Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.1/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_1/2017

Urteil vom 7. März 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Hans Keller, c/o Kreisgericht See-Gaster,
Bahnhofstrasse 4, 8730 Uznach,
Beschwerdegegner,

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt Uznach,
Grynaustrasse 3, 8730 Uznach.

Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 23. November 2016 der Anklagekammer des
Kantons St. Gallen.

Sachverhalt:

A. 
A.________ wurde mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt Uznach, vom 17. Juni 2016 wegen mehrfacher Urkundenfälschung
(besonders leichter Fall) zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse
verurteilt. Dagegen erhob er Einsprache, woraufhin die Staatsanwaltschaft die
Strafsache dem Kreisgericht See-Gaster zur Durchführung des Hauptverfahrens
überwies.

B. 
Am 23. November 2016 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen ein
Ausstandsgesuch von A.________ gegen den zuständigen Einzelrichter Hans Keller
des Kreisgerichts See-Gaster ab, soweit sie darauf eintrat.

C. 
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 3. Januar 2017 Beschwerde in
Strafsachen beim Bundesgericht. Mit einer weiteren Eingabe vom 9. Januar 2017
stellte er im Sinne einer vorsorglichen Massnahme den Antrag, die auf den 31.
Januar 2017 angesetzte Hauptverhandlung sei abzusetzen.
Einzelrichter Hans Keller sowie die Staatsanwaltschaft und die Anklagekammer
des Kantons St. Gallen verzichteten auf eine Vernehmlassung.

D. 
Mit Verfügung vom 11. Januar 2017 wies der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die beantragte vorsorgliche
Massnahme ab.

Erwägungen:

1.

1.1. Soweit der angefochtene Entscheid die Frage des Ausstandes des
Einzelrichters am Kreisgericht See-Gaster betrifft, handelt es sich um einen
selbständig anfechtbaren, kantonal letztinstanzlichen (vgl. Art. 59 Abs. 1 lit.
b StPO) Zwischenentscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen, gegen den
gemäss Art. 78 ff. in Verbindung mit Art. 92 BGG grundsätzlich die Beschwerde
in Strafsachen an das Bundesgericht offen steht.

1.2. Mit der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht kann insbesondere
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft
die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf
Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht und
begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die
Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde
(Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder
beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1
und Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.3. Soweit der Beschwerdeführer die Rechtmässigkeit des Verfahrens rügt, indem
er geltend macht, das Gesamtverfahren sei zu überprüfen bzw. sein
entsprechender Antrag sei von der Vorinstanz nicht behandelt worden, erweist
sich seine Beschwerde aus zwei Gründen als unzulässig. Erstens liegt insofern
weder ein anfechtbarer Endentscheid noch, weil der Beschwerdeführer
diesbezüglich keinen nicht wieder gut zu machenden Nachteil erleidet, ein
anfechtbarer Zwischenentscheid vor (vgl. Art. 92 und 93 BGG). Diese Rüge kann
allenfalls immer noch in einem Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache erhoben
werden. Zweitens erweist sich die entsprechende Rüge als nicht genügend
begründet. Namentlich legt der Beschwerdeführer nicht ausreichend dar,
inwiefern der angefochtene Entscheid insoweit Bundesrecht verletzen sollte.

1.4. Der Beschwerdeführer begründet die Rüge, der Entscheid der Vorinstanz, es
liege kein Ausstandsgrund vor, sei bundesrechtswidrig, lediglich rudimentär.
Soweit er die Verletzung von Verfassungsrecht geltend macht, erweisen sich
seine Ausführungen als ungenügend, weshalb insofern auf die Beschwerde
ebenfalls nicht eingetreten werden kann. Soweit er hingegen einen Verstoss
gegen das Gesetzesrecht des Bundes rügt, ist seine Begründung, unter
Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um eine Laienbeschwerde handelt,
knapp ausreichend. Zu prüfen ist demnach nur, ob der angefochtene Entscheid
über den Ausstand des Einzelrichters am Kreisgericht See-Gaster mit der
Strafprozessordnung des Bundes vereinbar ist.

2.

2.1. Art. 56 StPO zählt verschiedene Gründe auf, die zum Ausstand von in einer
Strafbehörde tätigen Personen führen. Nach Art. 56 lit. f StPO trifft dies
namentlich aus anderen (als den in lit. a-e der gleichen Bestimmung genannten)
Gründen zu, insbesondere wenn die in der Strafverfolgung tätige Person wegen
Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand
befangen sein könnte. Art. 56 StPO konkretisiert die Verfassungsbestimmung von
Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 EMRK. Danach hat jede Person Anspruch darauf,
dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen
Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Art. 30 Abs. 1 BV
soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des
Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen.
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei
objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der
Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen.
Solche Umstände können entweder in einem bestimmten Verhalten des betreffenden
Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und
organisatorischer Natur begründet sein (BGE 131 I 113 E. 3.4 S. 116). Bei der
Anwendung von Art. 56 lit. f StPO ist entscheidendes Kriterium, ob bei
objektiver Betrachtungsweise der Ausgang des Verfahrens noch als offen
erscheint. Wird der Ausstandsgrund aus materiellen oder prozessualen
Rechtsfehlern abgeleitet, so sind diese nur wesentlich, wenn sie besonders
krass sind und wiederholt auftreten, sodass sie einer schweren
Amtspflichtverletzung gleichkommen und sich einseitig zulasten einer der
Prozessparteien auswirken; andernfalls begründen sie keinen hinreichenden
Anschein der Befangenheit. Die Mehrfachbefassung mit derselben Angelegenheit,
nicht zuletzt im Zusammenhang mit einem prozessualen Zwischenentscheid, genügt
dafür ebenfalls nicht, solange das Verfahren noch als offen erscheint.
Schliesslich stellt auch die Ablehnung eines Beweisantrags durch das
verfahrensleitende Gerichtsmitglied für sich allein keinen Ausstandsgrund dar
(vgl. BGE 116 Ia 135; sodann zum Ganzen Urteil des Bundesgerichts 1B_140/2016
vom 2. Juni 2016 E. 2).

2.2. Der Beschwerdeführer sieht einen Ausstandsgrund im prozessualen Vorgehen
des Einzelrichters am Kreisgericht See-Gaster. Damit habe dieser zum Ausdruck
gebracht und den Anschein erweckt, dass er dem Beschwerdeführer gegenüber nicht
unbefangen sei und das Verfahren nicht korrekt durchführen werde. Besonders
krasse oder wiederholte Verfahrensfehler, die einer schweren
Amtspflichtverletzung gleichkämen, vermag der Beschwerdeführer aber nicht
darzutun und sind auch nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere, soweit der
Einzelrichter verschiedenen Verfahrensanträgen des Beschwerdeführers nicht
stattgegeben und diesem mitgeteilt hat, nach einer Vielzahl von Eingaben keine
weiteren mehr entgegen zu nehmen und den Prozess zum Abschluss bringen zu
wollen. Der Beschwerdeführer hatte mehrfach die Gelegenheit, seinen Standpunkt
einzubringen. Es ist nicht unüblich und belegt keine Befangenheit des
Verfahrensleiters, das schriftliche Beweisverfahren abzuschliessen und zum
Hauptverfahren überzugehen, nachdem den Verfahrensbeteiligten genügend
Gelegenheit gegeben wurde, dem Gericht ihren Standpunkt klar zu machen. Diese
Voraussetzung ist hier erfüllt. Dem Beschwerdeführer wurde die entsprechende
Möglichkeit nicht in unzulässiger und schon gar nicht in schwerwiegender oder
krasser Weise vorenthalten. Da auch keine anderen Gründe für den Anschein von
Befangenheit bestehen, verstösst der angefochtene Entscheid nicht gegen
Bundesrecht.

3. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1, Art. 65 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt Uznach, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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