Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.137/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[R]             
1C_137/2017     

Urteil vom 26. Juli 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________ AG,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Luzi Bardill,

gegen

C.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Just,

Gemeinde Vaz/Obervaz,
Gemeindehaus, 7078 Lenzerheide/Lai,
vertreten durch Rechtsanwalt Peder Cathomen.

Gegenstand
Bauvollendungsfrist (Verlängerung),

Beschwerde gegen das Urteil vom 1. Februar 2017
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A. 
Am 9. August 2012 erteilte die Gemeinde Vaz/Obervaz der C.________ AG
(Bauherrin) die Bewilligung zum Abbruch eines Stalls und zum Neubau von zwei
Mehrfamilienhäusern mit Restaurant auf den Parzellen Nrn. 3862 und 2863 in
Lenzerheide.
A.________ und die B.________ AG sind Eigentümer von Stockwerkeinheiten auf
einer an das Baugrundstück angrenzenden Parzelle.
Am 2. Mai 2016 machten namentlich A.________ und der Verwaltungsratspräsident
der B.________ AG geltend, die der Bauherrin erteilte Baubewilligung sei
infolge unbenutzten Ablaufs der zweijährigen Bauvollendungsfrist gemäss Art. 91
des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 6. Dezember 2004 (KRG)
hinfällig geworden, weshalb das Baugesuch nochmals neu aufzulegen und
auszuschreiben sei.
Am 25. Mai 2016 ersuchte die Bauherrin die Gemeinde Vaz/Obervaz darum, die
Bauvollendungsfrist gemäss Art. 91 KRG bis Ende Juni 2017 zu verlängern und
machte geltend, diese Frist sei unter Berücksichtigung der kommunalen
Bausperren noch nicht abgelaufen.
Mit Entscheid vom 14. Juli 2016 hiess der Gemeindevorstand Vaz/Obervaz das
Gesuch um Verlängerung der Frist zur Fertigstellung der Bauten auf der Parzelle
Nr. 3862 gut und erstreckte diese Frist bis 30. Juni 2017.
Zur Begründung führte der Gemeindevorstand an, die im kommunalen Baugesetz
vorgesehenen Bausperren während der Wintersaison seien bei der Berechnung der
Bauzeiten zu berücksichtigen. Demnach habe während weniger als 21,5 Monaten
gebaut werden können, weshalb das Verlängerungsgesuch innerhalb der
zweijährigen Frist gestellt worden sei. Bezüglich der Bewilligung einer
Verlängerung sei eine Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des
Bauherrn an der Fertigstellung der Baute gemäss der Baubewilligung und dem
öffentlichen Interesse an der Durchsetzung allfälliger seither eingetretener
Rechtsänderungen vorzunehmen. Die Baubewilligung vom 9. August 2012 lasse die
Erstellung von Zweitwohnungen zu. Seither sei jedoch am 1. Januar 2016 das
Bundesgesetz über Zweitwohnungen vom 20. März 2015 (Zweitwohnungsgesetz, ZWG)
in Kraft getreten, das in der Gemeinde Vaz/Obervaz den Bau von neuen
Zweitwohnungen verbiete. Das private Interesse an der Fertigstellung der Bauten
gemäss der Baubewilligung sei vorliegend stärker zu gewichten als das
öffentliche Interesse an der Umsetzung des Zweitwohnungsgesetzes, weshalb die
Fristverlängerung bis am 30. Juni 2017 zu gewähren sei.

B. 
Eine dagegen von A.________ und der B.________ AG erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom 1. Februar 2017 ab.

C. 
A.________ und die B.________ AG (Beschwerdeführer) erheben Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 1. Februar 2017 sowie die im Entscheid des
Gemeindevorstands Vaz/Obervaz vom 14. Juli 2016 gewährte Fristverlängerung zur
Fertigstellung der Bauten auf der Parzelle Nr. 3862 seien aufzuheben und die
Gemeinde Vaz/Obervaz sei anzuweisen, das Bauvorhaben nochmals gesetzeskonform
auszuschreiben.
Das Verwaltungsgericht schliesst unter Verweis auf die Ausführungen im
angefochtenen Entscheid auf Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Vaz/Obervaz
und die Bauherrin (Beschwerdegegnerin) beantragen, die Beschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei.
Die Beschwerdeführer reichten zu den Vernehmlassungen eine Stellungnahme ohne
neue Anträge ein.

Erwägungen:

1. 

1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs.
1 BGG). Es untersucht deshalb grundsätzlich von Amtes wegen, ob und inwiefern
auf eine Beschwerde eingetreten werden kann. Da die Beschwerde gemäss Art. 42
Abs. 1 und Abs. 2 BGG hinreichend zu begründen ist, ist in der Beschwerde
darzulegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind,
soweit diese nicht ohne weiteres ersichtlich sind (BGE 133 II 400 E. 2 S. 403
f.).

1.2. Gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt ist (lit. b). Verlangt ist somit
neben der formellen Beschwer, dass der Beschwerdeführer zur Streitsache über
eine spezifische Beziehungsnähe verfügt. Diese Nähe muss bei Bauprojekten
insbesondere in räumlicher Hinsicht gegeben sein (BGE 140 II 214 E. 2.3 S. 219
f.; 137 II 30 E. 2.2.2 S. 34; Urteil 1C_203/2016 vom 19. August 2016 E. 3.2; je
mit Hinweisen). Zudem verlangt Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG, dass der
Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung
des angefochtenen Entscheids besitzt. Nach der Rechtsprechung setzt dieses
Interesse voraus, dass dem Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens ein
praktischer Nutzen entsteht. Ein solcher Nutzen ist bei Streitigkeiten über
Baubewilligungen grundsätzlich zu bejahen, wenn das Durchdringen von Rügen des
Beschwerdeführers sich rechtlich oder tatsächlich auf seine Stellung auswirken
würde, indem das Bauvorhaben, soweit es ihn belastet, nicht oder anders
realisiert würde als geplant (BGE 139 II 499 E. 2.2 S. 504 mit Hinweisen).
Nicht zulässig ist hingegen das Vorbringen von Beschwerdegründen, mit denen
einzig ein allgemeines öffentliches Interesse an der richtigen Anwendung des
Rechts verfolgt wird, ohne dass den Beschwerdeführenden im Falle des Obsiegens
ein Vorteil entsteht (BGE 137 II 30 E. 2.2.3 S. 33 mit Hinweis).

1.3. Die Vorinstanz führte aus, die Beschwerdeführer seien als Eigentümer von
Stockwerkeinheiten auf einem unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden
Grundstück von der strittigen Fristverlängerung besonders berührt. Die
Gutheissung ihrer Beschwerde würde ihnen offensichtlich einen praktischen
Nutzen bringen, da nach Ablauf der zweijährigen Bauvollendungsfrist die
Baubewilligung von Gesetzes wegen erlösche.

1.4. Vor Bundesgericht bringen die Beschwerdeführer vor, ihre direkte
Betroffenheit sei ausgewiesen. Würde die Beschwerde gutgeheissen, wäre die
Baubewilligung hinfällig und das Baubewilligungsverfahren sei, da die beiden
Gebäude grossmehrheitlich fertiggestellt seien, neu durchzuführen. Dabei
könnten infolge der veränderten Gesetzgebung mit Bezug auf die Zweitwohnungen
allenfalls Nachteile zu Lasten der Bauherrschaft resultieren, da eventuell
sogar Erstwohnungen geschaffen würden.

1.5. Gemäss diesen Ausführungen gehen die Beschwerdeführer davon aus, die
Gutheissung ihrer Beschwerde führe dazu, dass die Beschwerdegegnerin zur
Vollendung der Bauten ein neues Baugesuch einreichen müsse. Zudem bringen die
Beschwerdeführer dem Sinne nach vor, dass infolge des nachträglichen
Inkrafttretens des Zweitwohnungsgesetzes bezüglich einer erneuten
Baubewilligung allenfalls Nachteile zu Lasten der Bauherrschaft resultieren
könnten, da nur Erstwohnungen geschaffen werden könnten. Sie machen damit
implizit geltend, dass in der Gemeinde Vaz/Obervaz der zulässige
Zweitwohnungsanteil überschritten sei und daher gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. a und
b ZWG neue Wohnungen nur bewilligt werden dürften, wenn sie als Erstwohnung
oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung genutzt werden. Inwiefern eine
entsprechende Nutzungsbeschränkung gemäss Art. 7 Abs. 3 ZWG für die
Beschwerdeführer einen Nutzen bzw. einen praktischen Vorteil bringen soll,
legen sie jedoch nicht dar. Sie machen nicht geltend, eine solche
Nutzungsbeschränkung würde dazu führen, dass die Beschwerdegegnerin auf die
Fertigstellung der Bauten ganz oder teilweise verzichte. Dies ist auch nicht
ersichtlich, da die Bauten gemäss den Angaben der Beschwerdeführer bereits
grossmehrheitlich errichtet wurden und die Beschwerdegegnerin in ihrer
Beschwerdeantwort ausführt, die Bauten seien heute - abgesehen vom Endausbau
einzelner Wohnungen - fertiggestellt und bereits abgenommen. Die
Beschwerdeführer bringen auch nicht vor, die zulässige Nutzung der Bauten als
Erstwohnungen oder als touristisch bewirtschaftete Wohnungen sei für sie
vorteilhafter bzw. weniger belastend als eine Nutzung als Zweitwohnungen, was
auch nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Demnach ist mangels eines praktischen
Nutzens der Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

1.6. Diese wäre im Übrigen in der Sache unbegründet. Die Beschwerdeführer rügen
einzig, die vorinstanzliche Annahme, die Frist zur Bauvollendung gemäss Art. 91
KRG werde durch saisonale kommunale Baubeschränkungen oder gerichtliche
Bauverbote gehemmt, sei willkürlich. Zur Begründung bringen die
Beschwerdeführer zusammengefasst vor, Art. 91 KRG sehe eine solche Hemmung
nicht vor, obwohl die winterlichen Bausperrfristen in verschiedenen
Tourismusgemeinden bekannt gewesen seien. Demnach sei insoweit von einem
qualifizierten Schweigen auszugehen, zumal Art. 91 KRG ausdrücklich zulasse,
eine Fristverlängerung zu beantragen. Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung
müsse deshalb in Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln darauf geschossen
werden, von der Bauvollendungsfrist gemäss Art. 91 KRG dürften - abgesehen von
der Gutheissung eines rechtzeitig eingereichtes Verlängerungsgesuchs - keine
weiteren Ausnahmen zugelassen werden.
Ob ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt, ist durch Auslegung
zu ermitteln (BGE 143 IV 49 E. 1.4.2 S. 55 mit Hinweis). Die für ein solches
Schweigen angeführten Argumente der Beschwerdeführer sind nicht zwingend, da
die Vorinstanz für ihre Auslegung nachvollziehbare Gründe anführte. Demnach ist
die vorinstanzliche Auslegung von Art. 91 KRG nicht unhaltbar, weshalb ein
Verstoss gegen das Willkürverbot zu verneinen ist (vgl. BGE 141 I 70 E. 2.2 S.
72 mit Hinweisen).

2. 
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66. Abs. 1
BGG). Diese haben der anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegnerin unter
solidarischer Haftbarkeit eine angemessene Parteientschädigung auszurichten
(Art. 68 Abs. 1, 2 und 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 5 BGG).

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Vaz/Obervaz und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juli 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Gelzer

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