Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.754/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_754/2016

Urteil vom 28. Februar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Frésard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Schmid Kistler,
Beschwerdeführerin,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit; Invalidenrente;
Integritätsentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 30. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1965 geborene A.________ ist seit April 2006 bei der Firma B.________ im
Umfang von 26 Stunden pro Woche als Reinigungskraft angestellt und dadurch bei
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Am 9. April 2011 machte sie beim
Hinuntersteigen von einer Leiter einen Fehltritt (vgl. Schadenmeldung UVG vom
18. April 2011) und erlitt eine Distorsion des rechten Kniegelenks mit
Patellaluxation und deutlicher Schmerzintensivierung (vgl. Bericht des Spitals
C.________, vom 18. Mai 2011). Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Laut der orthopädisch-traumatologischen,
neurologischen und psychiatrischen Gesamtbeurteilung der Abteilung
Versicherungsmedizin, Suva Luzern, vom 20. April 2015 war die Versicherte im
angestammten Beruf nur noch zum aktuell ausgeübten Pensum von 11 Stunden pro
Woche arbeitsfähig, eine dem schmerzhaften Vernarbungszustand des rechten
Kniegelenks und der Defektheilung eines chirurgisch entfernten Knorpel-/
Knochenfragmentes besser angepasste Tätigkeit war ihr hingegen weiterhin
zumutbar; aus fachmedizinischer Sicht lag im Übrigen kein unfallbedingter
Integritätsschaden vor. Mit Verfügung vom 21. August 2015 verneinte die Suva
einen Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung. Eine Einsprache
wies sie ab (Einspracheentscheid vom 18. November 2015).

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden ab (Entscheid vom 30. August 2016).

C. 
Mit Beschwerde lässt A.________ beantragen, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die Sache zur weiteren Abklärung der
quantitativen Leistungseinschränkungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen;
eventualiter habe dieses eine Invalidenrente auf der Basis eines
Invaliditätsgrades von mindestens 10 % sowie eine Integritätsentschädigung
zuzusprechen.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 132 II 257E. 2.5 S. 262; 130 III 136E. 1.4 S. 140). Gemäss
Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls
wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht
prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie
eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu
prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II
249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2.

2.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, dass zur Beurteilung des
Gesundheitszustands und der Arbeits (un) fähigkeit auf die in allen Teilen
beweiskräftige interdisziplinäre Gesamtbeurteilung vom 20. April 2015
abzustellen war. Die Suva-Ärzte neurologischer und psychiatrischer Fachrichtung
erhoben keine Befunde, mit welchen eine Arbeitsunfähigkeit begründet werden
konnte. Aus orthopädischer Sicht lag nach zweimaliger Retinaculum-Operation am
rechten Kniegelenk - bei vorbestehender Patella- und Condylendysplasie
beidseits - ein schmerzhafter Vernarbungszustand vor; zudem bestand eine
Defektheilung am rechten lateralen Femurcondylus nach Ausbruch eines
chirurgisch entfernten Knorpel-/Knochenfragmentes. Die Explorandin vermochte
den angestammten Beruf als Reinigungskraft nur noch zum aktuell ausgeübten
Pensum von 11 Stunden pro Woche zu verrichten; in einer angepassten
Arbeitsgelegenheit waren ihr Tätigkeiten zumutbar, die mit folgenden
Belastungen verbunden waren: halbstündiges, von Pausen von ca. 5 Minuten
unterbrochenes Gehen auf ebenem Gelände; ausnahmsweise Verrichtungen in der
Hocke; ausnahmsweise Treppensteigen, wenn ein Handlauf zur Verfügung stand;
Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg auf Lendenhöhe über eine Strecke von 20
Metern; Arbeiten mit den oberen Extremitäten und sitzende Tätigkeiten waren,
wenn das rechte Kniegelenk frei gebeugt und gestreckt werden konnte,
uneingeschränkt möglich; nicht mehr möglich waren dauernd kniend oder in der
Hocke auszuführende Arbeiten sowie das Besteigen von Leitern.

2.2.

2.2.1. Die Beschwerdeführerin macht wie schon im vorinstanzlichen Verfahren
geltend, es bestünden zumindest geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und
Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen (vgl. BGE 135
V 465 E. 4.4 S. 470). Ihre Vorbringen sind nicht stichhaltig.

2.2.2. Die Ärzte der Suva nahmen zwar zur zeitlichen Präsenz in einer den
Leiden angepassten Beschäftigung nicht explizit Stellung. Indessen ergibt sich
aus dem Kontext ihrer Gesamtbeurteilung vom 20. April 2015 klar, dass die
Explorandin uneingeschränkt einsetzbar war. Die Vorinstanz hat zutreffend
erkannt, dass sich keine Anhaltspunkte fänden, die Versicherungsmediziner
bezögen sich auf eine Teilzeittätigkeit, namentlich nicht auf das vor dem
Unfall ausgeübte Pensum von 26 Stunden pro Woche. In diesem Zusammenhang hat
sie weiter richtig festgehalten, dass der angestammte Beruf als Reinigungskraft
zahlreiche das Knie belastende Verrichtungen (häufiges Gehen und Stehen;
Arbeiten in der Hocke; Steigen auf Treppen und Leitern) erforderte habe, welche
gemäss Zumutbarkeitsprofil nur noch stark eingeschränkt oder gar nicht mehr
möglich seien. Aus der Beschwerde wird nicht ersichtlich, inwiefern die im
angefochtenen Entscheid beispielhaft als dem Knieleiden angepasste Tätigkeit
als Kassierin im Detailhandel vergleichbare körperliche Belastungen mit sich
bringen soll, wie sie der angestammte Beruf als Reinigungskraft erfordert.
Daher ist wenig nachvollziehbar, die Ärzte der Suva bezögen sich bei der
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf ein Arbeitspensum von 26 oder gar 11
Stunden pro Woche. Unter diesen Umständen erübrigen sich Erläuterungen zur
Frage, ob und inwieweit die Ärzte der Suva die "Leitlinien zur Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit nach Unfall und bei Krankheit" der SIM (Swiss Insurance
Medicine), die im Übrigen lediglich als Empfehlung zu verstehen sind (vgl. BGE
140 V 260 E. 3.2.2 S. 262), verletzten. Daran ändert nichts, dass sie nicht
explizit angaben, in welchem zeitlichen Umfang die Versicherte in einer dem
detailliert formulierten Anforderungsprofil - wie die Vorinstanz weiter
zutreffend festgestellt hat - entsprechende Tätigkeiten auszuüben vermochte.
Damit ist auch auf den im Übrigen nicht näher spezifizierten Einwand, der
Regionale Ärztliche Dienst (RAD) der IV-Stelle habe sich mit den Ärzten der
Suva abgesprochen, nicht einzugehen, zumal hier einzig das
unfallversicherungsrechtliche Verfahren zur Diskussion steht. Abschliessend ist
nicht ersichtlich, inwieweit zusätzliche medizinische Abkärungen Aufschluss
darüber geben könnten, ob die Versicherte eine ihr zumutbare Arbeitstätigkeit
nicht in vollem Rendement leisten könne. Letztlich ist in diesem Zusammenhang
darauf hinzuweisen, dass die Versicherte aktenkundig mehrfach angab, nur noch
in ihrem angestammten Beruf zum aktuell ausgeübten Pensum von 11 Stunden pro
Woche erwerbstätig sein zu wollen, weshalb ihre Vorbringen, in einer anderen,
den geltend gemachten körperlichen Leiden angepassten Arbeitsgelegenheit nicht
vollständig erwerbstätig sein zu können, ohnehin wenig nachvollziehbar sind.

3.

3.1. Bei der Beurteilung des Invaliditätsgrades nach Art. 16 ATSG übersieht die
Beschwerdeführerin insgesamt, wie das kantonale Gericht weiter zutreffend
festgehalten hat, dass die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit allein danach zu
beurteilen ist, wie sich der Gesundheitsschaden auf dem zu unterstellenden
allgemeinen Arbeitsmarkt auswirkt. Nachdem die Beschwerdeführerin
offensichtlich mit dem ausgeübten Pensum von 11 Stunden pro Woche im
angestammten Beruf ihre Arbeitsfähigkeit nicht ausschöpfte, ist nicht
einzusehen, weshalb das tatsächlich erzielte Einkommen in die
Vergleichsrechnung hätte eingesetzt werden sollen, wie sie geltend macht. Im
Übrigen hat das kantonale Gericht zu Recht auf die Rechtsprechung hingewiesen,
wonach bei der Bemessung der Vergleichseinkommen grundsätzlich von einem
Vollzeitpensum auszugehen ist, unabhängig davon, ob die versicherte Person vor
Eintritt des Gesundheitsschadens teilzeitlich erwerbstätig gewesen war (vgl.
auch BGE 119 V 475 E. 2b S. 481 f.; Urteil 8C_965/2010 vom 24. Januar 2011 E.
4.2).

3.2. Insgesamt hat die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung des
Einspracheentscheids das hypothetische Invalideneinkommen anhand der
Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2012 des Bundesamtes für Statistik,
Tabelle TA1, Total, Kompetenzniveau 1 (einfache Tätigkeiten körperlicher oder
handwerklicher Art), Frauen, angepasst an die Nominallohnentwicklung bis ins
Jahr 2015 und an die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit im Jahre 2015
bestimmt (Fr. 52'633.-). Die Beschwerdeführerin macht diesbezüglich einzig
geltend, der vorinstanzlich festgesetzte Abzug gemäss BGE 126 V 75 von 10 % sei
auf 25 % zu erhöhen. Mit den im bundesgerichtlichen Verfahren vorgebrachten
Argumenten hat sich das kantonale Gericht einlässlich und in nicht zu
beanstandender Weise auseinandergesetzt. Eine rechtsfehlerhafte Ausübung des
ihm zustehenden Ermessens ist nicht ersichtlich, weshalb auf den nicht zu
beanstandenden vorinstanzlichen Entscheid verwiesen wird (vgl. BGE 132 V 393 E.
3.3 S. 399).

3.3. Wird das vorinstanzlich ermittelte Invalideneinkommen (Fr. 47'370.-) in
Beziehung gesetzt zum unbestritten gebliebenen Validenlohn (Fr. 47'981.-),
resultiert ein unter dem Schwellenwert von 10 % (vgl. Art. 18 Abs. 1 UVG)
liegender Invaliditätsgrad, weshalb im Zeitpunkt des Einspracheentscheids vom
18. November 2015 kein Anspruch auf eine Invalidenrente bestand.

4. 
Was die geltend gemachte Integritätsentschädigung (vgl. Art. 24 UVG) anbelangt,
mag zutreffen, dass die Vorinstanz zu Unrecht ein unfallbedingtes entzündliches
Geschehen im rechten Kniegelenk verneint hat. Die Beschwerdeführerin übersieht
indessen, dass dieses laut der medizinischen Gesamtbeurteilung der Suva-Ärzte
mit der Einnahme eines verträglichen nicht-steroidalen, und damit - entgegen
ihrer Auffassung - nicht Wirkstoffe wie Morphium oder andere süchtig machende
Stoffe enthaltenden Medikamentes ohne weitere Auswirkungen auf den
Gesundheitszustand therapierbar war. Sie gab selber an, das verabreichte
entzündungshemmende Medikament aus dem Bereiche der NSAR (Nicht Steroidale Anti
Rheumatika) nehme sie bis zu viermal wöchentlich ein, wobei sie sich jeweils
deutlich besser fühle. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, dass
abweichend vom vorinstanzlichen Ergebnis eine Integritätsentschädigung analog
zu einer mässigen Arthrose geschuldet sein sollte.

5. 
Die Beschwerdeführerin hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Februar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Frésard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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