Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.135/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_135/2017

Urteil vom 7. Juni 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Gerspacher,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau,
Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau.

Gegenstand
Entzug des Führerausweises,

Beschwerde gegen das Urteil vom 1. Februar 2017 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
A.________ erwarb am 16. Mai 1988 in Deutschland einen Ausweis zum Führen von
Personenwagen. Am 14. November 1995 wurden ihm ebenfalls in Deutschland weitere
Führerausweiskategorien erteilt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen, Deutschland, vom
18. Dezember 2006 wurde A.________ der deutsche Führerausweis wegen einer
Trunkenheitsfahrt auf unbestimmte Zeit entzogen. Anträge von A.________ auf
Wiedererteilung des Führerausweises wurden mit Entscheiden des Landratsamts
Waldshut, Deutschland, vom 7. Oktober 2008 und 19. Oktober 2011 aufgrund nicht
ausgeräumter Fahreignungsbedenken abgelehnt.
Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau wies mit Verfügung vom 4. April 2014
ein Gesuch des seit 2011 in Würenlingen wohnhaften A.________ um Erteilung
eines schweizerischen Lernfahr- bzw. Führerausweises ab. Es machte die
Erteilung eines Lernfahrausweises von einem die Fahreignung bejahenden
verkehrsmedizinischen Gutachten abhängig. Diese Verfügung erwuchs unangefochten
in Rechtskraft.
Am 7. Januar 2016 liess sich A.________ in Deutschland begutachten. Im
entsprechenden Gutachten vom 21. Januar 2016 wurde seine Fahreignung bejaht.
Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau erteilte daraufhin A.________ am 1.
März 2016 die Bewilligung für die Anmeldung zur schweizerischen Führerprüfung
ohne Auflagen. Auch diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 31. März 2016 meldete sich A.________ in Würenlingen ab und gleichentags in
Waldshut-Tiengen, Deutschland, an. Am 27. Mai 2016 erteilten ihm die deutschen
Behörden den deutschen Führerausweis, nachdem er erfolgreich eine
Fahrverhaltensprobe absolviert hatte.
Am 1. Juni 2016 meldete sich A.________ in Waldshut-Tiengen, Deutschland,
wieder ab und am 2. Juni 2016 in Würenlingen an der gleichen Adresse wie zuvor
wieder an. Anfang Juni 2016 ersuchte er das Strassenverkehrsamt des Kantons
Aargau um Umtausch seines deutschen Führerausweises in einen schweizerischen.
Mit Verfügung vom 16. August 2016 aberkannte das Strassenverkehrsamt des
Kantons Aargau A.________ den ausländischen Führerausweis per sofort und auf
unbestimmte Zeit. Es machte die Aufhebung der Aberkennung von einer
schweizerischen Führerprüfung abhängig. Zur Begründung führte es aus, dass für
eine Anerkennung eines ausländischen Führerausweises eine Wohnsitznahme von
mindestens zwölf Monaten im Ausstellerstaat erforderlich sei.
Diese Verfügung des Strassenverkehrsamts focht A.________ mit
Verwaltungsbeschwerde vom 2. September 2016 beim Departement Volkswirtschaft
und Inneres des Kantons Aargau (DVI/AG) an. Mit Entscheid vom 7. November 2016
wies dieses die Beschwerde ab.
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 15. Dezember 2016
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau.
Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 1. Februar 2017 ab, soweit es darauf
eintrat.

B.
Mit Eingabe vom 2. März 2017 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht mit den Anträgen,
in Aufhebung und Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts sei sein
deutscher Führerausweis anzuerkennen, und es sei ihm ein Schweizer
Führerausweis auszuhändigen.
Mit Verfügung vom 28. März 2017 wies der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung ab.
Das DVI/AG verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Vorinstanz beantragt, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das
Bundesamt für Strassen ASTRA stellt Antrag auf Beschwerdeabweisung.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine
Administrativmassnahme gegen einen Fahrzeuglenker. Dagegen steht die Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein
Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur
Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2. Mit dem angefochtenen Urteil und der diesem zugrunde liegenden Verfügung
wurden dem Beschwerdeführer der deutsche Führerausweis aberkannt und die
Bedingungen für die Aufhebung der Aberkennung festgelegt (schweizerische
Führerprüfung). Der Streitgegenstand kann im bundesgerichtlichen Verfahren
nicht erweitert werden. Auf sämtliche Vorbringen, die ausserhalb des
Streitgegenstands liegen, ist daher nicht einzutreten (vgl. auch Urteil 1C_464/
2007 vom 22. Mai 2008 E. 2).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Aberkennung des deutschen
Führerausweises. Er bringt vor, es liege keine Umgehung der schweizerischen
Zuständigkeitsbestimmungen vor, weshalb die Aberkennung des deutschen
Führerausweises das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV) verletze und gegen das
Freizügigkeitsabkommen verstosse (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [SR
0.142.112.681]).

2.2.

2.2.1. Wer ein Motorfahrzeug führt, bedarf gemäss Art. 10 Abs. 2 SVG des
Führerausweises. Die Ausweise werden von den Verwaltungsbehörden erteilt und
entzogen. Zuständig ist der Wohnsitzkanton. Die gleichen Regeln gelten für
Fahrzeug- und Führerprüfungen und die übrigen im II. Titel des SVG vorgesehenen
Massnahmen (Art. 22 Abs. 1 und 2 SVG). Dabei richtet sich der Wohnsitz nach den
Bestimmungen des ZGB (BGE 129 II 175 E. 2.1 S. 177). Der zivilrechtliche
Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht
dauernden Verbleibens aufhält (Art. 23 Abs. 1 ZGB). Für die Begründung des
Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale erfüllt sein: ein objektives äusseres,
der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden
Verbleibens. Nach der Rechtsprechung kommt es nicht auf den inneren Willen,
sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv
schliessen lassen (BGE 133 V 309 E. 3.1 S. 312). Der einmal begründete Wohnsitz
einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes (Art. 24
Abs. 1 ZGB).

2.2.2. Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdeführer sei am 11. November
2011 in die Schweiz eingereist und nach Würenlingen gezogen. Er habe sich per
31. März 2016 in Würenlingen abgemeldet und mit gleichem Datum in
Waldshut-Tiengen, Deutschland, angemeldet. Per 2. Juni 2016 habe er sich wieder
an der alten Adresse in Würenlingen angemeldet. Es seien keine Umstände
ersichtlich, aufgrund derer auf eine Absicht des Beschwerdeführers, dauernd in
Waldshut-Tiengen zu verbleiben, geschlossen werden müsste. Vielmehr mache der
Beschwerdeführer selber geltend, in der Schweiz geboren zu sein, in der Schweiz
zu leben und seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz zu haben, wo auch seine
Mutter wohne. Somit habe auch während des lediglich rund zwei Monate dauernden
Aufenthalts in Waldshut-Tiengen der zivilrechtliche Wohnsitz in Würenlingen
fortbestanden.

2.2.3. Die Vorinstanz hat gestützt auf die tatsächlichen Feststellungen, welche
vom Beschwerdeführer nicht bestritten werden, zu Recht geschlossen, der
Beschwerdeführer habe seit dem 11. November 2011 Wohnsitz in Würenlingen. Für
die Erteilung und den Entzug des Führerausweises ist folglich das
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau zuständig, womit das SVG anwendbar ist.

2.3.

2.3.1. Motorfahrzeugführer aus dem Ausland dürfen in der Schweiz nur
Motorfahrzeuge führen, wenn sie einen gültigen nationalen Führerausweis oder
einen gültigen internationalen Führerausweis besitzen. Einen schweizerischen
Führerausweis benötigen Fahrzeugführer aus dem Ausland, die seit zwölf Monaten
in der Schweiz wohnen und sich in dieser Zeit nicht länger als drei Monate
ununterbrochen im Ausland aufgehalten haben (Art. 42 Abs. 3bis lit. a der
Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr
vom 27. Oktober 1976 [Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51]).
Ausländische Führerausweise sind auf unbestimmte Zeit abzuerkennen, wenn sie in
Umgehung der schweizerischen oder ausländischen Zuständigkeitsbestimmungen im
Ausland erworben worden sind (Art. 45 Abs. 1 Satz 2 VZV). Gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung umgeht die Zuständigkeitsbestimmungen im
Sinne von Art. 45 Abs. 1 Satz 2 VZV nicht nur, wer einen Führerausweis im
Ausland erwirbt, obwohl er ihn in der Schweiz hätte erwerben müssen, und den so
erworbenen ausländischen Ausweis in der Schweiz verwenden will; es genügt
vielmehr bereits, wenn aufgrund objektiver Umstände mit der Möglichkeit zu
rechnen ist, dass der betreffende Inhaber den Ausweis in der Schweiz
widerrechtlich benützen könnte (BGE 129 II 175 E 2.5 S. 179 f.; vgl. auch Hans
Giger, Kommentar SVG, 8. Auflage 2014, N. 4 zu Art. 22 SVG). Dies ist etwa der
Fall, wenn sich eine Person mit dem ausländischen Ausweis gegenüber Behörden
ausweist.

2.3.2. Die Vorinstanz hat ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer im
Zeitpunkt, als er die deutsche Fahrerlaubnis (wieder-) erlangt habe, nach wie
vor Wohnsitz in der Schweiz gehabt habe, liege eine Umgehung der
schweizerischen Zuständigkeitsbestimmungen vor. Da der Beschwerdeführer für die
Anerkennung seines deutschen Führerausweises diesen korrekt deklariert habe,
sei er gegenüber dem Strassenverkehrsamt als potentieller Motorfahrzeugführer
aufgetreten, sodass objektive Umstände vorlägen, aufgrund derer mit der
Möglichkeit zu rechnen sei, dass der Beschwerdeführer den Ausweis in der
Schweiz widerrechtlich benützen könnte. Das Strassenverkehrsamt habe gestützt
auf Art. 45 Abs. 1 Satz 2 VZV den ausländischen Führerausweis zu Recht auf
unbestimmte Zeit aberkannt.

2.3.3. Diese Erwägungen der Vorinstanz sind zutreffend und werden vom
Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substanziiert bestritten. Da somit ein
Umgehungstatbestand gegeben ist, liegt in der Aberkennung des ausländischen
Führerausweises entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers von vornherein
kein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV) oder gegen das
Freizügigkeitsabkommen.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Vertrauensschutzprinzip (Art. 9
BV). Er bringt vor, ein Mitarbeiter des Strassenverkehrsamts habe ihm die
Auskunft erteilt, dass er im Jahr 2016 die deutsche Fahrerlaubnis einholen
solle.

3.2. Art. 9 BV verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten
Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen
begründendes Verhalten der Behörden. Voraussetzung für eine Berufung auf
Vertrauensschutz ist, dass die betroffene Person sich berechtigterweise auf die
Vertrauensgrundlage verlassen durfte und gestützt darauf nachteilige
Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann. Die
Berufung auf Treu und Glauben scheitert, wenn ihr überwiegende öffentliche
Interessen entgegenstehen (BGE 129 I 161 E. 4.1 S. 170).

3.3. Ein Vertrauensschutztatbestand kommt, wie die Vorinstanz zutreffend
erwogen hat, im zu beurteilenden Fall nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer
hat keine Zusicherung erhalten, auf welche er hätte vertrauen dürfen. So
verweigerte das Strassenverkehrsamt mit Verfügung vom 4. April 2014 die
Erteilung eines schweizerischen Lernfahr- bzw. Führerausweises auf unbestimmte
Zeit und machte die Erteilung eines Lernfahrausweises von einem die Fahreignung
bejahenden verkehrsmedizinischen Gutachten abhängig. Nach Vorliegen eines
entsprechenden Gutachtens erliess das Strassenverkehrsamt gestützt darauf am 1.
März 2016 eine Verfügung, mit welcher dem Beschwerdeführer die Bewilligung für
die Anmeldung zur schweizerischen Führerprüfung ohne Auflagen erteilt wurde.
Beide Verfügungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft (vgl. Sachverhalt lit.
A.). Nachdem der Beschwerdeführer zwei Verfügungen erhalten hatte, die auf das
Absolvieren einer Führerprüfung in der Schweiz abzielten, hätte er nicht ohne
Weiteres auf eine anderslautende - wohl mündliche - Auskunft eines Mitarbeiters
des Strassenverkehrsamts vertrauen dürfen.
Der Beschwerdeführer kann somit auch gestützt auf den Vertrauensgrundsatz keine
Anerkennung des deutschen Führerausweises herleiten.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer erachtet die Bedingung für die Aufhebung der
Aberkennung - nämlich die Pflicht zur Absolvierung der schweizerischen
Führerprüfung - als unverhältnismässig. Mittels einer Fahrverhaltensprobe
(Kontrollfahrt) als geeignetes, milderes Mittel könne festgestellt werden, ob
er ein Motorfahrzeug sicher führen könne und ob Zweifel an seiner
Fahrtauglichkeit bestünden.

4.2.

4.2.1. Bestehen Zweifel an der Fahrkompetenz einer Person, so kann diese einer
Kontrollfahrt, einer Theorieprüfung, einer praktischen Führerprüfung oder einer
andern geeigneten Massnahme wie einer Aus- oder Weiterbildung oder einer
Nachschulung unterzogen werden (Art. 15d Abs. 5 SVG). Zur Fahrkompetenz gehören
einerseits die Kenntnisse der Verkehrsregeln sowie der Signale und
Markierungen. Andererseits umfasst der Begriff auch die Fähigkeit, ein
Motorfahrzeug ohne Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer zu bewegen sowie
Verkehrssituationen richtig zu interpretieren und angemessen darauf zu
reagieren. Bestehen berechtigte Zweifel an der Fahrkompetenz einer Person, ist
die Behörde zum Handeln verpflichtet. Je nach Art und Natur der Zweifel an der
Fahrkompetenz sind einzeln oder in Kombination die zur Abklärung oder
Wiederherstellung geeigneten Massnahmen zu ergreifen (Jürg Bickel, in: Niggli/
Probst/Waldmann [Hrsg.], Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 2014, N. 49 zu
Art. 15d SVG).

4.2.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können Zweifel an der
Fahrkompetenz gerechtfertigt sein, wenn ein Führer längere Zeit kein Fahrzeug
mehr gelenkt hat. Dabei darf nicht schematisiert werden. Zu würdigen sind die
konkreten Umstände des Einzelfalls. Die kantonale Behörde entscheidet dabei
nach pflichtgemässem Ermessen (BGE 108 lb 62 E. 3b S. 63). Im zitierten
Entscheid erachtete das Bundesgericht die Anordnung einer neuen Führerprüfung
als gerechtfertigt in einem Fall, in dem der Inhaber eines Führerausweises
während rund fünf Jahren wegen eines Sicherungsentzuges kein Motorfahrzeug
geführt hatte und vorher nur drei Jahre im Besitz des Führerausweises gewesen
war. Das Bundesgericht erwog, der Betroffene könnte die herangebildeten
Automatismen beim Lenken eines Fahrzeuges während der langen Entzugsdauer
verloren haben. Zudem hätten sich die Verkehrsvorschriften inzwischen teilweise
geändert und habe die Verkehrsdichte zugenommen. Unter den gegebenen Umständen
bestünden ernsthafte Bedenken bezüglich der Verkehrsregelkenntnisse des
Betroffenen und seiner Fähigkeit, ein Motorfahrzeug sicher zu führen (BGE 108
IB 62 E. 3b S. 64).
Im Urteil 2A.146/1993 vom 31. August 1994 befand das Bundesgericht, eine neue
Führerprüfung rechtfertige sich bei einem Lenker mit einem Alkoholproblem, der
während rund fünf Jahren kein Motorfahrzeug geführt hatte; dies, obgleich der
Lenker den Führerausweis bereits 1965 erworben hatte und damit über eine lange
Erfahrung im Strassenverkehr verfügte (E. 5).
Im Urteil 1C_464/2007 vom 22. Mai 2008 erachtete das Bundesgericht eine neue
Führerprüfung (Theorie, inklusive Verkehrskunde und Praxis) für erforderlich
bei einem Beschwerdeführer, dessen Führerausweis während elf Jahren entzogen
war und der im Zeitpunkt des Führerausweisentzugs bereits über neun Jahre
Fahrpraxis verfügte.

4.2.3. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung wird in der Lehre zum Teil als zu
streng kritisiert. Es wird die Auffassung vertreten, allein gestützt auf die
Fahrabstinenz dürfe erst bei einer Dauer von mehr als sechs Jahren gänzlich
fehlender Fahrpraxis eine neue Führerprüfung verlangt werden; andernfalls sei
zuerst eine Kontrollfahrt anzuordnen. Hiervon könne nur - sowohl nach unten als
auch nach oben - abgewichen werden, wenn konkrete weitere Umstände die Zweifel
erhärteten oder entkräfteten (Philippe Weissenberger, Kommentar SVG, 2. Auflage
2015, N. 111 zu Art. 15d SVG).

4.3. Vorliegend kann offen bleiben, wie es sich damit im Einzelnen verhält. Im
zu beurteilenden Fall ist auch die in der Lehre geforderte 6-Jahres-Schwelle
gänzlich fehlender Fahrpraxis deutlich überschritten.
Dem Beschwerdeführer wurde sein deutscher Führerausweis mit Urteil des
Landgerichts Waldshut-Tiengen, Deutschland, vom 18. Dezember 2006 auf
unbestimmte Zeit entzogen. Im Zeitpunkt der Verfügung des Strassenverkehrsamts
vom 16. August 2016 währte der Entzug somit nahezu zehn Jahre. Aufgrund dieses
ausserordentlich langen Entzugs hat das Strassenverkehrsamt, wie die Vorinstanz
zu Recht geschlossen hat, sein Ermessen nicht überschritten, wenn es die
Anordnung einer neuen Führerprüfung als erforderlich erachtet hat, um
sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer noch über die zum Führen eines
Motorfahrzeugs erforderlichen Automatismen verfügt und dass er mit den
teilweise geänderten Verkehrsvorschriften noch vertraut ist. Eine blosse
Kontrollfahrt vermag dies demgegenüber nicht sicherzustellen und stellt damit
kein geeignetes milderes Mittel dar. Daran ändert nichts Entscheidendes, dass
der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Entzugs am 18. Dezember 2006 über
langjährige Fahrpraxis verfügte.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66
Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons
Aargau, dem Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für
Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juni 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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