Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.756/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_756/2016

Urteil vom 29. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Häberli,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Neuanmeldung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 27. September 2016.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1968 geborene A.________ meldete sich am 13. Juli 2009 unter Hinweis
auf ein seit April 2009 bestehendes "seelisches" Leiden bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 5. Juli 2010
verneinte die IV-Stelle des Kantons Zürich einen Anspruch auf eine
Invalidenrente mangels einer anspruchsbegründenden Erwerbsunfähigkeit.

A.b. Am 5. Juli 2011 meldete sich A.________ wegen eines seit mehreren Jahren
bestehenden "seelischen" Leidens erneut zum Bezug von Leistungen der
Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle führte berufliche Massnahmen durch und
holte ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten des Dr. med.
B.________, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 23. Juni 2014 ein. Mit
Verfügung vom 5. Januar 2015 lehnte sie nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren einen Rentenanspruch mangels eines invalidisierenden
Gesundheitsschadens wiederum ab.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. September 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, es sei ihr in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids ab 1.
September 2011 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen,
eventualiter sei die Sache zur Durchführung eines gesetzeskonformen
Abklärungsverfahrens und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches
gilt für die konkrete Beweiswürdigung. Dagegen sind die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c
ATSG Rechtsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil 8C_702/2016
vom 9. Dezember 2016 E. 1.3 mit Hinweis).

2. 
Streitig ist, ob Vorinstanz und Verwaltung das Neuanmeldungsgesuch der
Versicherten zu Recht abgewiesen haben. Zu prüfen ist dabei insbesondere, ob
sich in der Zeit zwischen dem 5. Juli 2010 (Zeitpunkt der letzten
rentenablehnenden Verfügung) und dem 5. Januar 2015 (Datum der angefochtenen
Verfügung) eine rentenbegründende Änderung des Sachverhalts ergeben hat.
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung massgebenden Rechtsgrundlagen,
insbesondere die bei der Rentenrevision geltenden Grundsätze, welche bei
Neuanmeldungen analog Anwendung finden (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und
3 IVV; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77; vgl. auch BGE 133 V 108 E. 5.4 S. 114; 134
V 131 E. 3. S. 132), zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die
Ausführungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E.
3 S. 352 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der gesamten
medizinischen Aktenlage, insbesondere gestützt auf das Gutachten des Dr. med.
B.________ vom 23. Juni 2014 mit einlässlicher und nachvollziehbarer Begründung
erkannt, dass nach wie vor kein rentenbegründender Invaliditätsgrad von
mindestens 40 % bestehe. Die Beschwerdeführerin leide - so die Vorinstanz - an
einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leichtgradiger Ausprägung, weshalb
gemäss gutachterlicher Einschätzung auf dem ersten Arbeitsmarkt in der
angestammten Tätigkeit (Primarlehrerin) eine Minderung der Leistungsfähigkeit
von 25 % bestehe, wohingegen für angepasste Tätigkeiten keine
Arbeitsunfähigkeit angenommen werden könne. Ein Rentenanspruch scheitere in
Anbetracht der bescheinigten Leistungsminderung von 25 % in der angestammten
Tätigkeit am gesetzlichen Erfordernis der einjährigen Wartezeit respektive -
wenn diese erfüllt wäre - an einer anspruchsbegründenden Invalidität von
mindestens 40 %.

3.2. Die durch das kantonale Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen,
namentlich die aus den medizinischen Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse, sind
im letztinstanzlichen Prozess grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1 hievor). Im
Rahmen der eingeschränkten Sachverhaltskontrolle (Art. 97 Abs. 1 BGG) ist es
nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon im vorangehenden Verfahren im Recht
gelegenen ärztlichen Berichte neu zu beurteilen und die rechtsfehlerfreie
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz hinsichtlich der medizinisch
begründeten Verminderung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz
gesundheitlicher Beeinträchtigungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu
korrigieren.

3.3. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin zeigen keine offensichtliche
Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Schlussfolgerungen auf:

3.3.1. Mit dem kantonalen Gericht ist dem Gutachten des Dr. med. B.________ vom
23. Juni 2014 die Erfüllung der rechtsprechungsgemässen Kriterien
beweiskräftiger medizinischer Gutachten zuzuerkennen. Es basiert auf eigenen
Untersuchungen und setzt sich mit den Vorakten auseinander. Diagnostiziert
wurde eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (F61.0) mit schizotyp/schizoid/
autistischen, paranoid/ misstrauischen, narzisstischen, zwanghaften,
distanzgeminderten und impulsiven Anteilen und mit einem rezidivierend
depressiv-neurasthenischen Syndrom. Der Gutachter wies darauf hin, dass die
Versicherte bis 2004, aber auch noch 2009/2010 sozial (und v.a. beruflich)
angemessen integriert war, und qualifizierte die Persönlichkeitsstörung somit
als (maximal) leicht ausgeprägt. In der bisherigen Tätigkeit auf dem ersten
Arbeitsmarkt attestierte er eine 25%ige Minderung der Arbeitsfähigkeit, wobei
Defizite in den Bereichen Anpassung an Regeln/Routinen, Planung/Strukturierung
von Aufgaben, Flexibilität/ Umstellungsfähigkeit, Kontakt-/Gruppenfähigkeit und
familiäre/persönliche Beziehungen im Vordergrund stünden. Für angepasste
Tätigkeiten (wenig Team-/Kundenkontakt, gut strukturiert, wenig Zeitdruck) und
Tätigkeiten im Haushalt könne - so der Facharzt - aus rein
psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht keine relevante Arbeitsunfähigkeit
angenommen werden. Der Versicherten seien die bislang in der Schweiz ausgeübten
Tätigkeiten aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht weiterhin zumutbar.
Sie halte sich an eine Tagesstruktur, besorge selbstständig den Haushalt und
den Garten, lese gerne, treffe ab und zu Kollegen, beschäftige sich mit Musik
sowie Kunst und spiele Geige in einem Orchester. Die Teildefizite in den
Bereichen Anpassung an Regeln und Routinen sowie Kontakt- und Gruppenfähigkeit
seien objektiv leicht ausgeprägt und eine Überwindung sei
psychiatrisch-psychotherapeutisch zumutbar. Die Versicherte zeige aber aufgrund
nicht krankheitsbedingter Faktoren (z.B. persönliche Berufswünsche, "eigener
Rhythmus", Rentenwunsch, "Schonfrist") nur eine geringe Bereitschaft zur
Überwindung.

3.3.2. Auf ein im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholtes Gutachten ist
rechtsprechungsgemäss abzustellen, wenn nicht konkrete Indizien gegen die
Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470; vgl. auch
Urteil 8C_357/2016 vom 7. Oktober 2016 E. 3.3). Solche vermag die Versicherte
nicht darzutun. Wie sie selber geltend macht, stimmt die von Dr. med.
B.________ im Gutachten vom 23. Juni 2014 gestellte Diagnose fast vollkommen
mit den Diagnosen der vorbehandelnden Ärzte überein. Zudem begründete der
Facharzt schlüssig und überzeugend die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit.
Soweit die Beschwerdeführerin die attestierte Arbeitsfähigkeit kritisiert und
geltend macht, sie beziehe sich nicht auf die angestammte Tätigkeit als
Lehrerin, übersieht sie, dass die Fragestellung sich ausdrücklich auf die
bisherige sowie auf eine leidensangepasste Tätigkeit bezog. In ersterer stellte
der Gutachter eine Minderung der Arbeitsfähigkeit von 25 % fest, wohingegen er
in einer angepassten Tätigkeit keine relevante Arbeitsunfähigkeit sah. Zudem
wies er nochmals ausdrücklich darauf hin, dass der Versicherten die bislang in
der Schweiz ausgeübten Tätigkeiten aus psychiatrisch-psychotherapeutischer
Sicht weiterhin zumutbar seien. Sowohl die Einwände der kurzen Dauer der
Untersuchung wie auch der gewählten Verfahren verfangen sodann nicht. Die
Experten haben bei der Wahl der Untersuchungsmethoden ein grosses Ermessen. Für
den Aussagegehalt eines medizinischen Berichts kommt es nicht in erster Linie
auf die Dauer der Untersuchung an. Massgeblich ist vielmehr, ob der Bericht
inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig ist. Der für eine
psychiatrische Untersuchung zu betreibende zeitliche Aufwand hängt stets von
der Fragestellung und der zu beurteilenden Psychopathologie ab. Wichtigste
Grundlage gutachterlicher Schlussfolgerungen bildet - gegebenenfalls neben
standardisierten Tests - die klinische Untersuchung mit Anamneseerhebung,
Symptomerfassung und Verhaltensbeobachtung (vgl. Urteile 9C_664/2015 vom 2. Mai
2016 E. 4.2, 8C_47/2016 vom 15. März 2016 E. 3.2.2, 8C_86/2015 vom 6. Mai 2015
E. 5.2, je mit Hinweisen). Anhaltspunkte dafür, dass Dr. med. B.________ die
entsprechenden Vorgaben nicht bzw. nur ungenügend beachtet hat, sind nicht
erkennbar. Davon ging auch das kantonale Gericht aus. Wenn es sich in den
Erwägungen des angefochtenen Entscheids darüber hinaus nicht auch noch
ausdrücklich mit der gerügten Dauer der psychiatrischen Exploration
auseinandergesetzt hat, liegt darin keine Verletzung der Begründungspflicht
gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Soweit sich die Beschwerdeführerin schliesslich
wiederum auf die das Gutachten des Dr. med. B.________ kritisierende
Stellungnahme der Praxis C.________, Psychiatrie Psychotherapie, vom 27. Januar
2015 beruft, hat das kantonale Gericht schlüssig dargelegt, dass sie die
Beweiskraft des Gutachtens nicht in Zweifel zu ziehen vermag. Mit der
Vorinstanz ist zudem der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, dass
behandelnde Ärztinnen und Ärzte wie auch Therapiepersonen mitunter im Hinblick
auf ihre Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer
Patientinnen und Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470).

3.4. Nicht zu beanstanden ist, dass das kantonale Gericht in antizipierter
Beweiswürdigung keine weiteren Abklärungen vorgenommen hat. Die relevanten
Gesichtspunkte lassen sich aufgrund der bestehenden Aktenlage verlässlich
beurteilen und von Beweisergänzungen ist kein entscheidrelevanter neuer
Aufschluss zu erwarten.

3.5. Zusammenfassend hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.

4. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben