Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.83/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_83/2016         

Urteil vom 28. Juni 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Fischer,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Kinderrente; Drittauszahlung;
Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
9. Dezember 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1970 geborene A.________ war von 1997 bis 2007 mit dem 1966 geborenen
B.________ verheiratet. Dieser bezog aufgrund einer chronisch paranoiden
Schizophrenie seit 1. November 1999 eine ganze Rente der Invalidenversicherung
nebst einer Zusatzrente für die Ehefrau und einer Kinderrente für den
gemeinsamen, 1997 geborenen Sohn (Verfügung vom 4. Oktober 2000). Mit
Mitteilung vom 13. Oktober 2005 bestätigte die IV-Stelle des Kantons Aargau
revisionsweise den weiteren Anspruch auf eine ganze Rente. Wegen der Scheidung
im Jahr 2007 berechnete sie deren Höhe neu. Zusätzlich hielt sie fest, in
Umsetzung des rechtskräftigen Scheidungsurteils vom........ werde die
Kinderrente ganz und die Invalidenrente teilweise an A.________ ausbezahlt
(Verfügung vom 7. Juni 2007). Im Rahmen einer weiteren Revision teilte die
IV-Stelle B.________ am 28. März 2008 einen unveränderten Anspruch auf die
Invalidenrente mit.
Anlässlich einer revisionsweisen Überprüfung des Leistungsanspruchs im August
2014 stellte die IV-Stelle nach eigenen Abklärungen fest, dass B.________ seit
2005 rentenausschliessende Erwerbseinkommen erzielte, was er der
Invalidenversicherung nicht gemeldet hatte. Sie stellte daher die rückwirkende
Aufhebung der Invalidenrente auf den 31. Dezember 2004 in Aussicht (Vorbescheid
vom 6. Mai 2015 mit Kopie an A.________). Mit je zwei Schreiben vom 21. Mai
2015 kündigte die IV-Stelle B.________ und A.________ die Rückforderung der
seit Juni 2010 zu Unrecht ausgerichteten Leistungen an. A.________ führte mit
Eingabe vom 29. Mai 2015 aus, nicht rückerstattungspflichtig zu sein. Am 15.
Juni 2015 verfügte die IV-Stelle die rückwirkende Aufhebung des Rentenanspruchs
auf den 31. Dezember 2004 gegenüber B.________ mit Kopie an A.________. Dieser
Entscheid wurde rechtskräftig. Mit Verfügung vom 13. Juli 2015 forderte die
IV-Stelle von B.________ den Betrag von Fr. 58'457.- und von A.________ mit
einer undatierten Verfügung Fr. 55'288.- zurück. Die Summe setzt sich aus einem
Anteil der Invalidenrente und der Kinderrente für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis
31. Oktober 2014 zusammen.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 9. Dezember 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids beantragen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Mit Eingabe vom 20. April
2016 lässt sich die Beschwerdeführerin nochmals vernehmen. Das vom
Bundesgericht zur Stellungnahme aufgeforderte Bundesamt für
Sozialversicherungen schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die
Beschwerdeführerin reicht hierzu am 26. Januar 2017 eine Stellungnahme ein.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht entscheidet kassatorisch oder reformatorisch. Ein blosser
Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids ist nicht zulässig, ausser
wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 134
III 379 E. 1.3 S. 383). Mit ihrem formellen Begehren, der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. Dezember 2015 sei aufzuheben,
stellt die Beschwerdeführerin an sich ein rein kassatorisches Rechtsbegehren
(Art. 42 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdebegründung ist jedoch der sinngemässe
reformatorische Antrag auf Verneinung eines Rückforderungsanspruchs zu
entnehmen (Art. 107 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383 f.). Das
Rechtsbegehren ist in diesem Sinn aufzufassen (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin für Invaliden- und
Kinderrentenleistungen in der unbestritten gebliebenen Höhe von Fr. 55'288.-
rückerstattungspflichtig ist.

2.2.

2.2.1. Nach Art. 20 Abs. 1 ATSG können Geldleistungen ganz oder teilweise einem
geeigneten Dritten oder einer Behörde ausbezahlt werden, der oder die der
berechtigten Person gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig
ist oder diese dauernd fürsorgerisch betreut, sofern die berechtigte Person die
Geldleistungen nicht für den eigenen Unterhalt oder für den Unterhalt von
Personen, für die sie zu sorgen hat, verwendet oder dazu nachweisbar nicht im
Stande ist (lit. a) und die berechtigte Person oder Personen, für die sie zu
sorgen hat, aus einem Grund nach Buchstabe a auf die Hilfe der öffentlichen
oder privaten Fürsorge angewiesen sind (lit. b). Nach dem Wortlaut von Art. 20
Abs. 1 lit. a ATSG kommen daher nur Personen oder Behörden in Frage, die
gegenüber der rentenberechtigten Person unterstützungspflichtig sind oder diese
dauernd betreuen.

2.2.2. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind sodann zurückzuerstatten (Art. 25
Abs. 1 erster Satz ATSG), wobei nebst dem Bezüger oder der Bezügerin auch
Dritte oder Behörden, mit Ausnahme des Vormundes oder der Vormundin, denen
Geldleistungen zur Gewährleistung zweckgemässer Verwendung nach Art. 20 ATSG
oder den Bestimmungen der Einzelgesetze ausbezahlt wurden,
rückerstattungspflichtig sind (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b ATSV).

3.

3.1. Das kantonale Gericht erwog, mit Scheidungsurteil des damaligen
Kreisgerichts C.________ vom 13. März 2007 sei B.________ verpflichtet worden,
der Beschwerdeführerin nachehelichen Unterhalt in der Höhe von monatlich Fr.
430.- und für den gemeinsamen Sohn Unterhalt in der Höhe der jeweiligen
Kinderrente der Invalidenversicherung sowie der Kinderpension der Pensionskasse
zu leisten. Das Gericht habe die Ausgleichskasse der Privatkliniken Schweiz
angewiesen, die Kinderrente und den (bis 31. Mai 2013 befristeten)
nachehelichen Unterhaltsbeitrag direkt an die Beschwerdeführerin auszurichten.
Diese Schuldneranweisung nach Art. 291 bzw. Art. 132 Abs. 1 ZGB stelle
rechtsprechungsgemäss eine privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui
generis dar. Bei der Umsetzung des Scheidungsurteils durch die IV-Stelle
mittels Verfügungen vom 7. Juni 2007 habe diese als Anordnung einer
Drittauszahlung (nach Art. 20 ATSG und Art. 35 Abs. 4 IVG) festgehalten, dass
Fr. 430.- monatlich vom Anspruch auf Invalidenrente sowie die Kinderrente an
die Beschwerdeführerin ausbezahlt würden, was unangefochten geblieben sei. Als
Begünstigte einer rechtskräftig festgesetzten Drittauszahlung sei die
Beschwerdeführerin rückerstattungspflichtig (Art. 2 Abs. 1 lit. b ATSV). Daran
ändere nichts, dass die IV-Stelle die Befristung des nachehelichen Unterhalts
per 31. Mai 2013 nicht nachvollzogen habe. Die Frage der Meldepflichtverletzung
sei in diesem Verfahren schliesslich ohne Belang, nachdem die am 15. Juni 2015
verfügte rückwirkende Rentenaufhebung unangefochten in Rechtskraft erwachsen
sei.

3.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die Rechtsgrundlage der
Direktzahlungen sei zivil- bzw. vollstreckungsrechtlicher Natur. Es liege,
entgegen den Darlegungen im angefochtenen Entscheid, keine Drittauszahlung im
Sinne von Art. 20 ATSG oder Art. 35 Abs. 4 IVG vor, weshalb sich eine
Rückerstattungspflicht auch nicht auf Art. 2 Abs. 1 lit. b ATSV stützen liesse.
Zwischen der Invalidenversicherung und ihr habe kein gesondertes,
sozialversicherungsrechtliches Verhältnis bestanden. Die Verfügungen vom 7.
Juni 2007 regelten einzig die Auszahlungsmodalitäten. Die Beschwerdeführerin
sei lediglich Inkasso- bzw. Zahlstelle für die Erfüllung der eigenen,
familienrechtlichen Unterhaltsansprüche und jener ihres Sohnes gewesen. Eine
eigene Meldepflichtverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden.

4.

4.1. Zunächst ist die Rückerstattungspflicht der Beschwerdeführerin
hinsichtlich ihres Anteils an der Invalidenrente ihres geschiedenen Ehegatten
von Fr. 430.- monatlich zu beurteilen.

4.2. Die Invalidenrente des ehemaligen Ehemanns wurde rechtskräftig aufgrund
einer Meldepflichtverletzung auf den 31. Dezember 2004 aufgehoben, nachdem
dieser es versäumt hatte, der IV-Stelle die Erzielung rentenausschliessender
Erwerbseinkommen seit 2005 zu melden (Verfügung vom 15. Juni 2015). Damit wurde
die Rente seither zu Unrecht bezogen.

4.3. Die Auszahlung der Invalidenrente in der Höhe von Fr. 430.- an die
Beschwerdeführerin erfolgte gestützt auf eine zivilgerichtliche Anordnung (nach
Art. 132 Abs. 1 ZGB) in einem rechtskräftig gewordenen Scheidungsurteil. Die
Anordnung des Zivilgerichts wurde unbestrittenermassen von der IV-Stelle
umgesetzt und zum damaligen Zeitpunkt von keiner Seite als rechtswidrig
angesehen. Es kann offengelassen werden, ob eine gestützt auf Art. 132 Abs. 1
ZGB angeordnete Schuldneranweisung gegenüber den sozialversicherungsrechtlichen
Drittauszahlungstatbeständen vorbehalten bleibt, was in der Lehre mehrheitlich
bejaht wird (siehe die kritische Auseinandersetzung mit dem Urteil 5P.474/2005
vom 8. März 2006 mit Hinweis auf weitere Literatur: Martina Patricia Steiner,
Die Anweisungen an die Schuldner, Luzerner Beiträge an die Rechtswissenschaft
[LBR], Basel/Genf 2015, S. 80 N. 244 ff. und Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3.
Aufl. 2015, N. 38 zu Art. 20 ATSG unter Hinweis auf BGE 119 V 425 E. 6 S. 430).
Es steht nicht die Rechtmässigkeit der Drittauszahlung, sondern einzig die
Rechtmässigkeit der Rückforderung der ausgerichteten Rentenbetreffnisse im
Raum.

4.4. Unbestritten ist, dass eine Drittauszahlung an die
unterstützungsberechtigte Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 20 Abs. 1 ATSG
nicht möglich gewesen wäre, da sie ihrem geschiedenen Ehegatten gegenüber nicht
- wie im Ingress von Abs. 1 dieser Norm verlangt wird - unterstützungspflichtig
ist oder ihn dauernd fürsorgerisch betreut. Nichts anderes lässt sich aus dem
Urteil 5P.474/2005 vom 8. März 2006 ableiten, welches die IV-Stelle in ihrer
Vernehmlassung vom 8. März 2016 zitiert. Dieses Urteil hatte sich im Rahmen der
staatsrechtlichen Beschwerde mit der Auslegung von Art. 20 Abs. 1 ATSG zu
befassen und darin zu klären, ob eine wörtliche Auslegung von Art. 20 Abs. 1
ATSG, wie sie die Vorinstanz vornahm, das Gleichheitsgebot (Art. 8 BV) sowie
den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) verletzt, was verneint wurde.
Denn aus der Entstehungsgeschichte, aber auch aus dem Zusammenhang mit anderen
Normen könne ohne Willkür geschlossen werden, Art. 20 Abs. 1 ATSG sei
wortgetreu auszulegen. Ob damit zivilrechtliche Anweisungen einer
Drittauszahlung nur bei einer ausdrücklichen sozialversicherungsrechtlichen
Auszahlungsbestimmung möglich sein sollen, lässt sich dem Urteil vom 8. März
2006 nicht entnehmen.

4.5. Weiter wurde mit der Anordnung im Scheidungsurteil kein eigenständiger
Anspruch auf einen Teil der Invalidenrente des Leistungsberechtigten oder auf
die Kinderrente im Sinne eines Gläubigerwechsels begründet, sondern lediglich
der Zahlungsmodus geregelt (Urteil 8C_625/2012 vom 1. Juli 2013 E. 3.2). Auf
der Grundlage dieser Schuldneranweisung kann die Beschwerdeführerin die
Drittauszahlung an sich selber verlangen (vgl. SVR 2009 UV Nr. 42 S. 145,
8C_192/2008 vom 8. April 2009 E. 4.3). Der Leistungsanspruch auf Invaliden- und
Kinderrente bleibt invalidenversicherungsrechtlicher Natur und stand zu keinem
Zeitpunkt der Beschwerdeführerin zu. Ihre im Scheidungsurteil bis 31. Mai 2013
befristeten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche und diejenigen des gemeinsamen
Sohnes richten sich denn auch nicht an die Invalidenversicherung, sondern
bestehen nur gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten, gegen welchen allein
allfällige zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen sind oder Rückgriff zu
nehmen ist. Fehlt es in der Folge rückwirkend am sozialversicherungsrechtlichen
Leistungsanspruch des im Zeitpunkt des Erlasses des Scheidungsurteils noch
Rentenberechtigten, kann auch die zivilrechtliche Auszahlungsordnung nicht mehr
zum Tragen kommen, und die Anordnung des Zivilgerichts verliert ihre Wirkung
(vgl. bereits erwähntes Urteil 8C_625/2012 vom 1. Juli 2013 E. 3.2 ff.).

4.6.

4.6.1. Hieraus ergibt sich, dass durch die Anordnung im Scheidungsurteil
lediglich ein Anspruch auf Drittauszahlung der Stammrente in der Höhe von Fr.
430.- entstand. Die Beschwerdeführerin war zwar nicht bloss eine reine Inkasso-
bzw. Zahlstelle, aber auch zu keinem Zeitpunkt Rentenberechtigte oder
-bezügerin. Damit fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für die
Rückforderung, da die Beschwerdeführerin nicht unter den von Art. 25 Abs. 1
erster Satz ATSG und Art. 2 Abs. 1 ATSV gezogenen Kreis der
Rückerstattungspflichtigen fällt. Dies trifft zumindest solange zu, als ein
Unterhaltsanspruch gemäss Scheidungsurteil bestand. Dieser wurde, wie erwähnt,
auf Ende Mai 2013 befristet. Bezüglich des ihr ausgerichteten Anteils an der zu
Unrecht dem geschiedenen Ehegatten zugesprochenen Invalidenrente ist die
Beschwerdeführerin daher für die bis 31. Mai 2013 ausgerichteten
Rentenbetreffnisse nicht rückerstattungspflichtig. Die zivilgerichtliche
Anordnung (Anspruch auf Drittauszahlung mit entsprechender Schuldneranweisung)
steht einer sozialversicherungsrechtlichen Rückforderungsmöglichkeit nach Art.
25 Abs. 1 ATSG entgegen.

4.6.2. Wie die Vorinstanz feststellte, unterliess es die IV-Stelle, den im
Scheidungsurteil vom 13. März 2007 auf Ende Mai 2013 befristeten
Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin nachzuvollziehen und richtete darüber
hinaus den monatlichen Stammrentenanteil von Fr. 430.- bis 31. Oktober 2014
weiter aus. Nachdem es damit an einer Rechtsgrundlage für den Leistungsbezug
des Anteils an der Stammrente ab 1. Juni 2013 fehlt, sind diese empfangenen
Rentenleistungen in der Höhe von Fr. 7'310.- (1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2014
à Fr. 430.- im Monat) widerrechtlich bezogen und nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1
ATSG zurückzuerstatten.

5.

5.1. Weiter wird die Rückforderung der Kinderrente als unrechtmässig angesehen.
Die Kinderrente dient dem Unterhalt des Kindes (BGE 103 V 131 E. 3 S. 134; SVR
2001 IV Nr. 39 S. 117 E. 4d, I 12/00; Urteil 5P.346/2006 vom 12. Oktober 2006,
E. 3.3). Die Drittauszahlungsregelung nach Art. 35 Abs. 4 IVG soll diesen Zweck
sicherstellen. Gemäss Art. 35 Abs. 4 Satz 1 IVG wird die Kinderrente wie die
Rente ausbezahlt, zu der sie gehört, mithin grundsätzlich an den
rentenberechtigten Elternteil. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über die
zweckmässige Verwendung (Art. 20 ATSG) und abweichende zivilrichterliche
Anordnungen (Art. 35 Abs. 4 Satz 2 IVG). Der Bundesrat kann die Auszahlung für
Sonderfälle in Abweichung von Art. 20 ATSG regeln, namentlich für Kinder aus
getrennter oder geschiedener Ehe (Art. 35 Abs. 4 Satz 3 IVG). Gestützt auf
diese Delegation hat der Bundesrat in Art. 82 IVV festgelegt, dass für die
Auszahlung der Renten sowie der Hilflosenentschädigung für Volljährige unter
anderem Art. 71 ^ter AHVV sinngemäss gilt. Dessen Absatz 1 lautet: "Sind die
Eltern des Kindes nicht oder nicht mehr miteinander verheiratet oder leben sie
getrennt, ist die Kinderrente auf Antrag dem nicht rentenberechtigten
Elternteil auszuzahlen, wenn diesem die elterliche Sorge über das Kind zusteht
und es bei ihm wohnt. Abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche
Anordnungen bleiben vorbehalten."

5.2. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist sie ebenfalls bezüglich
der Kinderrente keine reine Inkasso- bzw. Zahlstelle. Vielmehr liegt gestützt
auf die dargelegten Verordnungs- und Gesetzesbestimmungen - mithin aufgrund
einer von der Beschwerdeführerin beantragten zivilrichterlichen Anordnung -
eine Drittauszahlung der Kinderrente an die mit der elterlichen Sorge betrauten
Beschwerdeführerin vor (Art. 35 Abs. 4 IVG). Die Hauptrente des früheren
Ehemannes wurde wegen seiner Meldepflichtverletzung rückwirkend auf Ende
Dezember 2004 aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt zu Unrecht bezogen. Als zur
Stammrente akzessorische Leistung gilt dies auch für die Kinderrente, die das
Schicksal der Hauptrente teilt. Mit Vorinstanz und Verwaltung ist die
Beschwerdeführerin dementsprechend gestützt auf Art. 25 Abs. 1 ATSG in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 lit. b ATSV und Art. 35 Abs. 4 IVG als gesetzliche
Vertreterin des Sohnes bezüglich der zur Hauptrente akzessorischen Kinderrente
in der Höhe von Fr. 32'498.- rückerstattungspflichtig (zitiertes Urteil 8C_625/
2012 vom 1. Juli 2013 E. 5.2 und Urteil 9C_454/2012 vom 18. März 2013 E. 3,
nicht publ. in: BGE 139 V 106). Die Beschwerdeführerin vermag nichts
vorzubringen, was eine andere Betrachtungsweise rechtfertigen würde. Auch hier
besteht eine Rückerstattungspflicht der Kinderrentenbetreffnisse, ohne dass die
mit der elterlichen Sorge betraute Beschwerdeführerin selbst eine
Meldepflichtverletzung begangen haben muss, nachdem die Stammrente gestützt auf
eine Verletzung der Meldepflicht des Rentenberechtigten rückwirkend eingestellt
wurde (vgl. BGE 118 V 214 E. 2a ff. S. 218 ff.). Die Beschwerdeführerin ist
nach dem Gesagten zur Rückerstattung der zu Unrecht erhaltenen Rentenleistungen
im Umfang der Kinderrente von Fr. 32'498.- sowie des ab 1. Juni 2013 monatlich
bezogenen Stammrentenanteils von insgesamt Fr. 7'310.- verpflichtet, woraus
eine Rückforderungssumme von total Fr. 39'808.- resultiert.

6. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu drei Vierteln der Beschwerdeführerin
und zu einem Viertel der Beschwerdegegnerin auferlegt, nachdem die
Beschwerdeführerin mit Blick auf die Rückerstattungspflicht der Kinderrente
ganz und hinsichtlich derjenigen des Stammrentenanteils für die Zeit vom 1.
Juni 2014 bis 31. Oktober 2014 unterliegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es steht ihr
gemäss Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG eine reduzierte Parteientschädigung von Fr.
700.- zu.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. Dezember 2015 und die Verfügung
der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 13. Juli 2015 werden insoweit abgeändert,
als die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, der Beschwerdegegnerin Fr.
39'808.- zurückzuerstatten. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Von den Gerichtskosten werden Fr. 600.- der Beschwerdeführerin und Fr. 200.-
der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 700.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Juni 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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