Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.169/2017
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1C_169/2017        

Urteil vom 30. Juni 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Philipp,

gegen

B.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Curdin Conrad,

Gemeinde Domat/Ems,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gieri Caviezel.

Gegenstand
Baueinsprache,

Beschwerde gegen das Urteil vom 14. Februar 2017 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Die Baugesellschaft C.________, vertreten durch die B.________ GmbH, reichte am
27. Juni 2016 ein Baugesuch für den Abbruch bestehender Gebäude und den Neubau
eines vierstöckigen Mehrfamilienwohnhauses auf der Parzelle Gbbl. Nr. 577 in
Domat/Ems ein. Geplant ist ein kleiner Dorfladen im Erdgeschoss, und es sollen
eine 8-Zimmer-Wohnung, fünf 1-Zimmer-Wohnungen und drei 2½-Zimmer-Wohnungen
sowie eine Einstellhalle mit neun Abstellplätzen entstehen. Die Bauparzelle
liegt in der Kernzone C gemäss kommunalem Baugesetz.
Gegen das Baugesuch erhob A.________, Eigentümer der angrenzenden Parzellen
Gbbl. Nrn. 571 - 575, am 14. Juli 2016 Einsprache. Mit Baubescheid vom 8.
August 2016 erteilte der Gemeindevorstand Domat/Ems dem Bauvorhaben die
Bewilligung unter Bedingungen und Auflagen und wies die von A.________ erhobene
Einsprache ab, soweit er darauf eintrat.
Am 9. September 2016 erhob A.________ dagegen Beschwerde ans Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden mit den Anträgen, den Baubescheid und den
Einspracheentscheid vom 8. August 2016 aufzuheben und die Baubewilligung für
das Baugesuch vom 27. Juni 2016 zu verweigern.
Am 29. November 2016 teilte die B.________ GmbH mit, sie habe sich entschieden,
die Treppe in der Nordwestecke des geplanten Hauses so umzugestalten, dass das
gesamte neue Volumen innerhalb des vorbestehenden Gebäudes - ohne Erweiterung -
erstellt werde. Ansicht und Situation ergäben sich aus den zum Verfahren
gelegten Plänen. Damit sei diese Streitfrage vom Tisch.
Am 11. Januar 2017 führte das Verwaltungsgericht einen Augenschein durch, an
welchem insbesondere auch der von der Gemeinde Domat/Ems beigezogene Bauberater
teilnahm.
Am 13. Januar 2017 verzichtete A.________ auf eine Stellungnahme zum
Augenscheinsprotokoll. Die B.________ GmbH ihrerseits bezog am 23. Januar 2017
zum Protokoll Stellung.
Mit Urteil vom 14. Februar 2017 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab
(Dispositiv-Ziffer 1). Die Gerichtskosten von Fr. 4'485.-- auferlegte es
A.________ (Dispositiv-Ziffer 2) und verpflichtete diesen, die B.________ GmbH
mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen (Dispositiv-Ziffer 3).

B.
Mit Eingabe vom 17. März 2017 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht mit den Hauptanträgen,
der angefochtene Entscheid vom 14. Februar 2017 sei aufzuheben, und die
Baubewilligung für das Baugesuch vom 27. Juni 2016 sei zu verweigern.
Mit Verfügung vom 27. April 2017 erkannte der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werde könne. Die Gemeinde Domat/Ems und die B.________ GmbH stellen
Antrag auf Beschwerdeabweisung. Der Beschwerdeführer hat auf eine Stellungnahme
hierzu verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Dem angefochtenen Urteil der Vorinstanz liegt eine baurechtliche
Streitigkeit und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zugrunde. Das
Bundesgerichtsgesetz enthält auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts
keinen Ausschlussgrund von der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 lit. a und Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist
Nachbar im baurechtlichen Sinn und hatte im vorinstanzlichen Verfahren
Parteistellung. Er ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und
hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Er ist damit zur
Beschwerdeführung berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können
Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1
S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten - einschliesslich der
willkürlichen Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht - gilt eine
qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
281 f.). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit
möglich, belegte Rügen.
Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der
Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar
ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen
Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder
gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV.

2.2. Aus der Rechtsanwendung von Amtes wegen folgt, dass das Bundesgericht
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden ist; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (
BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht kein Anspruch der Parteien, zur
rechtlichen Würdigung der in den Prozess eingeführten Tatsachen noch besonders
angehört zu werden. Eine Ausnahme besteht namentlich dann, wenn ein Gericht
seinen Entscheid mit einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, auf den sich
die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit dessen Erheblichkeit sie
vernünftigerweise nicht rechnen mussten (BGE 130 III 35 E. 5 S. 39; 126 I 19 E.
2c/aa S. 22; 124 I 49 E. 3c S. 52).
Diese Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

2.3. Die kommunale Baubewilligungsbehörde ging im Einspracheentscheid vom 8.
August 2016 von geschlossener Bauweise aus (vgl. hierzu Art. 17 des Baugesetzes
der Gemeinde Domat/Ems vom 30. November 2008 / 10. März 2009 [BauG]). Im
vorinstanzlichen Verfahren stellten sich die Gemeinde Domat/Ems und die
Beschwerdegegnerin indes auf den Standpunkt, dass die offene Bauweise Anwendung
findet (vgl. Art. 24 Abs. 1 BauG). Umstritten war und ist, ob die
Voraussetzungen der bei offener Bauweise anwendbaren Ausnahmebestimmung von
Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG erfüllt sind. Der Beschwerdeführer hat im
vorinstanzlichen Verfahren dargelegt, weshalb dies seines Erachtens nicht der
Fall ist. Vor diesem Hintergrund musste er damit rechnen, dass die Vorinstanz
ihren Entscheid auf Art. 23 Abs. 2 BauG stützt und die Beschwerde mit einer von
der Baubewilligungsbehörde abweichenden Begründung abweist. Dies hat die
Vorinstanz in der Folge auch getan und begründet, weshalb eine
Ausnahmebewilligung erteilt werden kann (angefochtenes Urteil E. 6; vgl. auch
nachfolgend E. 4).
Des Weiteren hat die Vorinstanz im angefochtenen Urteil zwar knapp, aber
hinreichend begründet, weshalb ihres Erachtens die Bestimmungen über die
Fassadenhöhe eingehalten sind (angefochtenes Urteil E. 7c; vgl. auch
nachfolgend E. 5).
Eine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des Anspruchs auf
rechtliches Gehör liegt folglich nicht vor.

2.4. Nicht als Verletzung des rechtlichen Gehörs zu qualifizieren ist auch,
dass die Beurteilung des von der Gemeinde beigezogenen Bauberaters nicht in
schriftlicher Form vorliegt, sondern anlässlich des Augenscheins vom 11. Januar
2017 mündlich geäussert worden ist. Das Gesetz, d.h. Art. 21 Abs. 2 BauG,
verlangt nicht ausdrücklich, dass die Beurteilung schriftlich festzuhalten ist.
Der Beschwerdeführer macht denn auch keine willkürliche Anwendung von Art. 21
Abs. 2 BauG geltend.
Entscheidend ist, dass sich der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren
umfassend äussern konnte. Soweit er vorbringt, er sei erst anlässlich des
Augenscheins mit der Einschätzung des Bauberaters zum Bauprojekt konfrontiert
worden, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer offengestanden
ist, zum Augenscheinsprotokoll Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer hat
indes mit Eingabe vom 13. Januar 2017 ausdrücklich auf eine Stellungnahme
verzichtet.
Eine Gehörsverletzung ist auch insoweit zu verneinen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt in verschiedener Hinsicht eine willkürliche Anwendung
kommunalen und kantonalen Rechts. Er lastet der Vorinstanz eine offensichtlich
unrichtige Anwendung der Vorschriften über die Gebäudelänge (nachfolgend E. 4)
und über die Gebäudehöhe (traufseitige Fassadenhöhe; nachfolgend E. 5) an.
Schliesslich erachtet er die vorinstanzliche Kostenverteilung und
Entschädigungsregelung als willkürlich (nachfolgend E. 6).

4.

4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, gestützt auf Art. 9 i.V.m. Art. 23
Abs. 2 BauG dürfe die Gebäudelänge maximal 12 m betragen. Die geplante
Gebäudelänge bemesse sich strassenseitig auf 22,48 m, was eine massive
Überschreitung bedeute. Ein besonderer Fall im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Satz 3
BauG läge nur vor, wenn die Einhaltung der Bauvorschriften für den Bauherrn
eine besondere Härte bedeuten würde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die
Parzelle auch unter Einhaltung der Vorschriften über die Regelbauweise optimal
überbaut werden könne. Allein die angeblich gelungene architektonische
Einbettung des Bauprojekts in die Umgebung reiche für die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung nicht aus. Für eine Abweichung von der Regelbauweise stehe
das Instrument des Quartierplans, nicht aber dasjenige der Ausnahmebewilligung
zur Verfügung.

4.2. Die Vorinstanz hat erwogen, in den Kernzonen solle die bestehende
Strassenbebauung in der typischen Siedlungsstruktur erhalten und ergänzt werden
(Art. 19 Abs. 2 BauG). Die Bauparzelle befinde sich gemäss Zonenplan und
generellem Gestaltungsplan (GGP) zudem in einem Strassenbereich mit erhöhten
Gestaltungsanforderungen. Die Länge der Südostfassade betrage 22,48 m, wobei
diese Fassade durch einen Rücksprung von 92 cm unterbrochen werde. Damit
entstehe eine die architektonischen Eigenheiten des umliegenden Strassengebiets
berücksichtigende Fassadenstaffelung. Anlässlich des Augenscheins vom 11.
Januar 2017 habe der von der Gemeinde beigezogene Bauberater anhand eines das
ganze Dorf abbildenden Modells erläutert, wie sich das Bauvorhaben in den
umgebenden Dorfbereich einfüge. Neben den Erkenntnissen des Gerichts vor Ort
habe dieses Modell die gute Eingliederung des in drei Teile gestalteten
Baukörpers deutlich gemacht. Die Überschreitung der Gebäudelänge von 12,0 m
erscheine aus architektonischen Gründen gerechtfertigt. Damit würden die
massgebenden Bestimmungen über die Gebäudelängen eingehalten.

4.3. Für die Gebäudelänge gilt in der Kernzone C aufgrund von Art. 9 BauG der
Artikel über die Kernzone B (Art. 23 BauG). Gemäss Art. 23 Abs. 2 BauG dürfen
bei offener Bauweise die Gebäudelängen bzw. -breiten gegenüber Strassen und
Gassen 12,0 m nicht überschreiten. Die Gebäudetiefe ist nach architektonischen
Kriterien zu bestimmen. In besonderen Fällen und soweit eine architektonisch
gute Lösung gewährleistet wird, kann der Gemeindevorstand Abweichungen
bewilligen.

4.4. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die kantonalrechtliche
Ausnahmebestimmung von Art. 82 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes des Kantons
Graubünden vom 6. Dezember 2004 [KRG/GR; BR 801.100]. Nach dieser Bestimmung
kann die kommunale Baubehörde Ausnahmen von einzelnen Bau- und
Zonenvorschriften gewähren, wenn ausserordentliche Verhältnisse vorliegen und
die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen eine unverhältnismässige Härte
bedeutet; vorausgesetzt wird weiter, dass dadurch keine überwiegenden
öffentlichen und privaten Interessen verletzt werden. Mit dieser allgemeinen
Norm sollen im Sinne einer Generalermächtigung Abweichungen von nicht im
Einzelnen genannten Bauvorschriften ermöglicht werden.
Davon zu unterscheiden ist die sog. Spezialermächtigung, welche sich auf eine
oder mehrere bestimmte Bauvorschriften bezieht und für eine bestimmte
Konfliktsituation eine spezielle Regel aufstellt. Es ist das Gesetz, das
bestimmt, von welcher Bauvorschrift unter welchen Voraussetzungen abgewichen
werden kann. Damit handelt es sich hier eher um eine lex specialis, die bei
Erfüllung der fraglichen Voraussetzungen an die Stelle der Grundnorm tritt
(vgl. zum Ganzen Markus Lanter, in: Griffel / Liniger / Rausch / Thurnherr
[Hrsg.], Fachhandbuch Öffentliches Baurecht, 2016, Rz. 3.502 ff., insb. Rz.
3.513).
Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG stellt eine solche Spezialermächtigung dar, welche
in besonderen Fällen und soweit eine architektonisch gute Lösung gewährleistet
wird, Abweichungen von der maximal zulässigen Gebäudelänge und -breite von 12,0
m gemäss Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BauG erlaubt. Die Bewilligungsbehörde hat dabei
eine Einzelfallbeurteilung nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen (vgl.
Lanter, a.a.O., Rz. 3.514).

4.5. Die Auslegung von Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG hat unter Berücksichtigung
des Zwecks der Norm, von der abgewichen werden soll, zu erfolgen. Wie von der
Vorinstanz dargelegt, geht es bei den Vorschriften für die Kernzonen darum, die
bestehende Strassenbebauung in der typischen Siedlungsstruktur zu erhalten und
zu ergänzen (Art. 19 Abs. 2 BauG). Nach dem Verständnis der Gemeinde Domat/Ems
handelt es sich bei Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG um eine sog. städtebauliche
Ausnahmebewilligung, welche nicht oder jedenfalls nicht zwingend im Interesse
der Bauherrschaft liegen muss, sondern vor allem auch Interessen der
Öffentlichkeit verfolgt. Demnach soll mit Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG nicht eine
unzumutbare Härte seitens der Bauherrschaft gelindert, sondern eine
architektonisch und siedlungsgestalterisch bessere Lösung ermöglicht werden
(vgl. Vernehmlassung der Gemeinde Domat/Ems im bundesgerichtlichen Verfahren
vom 5. Mai 2017, S. 4, mit Verweis auf Lanter, a.a.O., Rz. 3.516). Diese
Auslegung erweist sich ohne Weiteres als haltbar.

4.6. Die Vorinstanz hat in ihrer Urteilsbegründung solche
siedlungsgestalterischen Gründe angeführt und dabei auf die Einschätzung des
externen Bauberaters sowie dessen Modell des Dorfkerns und die am Augenschein
gewonnenen Erkenntnisse verwiesen. Sie ist zum nachvollziehbaren Schluss
gekommen, dass die vorgesehene Fassadenstaffelung mit Rücksprung die
architektonischen Eigenheiten des umliegenden Strassengebiets berücksichtige
und sich in den umgebenden Dorfbereich einfüge. Darin kann ein besonderer Fall
im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Satz 3 BauG gesehen werden. Einer besonderen Härte
für die Bauherrschaft bedarf es zur Bejahung einer Ausnahmesituation nach dem
Gesagten nicht.
Die Vorinstanz hat sich mithin mit den Voraussetzungen von Art. 23 Abs. 2 BauG
auseinandergesetzt und diese ohne Verletzung von Bundesrecht bejaht. Die
Durchführung eines Quartierplanverfahrens für das einzelne Bauprojekt war
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht notwendig (vgl. hierzu Art.
51 ff. KRG/GR).

5.

5.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die zulässige traufseitige Fassadenhöhe
betrage maximal 10,5 m und werde bei korrekter Messung überschritten. Entgegen
der Auffassung der Vorinstanz sei die Fassadenhöhe anhand der Fassadenpläne und
nicht gestützt auf die Gebäudequerschnittpläne zu ermitteln.

5.2. Die Vorinstanz hat zusammenfassend erwogen, der obere Referenzpunkt bei
der Bemessung der Fassadenhöhe beziehe sich auf die Schnittlinie zwischen der
Fassadenflucht und der Oberkante der "Dachkonstruktion", weshalb die maximale
Fassadenhöhe von 10,5 m gemäss den Gebäudequerschnittplänen eingehalten werde.

5.3. Nach Art. 9 BauG in Verbindung mit Art. 13 BauG beträgt die zulässige
traufseitige Fassadenhöhe maximal 10,5 m.
Gemäss Ziff. 5.2 des Anhangs I zum BauG, auf welche die Vorinstanz Bezug
genommen hat, ist die Fassadenhöhe der grösste Höhenunterschied zwischen der
Schnittlinie der Fassadenflucht mit der Oberkante der Dachkonstruktion und der
dazugehörigen Fassadenlinie.
In den Erläuterungen zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung
der Baubegriffe (IVHB), auf welche die Vorinstanz ebenfalls hingewiesen hat,
wird festgehalten, der deutsche Begriff der Dachkonstruktion sei
auslegungsbedürftig. Gemeint sei im bautechnischen Sinn das Traggerüst, also
das Dachtragwerk, aus welchen Materialien dieses auch immer bestehe. Darüber
lägen mindestens noch eine Isolation und eine Dachhaut. Klarer sei der
französische Begriff "charpente" (Dachstuhl, Dachgebälk, im erweiterten Sinne
auch Traggerüst), auch wenn damit natürlich nicht gemeint sei, dass alle
Gebäude eine Dachkonstruktion aus Holz besässen. Der obere Referenzpunkt liege
also beim höchsten Punkt der Tragkonstruktion ohne die allenfalls darauf
aufgebrachte Isolation und ohne die Dachhaut (IVHB-Erläuterungen vom 3.
September 2013, Kapitel "Fassadenhöhe", Ziff. 4).

5.4. Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner Beschwerde nicht mit dieser
Definition der Messweise der Fassadenhöhe in den IVHB-Erläuterungen
auseinander. Er beanstandet einzig, dass die Vorinstanz die Fassadenhöhe
gestützt auf die Gebäudequerschnittpläne und nicht anhand der Fassadenpläne
ermittelt habe. Er begründet indes nicht, weshalb das Abstellen auf die
Gebäudequerschnittpläne willkürlich sein soll.
Gestützt auf die Gebäudequerschnittpläne beträgt die traufseitige Fassadenhöhe
10,5 m, was vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird. Er behauptet auch
nicht, dass die Fassadenhöhe insoweit in Abweichung von den IVHB-Erläuterungen
berechnet worden wäre. Im Übrigen ergibt sich auch aus den - wenn auch nur
teilweise vermassten - Fassadenplänen nicht, dass die traufseitige Fassadenhöhe
10,5 m überschreitet.
Zusammenfassend vermag der Beschwerdeführer keine willkürliche Anwendung
kantonalen Rechts aufzuzeigen.

6.

6.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Beschwerdegegnerin habe im
vorinstanzlichen Verfahren ihre Baueingabe teilweise angepasst (Ausgestaltung
der Treppe in der Nordwestecke), um einen Streitpunkt aus dem Weg zu räumen.
Damit habe sie die Beschwerde teilweise anerkannt und sich insoweit unterzogen.
Indem dies die Vorinstanz bei der Verlegung der Kosten und bei der Festsetzung
der Entschädigung nicht berücksichtigt habe, sei sie in Willkür verfallen.

6.2. Die Vorinstanz hat erwogen, die Bauherrschaft habe die Gestaltung des
Aussentreppenaufgangs auf der Nordwestseite während des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geändert. Der den Grenzabstand nicht
einhaltende Treppenteil befinde sich nun vollständig innerhalb des Grundrisses
der bestehenden, eingeschossigen Garagenbaute. Die Klärung der Frage, ob die
Veränderung des vorbestandenen Bauvolumens gestützt auf Art. 20 Abs. 2 BauG
gestattet gewesen wäre, habe sich damit erübrigt. Damit werde die Beschwerde
indes nicht in einem wesentlichen Punkt anerkannt. Auch vor der Projektänderung
sei die Beschwerdegegnerin von der Zulässigkeit der projektierten Aussentreppe
ausgegangen. Sie habe mit der Projektänderung lediglich ihre
Argumentationslinie angepasst.

6.3. Gemäss Art. 73 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 31. August 2006 (VRG/GR; BR 370.100) hat im
Rechtsmittel- und im Klageverfahren in der Regel die unterliegende Partei die
Kosten zu tragen.

6.4. Die Beschwerdegegnerin hat sich im vorinstanzlichen Verfahren zu einer
Projektänderung entschieden, "um sich damit der Frage respektive rechtlichen
Beurteilung einer Anwendung von Art. 20 Abs. 2 BauG (Hofstattrecht) zu
entledigen" (Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin im bundesgerichtlichen
Verfahren vom 9. Mai 2017, S. 6). Dabei handelte es sich um einen erheblichen
Streitpunkt, was die eingehenden allgemeinen Ausführungen der Vorinstanz im
angefochtenen Urteil zum Hofstattrecht deutlich machen. Im Ergebnis hat die
Vorinstanz alsdann ausdrücklich offengelassen, ob die Voraussetzungen von Art.
20 Abs. 2 BauG erfüllt sind (vgl. angefochtenes Urteil E. 5c ff.).
Die Beschwerdegegnerin hat sich mit der Projektänderung damit in einem
wesentlichen Streitpunkt der Beschwerde unterzogen und hierdurch nicht bloss
"ihre Argumentationslinie angepasst". Bei diesem Ergebnis die
Beschwerdeführerin als vollständig unterliegend im Sinne von Art. 73 VRG/GR zu
betrachten, ist nicht haltbar. Daran ändert nichts, dass der Vorinstanz bei der
Kostenverteilung ein grosser Ermessensspielraum zukommt.

7.
Die Beschwerde ist damit (einzig) insoweit begründet, als der Beschwerdeführer
die Kosten- und Entschädigungsregelung im vorinstanzlichen Verfahren als
willkürlich rügt.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Dispositiv-Ziffern 2 und 3 des
angefochtenen Urteils sind aufzuheben. Es erscheint angemessen, die
Gerichtskosten des vorinstanzlichen Verfahrens von Fr. 4'485.-- zu drei
Vierteln dem Beschwerdeführer (Fr. 3'365.--) und zu einem Viertel der
Beschwerdegegnerin (Fr. 1'120.--) aufzuerlegen (Art. 67 BGG). Die der
Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren zugesprochene Entschädigung
von Fr. 7'500.-- ist um einen Viertel auf Fr. 5'625.-- zu reduzieren und mit
dem Anspruch des Beschwerdeführers von Fr. 1'925.-- zu verrechnen (ein Viertel
der Kostennote von Fr. 7'695.--). Der Beschwerdeführer ist daher zu
verpflichten, die Beschwerdegegnerin im vorinstanzlichen Verfahren mit Fr.
3'700.-- zu entschädigen (Art. 68 Abs. 5 BGG). Im Übrigen ist die Beschwerde
abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist es gerechtfertigt, die Gerichtskosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.-- zu drei Vierteln dem
Beschwerdeführer (Fr. 2'250.--) und zu einem Viertel der Beschwerdegegnerin
(Fr. 750.--) aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat der
Beschwerdegegnerin eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'500.--
auszurichten.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffern 2 und 3 des
angefochtenen Urteils werden aufgehoben. Die Gerichtskosten des
vorinstanzlichen Verfahrens von Fr. 4'485.-- werden dem Beschwerdeführer im
Umfang von Fr. 3'365.-- und der Beschwerdegegnerin im Umfang von Fr. 1'120.--
auferlegt. Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin für das
vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'700.-- zu
bezahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 3'000.-- werden
dem Beschwerdeführer im Umfang von Fr. 2'250.-- und der Beschwerdegegnerin im
Umfang von Fr. 750.-- auferlegt.

3. 
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Domat/Ems und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juni 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Stohner

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben