Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.793/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
8C_793/2016            

 
 
 
Urteil vom 15. September 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Frey, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.
Gallen 
vom 3. November 2016 (IV 2013/523). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1965, meldete sich im März 2008 bei der IV-Stelle des
Kantons St. Gallen zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 23. März 2009 wies
die IV-Stelle das Gesuch um Eingliederungsmassnahmen und Rente ab. Nachdem
A.________ dagegen hatte Beschwerde einreichen lassen, wiederrief die IV-Stelle
ihre Verfügung und das Gerichtsverfahren wurde abgeschrieben. Am 1. April 2010
sprach die IV-Stelle A.________ vom 1. August bis 31. Dezember 2008 eine halbe
Invalidenrente zu. Mit Entscheid vom 7. Mai 2012 hiess das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen die dagegen erhobene Beschwerde gut und wies die Sache
zu weiterer Abklärung und neuer Verfügung an die IV-Stelle zurück. 
Gestützt auf das polydisziplinäre MEDAS-Gutachten vom 29. Mai 2013 lehnte die
IV-Stelle mit Verfügung vom 16. September 2013 den Anspruch auf eine
Invalidenrente ab. 
 
B.   
Das Versicherungsgericht hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid
vom 3. November 2016 gut und sprach A.________ unter Aufhebung der Verfügung
vom 16. September 2013 ab 1. Juni 2013 eine Dreiviertelsrente zu. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Verfügung
vom 16. September 2013 zu bestätigen. Zudem ersucht sie um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung. 
Das Versicherungsgericht schloss in ihrer Stellungnahme vom 23. Januar 2017 auf
Abweisung der Beschwerde. A.________ liess in seiner Eingabe vom 25. Januar
2017 die Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des vorinstanzlichen
Entscheids beantragen; zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 9. Februar 2017 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde der
IV-Stelle aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Formell handelt es sich beim vorinstanzlichen Entscheid um einen
Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide, welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht anfechtbar sind, auch wenn damit über materielle
Teilaspekte der Streitsache entschieden wird (BGE 133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S.
481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790 f.; 129 I 313 E. 3.2 S. 316). Wenn jedoch der
unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum
mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich
Angeordneten dient, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Endentscheid nach 
Art. 90 BGG (SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131, 9C_684/2007 E. 1.1 mit Hinweisen;
Urteile 8C_829/2016 vom 30. Juni 2017 E. 1.1 und 8C_40/2017 vom 11. April 2017
E. 1.1).  
 
1.2. Das kantonale Gericht hat in seinem Dispositiv dem Versicherten eine
Invalidenrente zugesprochen und die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen,
damit diese die Rentenhöhe festsetze und die Leistungen ausrichte. Da die
Rückweisung somit lediglich noch der rechnerischen Umsetzung des Angeordneten
dient, wobei der Verwaltung kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt, liegt -
wie die IV-Stelle zu Recht darlegt - in Wirklichkeit ein Endentscheid nach Art.
90 BGG vor. Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen nach Art. 82 ff. BGG
erfüllt sind, ist auf die Beschwerde der IV-Stelle einzutreten.  
 
2.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
3.   
Streitig ist der Anspruch des Versicherten auf eine Invalidenrente. 
 
4.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), den
Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Ermittlung des
Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art.
16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe
gilt für die Rechtsprechung zu somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
Leiden (BGE 141 V 281). Darauf wird verwiesen. 
Bezüglich des von der Vorinstanz erwähnten Begriffs der Erwerbsunfähigkeit
bleibt zu ergänzen, dass bei der Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit
ausschliesslich die Folgen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu
berücksichtigen sind und eine Erwerbsunfähigkeit nur dann vorliegt, wenn sie
aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG). 
Weiter ist festzuhalten, dass die Änderung einer Rechtsprechung sich auf
ernsthafte sachliche Gründe stützen können muss, die - vor allem im Hinblick
auf das Gebot der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger
die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung für
zutreffend erachtet worden ist. Eine Praxisänderung lässt sich grundsätzlich
nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks,
veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen
entspricht (BGE 140 V 538 E. 4.5 S. 541 mit Hinweisen). 
 
5.   
Die Vorinstanz hat die massgeblichen ärztlichen Berichte und Gutachten in ihrem
Entscheid einlässlich wiedergegeben, worauf ebenfalls verwiesen wird. 
 
6.  
 
6.1. Nicht streitig ist, dass das MEDAS-Gutachten vom 29. Mai 2013 den
beweisrechtlichen Anforderungen der Rechtsprechung genügt und im Folgenden
darauf abgestellt werden kann. Ebenfalls nicht streitig ist, dass dem
Versicherten in somatischer Hinsicht eine leidensangepasste Tätigkeit voll
zumutbar ist.  
 
6.2. Nach Ansicht der Vorinstanz ist jedoch eine Arbeitsunfähigkeit von 50 %
aus psychischen Gründen ausgewiesen: Unter Berücksichtigung der vom
MEDAS-Teilgutachter diagnostizierten mittelgradigen depressiven Episode ohne
somatisches Syndrom und chronischen Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren sowie des Verdachts auf eine posttraumatische
Belastungsstörung prüfte sie die zumutbare Arbeitsfähigkeit aus psychiatrischer
Sicht ab Januar 2009. Bei der Prüfung nach BGE 141 V 281 kam sie zum Schluss,
angesichts der leichten Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome
bestehe kein therapieresistenter Zustand und auf der Persönlichkeitsebene seien
erhebliche Ressourcen vorhanden, so dass es dem Versicherten zumutbar sei, die
Schmerzen willentlich zu überwinden und einer Arbeit nachzugehen. Es sei aber
irrelevant, ob mit dem psychiatrischen Teilgutachter von einer gewissen
Einschränkung der Willenskraft auszugehen sei oder nicht, da bereits infolge
der diagnostizierten depressiven Symptomatik die Arbeitsfähigkeit um 50 %
reduziert sei. Entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stelle dies
einen invalidisierenden Gesundheitsschaden dar. In der Folge ermittelte sie im
Rahmen eines Einkommensvergleichs einen Invaliditätsgrad von 61 % und sprach
dem Versicherten ab 1. Juni 2013 eine Dreiviertelsrente zu.  
 
6.3. Die IV-Stelle macht in ihrer Beschwerde geltend, das Bundesgericht habe im
von der Vorinstanz gerügten Urteil 9C_530/2016 vom 14. Oktober 2016 gerade
seine ständige Rechtsprechung zu den mittelgradigen Depressionen bestätigt. Mit
Urteil 9C_125/2015 vom 18. November 2015 E. 7.2.1 habe es entschieden, dass
auch BGE 141 V 281 an dieser Rechtsprechung, wonach leichte bis höchstens
mittelschwere Störungen aus dem depressiven Formenkreis in der Regel
therapierbar und invalidenversicherungsrechtlich zu keiner Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit führen, nichts geändert habe. Der vorinstanzliche Entscheid
stehe somit in Widerspruch zur Rechtsprechung. Die Argumentation, diese sei
nicht gesetzeskonform, verkenne, dass Art. 8 Abs. 1 ATSG nicht isoliert
betrachtet werden könne; vielmehr definiere Art. 7 ATSG die Erwerbsunfähigkeit.
Das zu berücksichtigende Kriterium der Therapieresistenz sei Ausfluss des
Grundsatzes, dass im Zug der objektivierten Betrachtungsweise Validität und
nicht Invalidität vermutet werde (BGE 140 V 290 E. 4.1 S. 297). Auch übersehe
die Vorinstanz, dass immer eine Beurteilung im Einzelfall zu erfolgen habe. So
sei stets zu prüfen, ob im konkreten Fall die Therapie konsequent gewesen sei
bzw. ob die aus fachärztlicher Sicht indizierten zumutbaren
Behandlungsmöglichkeiten in kooperativer Weise optimal und nachhaltig
ausgeschöpft worden seien (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197). Im konkreten Fall sei
mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass kein therapieresistenter Zustand
vorliege. Der psychiatrische MEDAS-Gutachter habe auch dargelegt, dass die
Therapiemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien. Zudem liege nach den
Feststellungen der Vorinstanz die mittelschwere depressive Symptomatik erst
seit Juni 2012 vor. Das werde dadurch untermauert, dass der psychiatrische
Teilgutachter bei der Exploration am 20. Februar 2013 eine mittelgradige
depressive Episode diagnostiziert habe. Von einer
invalidenversicherungsrechtlich relevanten Therapieresistenz könne unter diesen
Umständen nicht gesprochen werden. Daran ändere nichts, dass die Therapie bis
anhin lege artis durchgeführt worden und die Compliance gut sei. Dasselbe gelte
für die fachärztliche Prognose, mit den vorgeschlagenen Massnahmen könne
wahrscheinlich die Arbeitsfähigkeit nur auf dem attestierten Niveau
stabilisiert werden. Angesichts der fehlenden Therapieresistenz habe die
Vorinstanz bundesrechtswidrig eine invalidisierende Wirkung der mittelgradigen
Episode bejaht. Bei bundesrechtskonformer Beweiswürdigung fehle es im
massgebenden Zeitraum unter Berücksichtigung der nicht schwer ausgeprägten
Schmerzstörung, fehlender psychischer wie auch somatischer Komorbidität,
günstiger persönlicher Ressourcen und der im Rahmen der
Schadenminderungspflicht zumutbaren Therapie auch in Anwendung der neuen
Indikatoren an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden.  
 
6.4. In ihrer Stellungnahme vom 23. Januar 2013 legt die Vorinstanz einlässlich
ihr Verständnis der Erwerbsunfähigkeit nach Art. 7 Abs. 1 und 2 ATSG dar und
macht geltend, das Bundesgericht auferlege mit seiner Rechtsprechung den
Versicherten die Beweisführungslast, was zur Folge habe, dass die Ausrichtung
einer Invalidenrente bei leichter oder mittelschwerer Depression de facto
ausgeschlossen sei. Abgesehen davon, dass dies im Rahmen des
Gleichbehandlungsgebots nicht gerechtfertigt sei, beruhe die bundesgerichtliche
Praxis auf einem Fehlverständnis der beweisrechtlichen Funktion der allgemeinen
Lebenserfahrung.  
 
6.5. Der Versicherte lässt in seiner Stellungnahme vom 25. Januar 2017
vorbringen, es liege Therapieresistenz vor; denn er habe sich jahrelang
therapeutischen Massnahmen unterzogen, die jedoch die Symptome weder gemildert
noch verschwinden lassen hätten, und der psychiatrische MEDAS-Gutachter spreche
klar von einer Chronifizierung und der behandelnde Psychiater gehe von
Therapieresistenz aus. Aus den Akten sei ersichtlich, dass nach über neun
Jahren Therapie niemand mehr die Meinung vertrete, es werde bei ihm zu einer
Besserung oder gar Heilung kommen. Die IV-Stelle verkenne, dass psychische und
somatische Leiden gleichgestellt seien; es gehe nicht an, dass sie ihre eigene
Einschätzung von Art. 7 Abs. 2 ATSG über die medizinische Fachmeinung setze.
Eine Ungleichbehandlung von psychischen und somatischen Leiden stelle auch
einen Verstoss gegen Art. 8 Abs. 2 BV dar; dies sei auch im Rahmen der 4.
IV-Revision im Nationalrat betont worden. Auch übersehe die IV-Stelle, dass die
Behandelbarkeit einer Invalidenrente nicht im Wege stehe und einer allfälligen
Besserung im Rahmen einer Rentenrevision zu begegnen sei; darauf sei im
Nationalrat ebenfalls im Rahmen der 4. IV-Revision hingewiesen worden.  
 
7.   
Die IV-Stelle legt in ihrer Beschwerde die geltende Rechtsprechung zu der
invalidisierenden Wirkung von psychischen Gesundheitsschäden, namentlich bei
leichten und mittelgradigen Depressionen, zutreffend dar. Da das Bundesgericht
in letzter Zeit mehrfach seine Rechtsprechung zu leichten und mittelschweren
Depressionen im Rahmen von Beschwerdeverfahren gegen Entscheide des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen bestätigt hat (vgl. etwa Urteile
8C_222/2017 vom 6. Juli 2017 E. 5, 8C_753/2016 vom 15. Mai 2007 E. 4, 8C_5/2017
vom 11. April 2017 E. 4 und 5, 8C_14/2017 vom 15. März 2017 E. 4 und 5.4,
8C_700/2016 vom 24. Januar 2017 E. 4 sowie 9C_434/2016 vom 14. Oktober 2016 E.
6.3), wird darauf verwiesen. 
Was die von der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid angeführten Gründe für
eine Abkehr von dieser Rechtsprechung betrifft, vermögen diese keine
Praxisänderung zu bewirken (oben E. 4 in fine) : Entgegen der Annahme der
Vorinstanz beruht die bundesgerichtliche Rechtsprechung weder auf einer
unzulässigen Auferlegung der Beweisführungspflicht auf die Versicherten noch
auf einem Fehlverständnis der allgemeinen Lebenserfahrung. Die verlangte
Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen ist Ausfluss der im ganzen
Sozialversicherungsrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz geltenden (vgl. BGE
142 V 442 E. 6.2 S. 447 mit Hinweis) und in Art. 7 Abs. 2 ATSG eingeflossenen
Schadenminderungspflicht, wobei Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATSG nicht bloss die
Schadenminderungspflicht statuiert, sondern die Übernahme der im Grundsatz
bereits mit BGE 102 V 65 eingeführten Rechtsprechung darstellt, wonach
invalidenversicherungsrechtlich Erwerbsunfähigkeit nur bei objektiver
Unüberwindbarkeit gegeben ist (BGE 135 V 215 E. 7 S. 228; vgl. auch SVR 2010 IV
Nr. 4 S. 7 E. 4.3 [9C_46/2009] und Urteil 8C_107/2013 vom 23. April 2013 E. 3).
Weiter verkennt die Vorinstanz auch, dass es von jeher die versicherte Person
ist, welche bei der (erstmaligen) Beanspruchung von Leistungen die Erfüllung
der notwendigen Voraussetzungen nachzuweisen hat (BGE 139 V 547 E. 8.1 S.
563). 
Auch die vom Versicherten vorgebrachten Gründe vermögen an der
bundesrechtswidrigen Auffassung der Vorinstanz nichts zu ändern: Soweit der
Versicherte sich auf Aussagen von Mitgliedern des Nationalrates im Rahmen der
Beratung der 4. IV-Revision beruft, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Denn der hier massgebliche Art. 7 Abs. 2 ATSG wurde im Rahmen der 5.
IV-Revision ins Gesetz aufgenommen, so dass die erwähnten Voten überholt sind.
Ebenso unbehelflich ist der Verweis des Versicherten auf BGE 139 V 547 E. 7.1.4
S. 562, da die dortige Aussage, wonach gewisse psychische Leiden bezüglich
Überprüfbarkeit und Objektivierbarkeit wie somatische Erkrankungen zu behandeln
seien, sich nicht auf depressive Leiden bezieht und bezüglich der
Schmerzstörung explizit verneint wird. Weiter liegt keine Verletzung von Art. 8
Abs. 2 BV vor, wenn bei psychischen Beschwerden die in Art. 7 Abs. 2 Satz 2
ATSG vorgeschriebene objektive Unüberwindbarkeit verlangt wird; vielmehr ist
bei psychischen Beschwerden - wie auch bei somatischen - davon auszugehen, dass
diese einer Arbeitsfähigkeit nicht entgegenstehen, und es verstiesse gegen Art.
8 Abs. 2 BV, wenn psychischen Erkrankungen ein höherer Wert zuerkannt und diese
daher bevorzugt behandelt würden (BGE 142 V 106 E. 4.3 S. 110). 
 
8.  
 
8.1. Im konkreten Fall ist gestützt auf das voll beweiskräftige
polydisziplinäre MEDAS-Gutachten vom 29. Mai 2013 im massgebenden Zeitpunkt
(16. September 2013; BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243) ausgewiesen, dass beim
Versicherten als die Arbeitsfähigkeit einschränkende Leiden ein
zervikospondylogenes Syndrom bei abgeflachter Zervikallordose und leicht- bis
mässiggradiger rechtskonvexer Torsionsskoliose, eine mittelgradige depressive
Episode ohne somatisches Syndrom (ICD-10: F 32.10) mit Verdacht auf eine
posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) und eine chronische
Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F. 45.41)
vorlag. Unter Berücksichtigung dieser Diagnosen attestierten die Gutachter
volle Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Maschinist/Lagerist/
Staplerfahrer und ab Juni 2012 eine solche von 50 % in einer körperlich
leichten, in einer mittelschweren sowie in einer phasenweise auch schweren
angepassten Tätigkeit, wobei die Leistungseinschränkung sich vor allem aus
psychiatrischer Sicht ergebe. Nach Ansicht der Gutachter ist es für den
Versicherten bereits aus therapeutischer Sicht wichtig, eine adäquate Arbeit zu
finden. Die Fortsetzung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung
erachtete der psychiatrische Experte als unbedingt notwendig. Dem
psychiatrischen Teilgutachten ist zudem zu entnehmen, dass der Versicherte in
der Regel einmal pro Monat, im Jahr vor der Begutachtung zwei Mal pro Monat zum
Psychiater ging und die Medikamente einnahm. Weiter stellte der Experte fest,
der reaktive Charakter der Depression spreche für eine günstige Prognose, die
Chronifizierung und Verschlechterung trotz adäquater Behandlung für eine
ungünstige Prognose.  
 
8.2. Für die Beurteilung des psychischen Gesundheitsschadens ist die erwähnte
posttraumatische Belastungsstörung unbeachtlich, da es sich lediglich um eine
Verdachtsdiagnose handelt und selbst der Experte ihr kaum einen Einfluss auf
die Arbeitsfähigkeit zuschreibt. Mit der Vorinstanz, welche unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung von BGE 141 V 281 den Gesundheitsschaden
geprüft hat, bewirkt auch die diagnostizierte Schmerzstörung keine rechtlich
relevante Arbeitsfähigkeit, da angesichts des trotz der geklagten
Einschränkungen recht aktiv gestalteten Alltags von einer leichten Ausprägung
der diagnoserelevanten Befunde und Symptome auszugehen ist und der Versicherte
auf der Persönlichkeitsebene über erhebliche Ressourcen zur positiven
Beeinflussung seines Leistungsvermögens verfügt (E. 2.4.4 des vorinstanzlichen
Entscheids). Bezüglich der mittelschweren Depression ist festzuhalten, dass
gemäss dem psychiatrischen Experten noch therapeutische Optionen vorliegen.
Zudem ist fraglich, ob die Behandlung alle zwei bis vier Wochen den
Anforderungen der Rechtsprechung genügt (Urteil 8C_444/2016 vom 31. Oktober
2016 E. 6.2.2, wo ein Termin alle zwei bis drei Wochen für eine konsequente
Depressionstherapie als ungenügend bezeichnet wurde, sowie SVR 2016 IV Nr. 51
S. 173 E. 5.3.2 [8C_131/2016], wo die Vorinstanz es offen liess, ob eine
Behandlung alle 14 Tage ausreiche, das Bundesgericht aber die Therapieresistenz
deswegen als fraglich hielt, diese aber v.a. wegen zweimalig erreichten
Verbesserungen verneinte). Schliesslich ist angesichts der erst seit Juni 2012
attestierten Arbeitsunfähigkeit mit der IV-Stelle nicht von einem anhaltenden,
therapieresistenten Zustand auszugehen. Daran ändert auch der Umstand nichts,
dass der psychiatrische Experte eine adäquate Behandlung mit guter Compliance
attestiert und mittelfristig von keiner Verbesserung, sondern lediglich einer
Stabilisierung des Niveaus ausgeht, da die Depression mangels Therapieresistenz
keinen invalidenversicherungsrechtlich massgebenden Gesundheitsschaden im Sinne
der Rechtsprechung darstellt.  
Insgesamt ist im Verfügungszeitpunkt (16. September 2013) mit der nicht schwer
ausgeprägten Schmerzstörung, fehlender psychischer und somatischer
Komorbidität, günstigen persönlichen Ressourcen und fehlender Therapieresistenz
kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter Gesundheitsschaden nach Art. 7
Abs. 1 und 2 ATSG ausgewiesen. Die Vorinstanz hat somit zu Unrecht eine Rente
zugesprochen. 
 
9.  
 
9.1. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat jedoch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Seine Anträge sind angesichts seiner
prozessualen Stellung als Beschwerdegegner nicht als aussichtslos zu bezeichnen
(Urteil 8C_743/2010 vom 24. März 2011 E. 5.2 sowie Thomas Geiser, Basler
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 22 zu Art. 64 BGG); da auch
seine Bedürftigkeit ausgewiesen ist, wird ihm die unentgeltliche Rechtspflege
gewährt (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Somit werden die Gerichtskosten vorläufig
auf die Bundesgerichtskasse genommen und seinem Anwalt eine Entschädigung aus
der Bundesgerichtskasse bezahlt. Der Versicherte hat jedoch Ersatz zu leisten,
wenn er später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 3. November 2016 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 16. September 2013 bestätigt. 
 
2.   
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Martin Frey wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
6.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. September 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben