amtsführung
bot Anlass zu aufsichts- und strafrechtlichen Verfahren: Er wurde am 21. März
2012 des mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage
schuldig gesprochen, am 27. Juni 2012 von seinem Amt als Stiftungsrat
suspendiert, am 19. September 2012 definitiv in seinem Amt eingestellt und am
10. Juli 2014 wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung, mehrfacher
Urkundenfälschung, etc. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. 
Am 16. April 2016 erstattete A.________ u.a. Strafanzeige gegen den als
Liquidator eingesetzten B.________ und die Ostschweizer BVG- und
Stiftungsaufsicht. Am 10. August 2016 erteilte die Anklagekammer des Kantons
St. Gallen die Ermächtigung zur Durchführung dieser Strafverfahren nicht. 
Am 9. März 2017 erstattete A.________ erneut Strafanzeige gegen B.________ und
die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht. Der erste soll Provisionen und
Verkaufsabsprachen zu Lasten der Versicherten der C.________ Vorsorgestiftung
in Liquidation getätigt haben, die zweite soll dafür gesorgt haben, dass
"Kunden" bei der Vorsorgestiftung geblieben und dadurch im Umfang von 20 Mio
Franken zu Verlust gekommen seien. 
Am 12. April 2017 erteilte die Anklagekammer keine Ermächtigung zur Eröffnung
von Strafverfahren. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 30. Juni 2017 beantragt A.________, diesen Entscheid der
Anklagekammer aufzuheben und sie anzuweisen, die Ermächtigung zu erteilen. Es
sei richtigzustellen, dass B.________ kein Beamter sei und seine
strafrechtliche Verfolgung daher keiner Ermächtigung bedürfe; die
Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, das Strafverfahren gegen ihn einzuleiten.
Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
C.  
Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen und verzichtet auf
Vernehmlassung. Die Anklagekammer verzichtet auf Vernehmlassung unter Verweis
auf den angefochtenen Entscheid. Die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht
verzichtet auf Vernehmlassung. B.________ beantragt, auf die Beschwerde nicht
einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. 
 
D.  
In seiner Stellungnahme hält A.________ an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 17 Abs. 2 lit. b des St. Galler Einführungsgesetzes zur
Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung vom 3. August 2010
entscheidet die Anklagekammer über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer
Strafuntersuchung gegen Behördemitglieder oder Mitarbeitende des Kantons oder
der Gemeinden wegen strafbarer Handlungen, die deren Amtsführung betreffen. Mit
dem angefochtenen Entscheid hat es die Anklagekammer abgelehnt, die
Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung der Beschwerdegegner wegen bestimmter
Delikte zu ermächtigen. Damit fehlt es in Bezug auf diese Delikte an einer
Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das
Verfahren insoweit abgeschlossen ist. Angefochten ist damit ein Endentscheid (
Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG),
gegen den nach der Rechtsprechung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1).  
 
1.2. Zur Beschwerde befugt ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG, wer am vorinstanzlichen
Verfahren als Partei teilgenommen hat, vom angefochtenen Entscheid besonders
berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat. Es ist
Sache des Beschwerdeführers, seine Beschwerdebefugnis darzulegen, soweit sie
nicht offensichtlich gegeben ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 138 III 46 E. 1.2 S.
47; zum Ganzen: BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3).  
 
1.2.1. Der Beschwerdeführer macht dazu geltend, er habe am vorinstanzlichen
Verfahren teilgenommen und sei mit seiner Strafanzeige nicht durchgedrungen. Er
sei daher direkt betroffen und habe ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Beschwerdeführung.  
 
1.2.2. Der Beschwerdeführer ist als Stiftungsrat ausgeschieden und legt nicht
dar, dass er mit der C.________ Vorsorgestiftung in Liquidation noch in
irgendeiner Weise rechtlich verbunden wäre. Die von ihm angezeigten Straftaten
richten sich gegen öffentliche Interessen und gegen das Privatinteresse der
angeblich zu Schaden gekommenen C.________ Vorsorgestiftung in Liquidation,
allenfalls indirekt auch noch gegen deren "Kunden". Es ist damit nicht
ersichtlich, dass er als Aussenstehender von der Weigerung der Anklagekammer,
die Ermächtigung zur Durchführung des Strafverfahrens zu erteilen, in
irgendeiner Weise stärker betroffen wäre als jeder andere Dritte. In seiner
Stellungnahme vom 31. Oktober 2017 begründet der Beschwerdeführer seine
Legitimation zusätzlich damit, dass ihm B.________ "in Bezug auf die
Liquidation der C.________ Vorsorgestiftung und der Verantwortlichkeit als
Stiftungsrat" einen Zahlungsbefehl über 5 Mio Franken und der Kanton Tessin
einen solchen über 15 Mio Franken zugestellt hätten. Diese Ausführungen gingen
indessen nach Ablauf der Beschwerdeschrift ein und sind damit nicht geeignet,
die Legitimation des Beschwerdeführers zu begründen. Es wäre im Übrigen auch
nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dem Umstand, dass gegen den
Beschwerdeführer wegen seiner früheren Tätigkeit als Stiftungsrat Forderungen
gestellt werden, ein schützenswertes Interesse an der Verfolgung der von ihm
angezeigten Straftaten ableiten liesse. Auch wenn Art. 89 Abs. 1 BGG kein
rechtlich geschütztes Interesse voraussetzt, so muss doch eine gewisse
Beziehungsnähe des Beschwerdeführers zu den angeblichen Straftaten bestehen;
die Bestimmung ermöglicht keine Popularbeschwerde.  
 
1.3. Auf die Beschwerde ist damit im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten,
weil der Beschwerdeführer unter Verletzung seiner gesetzlichen
Begründungspflicht nicht darlegt, inwiefern er zu Beschwerde befugt sein soll
und das auch nicht offensichtlich der Fall ist.  
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (
Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (
Art. 64 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. November 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi 

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