Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.769/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_769/2016

Urteil vom 19. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokatin Raffaella Biaggi,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Versicherungsverhältnis),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 11. Oktober 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die am 26. Juni 2016 erloschene Firma B.________ GmbH liess der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) am 7. April 2014 einen Unfall ihres 1982
geborenen Mitarbeiters A.________ vom 31. März 2014 melden. Die
Unfallversicherung erbrachte Heilbehandlung und richtete auf der Grundlage des
ihr gemeldeten Verdienstes von Fr. 6'900.- pro Monat Taggeld aus. In der Folge
traf die SUVA weitere Abklärungen und holte unter anderem einen Auszug aus dem
Individuellen Konto (IK-Auszug) des A.________ ein und liess sich den
Arbeitsvertrag sowie Lohnabrechnungen vorlegen. Mit Verfügung vom 29. Januar
2016 zog die SUVA ihre ursprüngliche informelle Leistungszusprache in
prozessuale Revision, da ihres Erachtens die anspruchsbegründenden
Voraussetzungen, namentlich die Versicherteneigenschaft des A.________ nicht
mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit belegt sei, und
forderte die zu Unrecht bezogenen Leistungen im Betrage von Fr. 157'787.35
zurück. Daran hielt die Unfallversicherung auf Einsprache hin fest (Entscheid
vom 3. Juni 2016).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 11. Oktober 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei festzustellen,
dass die Beschwerdegegnerin die von ihm bezogenen Taggeldleistungen nicht
zurückfordern könne. In prozessualer Hinsicht ersucht er um die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.
Ein Schriftenwechsel wird nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder der Unfallversicherung ist das Bundesgericht -
anders als in den übrigen Sozialversicherungsbereichen (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3
BGG). Im Streit, ob für ein Unfallereignis Versicherungsdeckung besteht, kommt
diese Ausnahmeregelung allerdings ungeachtet dessen, dass von der Beurteilung
der Streitfrage auch Ansprüche auf Geldleistungen der obligatorischen
Unfallversicherung abhängen können, nicht zur Anwendung (BGE 135 V 412 E. 1.2.2
S. 414).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die Rückforderung
der SUVA über den Betrag von Fr. 157'787.35 mit der Begründung geschützt hat,
der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt des Unfalls vom 31. März 2014 nicht
obligatorisch bei der SUVA versichert gewesen.
Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den unfallversicherungsrechtlichen
Arbeitnehmerbegriff (Art. 1a Abs. 1 UVG; Art. 1 UVV sowie Art. 10 ATSG)
zutreffend wiedergegeben. Dasselbe gilt bezüglich der Pflicht zur
Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 25 Abs. 1 ATSG; vgl.
BGE 130 V 380 E. 2.3.1 S. 384, 318 E. 5.2 in fine S. 319, 129 V 110 E. 1.1),
der dabei zu berücksichtigenden Verjährungs- und Verwirkungsfristen (Art. 25
Abs. 2 ATSG; BGE 140 V 521 E. 2.1 S. 525) sowie der Voraussetzungen für eine
Wiedererwägung wegen zweifelloser Unrichtigkeit und erheblicher Bedeutung der
Berichtigung (Art. 53 Abs. 2 ATSG; BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328).

3.

3.1. Das kantonale Gericht ist nach einlässlicher Würdigung der Aktenlage zum
Schluss gelangt, in Anbetracht diverser Ungereimtheiten und widersprüchlicher
Angaben betreffend des Bestandes des Arbeitsverhältnisses sowie des Lohnes
seien entsprechende Zahlungen und das Arbeitsverhältnis als solches und damit
die Versicherteneigenschaft nicht rechtsgenügend nachgewiesen. Die Ausrichtung
von Versicherungsleistungen sei als offensichtlich falsch einzustufen. Die
Voraussetzungen einer Wiedererwägung seien erfüllt. Da die SUVA erst im
Dezember 2015 hinreichende Kenntnis vom Fehlen des Arbeitsverhältnisses gehabt
habe, sei der mit Verfügung vom 29. Januar 2016 geltend gemachte
Rückforderungsanspruch nicht verwirkt gewesen.

3.2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, es könne von ihm nicht
verlangt werden, das Arbeitsverhältnis mit schriftlichen Unterlagen zu belegen.
Für die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte - wie Entrichtung der
AHV-Beiträge - sei der Arbeitgeber und nicht er zuständig. Es genüge nicht
alleine auf den - fehlenden - Lohnfluss abzustellen, um ein Arbeitsverhältnis
zu verneinen. Bezüglich der Rückforderung macht er geltend, diese sei verwirkt.

4. 
Nach den allgemeinen Regeln des Sozialversicherungsrechts hat der
Versicherungsträger den rechtserheblichen Sachverhalt abzuklären. Er ist nach
dem in Art. 43 Abs. 1 ATSG statuierten Untersuchungsgrundsatz verpflichtet, die
notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vorzunehmen und die erforderlichen
Auskünfte einzuholen. Art. 43 Abs. 3 ATSG sieht sodann vor, dass wenn die
versicherte Person oder andere Personen, die Leistungen beanspruchen, den
Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht
nachkommen, der Versicherungsträger aufgrund der Akten verfügen oder die
Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen kann. Er muss die
Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; ihnen
ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen (SVR 2013 UV Nr. 6 S. 21, 8C_110/
2012 E. 2 mit Hinweisen).

5.

5.1. Das kantonale Gericht hat einlässlich und schlüssig dargelegt, dass im
Verwaltungsverfahren zur Beurteilung der Versicherteneigenschaft des
Beschwerdeführers weiterer Abklärungsbedarf bestand. Nach den vorinstanzlichen
Feststellungen stimmten die - weit überdurchschnittlichen - Lohnangaben in der
Unfallmeldung vom 7. April 2014 und im (undatierten) Arbeitsvertrag nicht
überein. Bankbelege über entsprechende Lohnzahlungen fehlten ebenso wie
Kontoauszüge, welche regelmässige Geldbezüge belegen würden, die für (Bar-)
Lohnzahlungen hätten verwendet werden können. Einzahlungen an die
Ausgleichskasse erfolgten nicht. Ausserdem hat der Beschwerdeführer in der
Steuerdeklaration kein Einkommen angegeben. Quellensteuer wurde nicht
abgerechnet. In Anbetracht der zahlreichen Unstimmigkeiten schloss das
kantonale Gericht, dass das Arbeitsverhältnis als solches vom Beschwerdeführer
nicht rechtsgenügend nachgewiesen worden sei. Er habe damit keinen Anspruch auf
Leistungen der Unfallversicherung.

5.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt vermag nicht zu überzeugen.
Insbesondere legt er nicht dar, inwiefern die Vorinstanz mit ihren
Feststellungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen Bundesrecht verletzt
haben soll. Er argumentiert lediglich damit, das kantonale Gericht habe seines
Erachtens den Sachverhalt falsch gewürdigt. Damit handelt es sich indessen um
eine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid. Diese kann zum
vornherein nicht beachtet werden (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

6. 
Umstritten ist weiter, ob die SUVA die Verwirkungsfristen für die Rückforderung
einhielt (Art. 25 Abs. 2 ATSG).

6.1. Entgegen seiner eingangs angeführten Argumentation - er sei im
Unfallzeitpunkt Arbeitnehmer der B.________ GmbH und somit obligatorisch
versichert gewesen - bringt er bezüglich der Rückforderung vor, bereits im
September 2014 hätten sämtliche Unterlagen vorgelegen, mit denen die SUVA
zumutbarerweise zum Schluss hätte kommen können und müssen, dass er nicht in
einem Arbeitsverhältnis zu dieser Firma gestanden habe. Der am 29. Januar 2016
verfügte Rückforderungsanspruch sei bereits verwirkt gewesen.

6.2. Dieser Einwand ist unbehelflich. Das kantonale Gericht hat in
pflichtgemässer Würdigung der Aktenlage erkannt, die SUVA habe erst mit Erhalt
der bei diversen Behörden angeforderten Unterlagen, mithin erst im Dezember
2015, hinreichende Kenntnis vom Fehlen des Arbeitsverhältnisses gehabt. Diese
Sachverhaltsfeststellung ist letztinstanzlich verbindlich (E. 1 hievor). In
Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes (E. 4 hievor) bemühte sich die SUVA um
Abklärung. Sie plante im Jahre 2015 eine Betriebsrevision vorzunehmen, um sich
selbst die Unterlagen bezüglich des Arbeitsverhältnisses, der Geld- und
Lohnflüsse etc. zu beschaffen. Dieses Vorhaben scheiterte mangels
Erreichbarkeit beim Betrieb. In der Folge forderte die Unfallversicherung die
B.________ GmbH - mit der Androhung auf Nichteintreten auf das Gesuch um
Versicherungsleistungen für den Beschwerdeführer - auf, ihr Lohnblätter,
Lohnabrechnungen. Arbeitsrapporte, Lohnausweise, AHV-Bescheinigungen,
BVG-Policen und Prämienabrechnungen sowie Post- und Bankgelege im Zusammenhang
mit Lohnzahlungen ab der geltend gemachten Anstellung vorzulegen. Der
Beschwerdeführer wurde über das Vorgehen mittels Kopie orientiert. Er hätte
sich bei seiner angeblichen Arbeitgeberin - deren Gesellschafter und
Geschäftsführer sein Bruder war - also dafür einsetzen können, dass der SUVA
das geforderte geliefert wird. Erst als bis zur eingeräumten Frist, dem 31.
Dezember 2015, keine Belege für ein Arbeitsverhältnis vorgelegt wurden, konnte
die Unfallversicherung ihre Leistungspflicht auf der Basis des Vorhandenen
verneinen. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen waren nicht mindestens mit
dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Erst ab
diesem Zeitpunkt stand fest, dass die bereits geleisteten Taggeldzahlungen und
die gewährte Heilbehandlung zu Unrecht erfolgten. Die mit Datum vom 29. Januar
2016 verfügte Rückforderung war damit rechtzeitig.

7. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 BGG, d.h. ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit
summarischer Begründung, erledigt.

8. 
Die Beschwerde ist als aussichtslos zu bezeichnen. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wird abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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