Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.154/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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1C_154/2017            

 
 
 
Urteil vom 1. November 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Chaix, 
Gerichtsschreiber Mattle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ AG, 
2. Baugesellschaft B.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin, 
 
gegen  
 
Helvetia Nostra, 
Beschwerdegegner, 
handelnd durch den Vereinsvorstand, 
präsidiert von Verena Weber, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf Schaller, 
 
Gemeinde Breil/Brigels, 
Casa Sentupada, 7165 Breil/Brigels, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger. 
 
Gegenstand 
Baubewilligung/Nichtigkeit/Widerruf, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 1. Februar 2017 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Gemeinde Breil/Brigels bewilligte der A.________ AG am 11. Dezember 2012
unter Bedingungen und Auflagen ein Baugesuch um Erstellung von zwei
Mehrfamilienhäusern auf der Parzelle Nr. 3647. Am 28. März 2014 beantragte
Helvetia Nostra bei der Gemeinde, die Baubewilligung für das Bauvorhaben auf
der Parzelle Nr. 3647 sei zu widerrufen, allenfalls sei deren Nichtigkeit
festzustellen. Mit Verfügung vom 26. Mai 2014 wies der Gemeindevorstand das
Gesuch von Helvetia Nostra ab, soweit er darauf eintrat. 
Eine von Helvetia Nostra gegen die Verfügung vom 26. Mai 2014 erhobene
Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom
11. November 2014 ab. Die von Helvetia Nostra dagegen erhobene Beschwerde hiess
das Bundesgericht teilweise gut, soweit es darauf eintrat (Urteil 1C_630/2014
vom 18. September 2015). Das Bundesgericht hob das angefochtene Urteil auf und
wies die Sache im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurück. Das
Bundesgericht wies das Verwaltungsgericht in seinem Urteil unter anderem an,
die Rüge von Helvetia Nostra zu prüfen, wonach die Baubewilligung erloschen
sei, weil von ihr nicht innert der einjährigen Frist zum Baubeginn Gebrauch
gemacht worden sei. 
 
B.   
Nachdem die A.________ AG mitgeteilt hatte, dass sie das Grundstück Nr. 3647
bereits am 22. August 2013 an die Baugesellschaft B.________ verkauft hatte,
lud das Verwaltungsgericht die Baugesellschaft B.________ zum Verfahren bei.
Mit Urteil vom 1. Februar 2017 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde von
Helvetia Nostra gut und stellte fest, dass die Baubewilligung der Gemeinde
Breil/Brigels vom 11. Dezember 2012 betreffend das Bauprojekt auf Parzelle Nr.
3647 erloschen sei. Zur Begründung führte es unter anderem aus, es könne offen
gelassen werden, ob innert der einjährigen Frist seit der Mitteilung der
Baubewilligung mit dem Bau begonnen worden sei. Selbst wenn man mit der
A.________ AG bzw. der Baugesellschaft B.________ von einem (rechtzeitigen)
Baubeginn am 17. November 2013 ausgehe, sei die Baubewilligung von Gesetzes
wegen erloschen, weil diesfalls am 17. November 2015 die zweijährige
Bauvollendungsfrist ohne Fertigstellung der Bauten abgelaufen sei. 
 
C.   
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2017 haben die
A.________ AG und die Baugesellschaft B.________ am 15. März 2017 gemeinsam
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
erhoben. Sie beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache
zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werde, das angefochtene Urteil sei zu bestätigen und die
Baubewilligung vom 11. Dezember 2012 sei aufzuheben bzw. das entsprechende
Baugesuch abzuweisen; im Falle einer Gutheissung sei die Sache zur Prüfung
weiterer Rügen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz beantragt unter
Verweis auf das angefochtene Urteil die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werde. Die Gemeinde Breil/Brigels hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet und stellt keinen Antrag. Mit Eingabe vom 7. Juli 2017 haben die
Beschwerdeführerinnen an ihrer Beschwerde festgehalten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer
öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und
Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerinnen haben am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen und sind als Baugesuchstellerin bzw. Eigentümerin des
streitbetroffenen Grundstücks zur Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 89 Abs. 1
BGG). Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vorbehältlich zulässiger
und genügend begründeter Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 i.v.m. 
Art. 95 BGG) einzutreten. 
Soweit der Beschwerdegegner beantragt, das angefochtene Urteil sei zu
bestätigen, die Baubewilligung aufzuheben und das Baugesuch abzuweisen, kommt
diesen Begehren neben der beantragten Abweisung der Beschwerde keine
eigenständige Bedeutung zu, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. 
 
2.   
Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Sie machen geltend, die Vorinstanz habe ihnen keine
Gelegenheit gegeben, sich zur Frage zu äussern, ob die Baubewilligung wegen
Ablaufs der Bauvollendungsfrist erloschen sei bzw. ob die Frist von der
Gemeinde verlängert worden sei. Ausserdem habe die Vorinstanz sich nicht mit
sämtlichen Rügen von Helvetia Nostra auseinandergesetzt, die sie gemäss dem
Urteil des Bundesgerichts vom 18. September 2015 noch zu prüfen gehabt hätte. 
 
2.1. Zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) gehört das Recht
des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden
Entscheids zum Sachverhalt zu äussern sowie das Recht auf Abnahme der
rechtzeitig und formrichtig angebotenen rechtserheblichen Beweismittel (BGE 141
I 60 E. 3.3 S. 64; 140 I 99 E. 3.4 S. 102 f., mit Hinweisen). Hingegen umfasst 
Art. 29 Abs. 2 BV grundsätzlich nicht das Recht, sich auch zu der von der
Behörde beabsichtigten Erledigung bzw. zur vorgesehenen rechtlichen Begründung
des Entscheids zu äussern (BGE 134 V 97 E. 2.8.2 S. 107; 132 II 257 E. 4.2 S.
267 f., 485 E. 3.4 S. 495; Urteil 2C_348/2015 vom 23. Mai 2016 E. 3.2.2). Ein
solcher Anspruch besteht nur, wenn eine Behörde ihren Entscheid mit einer
Rechtsnorm oder einem Rechtstitel zu begründen beabsichtigt, der im bisherigen
Verfahren nicht herangezogen wurde, auf den sich die Parteien nicht berufen
haben und mit dessen Erheblichkeit im konkreten Fall sie nicht rechnen konnten
(BGE 131 V 9 E. 5.4.1 S. 26; 128 V 272 E. 5b/bb S. 278; Urteil 2C_348/2015 vom
23. Mai 2016 E. 3.2.2).  
 
2.2. Der Beschwerdegegner brachte im vorinstanzlichen Verfahren (damals als
Beschwerdeführer), unter anderem vor, die Baubewilligung vom 11. Dezember 2012
sei - falls mit den Bauarbeiten überhaupt begonnen worden sei - infolge
Nichtweiterführung der Bauarbeiten erloschen, zumal die Bauherrschaft kein
Gesuch um Fristverlängerung gestellt und die Beschwerden vor der Vorinstanz
sowie dem Bundesgericht keine aufschiebende Wirkung gehabt hätten (vgl. die
Stellungnahmen vom 9. Dezember 2015, Ziffer 4, S. 4 sowie vom 4. Januar 2016,
Ziffer 3, S. 2). Die Beschwerdeführerinnen erhielten Gelegenheit, sich im
vorinstanzlichen Verfahren (als Beschwerdegegnerinnen) zu den erwähnten
Vorbringen zu äussern, wovon sie denn auch Gebrauch gemacht haben (vgl. die
Stellungnahmen vom 11. Januar 2016 sowie vom 16. Januar 2016). Die
Beschwerdeführerinnen konnten sich somit vorgängig zur Sache äussern. Ausserdem
hat die Vorinstanz ihr Urteil nicht mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtstitel
begründet, der im bisherigen Verfahren nicht herangezogen wurde, auf den sich
die Parteien nicht berufen haben und mit dessen Erheblichkeit im konkreten Fall
die Beschwerdeführerinnen nicht rechnen konnten.  
 
2.3. Es trifft zu, dass die Vorinstanz nicht sämtliche von Helvetia Nostra in
der Beschwerde vorgebrachten Rügen, die das Bundesgericht in seinem Urteil vom
18. September 2015 zur Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen hat,
abschliessend geprüft und beurteilt hat. Namentlich hat die Vorinstanz die
Frage offen gelassen, ob innert der einjährigen Frist seit der Mitteilung der
Baubewilligung mit dem Bau begonnen worden sei oder nicht. Sie hat indessen
nachvollziehbar und ohne Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichts vom 18.
September 2015 aufgezeigt, weshalb die Baubewilligung vom 11. Dezember 2012
ihrer Ansicht nach inzwischen ohnehin erloschen ist. Dass die Vorinstanz die
seit dem Urteil des Bundesgerichts vom 18. September 2015 neu eingetretenen
Umstände mitberücksichtigt und nicht alle von Helvetia Nostra vorgebrachten
Punkte abschliessend beurteilt hat, ist in der vorliegenden Konstellation nicht
zu beanstanden, zumal die Prüfung weiterer Rügen nichts am Ergebnis ihres
Urteils hätte ändern können. Die Beschwerdeführerinnen dringen mit der Rüge,
das angefochtene Urteil verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV), nicht durch.  
 
3.   
Die Beschwerdeführerinnen machen sinngemäss geltend, die tatsächliche
Feststellung der Vorinstanz, wonach die Bauherrschaft bei der Gemeinde keine
Fristverlängerung für die Vollendung des Bauvorhabens eingeholt habe, sei nicht
richtig. Ausserdem habe die Vorinstanz nicht abgeklärt, ob eine Verlängerung
der Bauvollendungsfrist ausdrücklich oder konkludent gewährt bzw. vereinbart
worden sei. 
Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Von der beschwerdeführenden Person kann die
Feststellung des Sachverhalts wiederum nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2
BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor
Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
Wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, war für die Vorinstanz in
tatsächlicher Hinsicht massgebend, dass die Beschwerdeführerinnen bei der
Gemeinde nicht aktiv um eine Erstreckung der Baufristen ersucht haben, dass die
Gemeinde die Bauvollendungsfrist folglich nicht verlängert hat und dass die
Beschwerdeverfahren vor der Vorinstanz bzw. dem Bundesgericht keine
aufschiebende Wirkung hatten. Die Beschwerdeführerinnen legen nicht
substanziiert dar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz
insoweit den entscheidwesentlichen Sachverhalt im Sinne von Art. 9 BV
willkürlich oder im Sinne von Art. 95 BGG rechtsverletzend festgestellt haben
sollte. Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf eine
angebliche Vereinbarung nichts, welche zwischen der Baugesuchstellerin und der
Gemeinde stillschweigend getroffen worden sei. Damit ist dem vorliegenden
Urteil der Sachverhalt zugrunde zu legen, den die Vorinstanz festgestellt hat. 
 
4.   
In der Sache rügen die Beschwerdeführerinnen eine willkürliche Verletzung von
Art. 91 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 6.
Dezember 2004 (KRG; BR 801.100). 
 
4.1. Art. 91 KRG trägt den Titel "Baubeginn, Erlöschen der Baubewilligung,
Bauvollendung" und lautet wie folgt:  
 
" 1        Bauvorhaben dürfen begonnen werden, sobald die Baubewilligung
schriftlich vorliegt. Vorbehalten bleiben anderslautende Anordnungen in einem
Rechtsmittelverfahren. 
2        Baubewilligungen und BAB-Bewilligungen erlöschen, wenn mit den
Bauarbeiten nicht innert Jahresfrist seit zulässigem Baubeginn begonnen worden
ist. Bauvorhaben sind innert zwei Jahren nach Baubeginn zu vollenden. Die für
die Bewilligung zuständige Behörde kann diese Fristen auf begründetes Gesuch
hin angemessen verlängern. 
3        Wird ein Bauvorhaben nicht vollendet, sind unvollendete Bauteile zu
entfernen und der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen." 
 
4.2. Die Vorinstanz hat erwogen, rechtsprechungsgemäss gelte nach Art. 91 KRG
auch für die Bauvollendung die Verwirkungsfolge. Laufe die zweijährige
Bauvollendungsfrist ab, erlösche die Baubewilligung von Gesetzes wegen. Wolle
ein Bauherr das in Frage stehende Bauvorhaben nach dem Ablauf der
Bauvollendungsfrist dennoch realisieren, müsse er ein neues Baugesuch
einreichen, über welches die Baubehörde auf Grundlage der dannzumal geltenden
Regelungen zu entscheiden habe. Während für die Auslösung der einjährigen Frist
zum Baubeginn die Eröffnung der Baubewilligung unter Vorbehalt derer
Vollstreckbarkeit massgebend sei, werde die zweijährige Bauvollendungsfrist
durch den tatsächlichen Baubeginn ausgelöst, wobei dann bei ihrem Lauf
allfällige Bauhindernisse des kommunalen Rechts (wie z.B. saisonale
Baueinschränkungen im Baugesetz) oder behördlich verfügte, privatrechtliche
Bauhindernisse (wie z.B. von einem Bezirksgericht verfügte Bauverbote) zu
berücksichtigen seien.  
Vorliegend gelte der Erlass bzw. die Mitteilung der Baubewilligung vom 11.
Dezember 2012 als massgebender Zeitpunkt für den Lauf der einjährigen
Baubeginnfrist, da die Baubewilligung den Baubeginn nicht etwa durch
Bedingungen aufschiebe. Die Bauherrin hätte somit ab dem 12. Dezember 2012
bauen dürfen, weshalb die einjährige Frist zum Baubeginn am 12. Dezember 2013
abgelaufen sei. Es könne offen gelassen werden, ob am 17. November 2013 den
Baubeginn auslösende Aushubarbeiten oder bloss unbedeutende Abschürfungen
getätigt worden seien. Wenn man von einem Baubeginn am 17. November 2013
ausgehe, sei die Baubewilligung jedenfalls am 17. November 2015 - d.h. nach der
zweijährigen Bauvollendungsfrist gemäss Art. 91 Abs. 2 KRG - erloschen, zumal
keine fristunterbrechenden kommunalen Bauhindernisse bestünden, die
Bauherrschaft bei der Gemeinde keine Fristverlängerung eingeholt habe und die
Beschwerdeverfahren vor der Vorinstanz sowie dem Bundesgericht keine
aufschiebende Wirkung gehabt hätten. Die Bauherrin habe unter Berücksichtigung
der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht in guten Treuen mit der
Fortsetzung der Bauarbeiten zuwarten dürfen, ohne bei der Gemeinde um die
Erstreckung der Baufristen oder im vorinstanzlichen Verfahren bzw. im
bundesgerichtlichen Verfahren um aufschiebende Wirkung (recte: um entsprechende
vorsorgliche Massnahmen) zu ersuchen. 
 
4.3.  
 
4.3.1. Ob der angefochtene Entscheid kantonales Recht verletzt, prüft das
Bundesgericht grundsätzlich nur auf Willkür hin und nur insoweit, als eine
solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 95 BGG i.V.m. Art. 9 BV und Art. 106 Abs. 2 BGG). Willkürlich ist ein
Entscheid, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 141 I 70 E. 2.2 S. 72, 49 E. 3.4 S. 53; 140 I 201 E. 6.1 S. 205; je mit
Hinweisen).  
 
4.3.2. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Untergang einer
erteilten Baubewilligung wegen Ablaufs der Bauvollendungsfrist vorbehältlich
einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage eine zulässige Rechtsfolge (vgl.
Urteil 1P.609/1994 vom 15. Dezember 1994 E. 3c, in: ZBl, 96 1995 515). Art. 91
Abs. 2 KRG lässt sich auch mit Blick auf den Titel von Art. 91 KRG willkürfrei
so auslegen, dass es sich bei der zweijährigen Bauvollendungsfrist gemäss Satz
2 nicht um eine blosse Ordnungsfrist handelt, sondern dass eine erteilte
Baubewilligung mit Ablauf der zweijährigen Bauvollendungsfrist ab tatsächlichem
Baubeginn - gleich wie im Fall des ungenutzten Ablaufs der Baubeginnfrist
gemäss Satz 1 - von Gesetzes wegen erlischt, wenn die Baute nicht
fertiggestellt und nicht gemäss Satz 3 um Verlängerung der Frist ersucht wurde.
Daran ändern auch die Einwände der Beschwerdeführerinnen nichts, es liege im
Interesse der Bauherrschaft, lange Baufristen zu vermeiden, der Frage der
effektiven Dauer der Bauarbeiten werde in der Praxis nicht nachgegangen, im
Kanton Graubünden herrschten im Hinblick auf die Bauzeit geografisch und
meteorologisch höchst unterschiedliche Verhältnisse sowie der Kanton Zürich
kenne keine der Verwirkung unterstehende Bauvollendungsfrist.  
 
4.3.3. Nicht offensichtlich unhaltbar ist sodann die Annahme der Vorinstanz,
die Beschwerdeführerinnen hätten im Hinblick auf Art. 91 Abs. 2 KRG sowie die
dazu ergangene Rechtsprechung nicht davon ausgehen können, die
Bauvollendungsfrist stehe während des vorinstanzlichen Verfahrens bzw. des
Verfahrens vor Bundesgericht still. Wohl mag ein laufendes
Rechtsmittelverfahren mit ungewissem Ausgang in Bezug auf die Beständigkeit
einer erteilten Baubewilligung einen zulässigen Grund für eine Verlängerung der
gesetzlichen Bauvollendungsfrist im Sinne von Art. 91 Abs. 2 Satz 3 KRG
darstellen. Nicht willkürlich ist indessen die vorinstanzliche
Schlussfolgerung, wonach eine Verlängerung der zweijährigen Bauvollendungsfrist
auch im Falle einer Beschwerde gegen die Baubewilligung ein ausdrückliches
Gesuch der Bauherrschaft voraussetzt, jedenfalls wenn der Beschwerde - wie
vorliegend - keine aufschiebende Wirkung zukommt.  
 
5.   
Soweit sich die Beschwerdeführerinnen schliesslich auf den Grundsatz von Treu
und Glauben (Art. 9 BV) berufen, dringen sie ebenfalls nicht durch. Namentlich
ist weder genügend dargetan noch ersichtlich, inwiefern das Verhalten der
Gemeinde im Hinblick auf die Weitergeltung der Baubewilligung eine
Vertrauensgrundlage geschaffen hätte, auf welche sich die Beschwerdeführerinnen
berufen könnten (vgl. BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f.; 131 II 627 E. 6.1 S. 636
f.; je mit Hinweisen). Daran ändern auch die Einwände der Beschwerdeführerinnen
nichts, die Gemeinde habe im Laufe des Verfahrens die Ansicht vertreten, es sei
rechtzeitig mit den Bauarbeiten begonnen worden, und es sei mit der Gemeinde
stillschweigend vereinbart gewesen, dass die Bauvollendungsfrist während den
hängigen Beschwerdeverfahren ausgesetzt sei. 
 
6.   
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den
Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (vgl. Art. 66
Abs. 1 und 5 BGG). Die Beschwerdeführerinnen haben dem Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftung auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerinnen haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Breil/Brigels und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. November 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Mattle 

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