Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.117/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
1C_117/2017, 1C_118/2017  
 
 
Urteil vom 20. März 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1C_117/2017 
1. Touring Club der Schweiz, Sektion Zürich, 
2. Automobil Club der Schweiz, 
3. A.________, 
4. B.________, 
5. C.________, 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri, 
 
und 
 
1C_118/2017 
1. Touring Club der Schweiz, Sektion Zürich, 
2. Automobil Club der Schweiz, 
3. C.________, 
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri, 
 
gegen  
 
Stadtrat von Zürich, 
vertreten durch das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich. 
 
Gegenstand 
Verkehrsanordnung 
(Verkehrsvorschriften Tempo 30 in der Stadt Zürich), 
 
Beschwerden gegen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, vom 21. Dezember 2016 (VB.2016.00338). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Im Zusammenhang mit der Strassenlärmsanierung erliess der Vorsteher des
Polizeidepartements der Stadt Zürich am 22. August 2013 Verkehrsvorschriften
für den Kreis 2 sowie für die Kreise 1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12. Im Kreis
2 wurden verschiedene bestehende Tempo-30-Zonen zusammengelegt und erweitert
(Zonen Studacker/Kalchbühl, Entlisberg/Manegg, Bellaria/Bürgli und Ulmberg). In
den Kreisen 1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12 wurde die Höchstgeschwindigkeit auf
diversen kommunalen Strassen (abschnitten) auf 30 km/h herabgesetzt. 
 
B.   
Dagegen erhoben der Touring Club der Schweiz, Sektion Zürich (nachfolgend:
TCS), der Automobilclub der Schweiz, Sektion Zürich (nachfolgend: ACS),
C.________, A.________ und B.________ Einsprache (die beiden zuletzt Genannten
nur gegen die Verkehrsvorschriften Kreis 2). Der Stadtrat wies die Einsprachen
am 19. November 2014 ab. 
Am 5. Januar 2015 erhoben die Einsprecher dagegen Rekurs beim Statthalteramt
Bezirk Zürich. Dieses wies die Rekurse am 3. Mai 2016 ab. 
Dagegen gelangten die Rekurrenten am 10. Juni 2016 mit Beschwerde ans
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerden mit zwei
Urteilen vom 21. Dezember 2016 ab. 
 
C.   
Gegen das Urteil VB.2016.00338 (betr. Kreis 2) erhoben der TCS, der ACS,
A.________, B.________ und C.________ am 27. Februar 2017 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht (Verfahren 1C_117/
2017). 
Gleichentags gelangten der TCS, der ACS und C.________ mit Beschwerde gegen das
Urteil VB.2016.0039 (betr. Kreise 1, 3, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12) an das
Bundesgericht (Verfahren 1C_118/2017). 
Sie beantragen, die jeweils angefochtenen Urteile seien aufzuheben und die
jeweiligen Verfügungen des Polizeivorstandes vom 22. August 2013 seien
ersatzlos aufzuheben, soweit damit Strassen bzw. Strassen (stücke) neu in Tempo
30-Zonen einbezogen würden bzw. auf Strassen ausserhalb bestehender Tempo
30-Zonen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h angeordnet werde. Eventuell sei
die Sache zur Einholung eines unabhängigen Gutachtens und neuem Entscheid an
das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. 
 
D.   
Der Stadtrat Zürich, vertreten durch das Sicherheitsdepartement, schliesst auf
Abweisung der Beschwerden. Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerden
seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. 
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) kommt in seiner Vernehmlassung zum Ergebnis,
das Verwaltungsgericht Zürich habe die Lärmschutzgesetzgebung korrekt
angewendet. 
Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) äussert sich zu den Anforderungen an
Gutachten und die Interessenabwägung bei der Herabsetzung der
Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h bei verkehrsorientierten Strassen; seines
Erachtens wurden in den angefochtenen Urteilen die Interessen der
Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses nicht ausreichend berücksichtigt. 
Die Beschwerdeführer schliessen sich im Sinne eines Eventualstandpunkts den
Schlussfolgerungen des ASTRA an. Der Stadtrat hält an seinem Standpunkt fest. 
 
E.   
Mit Verfügung vom 20. März 2017 wurden die Gesuche um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerden richten sich gegen zwei weitgehend übereinstimmende Urteile des
Zürcher Verwaltungsgerichts zur Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30
km/h (Tempo-30-Zonen und -Strecken) aus Gründen des Lärmschutzes. Die
Beschwerden werfen die gleichen Rechtsfragen auf und stimmen teils wörtlich
überein. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die Verfahren zu
vereinigen. 
 
2.   
Gegen die kantonal letztinstanzlichen Endentscheide des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG). Näher zu
prüfen ist die Beschwerdebefugnis. Diese prüft das Bundesgericht als
Eintretensvoraussetzung von Amtes wegen, ohne an die Beurteilung der kantonalen
Instanzen gebunden zu sein (Art. 29 BGG). 
Nach der Rechtsprechung ist zur Anfechtung von lokalen Verkehrsanordnungen
berechtigt, wer die mit der Beschränkung belegte Strasse regelmässig benutzt,
z.B als Anwohner oder Pendler, während bloss gelegentliches Befahren einer
Strasse nicht genügt (BGE 136 II 539 E. 1.1 S. 542 f.). 
 
2.1. A.________ und B.________ sind als Anwohner von den Tempo-30-Zonen im
Kreis 2 besonders betroffen. C.________ befährt als Pendler regelmässig die
angeordneten Tempo-30-Zonen im Kreis 2 sowie gewisse, von Tempo-30 betroffene
Strassen in den übrigen Kreisen (Trichtenhausen-, Looren-, Hegibach-, Bleuler-,
Lengg-, Süd- und Hornbachstrasse). Insoweit sind alle drei zur Beschwerde
befugt.  
 
2.2. Fraglich ist dagegen die Beschwerdebefugnis der Zürcher Sektionen von TCS
und ACS, die als Verein konstituiert sind. Als solche können sie die Interessen
der Mehrheit oder einer Grosszahl ihrer Mitglieder mit Beschwerde geltend
machen, wenn deren Wahrung zu ihren statutarischen Aufgaben gehört und eine
Vielzahl von Mitgliedern ihrerseits beschwerdebefugt wären (BGE 142 II 80 E.
1.4.2 S. 84 mit Hinweisen). Bisher wurde die Beschwerdebefugnis der jeweiligen
Regionalsektion des TCS bejaht bei Geschwindigkeitsherabsetzungen auf
vielbefahrenen kantonalen Hauptstrassen (vgl. BGE 136 II 639 E. 1.1 S. 543; in
BGE 139 II 145 nicht publizierte E. 1.2). Im Verfahren 1C_11/2017 legte die
ACS-Sektion beider Basel in der Beschwerdeschrift detailliert dar, dass die von
Tempo 30 betroffene Sevogelstrasse eine wichtige verkehrsbezogene Hauptachse
der Stadt Basel darstelle, die regelmässig durch eine ansehnliche Anzahl
Mitglieder benutzt werde; dies erachtete das Bundesgericht als plausibel
(Urteil vom 2. März 2018 E. 1.1).  
Vorliegend legen die beschwerdeführenden Sektionen nicht dar, inwiefern die in
den streitigen Verfügungen genannten Strassen (abschnitte) von einer grossen
Zahl von Sektionsmitgliedern mehr oder weniger regelmässig befahren werden.
Dies ist auch nicht offensichtlich, handelt es sich doch überwiegend um
Strassen von untergeordneter Bedeutung, mit Erschliessungs- oder Sammelfunktion
für das Quartier. Für die wenigen Strassenabschnitte mit Verbindungsfunktion
fehlen substanziierte Darlegungen der Beschwerdeführer. 
Letztlich kann die Frage offenbleiben, da jedenfalls auf die Beschwerden der
natürlichen Personen einzutreten ist und die in der Beschwerdeschrift erhobenen
generellen Rügen sich nicht spezifisch auf bestimmte Strassen (abschnitte)
beziehen. 
 
3.   
Streitig sind neue bzw. erweiterte Tempo-30-Zonen im Kreis 2 sowie
Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h in anderen Kreisen der
Stadt, die im Rahmen der Strassenlärmsanierung angeordnet wurden. Einschlägig
sind dafür einerseits die Bestimmungen des Umweltrechts zur Sanierung
ortsfester Anlagen und andererseits die Vorgaben des Strassenverkehrsrechts zur
Herabsetzung der allgemeinen Regelgeschwindigkeit bzw. zu Tempo-30-Zonen. 
 
3.1. Bestehende Anlagen, die den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechen,
müssen saniert werden (Art. 16 USG [SR 814.01]), und zwar so weit, als dies
technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist; dabei
müssen grundsätzlich die Immissionsgrenzwerte (IGW) eingehalten werden (Art. 13
Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung [LSV; SR 814.41]). Die Frist für die
Durchführung von Sanierungen und Schallschutzmassnahmen bei Strassen läuft Ende
März 2018 ab (Art. 17 Abs. 4 lit. b LSV).  
Würde die Sanierung unverhältnismässige Betriebseinschränkungen oder Kosten
verursachen oder stehen ihr überwiegende Interessen entgegen, können
Erleichterungen gewährt werden (Art. 17 USG und Art. 14 LSV). Dies setzt eine
gesamthafte Interessenabwägung voraus. Die Gewährung von Erleichterungen zur
Überschreitung der IGW in einer bestimmten Situation ist eine
Ausnahmebewilligung, deren Erteilung nur in Sonderfällen erfolgen darf und
restriktiv gehandhabt werden muss (zum Ganzen Urteil 1C_589/2014 vom 3. Februar
2016 E. 2.1 mit Hinweisen, in: URP 2016 S. 319; RDAF 2017 I S. 423). 
 
3.2. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge in Ortschaften wurde
vom Bundesrat auf 50 km/h festgelegt (Art. 4a Abs. 1 lit. a der
Verkehrsregelverordnung [VRV; SR 741.11] i.V.m. Art. 32 Abs. 2 SVG [SR
741.01]). Sie kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde
aufgrund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden (Art. 32 Abs. 3 SVG
). Innerorts können tiefere Höchstgeschwindigkeiten für bestimmte
Strassenstrecken (Art. 108 Abs. 5 lit. d SSV: in Abstufungen von je 10 km/h)
oder durch die Signalisation einer Tempo-30-Zone oder einer Begegnungszone
angeordnet werden (Art. 108 Abs. 5 lit. e SSV i.V.m. Art. 22a und 22b SSV).  
Die Herabsetzung ist nach Art. 108 Abs. 2 der Signalisationsverordnung (SSV; SR
741.21) insbesondere zulässig, wenn eine Gefahr nur schwer oder nicht
rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist (lit. a), wenn bestimmte
Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes
bedürfen (lit. b) oder wenn dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung
übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann; dabei
ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren (lit. d). Die Anordnung
von abweichenden Höchstgeschwindigkeiten ist nur gestützt auf ein vorgängig zu
erstellendes Gutachten zulässig. Dieses hat aufzuzeigen, dass die Massnahme
nötig, zweck- und verhältnismässig ist und keine anderen Massnahmen vorzuziehen
sind (Art. 32 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 108 Abs. 4 Satz 1 SSV). 
 
3.3. Ob die Anordnung von Tempo 30 zulässig ist, prüft das Bundesgericht mit
freier Kognition. Es übt jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer
Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die zuständigen Behörden
besser kennen als das Bundesgericht (BGE 139 II 145 E. 5 S. 167).
Verkehrsbeschränkungen der hier in Frage stehenden Art sind zudem regelmässig
mit komplexen Interessenabwägungen verbunden. Die zuständigen Behörden besitzen
dabei einen erheblichen Gestaltungsspielraum (BGE 136 II 539 E. 3.2 S. 548;
Urteil 1C_11/2017 vom 2. März 2018 E. 2.4 mit Hinweis).  
 
4.   
Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, nach Art. 3 Abs. 4 SVG müssten
besondere sachliche Voraussetzungen vorliegen, um von der generellen
Höchstgeschwindigkeit abzuweichen, weil der Bundesrat die Interessenabwägung
für den Normalfall bereits vorgenommen habe. Die in der Stadt Zürich zur
Lärmsanierung vorgesehenen, grossflächigen Geschwindigkeitsbeschränkungen
(insgesamt 230 Strassenkilometer) widersprächen dem gesetzgeberischen Willen,
Kantone und Gemeinden lediglich im kleinen Rahmen, insbesondere in
Wohnquartieren, zu abweichenden Verkehrsanordnungen zu ermächtigen; diese
müssten die Ausnahme bleiben. 
 
4.1. Das Sicherheitsdepartement hält in seiner Vernehmlassung fest, zwar seien
an 230 km des städtischen Strassennetzes die IGW gemäss Anh. 3 LSV
überschritten; dagegen sei nicht entlang aller dieser Abschnitte Tempo 30
festgelegt worden; erst recht gelte dies nicht flächendeckend für das gesamte
Strassennetz Zürichs. Bei vielen Strassenabschnitten mit IGW-Überschreitung
habe sich bereits bei einer ersten Überprüfung gezeigt, dass sich diese für
eine Geschwindigkeitsreduktion nicht eigneten; bereits im städtischen Konzept
Strassenlärmsanierung durch Geschwindigkeitsreduktion vom 30. Mai 2012 sei
daher Tempo 30 bei einer beachtlichen Zahl der geprüften Abschnitte nicht
weiter verfolgt worden.  
 
4.2. Gemäss Art. 32 Abs. 3 SVG und Art. 108 Abs. 1 SSV dürfen Abweichungen von
der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit nicht generell, sondern nur für
"bestimmte Strassenstrecken" angeordnet werden, wobei mittels eines Gutachtens
dargelegt werden muss, dass diese Massnahme zur Erreichung des angestrebten
Ziels (gemäss Art. 108 Abs. 2 SSV) nötig, zweck- und verhältnismässig ist (Abs.
4 und 5). Dies bedeutet, dass stets eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.
Diese ist vorliegend erfolgt, wurde doch für jeden Streckenabschnitt ein
eigenes Gutachten angefertigt.  
Dagegen lässt sich den gesetzlichen Grundlagen nicht entnehmen, dass besondere
örtliche Verhältnisse oder gar eine Ausnahmesituation vorliegen müssten; der
Verweis auf die Wohnquartiere in Art. 3 Abs. 4 Satz 2 SVG erfolgt in anderem
Zusammenhang (Beschränkungen des Verkehrs und besondere Regelungen fürs
Parkieren; vgl. dazu Urteil 2A.38/2006 vom 13. Juli 2006 E. 3.4.2, in: ZBl 108/
2007 S. 611; RDAF 2008 I S. 580). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend
dargelegt hat, ist die Herabsetzung der Geschwindigkeit bundesrechtskonform,
wenn die in Art. 108 SSV umschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Keine Rolle
spielt dagegen die Gesamtzahl der Anordnungen oder deren Anteil am kommunalen
oder kantonalen Strassennetz. 
 
5.   
Die Beschwerdeführer halten die erstellten Gutachten für ungenügend. 
 
5.1. Sie machen in erster Linie geltend, diese stammten nicht von einer
verwaltungsunabhängigen Stelle, sondern von nicht namentlich genannten
Fachleuten der Dienstabteilung für Verkehr, die dem erstinstanzlich verfügenden
Polizeivorstand unterstellt sei. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs
(Konzeptbeschluss des Stadtrats vom Mai 2012; Gutachten vom 31. Juli 2013) sei
davon auszugehen, dass die Gutachten nicht der Information und als
Entscheidungshilfe für Polizeivorstand und Stadtrat gedienten hätten, sondern
lediglich der Umsetzung eines längst gefällten politischen Beschlusses. Ein
derartiges Auftragswerk könne nicht als Gutachten i.S.v. Art. 32 Abs. 3 SVG
anerkannt werden.  
Das Verwaltungsgericht hielt fest, es sei kein verwaltungsunabhängiges
Sachverständigengutachten erforderlich; vielmehr lasse auch das Bundesgericht
regelmässig Untersuchungsberichte und Gutachten von Verwaltungsstellen zu (mit
Hinweis auf BGE 136 II 539 E. 3.1 und 3.2 S. 547 und Urteil 1C_370/2011 vom 9.
Dezember 2011 E. 2.6, in: ZBl 114/2013 S. 574). Das städtische Konzept
Strassenlärmsanierung durch Geschwindigkeitsreduktion vom 30. Mai 2012 beruhe
auf den Ergebnissen des 2009 durchgeführten Pilotversuchs an der
Kalchbühlstrasse im Kreis 2, dem akustischen Bericht mit Erleichterungsanträgen
im Kreis 2 vom 15. Oktober 2011 sowie weiteren bereits vorhandenen Daten und
Studien. Es habe zwar als Grundlage und Vorbereitung für die umstrittenen
Lärmsanierungsprojekte und die entsprechenden Lärm- und Verkehrsgutachten
gedient; darin habe der Stadtrat aber erst allgemeine Grundsätze für die
gesetzlich vorgeschriebene Lärmsanierung definiert. Da noch keine Entscheide
über die konkreten Streckenabschnitte getroffen worden seien, sei dieses
Vorgehen nicht zu beanstanden. 
Diese Erwägungen lassen keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Wie auch das
ASTRA in seiner Vernehmlassung bestätigt, verlangen Art. 32 Abs. 3 SVG und Art.
108 Abs. 4 SSV kein unabhängiges Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12
VwVG. Entscheidend ist vielmehr, dass es von Fachleuten erstellt wurde und den
gesetzlichen Anforderungen genügt. 
 
5.2. Art. 3 der Verordnung des UVEK vom 28. September 2001 über die
Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen (SR 741.213.3) umschreibt die Anforderungen
an ein solches Gutachten. Verlangt wird ein Kurzbericht, der namentlich die in
lit. a-g umschriebenen Elemente enthalten muss.  
Während das Verwaltungsgericht davon ausging, diese Umschreibung könne auch für
Tempo-30-Strecken herangezogen werden, betont das ASTRA, dass sich der
Regelungsgegenstand der Verordnung auf Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen
beschränke. Verwaltungsgericht und ASTRA gehen jedoch übereinstimmend davon
aus, dass die Anforderungen an das Gutachten von Fall zu Fall variieren und bei
einer Temporeduktion auf einer Haupt- oder Durchgangsstrasse ein strengerer
Massstab anzulegen sei als bei Nebenstrassen. 
Dies entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Inhalt und
Umfang des Gutachtens vom Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung und den
örtlichen Gegebenheiten abhängen (BGE 136 II 539 E. 3.2 S. 549; Urteil 1C_370/
2011 vom 9. Dezember 2011 E. 2.5, in: ZBl 114/2013 S. 574). Entscheidend ist,
dass die zuständige Behörde die erforderlichen Informationen besitzt, um zu
beurteilen, ob eine der Voraussetzungen von Art. 108 Abs. 2 SSV erfüllt ist und
die Massnahme im Hinblick auf das erstrebte Ziel nötig, zweck- und
verhältnismässig ist (vgl. BGE 139 II 145 E. 4.3 S. 166; 136 II 539 E. 3.2 S.
548; Urteil 1C_11/2017 vom 2. März 2018 E. 2.3; je mit Hinweisen). 
Handelt es sich - wie vorliegend - um Geschwindigkeitsreduktionen zur
Lärmsanierung, müssen insbesondere die Konsequenzen der Temporeduktion aus
Lärmsicht (akustische Wirkungen; Änderung der Störwirkung auf die Anwohner) im
Gutachten beschrieben und alternative Massnahmen zur Lärmbekämpfung aufgezeigt
werden (technische Machbarkeit, Kosten und Nutzen; vgl. Eidgenössische
Kommission für Lärmbekämpfung EKLB, Tempo 30 als Lärmschutzmassnahmen,
Grundlagenpapier zu Recht - Akustik - Wirkung, Bern 2015, Anh. A). Aufzuzeigen
sind aber auch allfällige entgegenstehende Verkehrsinteressen
(Verkehrssicherheit und -fluss, Ausweichverkehr, Konsequenzen für den
öffentlichen Verkehr, etc.). 
 
5.3. Vorliegend hielt das Verwaltungsgericht fest, die Gutachten seien vom
zuständigen Projektleiter der Dienstabteilung Verkehr unter Einbezug von
anderen Fachleuten der Stadtverwaltung (Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich,
Tiefbauamt und VBZ) erarbeitet und per 31. Juli 2013 abgeschlossen worden. Sie
basierten auf den konkreten örtlichen Lärmbelastungen mit den
Immissionsgrenzwertüberschreitungen gemäss Lärmbelastungskataster, der
Unfallstatistik, der richtplanerischen Einordnung und Klassierung der Strasse,
dem Ausbaustandard der Strasse und den Auswertungen der vor Ort vorgenommenen
Geschwindigkeitsmessungen und Fahrzeugfrequenzen unter Einbezug des
öffentlichen Verkehrs. Sodann ergäben sich aus den Gutachten die
raumplanungsrechtlichen Nutzungen in den von den Lärmeinwirkungen betroffenen
Gebieten sowie welchen Lärmempfindlichkeitsstufen diese Grundstücke zugeteilt
seien. Die notwendigen Verkehrsmessungen und die Analyse der Lärmsituation für
die einzelnen Nutzungen lägen vor. Von einer pauschalen Anordnung von
Tempo-30-Zonen bzw. -Strecken ohne Prüfung der konkreten Situation auf den
einzelnen Streckenabschnitten könne demnach keine Rede sein. Die Gutachten
enthielten alle für die Ermittlung des Sanierungsbedarfs notwendigen
Informationen und seien schlüssig. Die Einholung von weiteren Gutachten sei
daher nicht geboten.  
Mit diesen Erwägungen setzen sich die Beschwerdeführer nicht näher auseinander;
insbesondere legen sie nicht dar, inwiefern die Gutachten - namentlich für die
verkehrsorientierten Strassen - nicht ausreichten, um die Verhältnismässigkeit
der Geschwindigkeitsreduktion zu beurteilen. 
 
5.4. Sie kritisieren pauschal das Lärmkataster und bemängeln das Fehlen von
Lärmmessungen, legen aber nicht dar, inwiefern die diesbezüglichen Erwägungen
des Verwaltungsgerichts offensichtlich unrichtig oder rechtlich fehlerhaft
seien. Dies ist auch nicht ersichtlich: Grundsätzlich können Lärmimmissionen
durch Berechnungen oder Messungen ermittelt werden (Art. 38 LSV und Anh. 2
LSV). An vielen der betroffenen Strassen sind die IGW gemäss Lärmkataster im
Übrigen so massiv überschritten, dass sich Kontrollmessungen von vornherein
erübrigen. Das BAFU bestätigt denn auch in seiner Vernehmlassung, dass die
Gutachten der Empfehlung der EKLB (oben E. 5.2) entsprechen. Insbesondere sei
auch der Anteil der Rollgeräusche und der Antriebsgeräusche an den
Lärmimmissionen adäquat berücksichtigt worden. Zusammenfassend hält das BAFU
fest, dass neue Gutachten auf der Basis zusätzlicher Messungen die
Notwendigkeit von Lärmsanierungsmassnahmen nicht in Frage zu stellen
vermöchten. Es gibt für das Bundesgericht keinen Grund, von dieser Einschätzung
der Bundesfachstelle für den Lärmschutz abzuweichen.  
 
6.   
Das ASTRA äussert sich in seiner Vernehmlassung nicht zu den vorliegenden
Gutachten, sondern verweist auf seine Stellungnahme im Verfahren 1C_11/2017,
ohne darzulegen, inwiefern und auf welchen Strecken die Verhältnisse in Zürich
mit denjenigen an der Sevogelstrasse in Basel vergleichbar seien. 
Auch seine Kritik, wonach das Verwaltungsgericht bei der Interessenabwägung,
insbesondere für Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen, die Interessen der
Verkehrssicherheit und des Verkehrsflusses zu wenig berücksichtigt habe, ist zu
pauschal, um eine Überprüfung zu ermöglichen. 
Das Verwaltungsgericht hat sich mit den diesbezüglichen Einwänden der
Beschwerdeführer auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb weder Auswirkungen
auf die Leistungsfähigkeit der neuen Tempo-30-Abschnitte von
verkehrsorientierten Strassen noch unerwünschter Ausweichverkehr zu befürchten
seien. Zudem ging es in Übereinstimmung mit den Gutachten davon aus, dass die
Verkehrssicherheit durch die Geschwindigkeitsbeschränkung verbessert werde.
Inwiefern diese Annahmen offensichtlich unrichtig bzw. bundesrechtswidrig sein
sollen, wird weder von den Beschwerdeführern noch vom ASTRA dargelegt. 
Es kann daher offenbleiben, inwieweit die von ihnen getroffene Unterscheidung
zwischen verkehrs- und siedlungsorientierten Strassen, unter Anknüpfung an das
tatsächliche Vorhandensein von Durchgangsverkehr, sinnvoll ist, oder auf die
nach Verkehrsplan und kommunalem Richtplan erwünschte Funktion und Gestaltung
der Strassen abzustellen ist, wie die Stadt darlegt. 
 
7.   
Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, die neuen
Geschwindigkeitsreduktionen und Tempo-30-Zonen würden zu vermehrten Lärmspitzen
durch Notfalldienste führen, weil diese beim Befahren der neuen
Tempo-30-Strecken schon ab 45 km/h statt bisher ab 65 km/h das Wechselklanghorn
einschalten müssten. Das Argument des Verwaltungsgerichts, wonach der Einsatz
des Wechselhorns von der Dringlichkeit der Fahrt und nicht von der
Höchstgeschwindigkeit abhänge, sei unqualifiziert, weil bei gleicher
Dringlichkeit der Einsatz des Horns zunehmen werde. 
Wie das BAFU in seiner Vernehmlassung ausführlich darlegt, gibt es jedoch keine
gesetzliche Grundlage für die Behauptung der Beschwerdeführer, dass Rettungs-
und Polizeifahrzeuge das Wechselklanghorn erst ab einer Geschwindigkeit von 15
km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einschalten müssten. Bei
dringlichen Notfallfahrten darf unter Wahrung der gebotenen Sorgfalt von den
Verkehrsregeln abgewichen werden (Art. 100 Abs. 4 SVG); Notfallfahrzeuge sind
aber nur vortrittsberechtigt, wenn sie sich durch die besonderen Signale
ankündigen (Art. 27 Abs. 2 SVG und Art. 16 Abs. 1 VRV); dabei müssen das
Blaulicht und das Wechselklanghorn früh- und gleichzeitig eingeschaltet sein
(Merkblatt des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation vom 6. Juni 2005 zur Verwendung von Blaulicht und
Wechselklanghorn Ziff. 1 und 3). Das Wechselklanghorn dient in erster Linie der
Inanspruchnahme des besonderen Vortrittsrechts und ist deshalb bei dringlichen
Fahrten grundsätzlich einzuschalten, unabhängig von der Notwendigkeit einer
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit. Die Einschätzung der Vorinstanzen,
wonach nicht mit einem massgeblich vermehrten Einsatz des Wechselklanghorns auf
Tempo-30-Strecken zu rechnen sei, ist daher nicht zu beanstanden. 
 
8.   
Nach dem Gesagten sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer
kostenpflichtig. Die Stadt Zürich obsiegt in ihrem amtlichen Wirkungskreis und
hat daher keinen Anspruch auf ein Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 1C_117/2017 und 1C_118/2017 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 6'000.-- werden den Beschwerdeführern der
Verfahren 1C_117/2017 und 1C_118/2017 je zur Hälfte auferlegt. 
 
4.   
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Stadtrat von Zürich, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, dem Bundesamt für Strassen
und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. März 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber 

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