Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.151/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
1B_151/2017        

Urteil vom 14. Juni 2017

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Xavier Dobler,

gegen

1. Daniel Bussmann, Obergericht des Kantons Zürich,

II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
2. Marco Ruggli, Obergericht des Kantons Zürich,

II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
3. Beat Stiefel, Obergericht des Kantons Zürich,

II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
4. Nevin Karabayir, Obergericht des Kantons Zürich,

II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. März 2017 des Obergerichts des Kantons
Zürich, I. Strafkammer.

Sachverhalt:

A. 
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 6. Mai 2015 soll
A.________ am 19. Oktober 2014, um ca. 04:00 Uhr, im Club X.________ in
Affoltern am Albis, B.________ im Verlaufe von Meinungsverschiedenheiten eine
Bierflasche so heftig ins Gesicht geschlagen haben, dass diese zersplitterte.
B.________ erlitt multiple Schnittwunden im Gesicht.
Am 14. September 2015 sprach das Bezirksgericht Affoltern A.________ vom
Anklagevorwurf der eventualvorsätzlich versuchten schweren Körperverletzung
(Art. 122 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) oder eventuell der Verübung einer
Tat in selbstverschuldeter Zurechnungsunfähigkeit im Sinn von Art. 263 Abs. 1
StGB) frei und verurteilte ihn wegen eines hier nicht interessierenden
Betäubungsmitteldelikts zu einer Busse von 500 Franken. Gegen dieses Urteil
meldeten die Staatsanwaltschaft und B.________ Berufung an.
Am 29. Januar 2016 führte die II. Strafkammer des Zürcher Obergerichts die
Berufungsverhandlung durch. Dabei wurde den Parteien verkündet, dass die Sache
nicht spruchreif sei und ein neues Gutachten in Auftrag gegeben werden müsse.
Gleichentags gab das Gericht ein Gutachten zur Schuldfähigkeit von A.________
und zur allfälligen Notwendigkeit einer Weisung betreffend Alkoholabstinenz in
Auftrag. Es bestellte Prof. Dr. Elmar Habermeyer als Gutachter und gab den
Parteien Gelegenheit, sich zu den Gutachterfragen zu äussern. Am 15. Juli 2016
erstatteten Prof. Habermeyer und M. Sc. Fanny de Tribolet-Hardy ihr Gutachten.
Am 27. August 2016 stellte A.________ Ausstandsbegehren gegen die mit dem Fall
befassten Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die
Gerichtsschreiberin Karabayir. Weiter verlangte er den Ausstand der Gutachter
Habermeyer und Tribolet-Hardy. Die drei Oberrichter und die Gerichtsschreiberin
nahmen Stellung und erklärten, sich nicht als befangen zu erachten.
Am 27. September 2016 überwies der Präsident der II. Strafkammer die
Ausstandsgesuche und die Stellungnahmen dazu der I. Strafkammer zur Behandlung.
Mit Verfügung vom 17. Oktober 2016 hielt der Präsident der I. Strafkammer fest,
dass für die Beurteilung der Ausstandsgesuche gegen die Gutachter Habermeyer
und Tribolet-Hardy nach rechtskräftiger Erledigung des bei seiner Kammer
hängigen Verfahrens die II. Strafkammer zuständig sein werde.
Am 14. März 2017 wies die I. Strafkammer die Ausstandsgesuche gegen die
Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin
Karabayir ab.

B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Beschluss der I.
Strafkammer aufzuheben, die Ausstandsgesuche gegen die Oberrichter Bussmann,
Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin Karabayir gutzuheissen oder
eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Seiner Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ausserdem ersucht er
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

C. 
Die Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin
Karabayir verzichten auf Vernehmlassung.

D. 
Am 4. Mai 2017 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab, er ermöglicht
vielmehr dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten,
kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen
den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als
Beschuldigter ist der Beschwerdeführer zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs.
1 lit. a und b BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen
Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.

2. 
Nach Art. 56 lit. f StPO hat ein Richter oder eine Gerichtsschreiberin u.a. in
den Ausstand zu treten, wenn Tatsachen vorliegen, die sie als befangen
erscheinen lassen. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK, denen in
dieser Hinsicht dieselbe Tragweite zukommt, hat der Einzelne Anspruch darauf,
dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen
Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei
objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der
Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so
ist die Garantie verletzt (BGE 135 I 14 E. 2; 133 I 1 E. 6.2; 131 I 113 E. 4.4;
125 I 219 E. 3a). Dem Richter ist es allerdings nicht verwehrt, sich aufgrund
der Akten eine vorläufige Meinung zu bilden, solange er innerlich frei ist,
aufgrund der in der Verhandlung vorgetragenen Argumente zu einem anderen
Ergebnis zu gelangen. Die Garantie der Unvoreingenommenheit ist verletzt, wenn
der Anschein erweckt wird, der Richter habe sich bereits so festgelegt, dass
daran die Argumente der Verteidigung nichts mehr zu ändern vermöchten (Urteile
1B_407/2011 vom 21. November 2011 E. 2.2, in Pra 2012 Nr. 24 S. 165; 1P.687/
2005 vom 9. Januar 2006 E. 7.1, in: Pra 2007 Nr. 26 S. 161; 1P.634/2002 vom 17.
März 2003 E. 5.1).

3.

3.1. Das Obergericht behandelt das Berufungsverfahren gegen den
Beschwerdeführer wie üblich im sogenannten Referentensystem. Dabei bereiten
sich alle beteiligten Richter und die Gerichtsschreiberin aufgrund der Akten
auf die Berufungsverhandlung vor und bilden sich eine vorläufige Meinung. Einer
der Richter erstellt als Referent vor der Verhandlung schriftlich einen
vorläufigen Urteilsantrag, überarbeitet ihn anhand der an der
Berufungsverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und lässt ihn anschliessend als
Ausdruck seiner aufgrund der Akten und der Verhandlung abschliessend gewonnenen
richterlichen Überzeugung in die Urteilsfindung der Kammer einfliessen. Der
Urteilsantrag des Referenten ist damit ein Arbeitspapier, welches als Grundlage
für die interne richterliche Urteilsberatung dient.

3.2. Vorliegend hat Oberrichter Stiefel nach unbestrittener Darstellung als
Referent die Akten durchgearbeitet und dabei Eindrücke, Fragen, erste
Einschätzungen etc. auf "Post-it"-Zetteln notiert und an den entsprechenden
Stellen in die Akten geklebt. Anhand dieser Notizen hat er dann den Fall mit
der Gerichtsschreiberin vorbesprochen und sie beauftragt, für ihn den
schriftlichen Urteilsantrag zu erstellen. Sie hat anschliessend, zwar in
Kenntnis der ersten, vorläufigen Überlegungen des Referenten, aber ohne
Weisungen, den Urteilsantrag in eigener Verantwortung erarbeitet. In der Folge
zirkulierten die Akten mit den "Post-it"-Zetteln bei den beiden weiteren mit
dem Fall befassten Oberrichtern und wurden in dieser Form auch den Gutachtern
zur Verfügung gestellt.

3.3. Der Beschwerdeführer macht in der Sache geltend, die Mitrichter und die
Gerichtsschreiberin hätten die Akten nicht in originalem, unverändertem Zustand
erhalten, sondern mit den Klebezetteln des Referenten versehen, auf denen er
angezeigt habe, wie die bezeichneten Aktenstellen zu interpretieren seien.
Dadurch sei die autonome richterliche Meinungsbildung beeinflusst bzw. die
unabhängige und freie Würdigung der Beweise durch die Mitrichter beeinträchtigt
worden. Nicht entscheidend sei, ob die "Post-it"-Zettel aus Versehen in den
Akten geblieben seien und ob sie von den Mitrichtern und der
Gerichtsschreiberin überhaupt gelesen wurden oder nicht. Der Umstand, dass sie
dies hätten tun können, genüge, um den Anschein der Befangenheit zu erwecken.
Dazu komme, dass die Anmerkungen des Referenten äusserst einseitig erfolgt
seien und berechtigte Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit erwecken würden.
Einen weiteren Grund für die Voreingenommenheit der am Fall beteiligten Richter
und der Gerichtsschreiberin sieht der Beschwerdeführer im Umstand, dass das
Gericht an der Berufungsverhandlung erklärt habe, keine Zweifel an der
Täterschaft des Beschwerdeführers zu haben, obwohl es noch kein Sachurteil
gefällt habe; darin liege eine unzulässige Vorverurteilung. Die Vorinstanz habe
diesen Einwand zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.

4.

4.1. Unbestritten ist, dass die Mitrichter und die Gerichtsschreiberin die
Akten nicht im Originalzustand erhielten, sondern versehen mit den
"Post-it"-Zetteln des Referenten. Das ist insofern unglücklich, als es
naturgemäss schwieriger ist, sich selber eine eigene Meinung z.B. zu einer in
den Akten liegenden Aussage eines Zeugen oder des Beschuldigten zu bilden, wenn
aus einem nicht übersehbaren "Post-it"-Zettel hervorgeht, dass sie der Referent
anzweifelt. Es ist jedenfalls theoretisch nicht auszuschliessen, dass das
Vorwissen um die Zweifel des Referenten die eigene Interpretation der
Aktenstelle unbewusst beeinflussen kann. Anderseits gehört die Beweiswürdigung
zur Kernkompetenz eines Gerichts, und der Ausschluss von externen Einflüssen,
die sich nicht aus den Akten ergeben, bildet das A und O dieser Tätigkeit. Ein
Richter muss sich mit anderen Worten bei der Beweiswürdigung ständig
Rechenschaft ablegen, ob sich seine Beurteilungen ausschliesslich auf die Akten
stützen lassen und er ausschliessen kann, dass er sich unzulässigerweise
anderweitig - z.B. durch Presseberichte zum erstinstanzlichen Verfahren -
beeinflussen lässt. Die Befürchtung, dass sich die Richter und die
Gerichtsschreiberin bei der Beweiswürdigung von den "Post-it"-Zetteln des
Referenten beeinflussen liessen, erscheint daher jedenfalls dann unbegründet,
solange keine Anzeichen dafür bestehen, dass sie sich effektiv davon leiten
liessen. Solche Anzeichen sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass sie die
Akten mit den "Post-it"-Zetteln des Referenten erhielten, ist daher nicht
geeignet, die Mitrichter und die Gerichtsschreiberin als befangen erscheinen zu
lassen.

4.2. Für den Beschwerdeführer ist der Referent befangen, weil ihn sämtliche An-
bzw. Bemerkungen auf den "Post-it"-Zetteln belasten würden; entlastende Notizen
fänden sich dagegen keine. Der Einwand ist unbegründet. Abgesehen davon, dass
die Zettel auch in ihrer Gesamtheit nicht ansatzweise eine auch nur vorläufige
Beweiswürdigung beinhalten, so liegt es in der Natur der Sache, dass ein
Berufungsrichter, bei dem ein Freispruch angefochten ist, sein Augenmerk
zunächst auf mögliche Schwachstellen und Ungereimtheiten der vorinstanzlichen
Beweiswürdigung richtet und seine "Post-it"-Zettel mit dem entsprechenden
Kommentar dort anbringt, wo er prima vista solche auszumachen meint. Dass diese
Zettel aus Sicht des Beschwerdeführers in ihrer überwiegenden Mehrheit
belastend sind, ist daher kein Beleg für eine Voreingenommenheit des
Referenten.

4.3. Auch der vom Obergericht bestellte Gutachter und die von diesem
beigezogene Sachverständige erhielten die Akten in kommentierter Form. Darin
liegt nach der Auffassung des Beschwerdeführers eine unsachgerechte
Einflussnahme auf die Bildung der Expertenmeinung der Gerichtsgutachter durch
die II. Strafkammer, die geeignet sei, Misstrauen in die Unparteilichkeit des
Spruchkörpers zu erwecken.
Die "Post-it"-Zettel beziehen sich praktisch ausschliesslich auf die
Beweiswürdigung bzw. den Nachweis der Täterschaft des Beschwerdeführers. Mit
dieser Fragestellung hatte sich einzig das Obergericht selber zu beschäftigen,
nicht aber die Gutachter. Der Kammerpräsident hat denn auch beim Abbruch der
Verhandlung ausdrücklich festgehalten, die Kammer sei überzeugt, dass der
Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat begangen habe und die rechtliche
Würdigung der Anklagebehörde zutreffend sei. Der Gutachter ist vom Obergericht
bei der Erteilung des Auftrags ausdrücklich angewiesen worden, im Sinne einer
Arbeitshypothese von der Darstellung der Anklageschrift auszugehen. Die
"Post-it"-Zettel waren somit von vornherein nicht geeignet, die Arbeit der
Gutachter zu beeinflussen; der Umstand, dass ihnen das Obergericht
(versehentlich) die kommentierten Akten zur Verfügung stellte, lässt die
Mitglieder des Spruchkörpers daher nicht befangen erscheinen.

4.4. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Obergericht habe ihn
vorverurteilt, indem es festgehalten habe, an seiner Täterschaft bestünden
keine Zweifel, obwohl es noch gar kein Urteil gefällt habe. Das Obergericht hat
diese Rüge zu Recht als verspätet zurückgewiesen, nachdem es diese Feststellung
bereits an der Berufungsverhandlung vom 29. Januar 2016 getroffen hatte, der
Beschwerdeführer dies aber erst 7 Monate später als unzulässig rügte. Der
Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht davon ausgehen müssen, dass sich
das urteilende Gericht am 29. Januar 2016 in Bezug auf seine Täterschaft
bereits abschliessend festgelegt habe, geht fehl. Nach dem
Verhandlungsprotokoll hat sich der Präsident in diesem Punkt unmissverständlich
geäussert, und auch das weitere Vorgehen - die Einholung eines neuen Gutachtens
- macht nur Sinn, wenn das Obergericht beim Unterbruch der Verhandlung von der
Täterschaft des Beschwerdeführers ausging.
Das Vorgehen des Obergerichts ist im Übrigen ohnehin nicht zu beanstanden. Zwar
kann es die Verhandlung zweiteilen und zunächst die Tatfrage beurteilen und in
einem zweiten Verfahrensteil die Schuldfrage sowie die Folgen eines Schuld-
oder Freispruchs behandeln (Art. 342 Abs. 1 lit. b StPO; Tatinterlokut). Es ist
zu diesem Vorgehen aber nicht verpflichtet, abgesehen davon, dass der
Beschwerdeführer auch keinen entsprechenden Antrag gestellt hat (Max Hauri/
Petra Venetz, in: Basler Kommentar zur StPO, 2.A. 2014, N. 5 zu Art. 342).

5.

5.1. Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe sein rechtliches Gehör
verletzt, weil es auf sein relevantes Vorbringen, es habe den Anschein der
Befangenheit erweckt, indem es den Gutachtern kommentierte bzw. mit den
"Post-it"-Zetteln versehene Akten übergeben und sie so unsachgerecht
beeinflusst habe, nicht ansatzweise eingegangen sei.
Die Rüge ist unbegründet, weil das Vorbringen nicht entscheidrelevant war (oben
E. 4.3).

5.2. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, sein rechtliches Gehör
verletzt zu haben, indem es sich mit seiner detaillierten Auseinandersetzung
mit dem Inhalt der Merkzettel nicht auseinandergesetzt, sondern unzutreffend
ausgeführt habe, er habe sich in der Beschwerdeschrift darauf beschränkt, die
Kommentare pauschal als sehr einseitig zu rügen.
Das Obergericht hat sich durchaus mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich aus
dem Inhalt der "Post-it"-Zettel auf die Befangenheit ihres Verfassers
schliessen lasse, und es hat die Frage verneint. Aus den Zetteln ergäben sich
bloss Hinweise auf den betreffenden Akteninhalt, Markierungen der ihm wichtig
erscheinenden Aktenstellen und stichwortartige Würdigung von Aussagen.
Unsachliche Kommentare oder Meinungsäusserungen, denen endgültiger Charakter
zugesprochen werden müsste, kämen nicht vor.
Das Obergericht hat sich sachgerecht und genügend mit der vom Beschwerdeführer
aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob der Inhalt der "Post-it"-Zettel
deren Verfasser als befangen erscheinen lasse. Es hat damit seine
verfassungsrechtliche Begründungspflicht erfüllt, die Rüge ist unbegründet. Der
Umstand, dass sich die "Post-it"-Zettel einseitig zu seinen Lasten auswirken,
wie der Beschwerdeführer befürchtet, ist kein Indiz für die Befangenheit des
Verfassers (oben E. 4.2).

6. 
Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird an sich der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da die Beschwerde nicht von
vornherein aussichtslos war und die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers
ausgewiesen scheint (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:

2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

2.2. Rechtsanwalt Xavier Dobler wird für das bundesgerichtliche Verfahren als
amtlicher Verteidiger eingesetzt und mit Fr. 2'000.-- aus der Gerichtskasse
entschädigt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juni 2017

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Störi

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