Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.841/2016
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_841/2016            

 
 
 
Urteil vom 30. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel Richter, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 10. November 2016 (IV.2016.00007). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1960 geborene A.________ arbeitete ab 1. Oktober 1998 im Umfang von 70 %
als Kreditorenbuchhalterin bei der B.________ AG. Am 8. März 2015 meldete sie
sich wegen eines Burnouts bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an.
Vom 15. Januar bis 28. März 2015 liess A.________ eine diagnostizierte
mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen (ICD-10 F32.1) sowie
ein Erschöpfungssyndrom (ICD-10 Z73.0) stationär in der Klinik C.________
behandeln (Berichte vom 10. April und 3. August 2015. Die nachfolgend
konsultierte Psychiaterin Frau Dr. med. D.________ attestierte eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit bei gleicher diagnostischer Einschätzung
(Bericht vom 6. August 2015). Mit der Begründung, es liege kein
invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden vor, der die
Arbeitsfähigkeit dauerhaft einschränke, wies die IV-Stelle des Kantons Zürich
das Leistungsbegehren ab (Verfügung vom 17. November 2015). 
 
B.   
A.________ erhob dagegen Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und reichte ein durch ihren Krankentaggeldversicherer veranlasstes
psychiatrisches Gutachten des Dr. med. E.________, Chefarzt Klinik F.________,
vom 29. Dezember 2015 während des Verfahrens nach. Das Gericht hiess die
Beschwerde gut, hob die Verfügung vom 17. November 2015 auf und stellte fest,
dass die Versicherte ab 1. November 2015 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente
habe (Entscheid vom 10. November 2016). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihre Verfügung vom
17. November 2015 zu bestätigen. Ferner ersucht sie um Erteilung der
aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. 
A.________ lässt Abweisung der Beschwerde und auch des Gesuchs um aufschiebende
Wirkung des Rechtsmittels beantragen. Das kantonale Gericht schliesst
sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 15. Februar 2017 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
E.   
Die I. und die II. sozialrechtliche Abteilung haben zur folgenden Rechtsfrage
ein Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 BGG durchgeführt: 
 
"Ist die Rechtsprechung, wonach depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger
Natur einzig dann als invalidisierende Krankheiten in Betracht fallen, wenn sie
erwiesenermassen therapieresistent sind, aufzugeben?" 
Die beiden sozialrechtlichen Abteilungen haben die Rechtsfrage bejaht
(Beschluss vom 22. November 2017). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie der diagnostizierten psychischen Gesundheitsstörung (mit attestierter
vollständiger Arbeitsunfähigkeit bis mindestens Ende Februar 2016)
invalidisierende Wirkung zuerkannte und einen Anspruch auf Invalidenrente ab
15. November 2015 bejahte. Zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildet dabei die am 17. November 2015 erlassene Verfügung
(BGE 134 V 392 E. 6          S. 397).  
 
2.2. Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, wenn sie während eines Jahres
ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (
Art. 6 ATSG) gewesen und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 % invalid
sind (Art. 28 Abs. 1 lit. b und c IVG).  
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog, trotz frühzeitig begonnener und konsequent
durchgeführter Therapie hätten die Ärzte der Versicherten übereinstimmend eine
seit dem 10. November 2014 bestehende und bis mindestens Ende Februar 2016
dauernde 100%-ige Arbeitsunfähigkeit attestiert. In den Akten würden sich keine
Hinweise finden, die Zweifel an diesen Einschätzungen aufkommen liessen. Der
Experte Dr. med. E.________ habe zwar eine gesundheitliche Besserung seit
November 2015 festgestellt, dennoch aber bei Vorliegen einer Anpassungsstörung
mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10 F43.21), einer generalisierten
Angststörung (ICD-10 F41.1) und einer psychophysischen Erschöpfung (ICD-10
Z73.0) eine vollständige Arbeitsunfähigkeit im Gutachtenszeitpunkt
festgehalten. Aufgrund der erheblichen psychophysischen Erschöpfung habe er
eine weitere stationäre psychosomatische Rehabilitation empfohlen, die die
Beschwerdegegnerin in der Klinik H.________ vom 11. Januar bis 13. Februar 2016
absolviert habe (Austrittsberichte vom 12. Februar und 10. März 2016). In
Nachachtung der Rechtsprechung gemäss BGE 127 V 294, wonach die
Therapierbarkeit eines Leidens den Eintritt einer rentenbegründenden
Invalidität nicht absolut ausschliesse, bestehe ab 1. November 2015 Anspruch
auf eine ganze Invalidenrente. Mit Blick auf den Krankheitsverlauf sei die
Rente allenfalls zu befristen oder zu einem späteren Zeitpunkt einer Revision
zu unterziehen.  
 
3.2. Die IV-Stelle verneint die Erheblichkeit des depressiven Leidens im
invalidenversicherungsrechtlichen Sinn. Sie stellt sich auf den Standpunkt,
psychische Störungen seien grundsätzlich nur dann invalidisierend, wenn sie
schwer und therapeutisch nicht (mehr) angehbar seien. Bei leichten bis
mittelgradigen depressiven Störungen fehle es praxisgemäss an der
vorausgesetzten Schwere, seien sie rezidivierend oder episodisch. Die
Versicherte habe die Klinik H.________ im Februar 2016 in gebessertem Zustand
verlassen können; nach dem Beck-Depressions-Inventar (BDI) habe sie bei
Austritt mit 14 Punkten den untersten Wert für eine leichte Depression erreicht
(Austrittsbericht vom 10. März 2016). Gestützt auf die Ergebnisse des
psychiatrischen Gutachters Dr. med. E.________ und der Klinik H.________ sei
demnach nicht von einem invalidisierenden Leiden auszugehen.  
 
4.  
 
4.1. Die Auffassung der Beschwerde führenden IV-Stelle, dass die Folgen der
vorliegenden depressiven Problematik nur bei überwiegend wahrscheinlicher
Therapieresistenz invalidenversicherungsrechtlich Berücksichtigung finden,
entspricht der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach fallen
depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, seien sie im Auftreten
rezidivierend oder episodisch, einzig dann als invalidisierende Krankheiten in
Betracht, wenn sie erwiesenermassen therapieresistent sind (BGE 140 V 193 E.
3.3       S. 197 mit Hinweis; Urteile 9C_841/2016 vom 8. Februar 2017 E. 3.1;
9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2; 9C_539/2015 vom 21. März 2016 E. 4.1.3.1;
8C_104/2014 vom 26. Juni 2014 E. 3.3.4). Diese Praxis ist zu hinterfragen und
zu prüfen, ob daran festgehalten werden kann (vgl. dazu: Eva Slavik,
Invalidenrentenanspruch bei depressiven Erkrankungen, in: Jusletter vom 4.
September 2017).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Das Bundesgericht hat wiederholt unter Hinweis auf BGE 127 V 294 E. 4c
S. 298 bekräftigt, dass in der Invalidenversicherung die Therapierbarkeit eines
Leidens dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht absolut
entgegensteht (zuletzt etwa Urteile 8C_222/2017 vom 6. Juli 2017 E. 5.2; 9C_682
/2016 vom 16. Februar 2017 E. 3.2; 8C_349/2016 vom 2. November 2015 E. 3.1).
Denn die Behandelbarkeit, für sich allein betrachtet, sagt nichts über den
invalidisierenden Charakter einer psychischen Störung, so auch eines
depressiven Leidens, aus ( vgl. auch RAHEL SAGER, Die bundesgerichtliche
Rechtsprechung betreffend Depressionen, in: SZS 2015 S. 308 ff., 317 f. Ziff.
5.2). Aus diesem Grundsatzurteil geht weiter hervor, dass in jedem Einzelfall
eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unabhängig von der diagnostischen
Einordnung eines Leidens und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie ausgewiesen
und in ihrem Ausmass bestimmt sein muss. Entscheidend ist die Frage, ob es der
versicherten Person zumutbar ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, was sich
nach einem weitgehend objektivierten Massstab beurteilt (BGE 127 V 294 E. 4b/cc
S. 297 f. in fine; wiedergegeben in BGE 139 V 547 E. 5.2 S. 555). Die
objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung fand in Art. 7 Abs. 2 ATSG ihren
gesetzlichen Niederschlag. Die in BGE 127 V 294 getroffenen grundsätzlichen
Aussagen zur Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung haben weiterhin
Bestand. Eine Abkehr hiervon drängt sich nicht auf.  
 
4.2.2. Die dargelegten Grundsätze stehen in Einklang mit der Rechtsprechung zu
den psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V 281. Danach finden hinsichtlich
der Anspruchsprüfung anhand des Indikatorenkatalogs die Aspekte von
Behandlungserfolg oder -resistenz (in der Kategorie "funktioneller
Schweregrad") und ergänzend dazu, mit Blick auf den anamnestisch ausgewiesenen
Leidensdruck, die Inanspruchnahme von therapeutischen Optionen (in der
Kategorie "Konsistenz") beweisrechtlich als Indizien Beachtung. Die
grundsätzlich gegebene Therapierbarkeit ist demnach bei somatoformen und
gleichgestellten Störungen kein Ausschlussgrund für die Bejahung einer
Invalidität. Sie ist vielmehr (als Indiz) in die gesamthaft vorzunehmende
allseitige Beweiswürdigung miteinzubeziehen.  
 
4.3. Aus medizinischer Warte können funktionelle Beeinträchtigungen durch
somatoforme/funktionelle Störungen und durch solche depressiver Natur gleich
gross sein. Die Objektivier- und Beweisbarkeit ist bei der Feststellung
somatoformer Störungen und vergleichbarer Leiden eingeschränkt, worin sie sich
aber nicht von anderen psychischen Störungen unterscheiden (Peter Henningsen,
Probleme und offene Fragen in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei
Probanden mit funktionellen Körperbeschwerdesyndromen, in: SZS 2014 S. 524).
Fest steht, dass viele depressive Erkrankungen prinzipiell durch Antidepressiva
und Psychotherapie behandelbar sind, wobei offenbar bloss etwa in der Hälfte
der behandelten Fälle von einer adäquaten Depressionsbehandlung nach
psychiatrischen Standards ausgegangen werden kann (Schweizerisches
gesundheitsobservatorium/Obsan, Depressionen in der Schweizer Bevölkerung,
OBSAN-Bericht 56, Neuchâtel 2013, S. 16; vgl. auch die Behandlungsempfehlungen
der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression [SGAD] und der
Schweizerischen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie [SGBP] in
Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie [SGPP]). Selbst wenn in der Mehrzahl der Fälle depressive
Episoden, adäquat behandelt, günstig verlaufen und es zu einer vollständigen
Remission oder Teilremission innert weniger Monate kommt, liegen dennoch trotz
lege artis durchgeführter Behandlungsmassnahmen chronische Verläufe mit über
zweijähriger Dauer vor, wobei komorbide Leiden die Behandlungsdauer wesentlich
beeinflussen können (SCHLEIFER et. al.; Der Begriff der Therapieresistenz bei
unipolaren depressiven Störungen aus medizinischer und aus rechtlicher Sicht -
eine Standortbestimmung im Nachgang zu BGE 9C_13/2016, in: HAVE 3/2017 S. 272
sowie Schweizerisches gesundheitsobservatorium/Obsan, a.a.O. S. 16).  
 
4.4. Aus rechtlicher Sicht ergibt sich aus diesen Darlegungen, dass die Frage,
ob bei Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis eine
invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
resultiert, ebenso wenig wie bei somatoformen Störungen, allein mit Bezug auf
das Kriterium der Behandelbarkeit beantwortet werden kann. Zwar gilt die Frage,
ob eine Therapie durchgeführt wird, auch im Rahmen der medizinischen
Begutachtung als Indiz für den Leidensdruck der versicherten Person und damit
für den Schweregrad der Störung (Wolfgang Hausotter, Psychiatrische und
psychosomatische Begutachtung für Gerichte, Sozial- und private Versicherungen,
Frankfurt 2016, S. 193; vgl. ferner Klaus Foerster/Claudia Dressing/Harald
Dressing, Begutachtung bei sozialrechtlichen Fragen, in: Psychiatrische
Begutachtung [Venzlaff/Foerster/Dressing/ Habermeyer (Hrsg.)], 6. Aufl. 2015,
S. 553 f.). Mit dem Hinweis auf eine "regelmässig gute Therapierbarkeit" bei
leichten bis mittelschweren Störungen direkt auf eine fehlende
invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu
schliessen, greift aber zu kurz und blendet wesentliche medizinische Aspekte
dieses Krankheitsgeschehens in sachlich unbegründeter Weise aus (vgl. (Slavic,
a.a.O., Rz. 50 mit Hinweis auf Fn. 71; ULRIKE HOFFMANN-RICHTER, Psychische
Beeinträchtigungen in der Rechtsprechung, in: Ueli Kieser [Hrsg.],
Sozialversicherungsrechtstagung 2015, S. 77 f.). Die Therapierbarkeit vermag
demnach keine abschliessende evidente Aussage über das Gesamtmass der
Beeinträchtigung und deren Relevanz im invalidenversicherungsrechtlichen
Kontext zu liefern. Einen Gesundheitsschaden allein gestützt auf das Argument
der fehlenden Therapieresistenz unbesehen seiner funktionellen Auswirkungen als
invalidenversicherungsrechtlich nicht relevant einzustufen, mit der Konsequenz
eines Ausschlusses von Rentenleistungen, ist weder sachlich geboten noch
medizinisch abgestützt. Die Therapierbarkeit eines Leidens stellt kein
taugliches Kriterium für rechtliche Differenzierungen im Sinne der in Frage
stehenden Rechtsprechung dar. Die Feststellung, dass leichte bis mittelgradige
depressive Störungen rezidivierender oder episodischer Natur einzig dann als
invalidisierende Krankheiten in Betracht fallen, wenn sie erwiesenermassen
therapieresistent sind, ist daher in dieser absoluten Form unzutreffend und
steht einer objektiven, allseitigen Abklärung und Beurteilung der funktionellen
Einschränkungen der Krankheit im Einzelfall entgegen. Zusammenfassend bestehen
damit nach vertiefender Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage und der
dabei gewonnenen besseren Einsicht hinreichend gewichtige Gründe, die bisherige
Rechtsprechung zu den leichten bis mittelschweren Depressionen fallen zu lassen
(BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen).  
 
4.5.  
 
4.5.1. Unterliegen die depressiven Geschehen, losgelöst von der Frage ihrer
Ausprägung, den gleichen Schwierigkeiten hinsichtlich Objektivier- und
Beweisbarkeit wie alle psychischen Störungen, rechtfertigt sich - auch mit
Blick auf die materielle Beweislast der die Invalidenrente beanspruchenden
versicherten Person - keine gesonderte Beurteilung leichter bis mittelschwerer
Störungen aus dem depressiven Formenkreis. Mit der Annahme, dass aus
medizinischer Sicht generell für sämtliche psychischen Leiden eine beschränkte
Objektivier- und Beweisbarkeit gilt und nachdem auch aus rechtlicher Warte
grundsätzlich alle psychischen Erkrankungen im Hinblick auf ihre Auswirkungen
auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit den somatoformen Schmerzstörungen und
vergleichbaren psychosomatischen Leiden gleich zu stellen sind (mit heutigem
Datum ergangenes Urteil 8C_130/2017, zur Publikation vorgesehen), drängt sich
ein einheitliches Vorgehen zur Beurteilung eines Anspruchs auf Invalidenrente
im Rahmen dieser Problematik auf. Dies gilt umso mehr, als auch die Abgrenzung
somatoformer oder funktioneller Störungen von depressiven Leiden im Rahmen der
Begutachtung häufig Probleme bereitet (WOLFGANG HAUSOTTER, Begutachtung
somatoformer und funktioneller Störungen, 2. Aufl. 2004, S. 36).  
 
4.5.2. Bei leichten bis mittelschweren depressiven Störungen ist, wie bei jeder
geltend gemachten gesundheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit, demnach im
Einzelfall (einzig) danach zu fragen, ob und wie sich die Krankheit
leistungslimitierend auswirkt, wobei eine leistungs-, insbesondere
rentenbegründende Invalidität jedenfalls eine psychiatrische, lege artis
gestellte Diagnose voraussetzt (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff.; vgl. dazu auch
ANDREAS STEVENS, GENÜGT DIE BESCHWERDESCHILDERUNG ALS KRANKHEITSNACHWEIS?, IN:
GRENZWERTIGE PSYCHISCHE STÖRUNGEN, VOLLMOELLER [HRSG.], 2004). Denn gerade mit
Blick darauf, dass auch bei einem depressiven Leiden soziale Belastungen, die
direkt negative funktionelle Folgen zeitigen, auszuklammern sind, setzt die
vorzunehmende Abgrenzung zu reaktiven, invaliditätsfremden Geschehen auf
psychosoziale Belastungen eine nachvollziehbare Diagnosestellung voraus. Nicht
zuletzt im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit ist es sach- und systemgerecht,
solche Leiden ebenfalls einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281
zu unterziehen. Entscheidend ist dabei, unabhängig von der diagnostischen
Einordnung ihres Leidens, ob es gelingt, auf objektivierter
Beurteilungsgrundlage den Beweis einer rechtlich relevanten Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit zu erbringen, wobei die versicherte Person die materielle
Beweislast zu tragen hat (BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S. 295 f.). Wie bei den
somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden
verbleiben aber Verlauf und Ausgang von Therapien als wichtige
Schweregradindikatoren. Dementsprechend ist es Aufgabe des medizinischen
Sachverständigen, nachvollziehbar aufzuzeigen, weshalb trotz lediglich leichter
bis mittelschwerer Depression und an sich guter Therapierbarkeit der Störung im
Einzelfall funktionelle Leistungseinschränkungen resultieren, die sich auf die
Arbeitsfähigkeit auswirken. Zudem haben medizinische Studien gezeigt, dass eine
adäquate, leitlinienkonforme antidepressive Therapie als eine notwendige
Voraussetzung für günstige Verläufe hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und
Wiedereingliederung anzusehen ist (Schweizerisches Gesundheitsobservatorium,
a.a.O., S. 19, FULVIA ROTA, zur Notwendigkeit und Wirksamkeit langdauernder
Psychotherapien, JaSO 2015, S. 233 ff.). Eine konsequente, adäquate
psychotherapeutische Therapie des depressiven Geschehens ist dabei nach
medizinischer Ansicht wie auch im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen
Schadenminderungspflicht zumutbar (BGE 127 V 294 E. 4b/cc S. 297; HAUSOTTER,
Psychiatrische und psychosomatische Begutachtung, S. 195).  
 
4.5.3. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit kann dort von einem strukturierten
Beweisverfahren abgesehen werden, wo es nicht nötig oder auch gar nicht
geeignet ist. Daher bleibt es entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger
fachärztlicher Berichte (vgl. BGE 125 V 351) eine Arbeitsunfähigkeit in
nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen
Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen
kein Beweiswert beigemessen werden kann (vgl. Urteil 8C_130/2017 vom heutigen
Tag,    E. 7.1.1, zur Publikation vorgesehen). Namentlich in Fällen, bei denen
nach bestehender Aktenlage überwiegend wahrscheinlich von einer bloss
leichtgradigen depressiven Störung auszugehen ist, die ihrerseits nicht schon
als chronifiziert gelten kann (SCHLEIFER et al., a.a.O., S. 269 unten f.) und
auch nicht mit Komorbiditäten einher geht, bedarf es daher in aller Regel
keiner Weiterungen in Form eines strukturierten Beweisverfahrens.  
 
5.  
 
5.1. Fallspezifisch ergibt sich nach dem Gesagten, dass nicht bereits mit dem
Argument der fehlenden Therapieresistenz eine invalidenversicherungsrechtlich
relevante psychische Gesundheitsschädigung auszuschliessen ist. Mit der
IV-Stelle kann aber dennoch nicht aufgrund der bestehenden Aktenlage auf eine
einen Anspruch auf eine ganze Rente begründende Invalidität geschlossen werden.
Insoweit ist die Beschwerde begründet (Art. 61 lit. c ATSG i.V.m. Art. 95 lit.
a BGG; BGE 135 II 369 E. 3.1 in fine S. 373; 135 V 23 E. 2 S. 25).  
 
5.2. Weder der Gutachter Dr. med. E.________ noch die behandelnden Ärzte der
Klinik H.________ legten schlüssig und nachvollziehbar dar, warum sie trotz der
von ihnen klinisch festgestellten Verbesserung der diagnostizierten Leiden
weiterhin eine vollständige Arbeitsunfähigkeit in sämtlichen
Tätigkeitsbereichen attestierten. Dr. med. E.________ schätzte in seinem
Gutachten vom 29. Dezember 2015 die Arbeitsfähigkeit nach stationären
therapeutischen Massnahmen von vier bis sechs Wochen prognostisch auf 50 % und
rechnete mit einer monatlichen Steigerung derselben zwischen 20 und 25 % bis
zur Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit. Dem Austrittsbericht der
Klinik H.________ (vom 10. März 2016), soweit er, da nach Verfügungserlass
ergangen, überhaupt zu berücksichtigen ist (vgl. E. 2.1), lässt sich nicht
entnehmen, weshalb die Ärzte - bei einem seit November 2015 gebesserten Zustand
und im Rahmen der Selbstbeurteilung nach BDI leichter Symptomatik - selbst in
einer leidensangepassten Tätigkeit überhaupt kein funktionelles
Leistungsvermögen mehr annahmen. Die attestierte vollständige
Arbeitsunfähigkeit bis Ende Februar 2016 bezieht sich zum einen nicht auf den
massgebenden Zeitraum. Zum andern wurde sie einzig mit einem Hinweis auf die
Rekonvaleszenz begründet. Der von der Beschwerdegegnerin letztinstanzlich
eingereichte Austrittsbericht der Tagesklinik der Psychiatrischen Klinik
G.________ vom 9. Dezember 2016 ist als neues Beweismittel (echtes Novum)
unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG). Schlüssige medizinische Ausführungen, die
eine zuverlässige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im nunmehr anzuwendenden
strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 erlauben würden, liegen somit
nicht vor. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie ein
den Grundsätzen nach BGE 141 V 281 entsprechendes psychiatrisches Gutachten,
mit besonderem Augenmerk auf Therapieerfolg oder -resistenz, einhole. Gestützt
darauf wird sie in Berücksichtigung des gesundheitlichen Verlaufs neu
entscheiden.  
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die Rückweisung
der Sache zu neuer Abklärung gilt für die Frage der Auferlegung der
Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung praxisgemäss als vollständiges
Obsiegen der Beschwerde führenden Partei (vgl. SVR 2013 IV Nr. 26 S. 75, 8C_54/
2013 E. 6). Daher sind die Gerichtskosten von der unterliegenden
Beschwerdegegnerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. November 2016 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom    17. November 2015 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons
Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. November 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla 

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