Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.221/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 

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1C_221/2017, 1C_223/2017          

 
 
 
Urteil vom 18. April 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio, Chaix und Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1C_221/2017 
Hubert Klopfenstein, 
Beschwerdeführer, 
 
und 
 
1C_223/2017 
1. Junge SVP des Kantons Bern, handelnd durch Nils Fiechter und Adrian Spahr, 
2. Thomas Fuchs, 
3. Erich Hess, 
4. Janosch Weyermann, 
5. Roland und Milagros Burkhard, 
6. Monika Kammermann, 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Freudiger. 
 
gegen 
 
Regierungsrat des Kantons Bern, Staatskanzlei, Postgasse 68, 3000 Bern 8,
vertreten durch die Finanzdirektion des Kantons Bern, Münsterplatz 12, 3011
Bern. 
 
Gegenstand 
Ungültigerklärung der kantonalen Volksinitiative "Keine Steuergelder für die
Berner Reithalle", 
 
Beschwerden gegen den Beschluss des Grossen Rats des Kantons Bern vom 21. März
2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Im März 2016 wurde bei der Staatskanzlei des Kantons Bern die kantonale
Volksinitiative "Keine Steuergelder für die Berner Reithalle!" mit folgendem
Begehren eingereicht: 
 
"Die nachfolgend unterzeichnenden Stimmberechtigten des Kantons Bern verlangen
hiermit, gestützt auf Artikel 58 der bernischen Kantonsverfassung und Artikel
140 ff. des kantonalen Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Juni 2012,
das Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG) vom 27. November 2000
zu ändern: 
 
Art. 10 
Abs. 5 Eine Gemeinde erhält den Zuschuss nur noch zur Hälfte ausbezahlt,
solange auf ihrem Gebiet eine oder mehrere Anlagen oder Einrichtungen gemäss
Anhang III des Gesetzes bestehen, von denen notorisch konkrete Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, deren Abwehr nur unter Einsatz
beträchtlicher Ressourcen vollumfänglich gewährleistet werden kann. 
 
Art. 14 
Abs. 2 Die Berücksichtigung der Zentrumslasten bei der Berechnung des
Finanzausgleichs nach diesem Artikel unterbleibt für die jeweilige Gemeinde,
solange auf deren Gebiet eine oder mehrere Anlagen oder Einrichtungen gemäss
Anhang III des Gesetzes bestehen. 
 
Art. 35b 
Abs. 1 Die pauschale Abgeltung an die Gemeinden Bern, Biel oder Thun gemäss
Art. 15 des Gesetzes wird um drei Viertel gekürzt, solange auf dem Gebiet der
jeweiligen Gemeinde eine oder mehrere Anlagen oder Einrichtungen gemäss Anhang
III des Gesetzes bestehen. 
 
Abs. 2 Der Zuschuss an eine Gemeinde mit soziodemographischen Lasten gemäss
Art. 21a des Gesetzes wird um drei Viertel gekürzt, solange auf dem Gebiet der
jeweiligen Gemeinde eine oder mehrere Anlagen oder Einrichtungen gemäss Anhang
III des Gesetzes bestehen. 
 
Art. 45 
Abs. 4 Die Sonderfallregelung gemäss diesem Artikel findet keine Anwendung,
soweit die Mehrbelastung einer Gemeinde durch die Anwendung von Bestimmungen
bedingt ist, die an das Vorhandensein von einer oder mehreren Anlagen oder
Einrichtungen gemäss Anhang III dieses Gesetzes anknüpfen. 
 
Anhang III 
Anlagen oder Einrichtungen, von denen notorisch konkrete Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, deren Abwehr nur unter Einsatz
beträchtlicher Ressourcen vollumfänglich gewährleistet werden kann: 1. In der
Stadt Bern: Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 10 Abs. 5, Art. 14
Abs. 2, Art. 35b und Art. 45 Abs. 4 des Gesetzes auf dem Grundstück Bern Gbbl.
1226, Kreis II («Reitschule»), bestehende Nutzung bzw. allfällige nachfolgende
vergleichbare Nutzungen." 
 
B.  
Am 6. April 2016 stellte der Regierungsrat des Kantons Bern fest, dass die
Initiative mit 17'535 gültigen Stimmen formell zustande gekommen ist. Mit
Vortrag vom 14. Dezember 2016 beantragte der Regierungsrat dem Grossen Rat des
Kantons Bern, die Volksinitiative für ungültig zu erklären. Der Regierungsrat
nahm im Vortrag Bezug auf ein von der Finanzdirektion des Kantons Bern in
Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Professor Giovanni Biaggini (nachfolgend:
Gutachten Biaggini). Die Finanzkommission des Grossen Rates schloss sich dem
Antrag auf Ungültigerklärung der Initiative an. Im Gegensatz zum Gutachten
Biaggini, dem Regierungsrat sowie der Finanzkommission kam Professor Etienne
Grisel in einem vom Initiativkomitee sowie der Vereinigung "Pro Libertate" in
Auftrag gegebenen Rechtsgutachten (nachfolgend: Gutachten Grisel) zum Schluss,
die Volksinitiative sei für gültig zu erklären. Mit Beschluss vom 21. März 2017
(Ziffer 3) erklärte der Grosse Rat die Volksinitiative "Keine Steuergelder für
die Berner Reithalle!" für ungültig. Der Beschluss wurde am 12. April 2017 im
kantonalen Amtsblatt publiziert. 
 
C.  
Gegen den Beschluss des Grossen Rates vom 21. März 2017 wurden am 20. April
2017 zwei Beschwerden ans Bundesgericht erhoben, nämlich von Hubert
Klopfenstein (Verfahren 1C_221/2017) sowie von der Jungen SVP des Kantons Bern
gemeinsam mit Thomas Fuchs, Erich Hess, Janosch Weyermann, Roland und Milagros
Burkhard sowie Monika Kammermann (Verfahren 1C_223/2017). Die Beschwerdeführer
beantragen in beiden Verfahren übereinstimmend, Ziffer 3 des Beschlusses des
Grossen Rats vom 21. März 2017 sei aufzuheben und die Volksinitiative "Keine
Steuergelder für die Berner Reithalle!" für gültig zu erklären. Eventualiter
sei Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurückzuweisen. Im
Verfahren 1C_223/2017 beantragen die Beschwerdeführer subeventualiter, Ziffer 3
des angefochtenen Beschlusses sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung
im Sinne der Erwägungen an den Grossen Rat zurückzuweisen. 
 
D.  
Die Finanzdirektion vertritt den Kanton Bern im Verfahren vor Bundesgericht und
beantragt die Abweisung der Beschwerden. Mit Eingaben vom 8. August 2017 bzw.
vom 11. August 2017 haben die Beschwerdeführer in den Verfahren 1C_221/2017 und
1C_223/2017 je an ihrer Beschwerde festgehalten. 
 
E.  
Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat die Angelegenheit am 18. April 2018
in öffentlicher Sitzung beraten und entschieden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerden in den Verfahren 1C_221/2017 und 1C_223/2017 richten sich beide
gegen den Beschluss des Grossen Rates vom 21. März 2017 betreffend die
Ungültigerklärung der kantonalen Volksinitiative "Keine Steuergelder für die
Berner Reithalle!". Es rechtfertigt sich, die beiden Verfahren zu vereinigen. 
 
2.  
 
2.1. Die Finanzdirektion beantragt, die Stadt Bern sei in geeigneter Form in
das Verfahren einzubeziehen, zumindest sei ihr Gelegenheit einzuräumen, eine
Beschwerdevernehmlassung einzureichen. Die Stadt Bern war am vorinstanzlichen
Verfahren nicht beteiligt und hat selber keinen Antrag auf Teilnahme am
bundesgerichtlichen Verfahren gestellt. Auf einen Einbezug der Stadt Bern in
das Verfahren kann unter diesen Umständen verzichtet werden.  
 
2.2. Die Beschwerdeführer im Verfahren 1C_223/2017 beantragen eine mündliche
Parteiverhandlung. Vor Bundesgericht findet eine mündliche Parteiverhandlung
nur ausnahmsweise statt (Art. 57 BGG). Auch wenn das Bundesgericht vorliegend
als erste Rechtsmittelinstanz entscheidet (vgl. E. 3 hiernach), ist nicht
erkennbar, weshalb die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung geboten
wäre. Die Sache kann aufgrund der Akten entschieden werden.  
 
3.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Form der
Beschwerde in Stimmrechtssachen gemäss Art. 82 lit. c BGG kann die Verletzung
von politischen Rechten geltend gemacht werden. Art. 34 Abs. 1 BV gewährleistet
in allgemeiner Weise die politischen Rechte auf Ebene des Bundes, der Kantone
und der Gemeinden (BGE 140 I 58 E. 3.1 S. 60 mit Hinweisen). Die Bestimmung
schützt damit auch das Initiativrecht in kantonalen Angelegenheiten. Gegen den
angefochtenen Beschluss des Grossen Rates steht kein Rechtsmittel an eine
kantonale Instanz offen (vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. a des kantonalen Gesetzes
über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Mai 1989 [VRPG; BSG 155.21] sowie Art.
162 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Juni 2012
[PRG; BSG 141.1]). Er ist somit kantonal letztinstanzlich und kann gemäss Art.
88 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 BGG direkt beim Bundesgericht angefochten
werden. Als im Kanton stimm- und wahlberechtigte Personen bzw. im Kanton tätige
politische Partei (vgl. BGE 139 I 195 E. 1.4 S. 201) sind die Beschwerdeführer
nach Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerden einzutreten. 
 
4.  
Bei der Beschwerde in Stimmrechtssachen prüft das Bundesgericht nicht nur die
Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch
diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und
Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. In
ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten
kantonalen Behörde vertretenen Auffassung an; als oberste kantonale Organe
anerkennt es Volk und Parlament. Die Anwendung anderer kantonaler Vorschriften
und die Feststellung des Sachverhalts prüft das Bundesgericht nur unter dem
Gesichtswinkel des Willkürverbots (BGE 139 I 292 E. 5.2 S. 294 f. mit
Hinweisen). 
 
5.  
Die Beschwerdeführer im Verfahren 1C_223/2017 rügen, dem angefochtenen
Beschluss liege eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung im
Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG zugrunde. Sinngemäss rügt auch der
Beschwerdeführer im Verfahren 1C_221/2017 eine unvollständige
Sachverhaltsfeststellung. 
 
5.1. Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung erblicken die
Beschwerdeführer darin, dass der Regierungsrat im Vortrag an den Grossen Rat
die mit der faktischen Nutzung der Reitschule verbundene Sicherheitsproblematik
bewusst ausgeklammert habe. Sie nehmen Bezug auf verschiedene Polizeiberichte
und polizeiliche Medienmitteilungen, parlamentarische Interventionen auf
Gemeindeebene sowie Zeitungsartikel und bringen vor, die Reitschule schaffe
regelmässig bzw. wiederkehrend Anlass zu erheblichen Gefährdungen, wüsten
Auseinandersetzungen, Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und
Sachschäden. Im Umfeld der Reitschule bestünden konkrete Gefahren für
individuelle Rechtsgüter und damit zusammenhängend für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung. Die bestehenden Missstände seien Ergebnis einer
bewussten Tolerierung bzw. gar Förderung normwidriger Verhaltensweisen, deren
Eindämmung bzw. Abwehr seitens der Reitschule möglich wäre. Die geschilderten
Gefahren seien dem Reitschulbetrieb zurechenbar. Die Gefahrenlage sei kantonal
einmalig. Trotz der konkreten Gefährdungslage werde der Reitschulbetrieb von
der Stadt Bern toleriert, würden Massnahmen zur Verbesserung der Lage von der
Stadt nicht ergriffen bzw. komme die Stadt ihren verbindlich zugewiesenen
Aufgaben insbesondere in polizeilicher Hinsicht nicht nach.  
 
5.2. Die von den Beschwerdeführern angesprochenen Sicherheitsprobleme im Umfeld
des Kulturbetriebs Reitschule in der Stadt Bern sind nicht zu verharmlosen.
Dass sich die Sicherheitssituation problematisch präsentiert, ist ausgewiesen
und wird vom Regierungsrat anerkannt. Es ist davon auszugehen, dass sich auch
die Mitglieder des Grossen Rats der erwähnten Probleme bewusst sind.  
Soweit die Beschwerdeführer die Sicherheitssituation überhaupt anders
darstellen und einschätzen als die kantonalen Behörden, ist allerdings
festzuhalten, dass Art und Ausmass der tatsächlich bestehenden
Sicherheitsprobleme keinen Einfluss auf die Beurteilung der Vereinbarkeit der
Intitiative mit übergeordnetem Recht (vgl. E. 7 hiernach) und den Ausgang des
vorliegenden Verfahrens haben können. Wie nachfolgend aufzuzeigen ist, knüpfen
die von der Initiative neu vorgesehenen Kürzungen von Leistungen aus dem
Finanzausgleich nicht an den Gefahren an, die von Anlagen oder Einrichtungen
tatsächlich ausgehen (vgl. E. 7.3.3 hiernach). 
Weil das Ausmass der tatsächlich bestehenden Sicherheitsprobleme keinen
Einfluss auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens haben kann, dringen die
Beschwerdeführer mit der Rüge, die Vorinstanz habe den entscheidwesentlichen
Sachverhalt insoweit im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG offensichtlich unrichtig
festgestellt, nicht durch. 
 
6.  
Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Beschluss sei
formell rechtsfehlerhaft zustandegekommen. Das Vorgehen der Behörden laufe auf
eine Verletzung von Art. 34 BV bzw. von Art. 29 BV i.V.m. Art. 34 BV und Art.
59 Abs. 2 KV/BE hinaus. 
 
6.1. Die Beschwerdeführer im Verfahren 1C_223/2017 begründen ihre Rüge damit,
dass der Regierungsrat sich für seinen Vortrag an den Grossen Rat trotz offener
Fragen der im Gutachten Biaggini vertretenen Auffassung angeschlossen und es
unterlassen habe, von sich aus ein Zweitgutachten einzuholen, obwohl das
Gutachten Biaggini sachverhaltlich offensichtlich unvollständig sei und das
Recht streitbar bzw. initiativfeindlich auslege. Die vorberatende
Finanzkommission ihrerseits habe ebenfalls auf die Einholung eines
Zweitgutachtens verzichtet und - nachdem die Initianten bzw. die Vereinigung
"Pro Libertate" von sich aus das Gutachten Grisel eingeholt hätten - trotz
offener Fragen und ohne vertiefte Auseinandersetzung mit den gegenläufigen
Argumenten mehrheitlich vorbehaltlos den Antrag der Regierung unterstützt. Der
beschlussfassende Grosse Rat schliesslich habe es trotz der offenen Fragen und
des ungenügend erhobenen Sachverhalts abgelehnt, das Geschäft an den
Regierungsrat zurückzuweisen, und sich mehrheitlich dem Antrag der Regierung
angeschlossen, wobei für verschiedene Grossrätinnen und Grossräte das Argument
von Bedeutung gewesen sei, dass das Bundesgericht über die Gültigkeit der
Initiative entscheiden solle, bevor über eine möglicherweise ungültige
Initiative abgestimmt werde. Auch der Beschwerdeführer im Verfahren 1C_221/2017
macht geltend, der gestützt auf das Gutachten Biaggini verfasste Vortrag des
Regierungsrats habe die Rechtslage einseitig beleuchtet und mehrere Grossräte
hätten zugestandenermassen eine Volksabstimmung verhindern wollen, bevor das
Bundesgericht sich zur Rechtmässigkeit habe äussern können.  
 
6.2. Es liegt im Ermessen des Grossen Rats bzw. der vorberatenden Behörden, zur
Frage der Gültigkeit einer kantonalen Volksinitiative ein Rechtsgutachten in
Auftrag zu geben. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Das Einholen eines
Rechtsgutachtens ändert allerdings nichts daran, dass der Grosse Rat - auf
Antrag des Regierungsrats bzw. der vorberatenden Kommission hin - von
Verfassungs und Gesetzes wegen selber über die Gültigkeit von formell
zustandegekommenen kantonalen Volksinitiativen und namentlich über die
Vereinbarkeit von solchen Initiativen mit übergeordnetem Recht zu entscheiden
hat (vgl. E. 7.1 hiernach). Es ist Aufgabe der zuständigen kantonalen Behörden,
sich mit einem allfälligen Rechtsgutachten zur Frage der Gültigkeit einer
kantonalen Volksinitiative auseinanderzusetzen und es kritisch zu würdigen.  
Wie den Akten zu entnehmen ist, haben der Regierungsrat, die Finanzkommission
sowie der Grosse Rat vor dem Entscheid des Grossen Rats die ihnen zur Verfügung
stehenden Unterlagen je in ausreichender Weise gewürdigt. Dass sich der
Regierungsrat und die Finanzkommission für ihre Anträge und der Grosse Rat für
seinen Entscheid unter anderem auf das Gutachten Biaggini abgestützt haben, ist
nicht zu beanstanden, zumal sie sich mit der im Gutachten dargelegten
Rechtsauffassung auseinandergesetzt haben und sie trotz im parlamentarischen
Verfahren geäusserter Bedenken jedenfalls nicht davon ausgehen mussten, das
Rechtsgutachten weise gravierende Mängel auf. Auch bestand für den
Regierungsrat bzw. die Finanzkommission keine Verpflichtung, von sich aus ein
zweites Rechtsgutachten einzuholen. Dem Grossen Rat standen sodann die für
seinen Entscheid notwendigen Grundlagen und namentlich auch das von den
Initianten bzw. der Vereinigung "Pro Libertate" eingeholte Gutachten Grisel zur
Verfügung, sodass nicht einzusehen ist, inwiefern er mit Blick auf Art. 29 oder
Art. 34 BV verpflichtet gewesen wäre, die Sache an den Regierungsrat
zurückzuweisen. Dass sich schliesslich einzelne Mitglieder des Grossen Rats in
der Ratsdebatte dahingehend äusserten, es sei sinnvoll, wenn das Bundesgericht
über die Gültigkeit der Volksinitiative entscheiden könne, bevor allenfalls
darüber abgestimmt werde, führt ebenfalls nicht dazu, dass der Beschluss des
Grossen Rates insgesamt formell rechtsfehlerhaft zustandegekommen ist. 
Soweit die Beschwerdeführer in genügender Weise darlegen, inwiefern der
angefochtene Entscheid im Widerspruch zu Art. 29 BV oder sonst formell
mangelhaft zustandegekommen sein soll (vgl. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs.
2 BGG), dringen sie mit ihrer Rüge nicht durch. 
 
7.  
 
7.1. Gemäss Art. 59 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV
/BE; SR 131.212) sowie Art. 150 PRG entscheidet der Grosse Rat über die
Gültigkeit von formell zustandegekommenen Volksinitiativen im Sinne von Art. 58
KV/BE. Nach Art. 59 Abs. 2 KV/BE erklärt er eine Initiative ganz oder teilweise
für ungültig, wenn sie gegen übergeordnetes Recht verstösst (lit. a),
undurchführbar ist (lit. b) oder die Einheit der Form oder der Materie nicht
wahrt (lit. c).  
 
7.2. In seinem Vortrag an den Grossen Rat schloss der Regierungsrat, die
Volksinitiative "Keine Steuergelder für die Berner Reithalle!" sei nicht
undurchführbar und respektiere die Gebote der Einheit der Form sowie der
Materie. Etwas anderes wurde, soweit ersichtlich, anlässlich der Beratung des
Geschäfts im Grossen Rat und wird auch im Verfahren vor Bundesgericht nicht
vorgebracht. Umstritten ist hingegen, ob die Volksinitiative mit dem
übergeordnetem Recht vereinbar ist.  
Gestützt auf das Gutachten Biaggini kam der Regierungsrat in seinem Vortrag an
den Grossen Rat zum Schluss, die Volksinitiative sei in mehrfacher Hinsicht
nicht mit dem übergeordneten Recht vereinbar: Die Initiative verstosse gegen
das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV sowie Art. 10 KV/BE), bewirke eine
faktische Beschränkung der Entscheidungsfreiheit der Stadt Bern in einem durch
die Gemeindeautonomie geschützten Bereich (Art. 109 KV/BE i.V.m. Art. 50 BV)
und unterlaufe den verfassungsmässigen Gehörsanspruch der Stadt Bern (Art. 29
Abs. 2 BV und Art. 26 Abs. 2 KV/BE). Aus diesen Gründen müsse die Initiative
für ungültig erklärt werden. Der Regierungsrat zweifelte überdies an der
Vereinbarkeit der Initiative mit Art. 113 Abs. 3 KV/BE (zum Finanzausgleich)
sowie Art. 66 KV/BE (zum Grundsatz der Gewaltenteilung), liess die Frage aber
offen, ob die Initiative auch aus diesen Gründen für ungültig zu erklären
wäre. 
Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonale Volksinitiative "Keine
Steuergelder für die Berner Reithalle!" verstosse nicht gegen übergeordnetes
Recht bzw. sie lasse sich so auslegen, dass sie mit dem übergeordneten Recht
vereinbar sei, womit der Grosse Rat sie mit Blick auf Art. 9 und 34 BV sowie 
Art. 59 Abs. 2 KV/BE nicht für ungültig habe erklären dürfen. 
 
7.3. Aus Art. 59 Abs. 2 lit. a KV/BE i.V.m. Art. 34 Abs. 1 BV ergibt sich, dass
im Kanton Bern eine kantonale Volksinitiative keine Bestimmungen enthalten
darf, die dem übergeordneten Recht widersprechen (vgl. BGE 143 I 129 E. 2.1 S.
132; 139 I 292 E. 5.4 S. 295). Bei der Volksinitiative "Keine Steuergelder für
die Berner Reithalle!" handelt es sich um eine kantonale Gesetzesinitiative in
der Form des ausgearbeiteten Entwurfs, die mithin mit dem kantonalen
Verfassungs- sowie mit dem Bundesrecht unter Einschluss des
Bundesverfassungsrechts sowie des für die Schweiz geltenden Völkerrechts
vereinbar sein muss (vgl. BGE 142 I 216 E. 3.1 S. 219; 139 I 292 E. 5.4 S.
295).  
 
7.3.1. Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit einer
Volksinitiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen
auszulegen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht
auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine allfällige
Begründung des Volksbegehrens darf mitberücksichtigt werden, wenn sie für das
Verständnis der Initiative unerlässlich ist. Massgeblich ist bei der Auslegung
des Initiativtextes, wie er von den Stimmberechtigten und späteren Adressaten
vernünftigerweise verstanden werden muss. Von verschiedenen
Auslegungsmöglichkeiten ist jene zu wählen, die einerseits dem Sinn und Zweck
der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt
und welche anderseits im Sinne der verfassungskonformen Auslegung mit dem
übergeordneten Recht von Bund und Kanton vereinbar erscheint. Kann der
Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als
unzulässig erscheinen lässt, ist sie nach dem Günstigkeitsprinzip bzw. dem
Grundsatz "in dubio pro populo" als gültig zu erklären und der Volksabstimmung
zu unterstellen (zum Ganzen vgl. BGE 143 I 129 E. 2.2 S. 132; 142 I 216 E. 3.3
S. 220; 139 I 292 E. 5.7 S. 296 und E. 7.2 S. 298 ff.; je mit Hinweisen).
Andererseits kann insbesondere bei einer ausformulierten kantonalen
Gesetzesinitiative der eindeutige Wortsinn nicht durch eine mit dem
übergeordneten Recht konforme Interpretation beiseite geschoben werden (RAMONA
PEDRETTI, Die Vereinbarkeit von kantonalen Volksinitiativen mit höherrangigem
Recht, ZBl 118/2017 S. 314 ff. mit Hinweisen).  
 
7.3.2. Die mit der kantonalen Volksinitiative "Keine Steuergelder für die
Berner Reithalle!" vorgeschlagenen Bestimmungen (vgl. Sachverhalt lit. A) sehen
vor, dass bestimmte Leistungen aus dem kantonalen Finanzausgleich für die Stadt
Bern gekürzt werden, solange auf dem Grundstück Bern Gbbl. 1226, Kreis II
(«Reitschule») Anlagen oder Einrichtungen bestehen, die wie bisher oder
vergleichbar genutzt werden. Zwar sind die neu vorgeschlagenen Bestimmungen 
Art. 10 Abs. 5, Art. 14 Abs. 2, Art. 35b und Art. 45 Abs. 4 FILAG insofern
allgemein formuliert, als sie nicht bestimmte Anlagen oder Einrichtungen oder
spezifisch einzelne Gemeinden aufzählen. Es wird darin aber jeweils unmittelbar
Bezug genommen auf Anlagen und Einrichtungen "gemäss Anhang III des Gesetzes".
Dieser Anhang bildet ebenfalls Bestandteil der Initiative und nennt als Anlagen
und Einrichtungen im Sinne der genannten Bestimmungen in abschliessender Weise
einzig die in der Stadt Bern auf dem Grundstück Bern Gbbl. 1226, Kreis II
(«Reitschule») genutzten Anlagen und Einrichtungen.  
Der Wortlaut der in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereichten
Gesetzesinitiative lässt eine Auslegung, wonach die vorgesehenen Kürzungen
unter bestimmten Umständen auch andere Gemeinden als die Stadt Bern treffen
könnten oder wonach für die Kürzung von Leistungen auch eine bestimmte Nutzung
von anderen Anlagen oder Einrichtungen in der Stadt Bern massgebend sein
könnten, nicht zu. Auch aus dem Titel der Initiative und der auf dem
Initiativbogen abgedruckten Begründung geht hervor, dass sich die Initiative
einzig auf die "Berner Reithalle" bezieht. Wie der Regierungsrat in seinem
Vortrag an den Grossen Rat gestützt auf das Gutachten Biaggini zu Recht
festgestellt hat, würden die vorgesehenen Kürzungen gemäss dem Wortlaut der
Initiative somit ausschliesslich für die Stadt Bern gelten. Daran ändern auch
die Einwände der Beschwerdeführer nichts, der Anhang III könne und solle vom
Gesetzgeber bei Bedarf angepasst werden und zwei von den fünf vorgesehenen
Regelungsmechanismen würden für die Stadt Bern ohnehin nicht greifen. Für die
im Gutachten Grisel vertretene Auffassung, wonach die neu vorgeschlagenen
Bestimmungen teilweise "eventuell auch für andere Gemeinden" als die Stadt Bern
gelten könnten, lässt der Wortlaut der Initiative keinen Raum. Hierfür bedürfte
es einer weiteren Gesetzesänderung, namentlich des Anhangs III zum FILAG. 
 
7.3.3. Gestützt auf das Gutachten Biaggini kam der Regierungsrat in seinem
Vortrag an den Grossen Rat zum Schluss, gemäss dem Initiativtext seien die
vorgesehenen Kürzungen einzig daran geknüpft, dass das bezeichnete Grundstück
in der Stadt Bern als Kulturbetrieb im bisherigen oder in einem vergleichbaren
Rahmen weitergeführt werde. Zwar spreche der Initiativtext die Gefahren für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung an, die nach Ansicht der Initianten vom
Kulturbetrieb "Reitschule" ausgingen. Der vorgeschlagene Anhang III des FILAG
stelle aber eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung auf, wonach die
bestehende bzw. eine vergleichbare künftige kulturelle Nutzung zu konkreten
Gefahren führe. Hingegen spiele es für die Anwendung der mit der Initiative
vorgeschlagenen Bestimmungen keine Rolle, ob von der Reitschule tatsächlich
konkrete Gefahren ausgehen oder nicht. Die Beschwerdeführer machen geltend, der
Initiativtext könne bzw. müsse so ausgelegt werden, dass für die Anwendung der
vorgesehenen Kürzungen nicht die Nutzung des Grundstücks als Kulturzentrum
ausschlaggebend sei, sondern die bestehende "faktische Nutzung der Anlage
Reitschule", welche sich in erster Linie über die von der Reitschule
ausgehenden konkreten Gefahren definiere.  
Auf dem im Initiativtext genannten Grundstück Gbbl. 1226 betreiben drei
verschiedene Vereine, nämlich die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule
(IKuR), der Verein Trägerschaft Grosse Halle sowie der Verein Tojo Theater ein
bekanntes Kulturzentrum mit einem breit gefächerten Kulturangebot inklusive
Restauration. Über die Nutzung der Liegenschaft hat die Stadt Bern mit den drei
Vereinen Leistungsverträge abgeschlossen, aus welchen unter anderem hervorgeht,
welche kulturellen Leistungen von den Trägervereinen erbracht werden. Die im
vorgeschlagenen Anhang III verwendete Formulierung "Die... auf dem Grundstück
Bern Gbbl. 1226... bestehende Nutzung bzw. allfällige nachfolgende
vergleichbare Nutzungen" muss von den Stimmberechtigten vernünftigerweise so
verstanden werden, dass damit die Nutzung des Grundstücks bzw. der sich darauf
befindenden Anlagen oder Einrichtungen als Kulturbetrieb im Sinne der
abgeschlossenen Leistungsverträge gemeint ist. Bei den von den
Beschwerdeführern angesprochenen, im Umfeld der Reitschule auftretenden
Sicherheitsproblemen hingegen handelt es sich nicht um eine bestimmte Art der
Nutzung des Grundstücks bzw. der sich darauf befindenden Anlagen oder
Einrichtungen, sondern allenfalls um Begleiterscheinungen des Kulturbetriebs,
welche - soweit sie tatsächlich mit dem Kulturbetrieb im Zusammenhang stehen -
für die Definition der Art und Weise der Nutzung des Grundstücks bzw. der sich
darauf befindenen Anlagen oder Einrichtungen nicht massgeblich sind. 
Zwar wird in der auf dem Initiativbogen abgedruckten Begründung zur Initiative
auf die im Umfeld der Reitschule auftretenden Sicherheitsprobleme und die damit
zusammenhängenden Kosten Bezug genommen. Der Text der als ausformulierter
Entwurf eingereichten Gesetzesinitiative lässt jedoch eine Auslegung, wonach
die mit dem Kulturbetrieb im Zusammenhang stehenden Sicherheitsprobleme für die
Anwendung der vorgesehenen Kürzungen von Leistungen aus dem Finanzausgleich
mitentscheidend wären, nicht zu. Solange in der Stadt Bern am Ort der
Reitschule ein Kulturbetrieb im heutigen oder in einem vergleichbaren Rahmen
betrieben würde, kämen die mit der Initiative vorgesehenen Leistungskürzungen
somit unabhängig davon zur Anwendung, ob im Umfeld der Reitschule Kosten
verursachende Sicherheitsprobleme auftreten oder nicht. 
 
7.4. Die Bundesverfassung gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des
kantonalen Rechts (Art. 50 Abs. 1 BV). Nach Art. 109 Abs. 1 KV/BE ist die
Autonomie der Gemeinden des Kantons Bern gewährleistet, wobei der Umfang der
Autonomie durch das kantonale und das eidgenössische Recht bestimmt wird.
Gemäss Art. 109 Abs. 2 KV/BE gewährt das kantonale Recht den Gemeinden einen
möglichst weiten Handlungsspielraum.  
 
7.4.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Gemeinden in einem
Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend
ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und
ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der
geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug
eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum
bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz
der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet,
sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der
Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich
anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 142 I 177 E. 2 S.
180).  
Eine Gemeinde kann sich dagegen zur Wehr setzen, dass eine kantonale Behörde im
Autonomiebereich ihre Prüfungsbefugnis überschreitet oder die einschlägigen
Vorschriften unrichtig auslegt und anwendet. Gemäss ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichts kann sich eine Gemeindein Verbindung mit der Rüge der
Verletzung ihrer Autonomie auf weitere Verfassungsrechte und -grundsätze
berufen, namentlich auf die Rechtsgleichheit (Art. 8 BV), den Schutz vor
Willkür bzw. die Wahrung von Treu und Glauben (Art. 9 BV) sowie die Grundsätze
staatlichen Handelns gemäss Art. 5 BV (vgl. BGE 139 I 169 E. 6.1 S. 172 f.; 131
I 91 E. 1 S. 93 und E. 3.4 S. 102 f.; 116 Ia 252 E. 3b S. 255 f.; 115 Ia 42 E.
3c S. 46; 113 Ia 332 E. 1b S. 333 f.; 96 I 234 E. 5 S. 242; Urteil 2C_604/2017
vom 10. Januar 2018 E. 1.2). 
 
7.4.2. Art. 113 Abs. 3 KV/BE bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für den
kantonalen Finanzausgleich. Gemäss dieser Bestimmung soll der Finanzausgleich
die Steuerkraft der Einwohnergemeinden ausgleichen und sind ausgewogene
Verhältnisse in der Steuerbelastung anzustreben, wobei Leistungen aus dem
Finanzausgleich in den gesetzlich vorgesehenen Fällen gekürzt oder verweigert
werden können.  
Der Kanton Bern hat den kantonalen Finanzausgleich im Gesetz über den Finanz-
und Lastenausgleich vom 27. November 2000 (FILAG) umfassend geregelt. Den
Gemeinden kommt bei der Regelung und beim Vollzug des kantonalen
Finanzausgleichs an sich keine Autonomie zu, was der Regierungsrat in seinem
Vortrag an den Grossen Rat anerkannt hat und - soweit ersichtlich - auch von
den Mitgliedern des Grossen Rats nicht in Zweifel gezogen wurde. Der
Regierungsrat erachtete jedoch die mit der Initiative vorgesehenen Mechanismen
zur Kürzung von bestimmten Leistungen aus dem Finanzausgleich als unzulässige
Beschränkung der Entscheidungsfreiheit der Stadt Bern im Bereich der
Kulturförderung. 
 
7.4.3. Art. 48 KV/BE äussert sich zur Zuständigkeit des Kantons sowie der
Gemeinden im Kulturbereich. Kanton und Gemeinden erleichtern den Zugang zur
Kultur und fördern das kulturelle Schaffen sowie den kulturellen Austausch
(Abs. 1). Sie berücksichtigen dabei die Bedürfnisse aller Teile der Bevölkerung
und die kulturelle Vielfalt des Kantons (Abs. 2).  
Zum Zusammenwirken von Kanton und Gemeinden im Bereich der Kulturförderung
äussert sich Art. 3 des Kantonalen Kulturförderungsgesetzes vom 12. Juni 2012
(KKFG; BSG 423.11). Nach dieser Bestimmung ist die Kulturförderung eine
gemeinsame Aufgabe des Kantons und der Gemeinden (Abs. 1). Kanton und Gemeinden
arbeiten nach Massgabe des KKFG zusammen und stimmen ihre Massnahmen
aufeinander ab (Abs. 2). Soweit das KKFG keine besonderen Bestimmungen enthält,
entscheiden die Gemeinden selbst, wie sie ihre Aufgaben im Bereich der
Kulturförderung erfüllen wollen (Abs. 3). Das KKFG verpflichtet Gemeinden zwar
zu Betriebsbeiträgen an Kulturinstitutionen von regionaler Bedeutung (Art. 18
ff. KKFG). Es schränkt jedoch die Möglichkeiten der Gemeinden nicht ein,
darüber hinaus selbstständig Kulturförderung zu betreiben. 
Kulturförderung fällt somit nach geltendem kantonalem Verfassungs- und
Gesetzesrecht nicht in den abschliessenden Aufgabenbereich des Kantons.
Vielmehr überlässt das kantonale Recht die Kulturförderung teilweise den
Gemeinden zur Regelung. Es räumt den Gemeinden namentlich im Bereich der
Förderung der Kultur auf lokaler Ebene eine erhebliche Entscheidungsfreiheit
ein. Der Umstand, dass es sich bei der Kulturförderung im Kanton Bern um eine
gemeinsame Aufgabe des Kantons und der Gemeinden handelt, ändert nichts daran,
dass den Gemeinden nach dem KKFG im Bereich der Förderung der Kultur auf
lokaler Ebene eine erhebliche Entscheidungsfreiheit zukommt. Zu den in der
Kantonalen Kulturförderungsverordnung vom 13. November 2013 (KKFV; BSG
423.411.1) genannten Einrichtungen von nationaler Ausstrahlung (A rt. 3 KKFV)
oder regionaler Bedeutung (Art. 8 KKFV i.V.m. Anhang 1 Art. A1-4 für die Region
Bern-Mittelland) zählt das Zentrum Reitschule nicht. Es gehört mithin zu den
lokalen Einrichtungen. Für die Fragen, ob und wie dieses Zentrum zu fördern
sei, geniesst die Stadt Bern demnach grundsätzlich Autonomie. 
 
7.4.4. Unter Verweis auf das Gutachten Griselund die Urteile BGE 141 I 36 sowie
138 I 131 machen die Beschwerdeführer geltend, die kantonalen Volksinitiative
"Keine Steuergelder für die Berner Reithalle!" verletze schon deshalb nicht die
Gemeindeautonomie, weil der kantonale Gesetzgeber die Bereiche, in welchen den
Gemeinden eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zukomme, definiere.
Namentlich sei es dem kantonalen Gesetzgeber unbenommen, im Bereich der
Kulturförderung den Autonomiebereich einzuschränken.  
Dem ist entgegen zu halten, dass die mit der kantonalen Volksinitiative "Keine
Steuergelder für die Berner Reithalle!" vorgeschlagenen Bestimmungen einzig die
Kulturförderung der Stadt Bern in einem konkreten Fall betreffen und die
Initiative den Spielraum der Gemeinden im Bereich der Kulturförderung, wie er
sich aus Art. 48 KV/BE sowie dem KKFG allgemein ergibt, weder in
generell-abstrakter Weise noch einzelfallbezogen rechtlich neu umschreibt.
Namentlich soll Art. 3 Abs. 3 KKFG nicht geändert werden, wonach die Gemeinden
- vorbehältlich besonderer Bestimmungen im KKFG - selbst bestimmen, wie sie
ihre Aufgaben im Bereich der Kulturförderung erfüllen wollen. Somit käme den
Gemeinden im Bereich der Kulturförderung - und kommt der Stadt Bern auch im
spezifischen Einzelfall (vgl. E. 7.4.5 hiernach) - mit den mit der Initiative
vorgeschlagenen Bestimmungen rechtlich genau die gleiche Entscheidungsfreiheit
zu wie bisher. Insoweit unterscheidet sich die Initiative auch von den
Gesetzesvorlagen, mit denen sich das Bundesgericht in den Urteilen BGE 141 I 36
sowie 138 I 131 beschäftigt hat. Das erstgenannte Urteil betraf eine kantonale
Schulsprachenregelung, das zweitgenannte die kantonale Volksinitiative "Sauver
Lavaux". Im Unterschied zur vorliegend zu beurteilenden Gesetzesinitiative
wurde in den beiden genannten Fällen die den Gemeinden in den betroffenen
Bereichen (Schulunterricht bzw. Raumplanung) zukommende Autonomie rechtlich neu
umschrieben und in generell-abstrakter Weise eingeschränkt, was zulässig war. 
 
7.4.5. Zu prüfen bleibt, ob der Kanton Bern mit den gemäss der kantonalen
Volksinitiative "Keine Steuergelder für die Berner Reithalle!" vorgeschlagenen
Bestimmungen die der Stadt Bern im Bereich der Kulturförderung nach wie vor
zukommende Entscheidungsfreiheit verletzen würde.  
Die mit der Volksinitiative vorgeschlagenen Regelungen schränken die
Entscheidungsfreiheit der Stadt Bern im Bereich der Kulturförderung wie erwähnt
nicht förmlich bzw. rechtlichein, zumal sie nicht direkt die Schliessung der
Reitschule oder die Einstellung der Förderung des Kulturbetriebs verlangt. Die
vorgeschlagene Regelung zielt indessen darauf ab, die Stadt Bern unter
finanziellen Druck zu setzen, um auf diese Weise auf ihr Verhalten im Bereich
der Kulturförderung Einfluss zu nehmen. Gemäss den nicht bestrittenen
Berechnungen der Finanzdirektion hätten die neuen Bestimmungen eine
Schlechterstellung der Stadt Bern in der Höhe von mehr als 54 Mio Franken pro
Jahr zur Folge. Die vorgesehenen Leistungskürzungen wären somit sehr
beträchtlich und der auf die Stadt Bern erzeugte Druck, den Kulturbetrieb
einzustellen bzw. nicht weiter zu fördern, entsprechend gross. Die finanzielle
Schlechterstellung der Stadt Bern würde solange andauern, wie am Ort der
Reitschule ein Kulturbetrieb im heutigen oder in einem vergleichbaren Rahmen
betrieben würde. Dies unabhängig davon, ob im Umfeld des Kulturbetriebs
tatsächlich Kosten verursachende Sicherheitsprobleme auftreten (vgl. E. 7.3.3
hiervor). Damit würde die der Stadt Bern gemäss dem kantonalen Verfassungs- und
Gesetzesrecht im Bereich der Kulturförderung zukommende Entscheidungsfreiheit
in faktischer Hinsicht substanziell eingeschränkt. Darf die Stadt Bern von
ihrer Autonomie, die Reitschule als Kulturstätte zu unterstützen, aber nach wie
vor Gebrauch machen, so darf ihr die Ausübung dieses verfassungsmässigen Rechts
nicht über Gebühr erschwert werden. Wird die Rechtsausübung zwar gestattet,
aber mit derart grossen Nachteilen verbunden, dass davon vernünftigerweise
nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Bedingungen Gebrauch gemacht werden
kann, ist mit diesen Nachteilen ein unzulässiger Abschreckungseffekt verbunden
(vgl. BGE 143 I 147 E. 3.3 S. 152 f.). Eine solche Situation liegt hier vor.
Die Weiterführung des Kulturbetriebs in der Reitschule wäre für die Stadt Bern
mit derart grossen finanziellen Nachteilen verbunden, dass sie unter einen
permanenten erheblichen Druck, wenn nicht gar einen faktischen Zwang geriete,
die in ihrem Autonomiebereich liegende, nach wie vor in ihrem Belieben stehende
Nutzung aufzugeben und auf dem Areal auch keine vergleichbaren Nutzungen mehr
zu gestatten. Dies kommt einem ungerechtfertigten Eingriff in die ihr in diesem
Bereich zukommende Autonomie gleich. 
Die mit den gemäss der kantonalen Volksinitiative "Keine Steuergelder für die
Berner Reithalle!" verbundene Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Stadt
Bern hält auch vor dem Verhältnismässigkeitsprinzig (Art. 5 Abs. 2 BV) nicht
stand. Die drohenden finanziellen Nachteile für die Stadt Bern stehen nur in
geringem Umfang in einem Zusammenhang mit den Mehrkosten für die
Polizeieinsätze (maximal einige Mio. Franken pro Jahr) und der finanziellen
Unterstützung (in der Höhe von insgesamt ca. 720'000 Franken pro Jahr). Sie
betragen mehr als das Zehnfache der höchstzurechenbaren Beträge und sprengen
jedes vernünftige Mass. Insoweit ist der mit den vorgeschla genen Bestimmungen
verbundene faktische Eingriff in die Gemeindeautonomie auch nicht vergleichbar
mit der nach Art. 35a FILAG möglichen finanziellen Benachteiligung von
fusionsunwilligen Gemeinden, welcher einerseits die Leistungen zum
Disparitätenabbau zwischen den Gemeinden von der Kürzung ausnimmt und die
mögliche Kürzung auf die Differenz zur voraussichtlichen Minderbeanspruchung
begrenzt. 
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Bern haben sich schon
verschiedentlich über die Beibehaltung der Kulturnutzung in der Reitschule
ausgesprochen, letztmals anlässlich der Abstimmung über die Volksinitiative
"Schliessung und Verkauf der Reithalle" am 26. September 2010. Ihre
Entscheidungsfreiheit würde inskünftig wie gesagt auf unzulässige Weise
eingeschränkt, wenn sie je nach dem Ergebnis ihrer Meinungsäusserung eine
grösstenteils sachfremde finanzielle Sanktion im erwähnten Ausmass gewärtigen
müssten. 
 
7.4.6. Hinzu kommt, dass eine Einschränkung der den Gemeinden zukommenden
Autonomie dem Gebot der Rechtsgleichheit im Sinne von Art. 8 BV sowie Art. 10
KV/BE genügen muss. An das Rechtsgleichheitsgebot ist auch der Gesetzgeber
gebunden, wenn er auf die gemäss generell-abstrakter Regelung in einem
bestimmten Bereich bestehende Entscheidungsfreiheit bezogen auf eine einzelne
Gemeinde in einem konkreten Fall Einfluss nehmen will. Für eine
Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Gemeinden ist diesfalls
vorauszusetzen, dass sie sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt.  
Die mit der kantonalen Volksinitiative "Keine Steuergelder für die Berner
Reithalle!" vorgesehenen neuen Bestimmungen nähmen im Widerspruch zum
Rechtsgleichheitsgebot einzig auf die Kulturförderung der Stadt Bern Einfluss.
Andere Gemeinden - namentlich auch andere Städte - im Kanton Bern wären von den
neuen Bestimmungen nämlich selbst dann nicht betroffen, wenn auf ihrem Gebiet
Anlagen oder Einrichtungen bestünden, von denen Gefahren für die öffentliche
Sicherheit ausgehen (vgl. E. 7.3.2 hiervor).Sodann wäre die Stadt Bern von
einer Kürzung der Leistungen aus dem Finanzausgleich betroffen, die in weit
überwiegendem Umfang keinen Bezug aufweist zu den mit dem Finanzausgleich zu
verteilenden Steuergeldern. Das ihr vorgeworfene Verhalten, nämlich dass sie
durch die Duldung der Kultureinrichtung und deren Begleiterscheinungen Einsätze
der Ordnungskräfte verursache, die mit Leistungen aus dem Finanzausgleich
mitfinanziert würden, sowie dass sie mit der finanziellen Unterstützung der
Reitschule Ausgaben tätige, die wiederum durch den Finanzausgleich mitgetragen
werden müssten, steht hinsichtlich der auf dem Spiel stehenden Beträge in
keinem vernünftigen Verhältnis zu den mit der Initiative angestrebten Kürzungen
(vgl. E. 7.4.5 hiervor). 
Einer solchen grösstenteils nicht an sachlichen Kriterien anknüpfenden
Ungleichbehandlung darf die Stadt Bern im Bereich der lokalen Kulturförderung,
in welchem ihr das kantonale Recht nach wie vor eine relativ erhebliche
Entscheidungsfreiheit einräumt, auch mit Blick auf Art. 8 BV sowie Art. 10 KV/
BE nicht unterzogen werden. Die Initiative verstösst somit auch gegen das
Rechtsgleichheitsgebot. 
 
7.5. Nach dem Ausgeführten verstösst die kantonale Volksinitiative "Keine
Steuergelder für die Berner Reithalle!" gegen die von Art. 109 Abs. 1 KV/BE
i.V.m. Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistete Gemeindeautonomie sowie gegen das
Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 BV sowie Art. 10 KV/BE. Dass die
Initiative nur teilweise für ungültig hätte erklärt werden dürfen, wird nicht
dargetan und ist nicht ersichtlich. Der Grosse Rat hat die Initiative in
Anwendung von Art. 59 Abs. 2 lit. a KV/BE zu Recht für ungültig erklärt, ohne
die politischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bzw. Art. 34 BV
oder Art. 9 BV zu verletzen. Eine Prüfung, ob die Volksinitiative noch zu
weiteren Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts bzw. des Bundesrechts im
Widerspruch steht, erübrigt sich damit.  
 
8.  
Die Beschwerden erweisen sich als unbegründet und sind abzuweisen. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Verfahren 1C_221/2017 und 1C_223/2017 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden je zur Hälfte dem Beschwerdeführer
im Verfahren 1C_221/2017 und unter solidarischer Haftung den Beschwerdeführern
im Verfahren 1C_223/2017 auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat des Kantons Bern
und dem Grossen Rat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. April 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle 

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