Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.776/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_776/2016        

Urteil vom 23. Mai 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
Helsana Unfall AG, Recht & Compliance, Postfach, 8081 Zürich Helsana,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Hilfsmittel),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
28. September 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1963 geborene A.________ war seit 1. August 1994 als Laborantin für das
Herz-Zentrum B.________ tätig und in dieser Eigenschaft bei der Helsana Unfall
AG (nachfolgend: Helsana) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten
versichert. Am 10. August 1997 wurde sie während eines Reitturniers bei einem
Sprung über ein Hindernis vom Pferd abgeworfen und verletzte sich am linken
Fuss. Die Helsana erbrachte Taggelder und kam für die Heilbehandlung auf. Mit -
unangefochten in Rechtskraft erwachsener - Verfügung vom 15. Juni 2006 stellte
sie fest, dass sich der Zustand am linken Fuss stabilisiert habe und die
ärztliche Behandlung abgeschlossen sei, weshalb für die verbleibende
Beeinträchtigung eine Integritätsentschädigung, basierend auf einer
Integritätseinbusse von 25 %, ausgerichtet werde.

Am 15. Dezember 2010 meldete A.________ einen Rückfall zum Ereignis vom 10.
August 1997 und machte eine massive Zunahme von Beschwerden im Mittelfuss,
Sprunggelenk und Vorfuss geltend. Die Helsana richtete daraufhin erneut
Versicherungsleistungen aus. In diesem Rahmen übernahm sie unter anderem auch
die Kosten für ärztlich verordnete Gesundheitsschuhe und Physiotherapie. Dr.
med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, berichtete am 22.
Januar (richtig: 22. Oktober) 2015, dass keine weitere Operation erfolgen
werde; falls die jährliche Physiotherapie absolviert und geeignete
Gesundheitsschuhe getragen würden, liege eine volle Arbeitsfähigkeit vor und
ein operativer Eingriff könne vermieden werden. Unter Hinweis auf diese
ärztliche Stellungnahme hielt die Helsana mit Verfügung vom 18. November 2015
fest, der medizinische Endzustand sei erreicht und es bestehe kein Anspruch
mehr auf weitere Behandlung oder Hilfsmittel " (z.B. Schuhe) ". Dies bestätigte
sie auf Einsprache hin (Einspracheentscheid vom 15. März 2016).

B. 
In teilweiser Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau den Einspracheentscheid teilweise auf
und wies die Sache zur Prüfung eines allfälligen Anspruchs auf Hilfsmittel in
Form von Spezial- bzw. Gesundheitsschuhen sowie zum neuen Entscheid darüber an
die Helsana zurück.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten stellt die Helsana den
Antrag, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei aufzuheben; eventualiter sei
die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen, um "unter Berücksichtigung
der Rechtsauffassung des Bundesgerichts erneut zu entscheiden".

A.________ beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen; eventualiter seien "in
Bezug auf den Abschluss des Verfahrens nach Art. 19 Abs. 1 UVG eine neuerliche
Überprüfung vorzunehmen", ein neuerliches medizinisches Gutachten in Auftrag zu
geben und der Visana Services AG der Streit zu verkünden. Das kantonale Gericht
schliesst ohne weitere Ausführungen, unter Verweis auf den angefochtenen
Entscheid, auf Abweisung des Rechtsmittels, während das Bundesamt für
Gesundheit auf eine Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren)
Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 139 V
42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).

1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das
Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen
abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Ist die Beschwerde
nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, bleibt ein
Zwischenentscheid im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar,
sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind grundsätzlich Zwischenentscheide, die nur
unter den genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden
können (BGE 140 V 282 E. 2 S. 283 mit Hinweisen).

1.2. Im angefochtenen Entscheid wird einerseits festgestellt, dass der von der
Beschwerdeführerin vorgenommene Fallabschluss und die Einstellung der
vorübergehenden Leistungen (Taggelder, Heilbehandlung) rechtens sei. Da aber
ein Anspruch auf Hilfsmittel in Form von Gesundheitsschuhen nicht mit dem
Fallabschluss dahinfalle, habe der Unfallversicherer im Rahmen der Rückweisung
zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für Hilfsmittel nach Art. 11
UVG, insbesondere die Voraussetzungen der Einfachheit und Zweckmässigkeit, in
Form der vom behandelnden Arzt verordneten Spezial- und Gesundheitsschuhe
erfüllt seien. Dieser Entscheid stellt - soweit er die Sache zur Prüfung eines
allfälligen Anspruchs der Versicherten auf Hilfsmittel an die
Beschwerdeführerin zurückweist - einen Zwischenentscheid dar. Solche
Rückweisungsentscheide führen für die Verwaltung dann zu einem nicht wieder
gutzumachenden Nachteil, wenn sie materielle Vorgaben enthalten und der
Versicherer damit - könnte er diesen Entscheid nicht vor Bundesgericht
anfechten - unter Umständen gezwungen wäre, eine seines Erachtens
rechtswidrige, leistungszusprechende Verfügung zu erlassen. Diese könnte er in
der Folge nicht selber anfechten. Da die Gegenpartei in der Regel kein
Interesse haben wird, den allenfalls zu ihren Gunsten rechtswidrigen
Endentscheid anzufechten, könnte der kantonale Vorentscheid nicht mehr
korrigiert werden und würde zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil für
den Versicherer führen (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2 S. 483 ff.). Im vorliegenden
Fall wäre der Unfallversicherer bei fehlender Anfechtungsmöglichkeit an die
Vorgabe des kantonalen Gerichts, wonach grundsätzlich auch nach Fallabschluss
weiterhin Anspruch auf die Kostenübernahme für Hilfsmittel bestehe, gebunden.
Neben dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) sind
auch die weiteren formellen Voraussetzungen erfüllt, weshalb auf die Beschwerde
einzutreten ist.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Im
Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der
Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht - anders als in den
übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2
BGG) - nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhaltes gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
Soweit indessen eine Heilbehandlung zur Diskussion steht, gilt das
Naturalleistungsprinzip (vgl. JEAN-MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS,
Unfallversicherungsrecht, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], 3.
Aufl. 2016, S. 968 N. 196; ALFRED MAURER, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 274 ff.). Dasselbe trifft nach Art.
14 ATSG bei Hilfsmitteln zu, bei welchen das Kostenvergütungsprinzip zum Tragen
kommt (vgl. FRÉSARD/MOSER-SZELESS, a.a.O. S. 970 N. 202; MAURER, a.a.O., S. 275
f.). In beiden Fällen handelt es sich um Sachleistungen, womit die
Ausnahmeregelung in Art. 105 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2 BGG nicht
zur Anwendung gelangt. Bezüglich Sachverhaltsfeststellungen gilt deshalb hier
die eingeschränkte Kognition (BGE 135 V 412; Urteil 8C_191/2011 vom 16.
September 2011 E. 2 mit Hinweis). Das Bundesgericht kann demnach eine - für den
Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) -
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn
diese offensichtlich unrichtig ist oder aber auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Ansonsten legt es
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG).

2.2. Des Weiteren wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG) und ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S.
140). Unter Beachtung der Begründungspflicht in Beschwerdeverfahren (Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG) prüft es indessen nur geltend gemachte Rügen, sofern
allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden Fragen,
also auch solche, die im letztinstanzlichen Verfahren nicht (mehr) aufgeworfen
werden, zu klären (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

3.

3.1. Im Verfahren vor Bundesgericht gibt es keine Anschlussbeschwerde (BGE 138
V 106 E. 2.1 S. 110; 346 E. 2 S. 348). Wer mit dem angefochtenen Entscheid
nicht einverstanden ist, muss diesen selbst innert der Beschwerdefrist (Art.
100 BGG) anfechten. Sodann kann das Bundesgericht nicht über die fristgerecht
gestellten Rechtsbegehren der Parteien hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG), wobei
Ausgangspunkt der Bindungswirkung das Rechtsbegehren der beschwerdeführenden
Partei, nicht jenes des Beschwerdegegners ist (MEYER/DORMANN, in: Basler
Kommentar zum BGG, 2. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 107 BGG). Gibt die Vorinstanz -
wie hier - beiden Parteien teilweise Recht und erhebt nur eine Partei
Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, es sei ihr vollumfänglich Recht zu
geben, kann deshalb die andere Partei nicht im Rahmen der Vernehmlassung zu
dieser Beschwerde wieder diejenigen Anträge stellen, mit denen sie vor der
Vorinstanz unterlegen ist (zum Ganzen: BGE 138 V 106 E. 2.1 S. 110; Urteil
8C_446/2014 vom 12. Januar 2015 E. 2.1).

3.2. Der Unfallversicherer stellt letztinstanzlich allein die vom kantonalen
Gericht bejahte grundsätzliche Pflicht zur Übernahme der Kosten für Hilfsmittel
nach Fallabschluss in Frage. Die Beschwerdegegnerin hat darauf verzichtet, den
kantonalen Entscheid innert der Beschwerdefrist anzufechten. Auf ihre
Eventualbegehren kann deshalb, soweit sie über ihren Hauptantrag auf Abweisung
des eingelegten Rechtsmittels hinausgehen, nicht eingetreten werden. Aus dem
gleichen Grund sind ihre Vorbringen zum Zeitpunkt des Fallabschlusses, der
vorinstanzlich bestätigt und von der Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht
in Frage gestellt wird, nicht zu hören.

4. 

4.1. Die Beschwerdeführerin hat nach der Rückfallmeldung vom 15. Dezember 2010
wiederum Leistungen erbracht und insbesondere auch die Kosten für
Gesundheitsschuhe übernommen. In der Verfügung vom 18. November 2015 lehnte sie
(unter anderem) einen Anspruch auf weitere Hilfsmittel ab, weil die geeigneten
Schuhe und die jährliche Physiotherapie zwar weiterhin eine Operation vermeiden
könnten, eine namhafte Besserung dadurch aber nicht mehr zu erwarten sei. Mit
dem diesen Verwaltungsakt bestätigenden Einspracheentscheid wurde daran
festgehalten, dass das Tragen von Gesundheitsschuhen (und eine jährliche Serie
Physiotherapie) lediglich der Stabilisierung des Gesundheitszustandes diene,
jedoch nicht geeignet sei, eine namhafte Besserung herbeizuführen. Vielmehr sei
der Gesundheitszustand seit dem 22. Januar 2012 nahezu unverändert. Demnach sei
überwiegend wahrscheinlich vom Erreichen des medizinischen Endzustandes
auszugehen.

4.2. Das kantonale Gericht geht davon aus, dass es sich bei den
Gesundheitsschuhen um Hilfsmittel gemäss Art. 11 UVG handelt, welche
körperliche Schädigungen oder Funktionsausfälle ausgleichen sollen. Die Pflicht
zur Tragung der Kosten für derartige Hilfsmittel entfalle deshalb - im
Gegensatz zu den vorübergehenden Leistungen wie Heilbehandlung und
Taggeldleistungen - nicht mit dem Fallabschluss gemäss Art. 19 Abs. 1 UVG.
Gemäss Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die
Unfallversicherung (HVUV; SR 832.205.12) erstrecke sich der Anspruch auf die
notwendigen und dem Gesundheitsschaden angepassten Hilfsmittel in einfacher und
zweckmässiger Ausführung, das erforderliche Zubehör und die Anpassungen, die
wegen des Gesundheitsschadens nötig seien. Ob die von der Versicherten
benötigten und vom behandelnden Arzt verordneten Spezial- bzw.
Gesundheitsschuhe die Voraussetzungen von Art. 11 UVG, insbesondere der
Einfachheit und Zweckmässigkeit, erfüllten, sei im Rahmen der Rückweisung an
die Unfallversicherung noch zu prüfen.

5.

5.1. Gemäss Art. 19 Abs. 1 UVG entsteht der Rentenanspruch, wenn von der
Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes des Versicherten mehr erwartet werden kann und allfällige
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Satz 1).
Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Taggeldleistungen dahin
(Satz 2).

5.1.1. In dieser Norm wird zunächst geregelt, wann ein Versicherungsfall zum
Abschluss zu bringen ist (BGE 134 V 109 E. 3.2 S. 113). Bezüglich der Dauer der
vor dem Fallabschluss gewährten vorübergehenden Leistungen wie Taggelder und
Heilbehandlung hat das Bundesgericht in Bestätigung der bis dahin geltenden
Rechtsprechung in BGE 134 V 109 festgehalten, dass der Unfallversicherer -
sofern allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung
abgeschlossen sind - diese nur so lange zu gewähren hat, als von der
Fortsetzung der ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes erwartet werden kann. Trifft dies nicht mehr zu, ist der
Fall unter Einstellung der vorübergehenden Leistungen mit gleichzeitiger
Prüfung des Anspruches auf eine Invalidenrente und/oder eine
Integritätsentschädigung abzuschliessen (BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 113 f.).

5.1.2. Im hier zur Diskussion stehenden Fall war aufgrund der medizinischen
Aktenlage von einer weiteren ärztlichen Behandlung keine wesentliche Besserung
des Gesundheitszustandes mehr zu erwarten, weshalb die Beschwerdeführerin am
18. November 2015 den Fallabschluss verfügen durfte. Dabei verneinte sie nach
Prüfung der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen eine über die bereits
entschädigte Integritätseinbusse hinausgehende Schädigung und schloss eine
Rente (implizit) aus. Letzteres ergab sich, weil von den Folgen des Unfalles
vom 10. August 1997 keine beeinträchtigenden Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit der heutigen Beschwerdegegnerin in ihrer angestammten
Tätigkeit mehr ausgingen. Dieser Fallabschluss hatte zur Folge, dass auch die
weitere Heilbehandlung - als vorübergehende Leistung - einzustellen war, was in
der Verfügung vom 18. November 2015 denn auch ausdrücklich geschehen und damit
begründet worden ist, dass der sogenannte Endzustand erreicht sei.

5.2. Neben Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG ist für die hier interessierenden Belange
der gleichzeitigen Einstellung vorübergehender Leistungen mit dem Fallabschluss
Art. 21 UVG zu beachten. Nach dessen Abs. 1 werden dem Bezüger auch nach
Festsetzung der Rente unter bestimmten, in Abs. 1 lit. a-d dieser Norm
aufgeführten Fällen Pflegeleistungen und Kostenvergütungen (Art. 10-13)
gewährt. Vorgesehen ist dies, wenn er - immer nebst dem im Ingress erwähnten
Bezug einer Invalidenrente - an einer Berufskrankheit leidet (lit. a), unter
einem Rückfall oder Spätfolgen leidet und die Erwerbsfähigkeit durch
medizinische Vorkehren wesentlich verbessert oder vor wesentlicher
Beeinträchtigung bewahrt werden kann (lit. b), zur Erhaltung seiner
verbleibenden Erwerbsfähigkeit dauernd der Behandlung und Pflege bedarf (lit.
c) oder erwerbsunfähig ist und sein Gesundheitszustand durch medizinische
Vorkehren wesentlich verbessert oder vor wesentlicher Beeinträchtigung bewahrt
werden kann (lit. d).

5.2.1. Gemäss Ziff. 4 der im Anhang zur HVUV stehenden Hilfsmittelliste (Art.
11 Abs. 1 Satz 1 UVG in Verbindung mit Art. 19 UVV) zählt orthopädisches
Schuhwerk zu den von der Unfallversicherung zu gewährenden Hilfsmitteln. Diese
gleichen körperliche Schädigungen oder Funktionsausfälle aus (Art. 11 Abs. 1
Satz 1 UVG), müssen einfach und zweckmässig sein und werden zu Eigentum oder
leihweise abgegeben (Art. 11 Abs. 2 UVG). Die Kosten für deren trotz
sorgfältiger Verwendung notwendig gewordene Reparatur, Anpassung oder
Erneuerung übernimmt der Unfallversicherer laut Art. 6 Abs. 2 HVUV ebenfalls,
soweit nicht ein Dritter ersatzpflichtig ist. Von der Unfallversicherung nicht
übernommen werden laut Art. 6 Abs. 3 Satz 1 HVUV Kosten für Betrieb und
Unterhalt von Hilfsmitteln.

5.2.2. Hilfsmittel können Teil der Heilbehandlung sein (vgl. Art. 10 Abs. 1
lit. e UVG) oder dem Ausgleich von körperlichen Schädigungen oder
Funktionsausfällen (vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 UVG) und insofern als Ergänzung
der Heilbehandlung dienen (BGE 141 V 30 E. 3.2.5 S. 36; FRÉSARD/MOSER-SZELESS,
a.a.O., S. 971 Rz. 203). Hier liegt die zweite Konstellation vor, da die
Gesundheitsschuhe die Schädigung am linken Fuss ausgleichen sollen. Dadurch
kann die Arbeitsfähigkeit aufrecht erhalten und eine Fussoperation vermieden
werden. Richtigerweise hat damit das kantonale Gericht die Kostenübernahme für
Gesundheitsschuhe dem Hilfsmittelanspruch im Sinne der in Art. 11 UVG
umschriebenen Ausgestaltung (E. 5.2.1 hiervor) zugeordnet.

5.3. Im zur Publikation vorgesehenen Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 geht
das Bundesgericht der Frage nach, ob auch Hilfsmittel (Art. 11 UVG) zur
Heilbehandlung (Art. 10 UVG) zählen, welche nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG mit
dem Fallabschluss dahinfällt. Speziell war im dortigen Fall die Pflicht zur
Kostenübernahme für eine Brille fraglich, welche schon vor dem Fallabschluss
nach Art. 19 Abs. 1 UVG gewährt worden war (Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017
E. 5). Auch hier ist die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel streitig, welches
bereits vor Abschluss des gemeldeten Rückfalls gewährt worden ist.
Gleichermassen ist zudem auch vorliegend nicht strittig, dass die Versicherte
vor dem Unfall kein orthopädisches Schuhwerk benötigt hatte und dieses nur
wegen der unfallbedingten Fussverletzung notwendig geworden ist.

5.3.1. Als Grundsatz hält Art. 19 Abs. 1 UVG in Satz 2 fest, dass mit dem
Rentenbeginn Heilbehandlung und Taggeldleistungen dahinfallen. Weil die Prüfung
eines allfälligen Rentenanspruches zusammen mit dem Fallabschluss erfolgt,
steht "Rentenbeginn" im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG gleichsam als
Synonym für "Fallabschluss". Der Grundsatz, dass mit dem Fallabschluss
Heilbehandlung und Taggeldleistungen dahinfallen, wird in Art. 21 UVG für die
Heilbehandlung relativiert, indem nach Abs. 1 dieser Norm deren Gewährung über
den Fallabschluss resp. die Festsetzung der Rente hinaus unter gewissen, in
lit. a-d aufgelisteten Voraussetzungen als statthaft erklärt wird. Dies gilt
auch für die Heilbehandlung, welche in dem in der eingeschobenen
Klammerbemerkung mitenthaltenen Art. 10 UVG geregelt ist. Dass die
Heilbehandlung mit dem Fallabschluss dahinfällt, erscheint insofern denn auch
als logisch, als der Fallabschluss voraussetzt, dass von der Fortsetzung der
ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr zu
erwarten ist (vgl. Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 E. 5.3.1).

5.3.2. Überdies wird unter den in lit. a-d von Art. 21 Abs. 1 UVG genannten
Voraussetzungen der Anspruch auf Leistungen nach den Art. 11 bis 13 UVG über
den Fallabschluss hinaus vorgesehen, also für Hilfsmittel (Art. 11 UVG), für
Sachschäden (Art. 12 UVG) sowie für Reise-, Transport- und Rettungskosten (Art.
13 UVG). Dies geschieht unabhängig von dem in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG
statuierten "Dahinfallen" von Leistungen, was sich damit erklären lässt, dass
es sich dabei nicht um Ansprüche handeln muss, die schon vor dem Fallabschluss
bestanden haben. Grundsätzlich können sie vielmehr auch erst nach diesem noch
entstehen, was bei Rückfällen und Spätfolgen in Art. 21 Abs. 1 lit. b UVG denn
auch ausdrücklich vorgesehen wird (Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 E.
5.3.2).

In Art. 21 Abs. 1 UVG wird somit - auf Gesetzesstufe - einerseits für die
Heilbehandlung eine Ausnahme von dem zuvor in Art. 19 Abs. 1 UVG aufgestellten
Grundsatz geschaffen, wonach der Anspruch auf Heilbehandlung mit dem
Fallabschluss dahinfällt. Andererseits wird über die in Art. 10 UVG geregelte
Heilbehandlung hinaus auch für die in den Art. 11, 12 und 13 UVG vorgesehenen
Leistungen (Hilfsmittel, Sachschäden sowie Reise-, Transport- und
Rettungskosten) eine Leistungspflicht des Unfallversicherers nach dem
Fallabschluss statuiert, sofern - nebst dem im Ingress von Art. 21 Abs. 1 UVG
vorausgesetzten Rentenanspruch - eine der in lit. a-d dieser Bestimmung
genannten Voraussetzungen gegeben ist. Aus der Gesetzessystematik, insbesondere
dem Vergleich von Art. 19 und 21 UVG und dem Wortlaut dieser Bestimmungen ist
sodann zu schliessen, dass mit dem Fallabschluss nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 UVG
ausschliesslich Taggeldleistungen (Art. 16 f. UVG) und Heilbehandlung (Art. 10
UVG) dahinfallen. Die übrigen in den Art. 11-13 UVG vorgesehenen Leistungen
erfasst Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG nicht. Auf diese kann gemäss Gesetzeswortlaut
ein Anspruch nach Festsetzung der Rente (bzw. nach dem Fallabschluss)
entstehen, wenn einer der in Art. 21 Abs. 1 UVG aufgezählten Tatbestände
gegeben ist (vgl. Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 E. 5.3.3).

5.3.3. Das Bundesgericht gelangt im Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 zum
Schluss, dass Hilfsmittel im Begriff der Heilbehandlung, wie ihn Art. 19 Abs. 1
UVG verwendet, nicht mitenthalten sind (E. 6). Das Dahinfallen einer Leistung
ist in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 UVG nur für Heilbehandlung und Taggelder
vorgesehen. Diese Regelung auf weitere Leistungsansprüche auszudehnen, besteht
aufgrund der gesetzlichen Systematik kein Anlass. Bei Hilfsmitteln handelt es
sich denn auch nicht um Leistungen, die typischerweise bloss vorübergehenden
Charakter haben, wie dies bei der Heilbehandlung und bei Taggeldern der Fall
ist. Je nach Ursache ihrer Zusprache bleibt der Anspruch auf sie häufig auch
langfristig bestehen - zu denken ist etwa an Rollstühle oder Beinprothesen -
und es kann immer wieder zu regelmässig oder auch nur sporadisch anfallenden
Kosten kommen, für die der Unfallversicherer einzustehen hat. Art. 6 Abs. 2
HVUV sieht denn auch vor, dass bei einem Hilfsmittel, muss es, trotz
sorgfältiger Verwendung, repariert, angepasst oder erneuert werden, der
Unfallversicherer die Kosten übernimmt, soweit nicht ein Dritter
ersatzpflichtig ist (Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 E. 6.2).

5.4. Beim vorliegend in Frage stehenden orthopädischen Schuhwerk handelt es
sich um ein Hilfsmittel, das schon vor dem Fallabschluss (im Rahmen des
Rückfalls) zusammen mit der Heilbehandlung zugestanden worden ist. Weshalb eine
entsprechende Leistungspflicht ab dem Zeitpunkt des Fallabschlusses nicht mehr
bestehen sollte, ist nicht ersichtlich. Hier ist - analog zum Urteil 8C_527/
2016 vom 8. Mai 2017 E. 6.1 - von einer Besitzstandsgarantie über den
Fallabschluss hinaus auszugehen. Vor diesem Hintergrund hat die
Beschwerdeführerin trotz Fallabschluss auch weiterhin für den Ersatz von bisher
gewährtem orthopädischem Schuhwerk aufzukommen, solange ein entsprechender
Bedarf besteht (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG und BGE 141 V 30 E. 3.2.5 S. 36 mit
Hinweisen). Dies gilt unter Vorbehalt der im Rahmen der vorinstanzlichen
Rückweisung noch vorzunehmenden Abklärung zu den Voraussetzungen der
Einfachheit und Zweckmässigkeit nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 UVG.

5.5.

5.5.1. An diesem Ergebnis vermag entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin
nichts zu ändern, dass nach dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 UVG ein
Versicherter, der keine Rente bezieht, auch keinen Anspruch auf
Kostenvergütungen gemäss den Art. 10-13 UVG - worunter auch Hilfsmittel (Art.
11 UVG) fallen - hat. Diese Regelung betrifft die (erstmalige) Zusprache einer
Leistung, nicht die Beibehaltung bereits gewährter Ansprüche nach dem
Fallabschluss. Soweit dem Urteil 8C_591/2013 vom 29. Oktober 2013, wo es um
orthopädische Schuhzurichtungen und Spezialschuhe ging, etwas anderes sollte
entnommen werden können, wäre daran nicht festzuhalten. Aus jenem Urteil ist
jedenfalls nicht ersichtlich, dass und gegebenenfalls ab wann solche
Hilfsmittel schon vor dem Fallabschluss gewährt worden wären. Für die Ansicht,
dass zum Anspruch auf bereits vor dem Fallabschluss gewährte Hilfsmittel auch
die Übernahme der Kosten für deren Reparatur und Erneuerung gehört, spricht
sich denn auch die Doktrin verschiedenenorts aus (FRÉSARD/MOSER-SZELESS,
a.a.O., S. 970 f., Rz. 203; MAURER, a.a.O., S. 317, N. 784) und sie hatte im
Übrigen auch schon unter altArt. 76 (Satz 2) KUVG Geltung (MAURER, Recht und
Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 1963, S. 232 N.
12; vgl. Urteil 8C_527/2016 vom 8. Mai 2017 E. 6.3).

5.5.2. Schliesslich ist auch der Einwand des Unfallversicherers, wonach die
Beschwerdegegnerin bereits ohne Spezial- bzw. Gesundheitsschuhe voll
arbeitsfähig gewesen sei, weshalb eine namhafte Besserung auch durch dieses
Hilfsmittel nicht mehr zu erwarten sei, nicht stichhaltig. Massgebend ist, dass
im Rahmen des Rückfalls erneut Leistungen erbracht worden sind und bereits vor
Fallabschluss - ärztlicherseits bestätigt und unbestrittenermassen - feststand,
dass die Versicherte zur Aufrechterhaltung der 100%igen Arbeitsfähigkeit auf
das Tragen von Gesundheitsschuhen angewiesen war und weiterhin sein wird.

6. 
Die Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und 4 BGG) sind bei diesem Verfahrensausgang
von der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. Mai 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben