Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.291/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
1B_291/2017  
                       
1B_292/2017  

 
 
 
Urteil vom 14. September 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.C.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen die Beschlüsse vom 1. und vom 7. Juni 2017 des Obergerichts
des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt ein Strafverfahren gegen
A.C.________ und B.C.________ wegen des Verdachts, ihren Sohn getötet und ihre
Tochter schwer verletzt zu haben. 
 
B.                                                 Verfahren 1B_291/2017  
 
B.a. Am 9. Mai 2012 ordnete die Staatsanwaltschaft den Einsatz technischer
Überwachungsgeräte zur Klärung der Umstände des Todes des Sohnes in der Wohnung
von A.C.________ und B.C.________ an und ersuchte das Haftgericht des Kantons
Solothurn, die Überwachung zu genehmigen. Dieses genehmigte die Überwachung
tags darauf. Die Überwachung wurde per 22. Juni 2012 eingestellt.  
Am 21. August 2012 ordnete die Staatsanwaltschaft die Audio-Überwachung der
neuen Wohnung von A.C.________ und B.C.________ an, was vom Haftgericht am 23.
August 2012 genehmigt wurde, ebenso wie die zweimalige Verlängerung der
Massnahme. 
Am 8. April 2015 ersuchte die Staatsanwaltschaft das Haftgericht um Genehmigung
der Verwertung aller fallrelevanter Erkenntnisse mit Bezug auf die Tochter als
Zufallsfunde. Dieses entsprach dem Gesuch tags darauf. 
Am 22. Mai 2015 informierte die Staatsanwaltschaft A.C.________ über die
durchgeführte Überwachung. 
 
B.b. Am 8. Juni 2015 erhob A.C.________ beim Obergericht des Kantons Solothurn
Beschwerde (Verfahren BKBES.2015.51).  
Am 3. Februar 2016 hiess das Obergericht die Beschwerde gut, hob alle in diesem
Zusammenhang getroffenen Verfügungen der Staatsanwaltschaft und des
Haftgerichts auf und erklärte die aus der Überwachung gewonnenen Beweismittel
für unverwertbar. Es nahm die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse
(Dispositiv-Ziffer 4), bestellte A.C.________ Advokat Alain Joset, als
amtlichen Verteidiger (Dispositiv-Ziffer 5) und setzte dessen Entschädigung auf
Fr. 2'545.55 fest (Dispositiv-Ziffer 6). 
Am 21. März 2017 hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft
gegen dieses obergerichtliche Urteil gut, hob es auf und stellte die
Rechtmässigkeit der Überwachung und die Verwertbarkeit der sich daraus
ergebenden Erkenntnisse fest. Die Akten wies es zur Neuregelung der
Kostenfolgen ans Obergericht zurück (Urteil 1B_115/2016). 
 
B.c. Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 wies das Obergericht den Antrag von
A.C.________, ihr für die Verfahrenskosten des Beschwerdeverfahrens
BKBES.2015.51 die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, ab
(Dispositiv-Ziffer 1) und auferlegte ihr diese Kosten in Höhe von Fr. 800.--
(Dispositiv-Ziffer 2). Es setzte Advokat Joset für das Neubeurteilungsverfahren
als amtlichen Verteidiger ein, entschädigte ihn mit Fr. 194.40
(Dispositiv-Ziffer 3) und machte einen Vorbehalt für Rückforderungsansprüche
des Staates (Dispositiv-Ziffer 4).  
 
B.d. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.C.________, die
Dispositiv-Ziffern 1 und 2 dieses obergerichtlichen Entscheids aufzuheben und
ihr für das Beschwerdeverfahren BKBES.2015.51 die unentgeltliche Rechtspflege
zu bewilligen oder eventuell die Sache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid
zurückzuweisen. Ausserdem beantragt sie, ihr für das bundesgerichtliche
Verfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen.  
 
B.e. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung. Das Obergericht
beantragt unter Verweis auf seinen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen.  
 
C.                                                 Verfahren 1B_292/2017  
 
C.a. Am 6. Dezember 2013 ordnete die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des
Todes des Sohnes den Einsatz von zwei verdeckten Ermittlern an, was vom
Haftgericht am 11. Dezember 2013 genehmigt wurde. In der Folge ordnete die
Staatsanwaltschaft den Einsatz weiterer verdeckter Ermittler an, auch zur
Aufklärung der schweren Körperverletzungen der Tochter von A.C.________, was
jeweils vom Haftgericht genehmigt wurde.  
Am 7. Mai 2015 erklärte die Staatsanwaltschaft den Einsatz der verdeckten
Ermittler für beendet und brachte ihn am 22. Mai 2015 A.C.________ zur
Kenntnis. 
 
C.b. Am 8. Juni 2015 erhob A.C.________ Beschwerde ans Obergericht (Verfahren
BKBES.2015.50).  
Am 3. Februar 2016 hiess das Obergericht die Beschwerde gut, hob alle in diesem
Zusammenhang getroffenen Verfügungen der Staatsanwaltschaft und des
Haftgerichts auf und stellte fest, der Einsatz der verdeckten Ermittler sei
unrechtmässig erfolgt. Es nahm die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse
(Dispositiv-Ziffer 4), bestellte A.C.________ Advokat Alain Joset, als
amtlichen Verteidiger (Dispositiv-Ziffer 2) und setzte dessen Entschädigung auf
Fr. 7'288.30 fest (Dispositiv-Ziffer 3). 
Am 21. März 2017 hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft
gegen dieses obergerichtliche Urteil gut, hob es auf und stellte die
Rechtmässigkeit der Anordnung der verdeckten Ermittlung fest. Die Akten wies es
zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ans Obergericht zurück
(Urteil 1B_117/2016). 
 
C.c. Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 wies das Obergericht den Antrag von
A.C.________, ihr für die Verfahrenskosten des Beschwerdeverfahrens
BKBES.2015.50 die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, ab
(Dispositiv-Ziffer 1) und auferlegte ihr diese Kosten in Höhe von Fr. 800.--
(Dispositiv-Ziffer 2). Es setzte Advokat Joset für das Neubeurteilungsverfahren
als amtlichen Verteidiger ein, entschädigte ihn mit Fr. 194.40
(Dispositiv-Ziffer 3) und machte einen Vorbehalt für Rückforderungsansprüche
des Staates (Dispositiv-Ziffer 4).  
 
C.d. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.C.________, die
Dispositiv-Ziffern 1 und 2 dieses obergerichtlichen Entscheids aufzuheben und
ihr für das Beschwerdeverfahren BKBES.2015.50 die unentgeltliche Rechtspflege
zu bewilligen oder eventuell die Sache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid
zurückzuweisen. Ausserdem beantragt sie, ihr für das bundesgerichtliche
Verfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen.  
 
C.e. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Vernehmlassung. Das Obergericht
beantragt unter Verweis auf seinen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die beiden Verfahren betreffen die gleiche Partei und werfen die gleichen
Fragen auf; sie sind daher zu vereinigen. 
 
2.  
Angefochten sind zwei kantonal letztinstanzliche Entscheide, mit denen das
Obergericht die Kosten-und Entschädigungsfolgen zweier Beschwerdeverfahren
gegen Zwangsmassnahmen neu geregelt hat. Dagegen ist die Beschwerde in
Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 BGG). Sie schliessen die
Verfahren indessen nicht ab; es handelt sich mithin um Zwischenentscheide,
gegen die Beschwerden zulässig sind, wenn sie nicht wieder gutzumachende
Nachteile rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken könnten (Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerden sofort
Endentscheide herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit.
b BGG). Der Beschwerdeführerin wurde bereits im Urteil 1B_633/2012 vom 30.
Januar 2013 in Bezug auf die Kostenauflage in einem Haftbeschwerdeverfahren
(mit Hinweisen auf die Rechtsprechung) erläutert, dass ein solcher
Zwischenentscheid keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur
bewirken und er daher erst mit dem Endentscheid in der Hauptsache angefochten
werden kann. Darauf wird verwiesen. Die vorliegende Konstellation ist, wovon
auch die Beschwerdeführerin ausgeht, die Gleiche. Sie kann daher die
obergerichtlichen Kosten- und Entschädigungsentscheide erst mit dem
Endentscheid in der Hauptsache beim Bundesgericht anfechten. 
Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, das Bundesgericht habe im Urteil
6B_74/2016 vom 19. August 2016 seine Praxis geändert. Das trifft nicht zu, was
sich schon daraus ergibt, dass es diesfalls im Urteil ausdrücklich dargelegt
hätte, dass und weshalb es diese langjährige, von allen Abteilungen getragene
Praxis aufgibt. In E. 1.4.1 dieses Urteils wird aber nur ausgeführt, dass die
Kosten- und Entschädigungsfolgen für jedes Beschwerdeverfahren separat,
unabhängig vom Ausgang des Hauptverfahrens, zu beurteilen sind. Hat z.B. das
Obergericht in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Zwangsmassnahme einer
Partei nach Massgabe ihres Unterliegens in diesem Verfahren Kosten auferlegt,
so hat es weder Anlass noch die Kompetenz, darauf zurückzukommen, wenn diese im
Hauptverfahren obsiegt. Das ändert allerdings nichts daran, dass die
Kostenauflage im Beschwerdeverfahren beim Bundesgericht erst mit dem
Endentscheid in der Hauptsache beziehungsweise im Anschluss an dessen Ergehen
angefochten werden kann. 
 
3.  
Auf die Beschwerden ist damit im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG
nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66. Abs. 1 BGG). Sie hat zwar
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung beantragt, was aber nicht
bewilligt werden kann, da die Beschwerden aussichtslos waren (Art. 64 Abs. 1
und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.   
Die Verfahren 1B_291/2017 und 1B_292/2017 werden vereinigt. 
 
2.   
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung werden
abgewiesen. 
 
4.   
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
5.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer,
schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. September 2017 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi 

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