Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.201/2017
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
1C_201/2017            

 
 
 
Urteil vom 1. September 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Politische Gemeinde St. Gallen, vertreten durch den Stadtrat, Rathaus, 9001 St.
Gallen, 
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St.
Gallen. 
 
Gegenstand 
Umzonung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 23. Februar 2017 des Verwaltungsgerichts des
Kantons St. Gallen. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. A.________ ist Eigentümer des 462 m ^2 grossen Grundstücks xxx im
Grundbuchkreis St. Fiden, St. Gallen. Darauf steht ein dreigeschossiges
Vierfamilienhaus. Das Grundstück befindet sich in der rund 13'000 m ^2 grossen
Zone für öffentliche Bauten und Anlagen, die insbesondere für Schulzwecke bzw.
Tagesbetreuung von Schulkindern sowie als Sport- und Spielplatz genutzt wird.
Das Gebiet südlich, östlich und nördlich dieser Zone liegt in der Wohn-und
Gewerbezone WG4, jenes westlich teilweise in der Kernzone K4 und teilweise in
der Wohn- und Gewerbezone WG4.  
 
A.b. Am 12. Juni 2013 stellte A.________ bei der Stadt (Politischen Gemeinde)
St. Gallen im Hinblick auf ein Renovationsvorhaben ein Gesuch um Entlassung
seines Grundstücks aus der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen und um
Zuweisung der Liegenschaft zur Wohn-Gewerbezone WG4a, da in absehbarer Zukunft
kein Bedarf bestehe, seine Liegenschaft für Schulzwecke zu nutzen. Am 26.
August 2014 wies der Stadtrat St. Gallen das Umzonungsgesuch ab.  
 
A.c. Mit Entscheid vom 17. August 2015 hiess das Baudepartement des Kantons St.
Gallen nach erfolgtem Augenschein einen dagegen erhobenen Rekurs von A.________
teilweise gut, hob den Beschluss des Stadtrates auf und wies die Angelegenheit
zur weiteren Prüfung des Umzonungsgesuchs an den Stadtrat zurück.  
 
B.   
Dagegen führte A.________ Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen. Dieses hiess die Beschwerde am 23. Februar 2017 teilweise gut, nämlich
soweit sie sich auf den Kostenpunkt bezog, und passte die Verlegung der
Verfahrenskosten durch das Baudepartement an. Im Übrigen und damit in der
Hauptsache wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde an das Bundesgericht vom 6. April 2017 stellt A.________ die
folgenden Anträge: 
 
"1. Es sei der Entscheid der Vorinstanzen inklusive Kostenregelung aufzuheben. 
2. Es sei die mir gehörende Parzelle Nr. xxx umzuzonen, indem sie aus der Zone
für öffentliche Bauten und Anlagen entlassen und der Wohn- und Gewerbezone WG4a
zugewiesen wird oder 
        es sei eine der Vorinstanzen oder die Beschwerdegegnerin anzuweisen,
die mir gehörende Parzelle Nr. xxx umzuzonen, indem sie aus der Zone für
öffentliche Bauten und Anlagen entlassen und der Wohn- und Gewerbezone WG4a
zugewiesen wird oder 
       es seien eine Rechtsverzögerung festzustellen und eine der Vorinstanzen
oder die Beschwerdegegnerin anzuweisen, die mir gehörende Parzelle Nr. xxx
unverzüglich umzuzonen." 
 
Die Stadt St. Gallen schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Das Baudepartement und das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen beantragen unter Verzicht auf weitere Ausführungen bzw. unter Verweis
auf den verwaltungsgerichtlichen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. 
 
A.________ äusserte sich am 5. April 2017 nochmals kurz zur Sache. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 82 lit. a BGG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 RPG beurteilt
das Bundesgericht Beschwerden in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts unter
anderem auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts. Das
Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund (BGE 133 II 249 E. 1.2
S. 251; 133 II 409 E. 1.1 S. 411). Anfechtbar sind insbesondere kantonal
letztinstanzliche Entscheide (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG).  
 
1.2. Unabhängig davon kann nach Art. 94 BGG gegen das unrechtmässige Verweigern
oder Verzögern eines anfechtbaren Entscheids Beschwerde geführt werden. Diese
Beschwerdemöglichkeit steht jedoch nur offen, wenn gar kein Entscheid gefällt
wurde (vgl. BERNARD CORBOZ, in: Corboz et al., Commentaire de la LTF, 2. Aufl.,
2014, Rz. 7 zu Art. 94 BGG; NICOLAS VON WERDT, in: Seiler et al.,
Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2. Aufl., 2015, Rz. 4 zu Art. 90 BGG; SPÜHLER/
AEMISEGGER, in: Spühler et al., Bundesgerichtsgesetz, Praxiskommentar, 2.
Aufl., 2013, Rz. 1 zu Art. 94 BGG). Im vorliegenden Fall ist ein Entscheid
ergangen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverzögerung liegt nicht
darin, dass sich eine der Vorinstanzen überhaupt geweigert hat, einen Entscheid
zu treffen, oder damit im Rückstand ist. Der Beschwerdeführer sieht vielmehr
darin eine Rechtsverzögerung, dass das Baudepartement die Streitsache an die
Gemeinde zurückgewiesen hat, obwohl sie nach seiner Ansicht liquid ist, und er
nunmehr seit rund vier Jahren mit seinem Renovationsvorhaben zuwarten müsse.
Damit handelt es sich beim Vorwurf der Rechtsverzögerung um eine
materiellrechtliche Frage im Rahmen eines ordentlichen Beschwerdeverfahrens und
nicht um eine Beschwerde gemäss Art. 94 BGG.  
 
1.3. So oder so muss aber der Entscheid in der Sache beim Bundesgericht
anfechtbar sein, damit eine Rechtsverzögerungsrüge offensteht, d.h.
insbesondere dass die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Beschwerde nach Art.
90-93 BGG erfüllt sein müssen (vgl. für die Rechtsverweigerungs- und
-verzögerungsbeschwerde CORBOZ, a.a.O., Rz. 7 zu Art. 94 BGG; SPÜHLER/
AEMISEGGER, a.a.O., Rz. 1 f zu Art. 94 BGG; VON WERDT, a.a.O., Rz. 9 ff. zu 
Art. 94 BGG)..  
 
2.  
 
2.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid gemäss Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG. Nach Art. 90 BGG
ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen.
Von weiteren, hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen wird davon
abgewichen, wenn ein selbständig eröffneter Vor- oder Zwischenentscheid einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG)
oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen
und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). In der
Beschwerdeschrift ist konkret darzulegen, inwiefern die Voraussetzung des nicht
wieder gutzumachenden Nachteils erfüllt ist, soweit dies nicht offensichtlich
ist.  
 
2.2. Endentscheide sind Entscheide, mit denen ein Verfahren in der Hauptsache
aus prozessualen oder materiellen Gründen beendet wird (VON WERDT, a.a.O., Rz.
4 zu Art. 90 BGG). Dies trifft hier nicht zu, nachdem das Baudepartement die
Angelegenheit zur weiteren Prüfung des Umzonungsgesuchs an den Stadtrat
zurückgewiesen hat. Es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid, der nur
anfechtbar ist, wenn dem Beschwerdeführer ein irreversibler Nachteil droht.  
 
2.3. Die Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. b setzt insbesondere voraus, das das
Bundesgericht, sollte es der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers folgen,
selbst einen Endentscheid fällen könnte (VON WERDT, a.a.O. Rz. 33 zu Art. 93
BGG). Dieser Tatbestand kommt damit einzig in Betracht, wenn die
vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ausreichend sind bzw. gemäss Art.
105 Abs. 2 BGG ausnahmsweise vom Bundesgericht ergänzt werden können und wenn
das Bundesgericht über volle bzw. gleichwertige Kognition wie die unteren
Instanzen verfügt. Das trifft hier nicht zu. Es sind noch bisher ausstehende
Abklärungen zur planerischen Erfassung und Einordnung weiterer Grundstücke
vorzunehmen. Überdies kann das Bundesgericht nicht anstelle des Planungsträgers
das diesem zustehende planerische Ermessen ausüben. Demnach liesse sich nicht
ein sofortiger Endentscheid herbeiführen bzw. dadurch ein bedeutender Aufwand
an Zeit oder Kosten einsparen.  
 
2.4. Die Tatbestandsvariante von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfordert
grundsätzlich einen Nachteil rechtlicher Natur, der auch mit einem für die
beschwerdeführende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig
behebbar ist (VON WERDT, a.a.O., Rz. 19 zu Art. 93 BGG). Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird allerdings ausnahmsweise auf die
Voraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils verzichtet, wenn
beschwerdeführende Personen die Rüge der formellen Rechtsverweigerung in der
Form der Rechtsverzögerung erheben (Urteile 1B_549/2012 vom 12. November 2012
E. 1 und 1B_699/2011 vom 20. Februar 2012 E. 1).  
 
2.5. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, durch den
Rückweisungsentscheid werde die Verwirklichung seines Rechts auf zonenkonforme
Einstufung seines Grundstücks verhindert oder zumindest ungebü?rlich
hinausgezögert. Die Vorinstanzen räumen dem Beschwerdeführer jedoch einen
grundsätzlichen Anspruch auf Entlassung seiner Liegenschaft aus der Zone für
öffentliche Bauten und Anlagen ein, sofern alle dafür nötigen Voraussetzungen
erfüllt sind. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinde diesen
Anspruch gegebenenfalls grundlos verweigern könnte. In der Sache erleidet der
Beschwerdeführer damit keinen nicht wieder gutzumachenden rechtlichen Nachteil.
Die blosse Verlängerung des Verfahrens begründet in der Regel ebenfalls keinen
irreversiblen Rechtsnachteil. Es fehlen wesentliche Grundlagen für die
planerische Zuordnung der betroffenen sowie weiterer Parzellen. Das öffentliche
Interesse an einem auf vollständigen Grundlagen ergehenden Planungsentscheid
geht dem privaten Interesse an unverzüglicher Beurteilung gestützt auf
unvollständige Grundlagen vor. Überdies musste der Beschwerdeführer beim Erwerb
der Parzelle und der Planung seines Renovationsvorhabens, d.h. als er seine
Dispositionen traf, wissen, dass die Liegenschaft in einer Zone für öffentliche
Nutzung und nicht in der gewünschten Wohn- und Gewerbezone WG4a liegt; zugleich
musste ihm bewusst sein, dass sein Anliegen einer Umzonung einen
Planungsprozess auslösen könnte, dessen Dauer sich nicht zuverlässig
voraussagen lässt. Die längeren Ausführungen zum Beschleunigungsgebot in der
Beschwerdeschrift könnten höchstens zu einer Feststellung einer Verletzung
dieser Garantie führen, nicht aber bewirken, dass einem Anspruch auf einen
sofortigen auf unvollständigen Grundlagen getroffenen Planungsentscheid im
Sinne der Beschwerde stattzugeben wäre. Damit ist ein irreversibler
Rechtsnachteil für den Beschwerdeführer aufgrund des angefochtenen Entscheids
zu verneinen. Im Übrigen vermöchte ein wie hier vertretbarer
Rückweisungsentscheid aufgrund unvollständiger Entscheidgrundlagen ohnehin
keine massgebliche Rechtsverzögerung zu begründen.  
 
2.6. Sonstige massgeblichen Gründe für einen nicht wieder gutzumachenden
Rechtsnachteil trägt der Beschwerdeführer nicht vor und sind auch nicht
ersichtlich.  
 
2.7. Gegen den angefochtenen Entscheid steht daher die Beschwerde an das
Bundesgericht nicht offen.  
 
3.   
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig, weshalb darauf nicht eingetreten
werden kann. 
 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG). Praxisgemäss steht der im
Übrigen auch nicht anwaltlich vertretenen, obsiegenden Gemeinde keine
Parteientschädigung zu (vgl. Art. 68 BGG sowie BGE 134 II 117 E. 7 S. 118 f.). 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Politischen Gemeinde St. Gallen,
dem Baudepartement des Kantons St. Gallen und dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. September 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Uebersax 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben