Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.75/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_75/2016

Urteil vom 18. April 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Cristina Schiavi,
Beschwerdeführer,

gegen

Unfallversicherung Stadt Zürich, Stadelhoferstrasse 33, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 30. November 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1960 geborene A.________ ist seit 1984 bei der Stadt Zürich tätig und daher
bei der Unfallversicherung Stadt Zürich (nachfolgend: Unfallversicherung)
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 16. Februar 2011
stürzte er beim Skifahren und schlug mit dem durch einen Helm geschützten Kopf
auf der Piste auf. Der erstbehandelnde Arzt stellte am Unfalltag eine
Schädelprellung fest. Im Sinne einer Differentialdiagnose notierte er eine
Commotio cerebri. Die Unfallversicherung erbrachte Leistungen in Form von
Heilbehandlung und Taggeld. Aufgrund persistierender Beschwerden im Sinne von
eingeschränkter Belastbarkeit, erhöhter Ermüdung und belastungsabhängigen
Kopfschmerzen liess die Unfallversicherung A.________ durch Dr. med.
B.________, Facharzt für Neurologie FMH, untersuchen. Da gemäss Gutachten vom
1. April 2014 keine Befunde, die ursächlich auf dem versicherten Ereignis
beruhen, erhoben wurden, stellte die Unfallversicherung ihre Leistungen mit
Verfügung vom 16. April 2014 rückwirkend per 16. Mai 2011 ein. Daran hielt sie
auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 2. Juli 2014).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 30. November 2015), nachdem es lite pendente
eingereichte weitere medizinische Akten (neurologisches Gutachten des Dr. med.
C.________, Facharzt für Neurologie, Physikalische Medizin und Rehabilitation,
vom 5. Januar 2015 und Bericht der lic. phil. D.________, Fachpsychologin für
Neuropsychologie FSP und Psychotherapie FSP, vom 4. Dezember 2014) der
Unfallversicherung zur Stellungnahme unterbreitet hatte.

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheides sei die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit dieses
ein neurologisches Obergutachten einhole. Eventualiter sei die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm eine Invalidenrente nach Massgabe eine
Invaliditätsgrades von 13 % auszurichten.
Ein Schriftenwechsel wird nicht durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG geltend
gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Trotzdem prüft es - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur
die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Streitig ist, ob der Beschwerdeführer über den 16. Mai 2011 hinaus
Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung hat. Zu prüfen
ist insbesondere, ob die Vorinstanz zu Recht davon ausging, die
Beschwerdegegnerin habe die gesundheitlichen Folgen des Unfalles vom 16.
Februar 2011 hinreichend abgeklärt und den rechtserheblichen Kausalzusammenhang
verneint.

2.2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Anforderungen an einen
ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352).
Ebenso richtig hat das kantonale Gericht auf die Rechtsprechung verwiesen,
wonach bei objektiv ausgewiesenen organischen Unfallfolgen die adäquate, d.h.
rechtserhebliche Kausalität weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt;
die Adäquanz hier gegenüber dem natürlichen Kausalzusammenhang damit praktisch
keine selbstständige Bedeutung (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112) hat.
Objektivierbar sind Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar und von der
Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig sind. Von
organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann somit erst dann gesprochen
werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden Abklärungen
bestätigt wurden und die hiebei angewendeten Untersuchungsmethoden
wissenschaftlich anerkannt sind (BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251 mit Hinweisen).

3.

3.1. Das kantonale Gericht erkannte in einlässlicher Würdigung der
medizinischen Akten, es bestehe zwischen verschiedenen Ärzten keine Einigkeit
darüber, ob der Beschwerdeführer beim Skiunfall eine Schädelprellung, eine
Commotio cerebri oder eine MTBI (leichte traumatische Hirnverletzung) erlitten
habe. Aus den bildgebenden Untersuchungen sei jedoch ersichtlich, dass keine
objektivierbaren Hirnverletzungen nachweisbar seien. Da mit verschiedensten
Untersuchungsmethoden speziell nach solchen Verletzungen gesucht worden sei,
könne von weiteren Abklärungen kein anderes Ergebnis erwartet werden. Die im
Zeitpunkt des Fallabschlusses noch geklagten Beschwerden wiesen somit kein
organisches Korrelat auf. Die Vorinstanz verneinte den adäquaten
Kausalzusammenhang zum versicherten Unfall in Anwendung der Rechtsprechung
gemäss BGE 115 V 133. Die Frage, ob der Versicherte lediglich eine
Schädelprellung oder auch eine Commotio cerebri beziehungsweise eine MTBI
erlitten hatte, liess sie offen.

3.2. Der Versicherte beruft sich auf die Einschätzung des Dr. med. C.________,
wonach er "mindestens eine MTBI Grad 2" erlitten habe. Es stelle sich daher die
Frage, ob diese Verletzung im Grenzbereich zu einer Contusio cerebri
(Hirnprellung) liege. Diesfalls hätte die Adäquanzbeurteilung in Anwendung der
sogenannten "Schleudertraumarechtsprechung" gestützt auf BGE 117 V 369 erfolgen
müssen. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie den relevanten
Sachverhalt ungenügend abgeklärt habe.

4.

4.1. Auch der Versicherte bringt nicht vor, für die von ihm auch nach
Fallabschluss geklagten Beschwerden liege ein organisches Korrelat vor.
Entscheidend für die Frage der weiteren Leistungspflicht der Unfallversicherung
ist demnach, ob diese in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Unfall
stehen. Wird dies verneint, erübrigt sich die Prüfung des natürlichen
Kausalzusammenhanges. Uneinigkeit herrscht dabei, ob diese nach der sogenannten
Psychopraxis (BGE 115 V 133) oder nach der Schleudertrauma-Praxis, welche bei
Schleudertraumata der Halswirbelsäule und analog bei äquivalenten
Verletzungsmechanismen sowie Schädel-Hirntraumata mit entsprechenden
Verletzungen zur Anwendung gelangt (BGE 134 V 109 und 117 V 259), vorzunehmen
ist.

4.2. Der Beschwerdeführer hat beim Unfall kein Schleudertrauma der
Halswirbelsäule erlitten. Davon geht er selbst auch aus. Hingegen beruft er
sich auf das Vorliegen eines Schädel-Hirntraumas. Gemäss Rechtsprechung (vgl.
Urteil 8C_476/2007 vom 4. August 2008 E. 4 [publ. in: SVR 2008 UV Nr. 35 S.
133]; Urteile 8C_358/2014 vom 14. August 2014 E. 2.4.1; 8C_258/2013 vom 16.
Oktober 2013 E. 4.3.2; 8C_270/2011 vom 28. Juli 2011 E. 2.1) genügt ein
Schädel-Hirntrauma, welches höchstens den Schweregrad einer Commotio cerebri -
nicht im Grenzbereich zu einer Contusio cerebri - erreicht, grundsätzlich nicht
für die Anwendung der Schleudertrauma-Praxis.
Eine Commotio cerebri ist ein Zustand vorübergehender, schnell reversibler
neurologischer Dysfunktion, der mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit kurz nach der
Verletzung einhergeht. Der Verletzte hat oft eine Amnesie für die Zeit der
Verletzung und/oder für die Zeit vor der Verletzung. Es bestehen aber keine
neurologischen Auffälligkeiten. Die Contusio cerebri ist eine fokale
Gewaltanwendung auf das zerebrale Gewebe, die mit kleinen parenchymatösen
Blutungen oder einem lokalen Ödem einhergeht (Definitionen gemäss MSD-Manual
der Diagnostik und Therapie, Hrsg. von MSD Sharp & Dohme, 5. Aufl., München
1993, S. 1838).
Gemäss den echtzeitlichen medizinischen Akten hatte der Beschwerdeführer eine
Schädelprellung im Grenzbereich zu einer Commotio cerebri erlitten.
Strukturelle Veränderungen oder Mikroblutungen im Gehirn wurden nicht gefunden.
Es bestand keine Amnesie. Damit steht fest, dass er keine Verletzung im
Grenzbereich zu einer Contusio cerebri erlitten hatte. Davon spricht selbst Dr.
med. C.________ in seinem Gutachten vom 5. Januar 2015 nicht. Das kantonale
Gericht hat die Adäquanz der weiterhin geklagten Beschwerden mit dem Unfall
daher zu Recht gemäss den in BGE 115 V 133 aufgeführten Kriterien geprüft.

5.

5.1. Die konkrete Würdigung der Adäquanzkriterien durch die Vorinstanz wird
nicht gerügt. Ob die gesundheitliche Beeinträchtigung in einem natürlichen
Kausalzusammenhang mit dem Unfall steht, braucht nicht geprüft zu werden (E.
4.1 hievor; BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472).

5.2. Nach dem Gesagten ist von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
oder die Unfallversicherung abzusehen, da von weiteren medizinischen
Abklärungen keine entscheidrelevanten neuen Erkenntnisse zu erwarten sind
(antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148). Das
vorinstanzliche Ergebnis, wonach aufgrund der medizinischen Akten aus
unfallversicherungsrechtlicher Sicht der adäquate Kausalzusammenhang der
geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfall vom 16. Februar 2011 und dessen
Folgen zu verneinen war, ist nicht zu beanstanden.

6. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1,
Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. April 2016
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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