Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.791/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_791/2016

Urteil vom 27. Januar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

 Unia Arbeitslosenkasse, Strassburgstrasse 11, 8004 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 25. Oktober 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1969 geborene A.________ meldete sich am 1. Juli 2014 zur
Arbeitsvermittlung und zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung an,
nachdem das Arbeitsverhältnis als Raumpflegerin mit dem Spital B.________ auf
den 30. Juni 2014 gekündigt worden war. Dieses verlängerte sich infolge
Krankheit bis 31. Dezember 2014. Mit Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab 1.
Januar 2015 richtete die Unia Arbeitslosenkasse, Zürich, für die
Kontrollperiode Januar 2015 Arbeitslosentaggelder unter Berücksichtigung von
Krankentaggeldleistungen der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG
(nachfolgend: ÖKK) bis zum 15. Januar 2015 aus. Die ÖKK teilte A.________ am
14. April 2015 mit, gestützt auf ein Gutachten des Psychiaters Dr. med.
C.________ vom 10. März 2015 sei sie per 16. Januar 2015 vollständig
arbeitsfähig, weshalb sie die Krankentaggeldleistungen ab diesem Datum
einstelle.

A.b. A.________ beantragte - nach Abmeldung per 31. März 2015 - am 27. April
2015 wiederum Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Die Unia
Arbeitslosenkasse teilte ihr mit Verfügung vom 17. Juli 2015 mit, sie habe
ihren Anspruch auf Arbeitslosentaggeld bei vorübergehender fehlender oder
verminderter Arbeitsfähigkeit bereits am 30. Januar 2015 ausgeschöpft. Weiter
leistete die ÖKK nachträglich, unter Angabe formeller Fehler, vom 16. Januar
2015 bis 30. April 2015 Krankentaggelder und stattete der Unia
Arbeitslosenkasse die für den Monat Januar 2015 erbrachte
Arbeitslosenentschädigung zurück (Leistungsabrechnung vom 12. September 2015;
Schreiben vom 4. Februar 2016). Nachdem sich A.________ am 4. Dezember 2014 bei
der Invalidenversicherung angemeldet hatte, erhielt sie im Rahmen von
Eingliederungsmassnahmen ab 1. Juli bis 31. Dezember 2015 Taggeldleistungen der
Invalidenversicherung.
Bei einer attestierten Arbeitsunfähigkeit von 60 % verneinte die Unia
Arbeitslosenkasse ihre Leistungspflicht vom 27. April bis 31. Mai 2015. Ab 1.
Juni 2015 leistete sie bei einer 50 %-igen Arbeitsfähigkeit ein halbes Taggeld.
Sie hielt fest, dass für den Monat Mai 2015 aufgrund der nicht ausgeschöpften
Taggeldleistungen der Krankentaggeldversicherung aus
arbeitslosenversicherungsrechtlicher Sicht keine Leistungspflicht bestehe
(Verfügung vom 30. September 2015). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 8. Januar 2016).

B. 
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden mit Entscheid vom 25. Oktober 2016 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids vom 25. Oktober 2016
sei ihr für die Monate Mai und Juni 2015 eine volle Arbeitslosenentschädigung
auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 4'443.- zuzusprechen.
Die Unia Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht in
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art.
97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist der Arbeitslosenentschädigungsanspruch für die
Monate Mai und Juni 2015.

2.1.

2.1.1. Gemäss Art. 28 Abs. 1 AVIG haben Versicherte, die wegen Krankheit,
Unfall oder Schwangerschaft vorübergehend nicht oder nur vermindert arbeits-
und vermittlungsfähig sind und deshalb die Kontrollvorschriften nicht erfüllen
können, Anspruch auf das volle Taggeld, sofern sie die übrigen
Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Der Anspruch dauert längstens bis zum 30.
Tag nach Beginn der ganzen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit und ist innerhalb
der Rahmenfrist auf 34 Taggelder beschränkt.
Art. 28 Abs. 2 AVIG legt fest, dass Taggelder der Kranken- oder
Unfallversicherung, die Erwerbsersatz darstellen, von der
Arbeitslosenentschädigung abgezogen werden. Arbeitslose, die ihren Anspruch
nach Art. 28 Abs. 1 AVIG ausgeschöpft haben, weiterhin vorübergehend vermindert
arbeitsfähig sind und Leistungen einer Taggeldversicherung beziehen, haben,
sofern sie unter Berücksichtigung ihrer verminderten Arbeitsfähigkeit
vermittelbar sind und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, Anspruch
auf das volle Taggeld, wenn sie zu mindestens 75 % arbeitsfähig sind (Art. 28
Abs. 4 lit. a AVIG) und auf das um 50 % gekürzte Taggeld, wenn sie zu
mindestens 50 % arbeitsfähig sind (Art. 28 Abs. 4 lit. b AVIG).

2.1.2. Unter der Marginalie "Koordination mit der Arbeitslosenversicherung"
bestimmt Art. 73 KVG, dass arbeitslosen (Kranken-) Taggeldversicherten bei
einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als 50 % das volle Taggeld und bei einer
Arbeitsunfähigkeit von mehr als 25 %, aber höchstens 50 % das halbe Taggeld
auszurichten ist, sofern die (Kranken-) Versicherer auf Grund ihrer
Versicherungsbedingungen oder vertraglicher Vereinbarungen bei einem
entsprechenden Grad der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich Leistungen erbringen
(Abs. 1). Die Koordination zwischen der Arbeitslosenversicherung und einer
(privaten) Krankentaggeldversicherung hat demnach gestützt auf Art. 28 Abs. 2
und Abs. 4 AVIG zu erfolgen, wobei Art. 28 Abs. 2 AVIG die Subsidiarität der
Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung im Verhältnis zur
Krankenversicherung statuiert (BGE 128 V 176 E. 5 S. 181; ARV 2004 S. 50, C 303
/02 E. 3.1 und E. 5; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl.
2016, S. 2395 Rz. 437).

2.2.

2.2.1. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 AVIG gilt der körperlich oder geistig
Behinderte als vermittlungsfähig, wenn ihm bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage,
unter Berücksichtigung seiner Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt eine zumutbare
Arbeit vermittelt werden könnte. Die Kompetenz zur Regelung der Koordination
mit der Invalidenversicherung ist in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 AVIG dem Bundesrat
übertragen worden. Dieser hat in Art. 15 Abs. 3 AVIV festgelegt, dass ein
Behinderter, der unter der Annahme einer ausgeglichenen Arbeitsmarktlage nicht
offensichtlich vermittlungsunfähig ist, und der sich bei der
Invalidenversicherung (oder einer anderen Versicherung nach Art. 15 Abs. 2
AVIV) angemeldet hat, bis zum Entscheid der anderen Versicherung als
vermittlungsfähig gilt. In diesem Sinn sieht Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG vor,
dass die Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren Übernahme durch die
Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung oder
die Invalidenversicherung umstritten ist, vorleistungspflichtig ist.

2.2.2. Aufgrund dieser Bestimmungen hat die Arbeitslosenversicherung
arbeitslose, bei einer anderen Versicherung angemeldete Personen zu
entschädigen, falls ihre Vermittlungsunfähigkeit nicht offensichtlich ist.
Dieser Anspruch auf eine ungekürzte Arbeitslosenentschädigung besteht
namentlich, wenn die ganz arbeitslose Person aus gesundheitlichen Gründen
lediglich noch teilzeitlich arbeiten könnte, solange sie im Umfang der ihr
ärztlicherseits attestierten Arbeitsfähigkeit eine Beschäftigung sucht und
bereit ist, eine neue Anstellung mit entsprechendem Pensum anzutreten (BGE 136
V 95 E. 7.1 S. 101). Die Vermutungsregel der grundsätzlich gegebenen
Vermittlungsfähigkeit von Behinderten (Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG und Art. 15
Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV) gilt lediglich für die Zeit,
in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung abgeklärt
wird und somit noch nicht feststeht. Damit sollen Lücken im Erwerbsersatz
vermieden werden. Die Vorleistungspflicht ist daher auf die Dauer des
Schwebezustandes begrenzt, weshalb sie endet, sobald das Ausmass der
Erwerbsunfähigkeit feststeht (vgl. BGE 136 V 195 E. 7.4 S. 205; ARV 2011 S. 55,
8C_651/2009).

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog, gestützt auf Art. 70 ATSG könne eine
Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung nur gegenüber der
Invalidenversicherung entstehen. Art. 70 ATSG beziehe sich einzig auf die
intersystemische Koordination beim Zusammentreffen von jeweiligen
Versicherungsleistungen verschiedener Sozialversicherer. Deshalb ergebe sich
hieraus keine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gegenüber eines
Krankentaggeldversicherers nach VVG. Nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am
13. Juni 2014 und Anmeldung bei der Invalidenversicherung am 4. Dezember 2014
(vgl. Art. 28 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 IVG) sei die Invalidenversicherung
frühestens ab Juni 2015 leistungspflichtig. Damit scheide für den Monat Mai
2015 eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gegenüber der
Invalidenversicherung ohnehin aus. Vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015 habe die
Versicherte sodann bereits während einer Eingliederungsmassnahme Taggelder der
Invalidenversicherung bezogen. Theoretisch möglich sei damit einzig eine
rückwirkende Rentenzusprechung für den Monat Juni 2015, die jedoch an der
Eingliederungsfähigkeit der Versicherten scheitere, weshalb auch für diesen
Monat keine Pflicht zur Vorleistung der Arbeitslosenversicherung bestehe.

3.2. Weiter habe die Beschwerdeführerin ihren
Arbeitslosenentschädigungsanspruch nach Art. 28 Abs. 1 AVIG
unbestrittenermassen bereits ausgeschöpft. Abs. 4 dieses Artikels komme
indessen nur zur Anwendung, wenn die versicherte Person tatsächlich Leistungen
einer Taggeldversicherung beziehe, was ab Mai 2015 nicht mehr der Fall gewesen
sei. Einen Taggeldanspruch im Umfang der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit -
60 % im Monat Mai 2015 und 50 % im Monat Juni 2015 - habe sie gestützt auf Art.
73 KVG in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 VVG allenfalls gegenüber dem
Krankentaggeldversicherer geltend zu machen.

4.

4.1. Mit Blick auf die Koordination mit der Krankentaggeldversicherung greift
die Regel von Art. 28 Abs. 4 AVIG nur Platz, wenn der private
Krankentaggeldversicherer aufgrund seiner Versicherungsbedingungen oder seiner
vertraglichen Leistungspflicht bei einem entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsgrad
Leistungen erbringt oder zu erbringen hat (E. 2.2). Ein Versicherungsschutz
durch die ÖKK dauerte zwar im Prinzip noch an, sie leistete aber aufgrund eines
als beweiskräftig angesehenen Gutachtens des Psychiaters Dr. med. C.________
(vom 10. März 2015), der keine Arbeitsunfähigkeit attestierte, überhaupt keine
Taggelder nach VVG für die beiden Monate Mai und Juni 2015. Fehlt es aus Sicht
der ÖKK an einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, ist der
Versicherungsfall nicht eingetreten, weshalb solange keine Leistungspflicht des
Krankentaggeldversicherers besteht, als überwiegend wahrscheinlich keine
Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wobei die Versicherte beweisbelastet ist (Urteil
4A_10/2016 vom 8. September 2016 E. 3.6, zur Publikation vorgesehen). Somit
liegt hier - bei bestehender Krankentaggeldversicherung, aber ohne
Leistungspflicht derselben - kein nach Art. 28 Abs. 4 AVIG zu koordinierender
Sachverhalt vor (vgl. AVIG-Praxis ALE des SECO, Januar 2013, Rz. C178 a-c).

4.2. Bei weiterhin vorübergehend vermindert arbeitsfähigen Versicherten ohne
Taggeldversicherung besteht ferner ein Arbeitslosenentschädigungsanspruch
entsprechend ihrer effektiven Arbeitsfähigkeit (vgl. THOMAS NUSSBAUMER, a.a.
O., S. 2396, Rz. 443). Da die Versicherte jedoch eine Taggeldversicherung der
ÖKK mit grundsätzlich noch nicht ausgeschöpftem Anspruch auf Krankentaggeld
besitzt und sie sich nach wie vor auf den Standpunkt stellt, im Monat Mai 2015
zu 60 % arbeitsunfähig gewesen zu sein, hätte sie, zumindest für diesen Monat
(siehe E. 5 hernach), einen Leistungsanspruch gegenüber der
Krankentaggeldversicherung und nicht gegenüber der Arbeitslosenversicherung
geltend machen müssen.

5.

5.1. Mit Blick auf Art. 70 ATSG führte die Vorinstanz zutreffend aus, dass
diese Norm einzig die intersystemische leistungsrechtliche Koordination von
Sozialversicherern betrifft (Art. 63 AVIG) und somit auf das Verhältnis
zwischen Arbeitslosenversicherung und Krankentaggeldversicherer nach VVG keine
Anwendung findet. Ebenfalls korrekt ist der vorinstanzliche Schluss, dass die
Invalidenversicherung ihrerseits aufgrund des Wartejahres (Art. 28 Abs. 1 IVG)
und der Anmeldung am 4. Dezember 2014 (Art. 29 Abs. 1 IVG) frühestens ab Juni
2015 Leistungen zu erbringen hat. Eine Vorleistungspflicht der
Arbeitslosenkasse gegenüber der Invalidenversicherung kann damit von vornherein
für den Monat Mai 2015 nicht begründet werden. Nachdem bereits während einer
Eingliederungsmassnahme ab Juli 2015 Taggeldleistungen der
Invalidenversicherung zugesprochen worden sind, könnte nurmehr ein
Rentenanspruch für den Monat Juni 2015 in Frage stehen.

5.2. Wenn die Vorinstanz aber einen solchen Rentenanspruch mit der bestehenden
Eingliederungsfähigkeit der Beschwerdeführerin (ab Juli 2015) verneinte und
daraus eine fehlende Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung
ableitete, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beantwortung der Frage, ob
allenfalls ein Rentenanspruch für den Monat Juni 2015 besteht, weil die
Versicherte nach Ablauf der einjährigen Wartezeit aufgrund ihres
Gesundheitszustands nicht oder noch nicht eingliederungsfähig war (vgl. BGE 122
V 77 E. 2 S. 78 und 121 V 190 E. 4a S. 191), obliegt der Invalidenversicherung,
die ausweislich der Akten bis anhin darüber noch nicht entschieden hat.

5.3. Die Arbeitslosenversicherung hat aufgrund von Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG
arbeitslose, bei einer anderen Versicherung angemeldete Personen zu
entschädigen, falls ihre Vermittlungsunfähigkeit nicht offensichtlich ist.
Dieser Anspruch auf eine ungekürzte Arbeitslosenentschädigung besteht
namentlich, wenn die ganz arbeitslose Person aus gesundheitlichen Gründen
lediglich noch teilzeitlich arbeiten könnte, solange sie im Umfang der ihr
ärztlicherseits attestierten Arbeitsfähigkeit eine Beschäftigung sucht und
bereit ist, eine neue Anstellung mit entsprechendem Pensum anzutreten (BGE 136
V 95 E. 7.1 S. 101). Die Versicherte stellte sich im Monat Juni 2015 unstreitig
im vom behandelnden Psychiater attestierten Umfang von 50 % einer
Vollzeitstelle dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ebenso wenig wird von der
Beschwerdegegnerin eingewendet, die Invalidenversicherung habe den Anspruch auf
Leistungen für den Monat Juni 2015 bereits abgeklärt und das Ausmass der
Erwerbsunfähigkeit stehe fest, weshalb sie keine Vorleistungspflicht treffe.
Aufgrund der somit andauernden Unsicherheit über die Zuordnung der definitiven
Leistungspflicht in diesem Zeitraum (Schwebezustand) ist die
Arbeitslosenversicherung gegenüber der Invalidenversicherung für den Monat Juni
2015 vorleistungspflichtig.

5.4. Zu prüfen bleibt die Frage nach der Leistungshöhe der
Arbeitslosenentschädigung und damit nach dem versicherten Verdienst. Bei
Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine
gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist
gemäss Art. 40b AVIV der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden
Erwerbsfähigkeit entspricht. Die ratio legis des Art. 40b AVIV besteht darin,
über die Korrektur des versicherten Verdienstes die Koordination zur
Invalidenversicherung zu bewerkstelligen, um eine Überentschädigung durch das
Zusammenfallen einer Invalidenrente mit Arbeitslosentaggeldern zu verhindern (
BGE 140 V 89 E. 3 S. 90 f. mit Hinweis; vgl. auch BGE 133 V 524). Nach Sinn und
Zweck der Verordnungsbestimmung soll die Leistungspflicht der
Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang beschränkt werden, welcher sich nach
der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer
der Arbeitslosigkeit auszurichten hat. Da die Arbeitslosenversicherung nur für
den Lohnausfall einzustehen hat, welcher sich aus der Arbeitslosigkeit ergibt,
kann für die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung keine Rolle spielen, ob
ein anderer Versicherungsträger Invalidenleistungen erbringt. Durch das
Abstellen auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit soll verhindert werden, dass
die Arbeitslosenentschädigung auf einem Verdienst ermittelt wird, den der
Versicherte nicht mehr erzielen könnte (BGE 140 V 89 E. 5.1 S. 91 f. mit
Hinweisen; SVR 2014 ALV Nr. 13 S. 40, 8C_824/2013 E. 3.2). Hinsichtlich der
Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ist der durch die Invalidenversicherung
ermittelte Invaliditätsgrad massgeblich (ARV 2015 S. 165, 8C_746/2014 E. 3.3
mit Hinweis).
Im Lichte dieser Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung und nachdem
die IV-Stelle aktenkundig noch keinen Invaliditätsgrad ermittelt hat, hat die
Versicherte bei bestehender Vermittlungsbereitschaft im Rahmen der ärztlich
attestierten (Rest-) Arbeitsfähigkeit Anspruch auf eine volle, ungekürzte
Arbeitslosenentschädigung bis zum rechtskräftigen Entscheid der
Invalidenversicherung, da sie bei voller Gesundheit eine Anstellung mit
Ganztagespensum suchen würde (Urteil 8C_651/2009 vom 24. März 2010 in: ARV 2011
S. 55 E. 5.2). Grundlage der Arbeitslosenentschädigung bildet der ungekürzte
versicherte Verdienst. Die nicht offensichtlich vermittlungsunfähige
Versicherte gilt bis zum Entscheid der Invalidenversicherung als
vermittlungsfähig und braucht daher keine Einschränkung ihres Taggeldanspruchs
(wegen Arbeitsunfähigkeit, unter dem Titel des anrechenbaren Arbeitsausfalles)
hinzunehmen (vgl. BGE 136 V 195 E. 7.4 S. 205; ARV 2011 S. 55, 8C_651/2009).
Der versicherte Verdienst nach Art. 40b AVIV wird dann berichtigt, wenn das
Ausmass der Erwerbsunfähigkeit feststeht (BGE 140 V 89 E. 5.3 S. 93), wobei
grundsätzlich erst die (noch nicht rechtskräftige) Verfügung der
Invalidenversicherung oder einer anderen Sozialversicherung hinreichende
Grundlage für die Anpassung des versicherten Verdienstes an den damit erkannten
Grad der Erwerbsunfähigkeit oder zumindest an den nicht umstrittenen
Prozentsatz des errechneten Invaliditätsgrades bildet (BGE 142 V 380 E. 5.5 S.
388). Die Vorleistung der Arbeitslosenversicherung steht schliesslich in
Korrelation mit der Rückerstattungspflicht der versicherten Person im Ausmass
der allenfalls später festgestellten Erwerbsunfähigkeit (Art. 95 Abs. 1 ^
bis AVIG; THOMAS NUSSBAUMER, a.a. O., S. 2352, Rz. 283).

5.5. Die Beschwerdeführerin hat nach dem Gesagten im Rahmen der Vorleistung der
Arbeitslosenversicherung für den Monat Juni 2015 Anspruch auf eine volle
Arbeitslosenentschädigung basierend auf einem versicherten Verdienst von Fr.
4'443.-. In diesem Sinn ist die Beschwerde teilweise begründet.

6. 
Die Gerichtskosten sind nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens auf die
Parteien aufzuteilen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem
Antrag auf Zusprechung einer vollen Arbeitslosigkeit basierend auf einem
versicherten Verdienst in einem Umfang durchgedrungen, welcher einem hälftigen
Obsiegen entspricht. Die Kosten sind deshalb zu gleichen Teilen den Parteien
aufzuerlegen. Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin überdies eine
(reduzierte) Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 25. Oktober 2016 und der
Einspracheentscheid der Unia Arbeitslosenkasse vom 8. Januar 2016 werden
insoweit aufgehoben, als festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin für den
Monat Juni 2015 Anspruch auf eine volle Arbeitslosenentschädigung basierend auf
einem versicherten Verdienst von Fr. 4'443.- hat. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden zu Fr. 250.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 250.- der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1400.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. Januar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben