Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.96/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_96/2016

Urteil vom 22. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecher Ubald Bisegger,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin,

Luzerner Pensionskasse (LUPK),
Zentralstrasse 7, 6002 Luzern.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 15. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________, geboren 1967, hatte am 17. Mai 2003 einen Autounfall erlitten
und sich dabei eine Distorsion der Halswirbelsäule zugezogen. Die IV-Stelle des
Kantons Aargau sprach ihm wegen der verbliebenen Folgen mit Verfügung vom 24.
August 2006 ab dem 1. Juni 2005 eine halbe Invalidenrente zu.

A.b. Gestützt auf die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen
der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket)
überprüfte die IV-Stelle die Rente und stellte ihre Leistungen mit Verfügung
vom 22. April 2013 ein. Des Weiteren lehnte sie das Gesuch des Versicherten um
berufliche Wiedereingliederungsmassnahmen am 3. September 2013 ab. Die gegen
die Rentenaufhebung erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des
Kantons Aargau am 11. Februar 2014 teilweise gut und wies die Sache zu weiteren
Abklärungen an die IV-Stelle zurück. Mit Entscheid vom 12. August 2014 hob sie
die Verfügung betreffend die Wiedereingleiderungsmassnahmen auf.

A.c. Die IV-Stelle liess A.________ in der Folge polydisziplinär bei der
Academy of Swiss Insurance Medicine, asim, Universitätsspital Basel, abklären
(Gutachten vom 14. Oktober 2014). Gestützt darauf verfügte die IV-Stelle am 2.
Juni 2015 erneut die Rentenaufhebung und lehnte am 1. Juni 2015 auch berufliche
Wiedereingliederungsmassnahmen ab.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 15. Dezember 2015 teilweise gut, hob die Verfügung vom
1. Juni 2015 betreffend berufliche Wiedereingliederungsmassnahmen auf und wies
die Sache im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zu weiteren Abklärungen und
neuer Verfügung zurück. Im Übrigen, das heisst hinsichtlich der
Rentenaufhebung, wurde die Beschwerde abgewiesen.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag auf Aufhebung von Ziffer 1.2, 2 sowie 3 des vorinstanzlichen
Entscheides (Invalidenrente, Gerichtskosten und Parteientschädigung) und der
Verfügung vom 2. Juni 2015 betreffend die Renteneinstellung, eventualiter auf
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen
Schriftenwechsel verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG)
und ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden (BGE 134 I 65 E. 1.3 S. 67 f.,
134 V 250 E. 1.2 S. 252, je mit Hinweisen). Unter Berücksichtigung der
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind, und ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 134 I 313 E. 2 S. 315, 65 E. 1.3 S. 67 f.,
je mit Hinweisen).

2. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechts auf eine öffentliche
Verhandlung. Er habe eine Parteibefragung beantragt, um sich namentlich zur
(fehlenden) Stellungnahme seiner behandelnden Psychiaterin beziehungsweise zur
Einschätzung des psychiatrischen Gutachters, zu seiner Arbeitsunfähigkeit auch
nach zehnjährigem Rentenbezug und zu seinem Gesundheitszustand aus
kardiologischer Sicht zu äussern.
Für den Prozess vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt Art. 61 lit. a
ATSG, dass das Verfahren in der Regel öffentlich ist. Es wird damit der von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK geforderten Öffentlichkeit des Verfahrens Rechnung getragen
(Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 30 zu Art. 61 ATSG), welche im
erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren zu gewährleisten ist (BGE 122 V 47 E. 3
S. 54 mit Hinweisen; in BGE 131 V 286 nicht publizierte E. 1.2 des Urteils C 13
/05 vom 24. August 2005). Blosse Beweisabnahmeanträge, wie sie der
Beschwerdeführer gestellt hat, sind indessen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht
erfasst (Urteil des EuGMR i.S. Hurter gegen die Schweiz vom 15. Dezember 2005,
Nr. 53146/99, Ziff. 34; BGE 134 I 140 E. 5.2 S. 147). Dass die Vorinstanz
darauf verzichtet hat, eine öffentliche Verhandlung zur Parteibefragung
durchzuführen, vermag daher keine Verletzung dieser EMRK-Bestimmung zu
begründen.

3. 
Der Beschwerdeführer beanstandet Ziffer 3 des Urteilsdispositivs ("Die 
Beschwerde wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Parteikosten in
richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 1'150.00 zu bezahlen."). Es liegt ein
offensichtlicher Redaktionsfehler vor, der durch Berichtigung durch die
Vorinstanz korrigiert werden kann.

4. 
Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Bericht seiner behandelnden
Psychiaterin Frau Dr. med. C.________ vom 20. Januar 2016. Als neues
Beweismittel (echtes Novum) bleibt dieser im Verfahren vor dem Bundesgericht
unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 IV 342 E. 2.1 S. 343 f.; Urteil
5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 4.2.2).

5. 
Die Verwaltung hatte den Rentenanspruch des Beschwerdeführers gestützt auf die
Vorgaben der 6. IV-Revision zu überprüfen. Diese Bestimmungen betreffen Renten,
welche bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern
ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden (erstes
Massnahmenpaket, Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011, AS
2011 5659; BGE 139 V 547). Massgeblich und zu beurteilen war, ob ein solches
Beschwerdebild bei der Rentenzusprechung vorlag und damit die Voraussetzungen
für die Anwendbarkeit der erwähnten Bestimmungen gegeben sind, und ob eine
Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 2 ATSG besteht, dies auch unter
Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer am 24. Januar 2014 einen weiteren
Unfall erlitten hat. Verwaltung und Vorinstanz haben sich dabei auf das
asim-Gutachten vom 14. Oktober 2014 gestützt. Die asim-Ärzte bescheinigten aus
gesamtmedizinischer Sicht für die aktuelle Tätigkeit als Schulsozialarbeiter
eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 10 Prozent beziehungsweise eine
Arbeitsfähigkeit von 90 Prozent. Das kantonale Gericht hat sich zu den dagegen
vom Beschwerdeführer erhobenen Einwänden eingehend geäussert.

6. 
Nach Einschätzung des psychiatrischen Gutachters konnte keine Diagnose mit
Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit gestellt werden. Es liege ein klassisches
syndromales Symptombild nach Distorsion der Halswirbelsäule vor, im weitesten
Sinne ein neurasthenes Beschwerdebild. Diese Diagnose gehört nach der
Rechtsprechung zu den genannten unklaren Beschwerden (BGE 139 V 547 E. 2.2 S.
550). Sie lässt allein jedoch nicht auf den Schweregrad der Störung schliessen
(BGE 141 V 281 E. 2.1.1 S. 286). Der psychiatrische Gutachter bescheinigt eine
100-prozentige Arbeitsfähigkeit. Damit ist ein invalidisierendes Leiden von
erheblicher Schwere auch im Sinne der Rechtsprechung von BGE 141 V 281 nicht
gegeben. Konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit dieser gutachtlichen
Einschätzung waren nicht zu erkennen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465
E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Die Einwände des Beschwerdeführers
vermögen die dazu ergangenen vorinstanzlichen Feststellungen nicht als
offensichtlich unrichtig oder rechtsfehlerhaft erscheinen zu lassen.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung
mit Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Luzerner Pensionskasse (LUPK), dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 22. April 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Durizzo

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