Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.192/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_192/2017        

Urteil vom 17. Juli 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Misic.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprech Jürg Walker,

gegen

Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Recht,
Spiegelgasse 6-12, 4001 Basel.

Gegenstand
Rechtspflege/Kostenvorschuss/Frist zur Replik,

Beschwerde gegen das Urteil vom 22. Februar 2017 des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht.

Sachverhalt:

A. 
Im Zusammenhang mit einem Gesuch von A.________ auf Wiedererteilung des
Führerausweises nach einem Sicherungsentzug ordnete das Ressort
Administrativmassnahmen der Kantonspolizei Basel-Stadt mit Verfügung vom 20.
April 2016 eine expertenbegleitete Probefahrt zwecks Abklärung der
Fahrkompetenz an. Dagegen erhob A.________ am 2. Mai 2016 Rekurs beim Justiz-
und Sicherheitsdepartement (JSD). Am 20. Mai 2016 stellte er zudem ein Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Zwischenentscheid vom 27. Oktober 2016 wies
das JSD das Gesuch ab und setzte A.________ Frist zur Leistung eines
Kostenvorschusses von Fr. 700.-- für das verwaltungsinterne Rekursverfahren.
Den von A.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. Februar 2017 ab.

B. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts.
Das Appellationsgericht und das Justiz- und Sicherheitsdepartement haben sich
vernehmen lassen und beantragen die Abweisung der Beschwerde. Der
Beschwerdeführer hält an seinen Anträgen fest und schliesst auf Gutheissung der
Beschwerde.
Mit Verfügung vom 18. Mai 2017 hat das präsidierende Mitglied der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung in einem
Administrativverfahren; dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Er
schliesst das Verfahren nicht ab; es handelt sich mithin um einen
Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde u.a. dann zulässig ist, wenn er
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte (Art. 93 Abs. 1 lit.
a BGG). Das ist bei der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung regelmässig der Fall, da dem Betroffenen, der mangels
verfügbarer Mittel nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss zu leisten und
den erforderlichen Rechtsbeistand zu bezahlen, der Prozessverlust droht. Damit
ist der Beschwerdeführer, der am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat,
zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die
Beschwerde ist einzutreten.

1.2. Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als
eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130). Inwiefern verfassungsmässige
Rechte verletzt worden sein sollen, ist in der Beschwerde klar und detailliert
anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen (BGE 135 III 127
E. 1.6 S. 130; 140 II 141 E. 8 S. 156). Soweit der Beschwerdeführer beiläufig
eine Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) und des Schutzes der
Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK) rügt, sind die Anforderungen
an die Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Darauf ist nicht einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Begehren sei entgegen der Auffassung
der Vorinstanzen nicht aussichtslos. Seine Bedürftigkeit sei erstellt. Insoweit
seien die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung (Art. 29 Abs. 3 BV) erfüllt.

2.2. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat
sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV).
Vorliegend kann das kantonale Prozessrecht unberücksichtigt bleiben, da es
nicht über die verfassungsrechtliche Minimalgarantie hinausgeht. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind als aussichtslos Begehren anzusehen,
bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die
Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten
und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind
als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt,
sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine
Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen
würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie - zumindest vorläufig -
nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt
sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten,
wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind
(BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 139 III 475 E. 2.2; 138 III 217 E. 2.2.4 mit
Hinweisen).

2.3. Die Vorinstanz hat ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei es seit dem 24.
April 2011 untersagt, Fahrzeuge sämtlicher Fahrzeugkategorien zu lenken. Zuvor
sei er erst seit dem 18. Juli 2007 im Besitze des Führerausweises gewesen,
wobei ihm dieser am 30. Juni 2009 für sechs Monate habe entzogen werden müssen.
Während der totalen Fahrabstinenz von über fünf Jahren könnten ihm die
Automatismen, die sich beim Lenken eines Fahrzeugs nach einer langen Fahrpraxis
einstellten, in erheblichem Ausmasse verloren gegangen sein und die Kenntnisse
der Verkehrsregeln abgenommen haben. Unter Berücksichtigung der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei es daher angezeigt, die Fahrkompetenz
des Beschwerdeführers mittels einer angeordneten Kontrollfahrt abzuklären. Im
Ergebnis befand das Verwaltungsgericht, der gegen die Anordnung einer
Kontrollfahrt gerichtete Rekurs sei vom JSD zutreffend als offensichtlich
aussichtslos beurteilt worden. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung im departementalen Verfahren sei damit zu Recht abgelehnt
worden.

2.4. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorbringen vermögen nicht zu
überzeugen. Zwar trifft es zu, dass die Akten von der Administrativbehörde
nicht in übersichtlichem Zustand geführt wurden. Die Aktenführung bildete
jedoch nicht Streitgegenstand im vorangegangenen Verfahren und wird vom
Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht thematisiert. Eine derartige
Ausweitung des Streitgegenstands ist im Rechtsmittelverfahren unzulässig (FRITZ
GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 45). Darauf ist nicht
weiter einzugehen. Abgesehen davon bedurfte es für die Feststellung des hier
relevanten Sachverhalts aufgrund der klaren Sachlage, die offensichtlich
bereits im Zeitpunkt der Einreichung des Rekurses am 2. Mai 2016 bestanden hat
(E. 2.3 hiervor), keiner vorgängigen Neuordnung der Akten. Der Beschwerdeführer
hat denn auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens geltend gemacht, trotz
Einsicht in die behördlichen Akten keine Kenntnis vom rechtserheblichen
Sachverhalt gehabt zu haben. Die diesbezüglich erhobene Sachverhaltsrüge
erweist sich als unbegründet.

2.5. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, hat das Bundesgericht im Urteil
1C_435/2011 vom 9. Januar 2012 die Anordnung einer Kontrollfahrt bei einem
Lenker, dessen Führerausweis während vier Jahren entzogen war, als nicht
bundesrechtswidrig erachtet. Zwar hat sich, wie der Beschwerdeführer
hervorhebt, die Rechtslage seit dem 1. Januar 2013 im Rahmen des
Handlungsprogramms des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr ("Via
sicura") geändert. Die Anforderungen an die Zulassung zum motorisierten
Strassenverkehr wurden jedoch deutlich verschärft. Insoweit ist nicht
nachvollziehbar, was der Beschwerdeführer zu seinen Gunsten abzuleiten
versucht, wenn er moniert, die Vorinstanz hätte nicht auf die ältere Praxis
abstützen dürfen, zumal, wie er an anderer Stelle seiner Beschwerde selber
ausführt (S. 8), dass die Rechtslage doch "nicht grossartig geändert" habe. Die
Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

3. 
Im Ergebnis ist die Abweisung des Gesuchs des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit nicht
zu beanstanden. Es liegt keine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV vor. Der
Rekursentscheid ist eingehend und überzeugend begründet, sodass eine Partei,
die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung nicht zu
einem Prozess entschlossen hätte.

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1
BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war
(Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Justiz- und Sicherheitsdepartement
des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt,
Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Misic

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