Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.722/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_722/2016        

Urteil vom 28. Juni 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
handelnd durch A.B.________, und diese
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Glarus,
Burgstrasse 6, 8750 Glarus,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Assistenzbeitrag),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus
vom 29. September 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1992 geborene A.A.________ leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung und
bezieht eine ganze Invalidenrente sowie eine Entschädigung für Hilflosigkeit
schweren Grades. Am 8./17. Dezember 2014 meldete er sich zum Bezug eines
Assistenzbeitrags bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Glarus liess
den Hilfebedarf am 17. März 2015 an Ort und Stelle im Haushalt der Eltern des
Versicherten, bei welchen er wohnt, abklären (im Folgenden: Bericht vom 17.
März 2015). Auf Grund der Auskünfte von C.________, Arztpraxis für klassische
Homöopathie, vom 23. März 2015 schätzte die zuständige Abklärungsperson den
Hilfebedarf höher ein als gemäss Bericht vom 17. März 2015. Im weiteren Verlauf
des Verwaltungsverfahrens unterbreitete die IV-Stelle die Unterlagen der
Sozialversicherungsanstalt (SVA) des Kantons Zürich. Gestützt auf deren
Auskünfte setzte sie den Umfang des Hilfebedarfs tiefer fest als gemäss Bericht
vom 17. März 2015 (im Folgenden: Bericht vom 28. Juli 2015). Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren sprach die Verwaltung dem Versicherten ab
1. Dezember 2014 einen Assistenzbeitrag von monatlich Fr. 4'813.85 (jährlich
maximal Fr. 52'952.35) zu.

B. 
Hiegegen liess A.A.________ Beschwerde einreichen. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Glarus holte das Gutachten des Prof. Dr. D.________, Hochschule
E.________, vom 31. Mai 2016 ein. In teilweiser Gutheissung des eingelegten
Rechtsmittels änderte es die Verfügung vom 17. November 2015 mit Entscheid vom
29. September 2016 dahingehend ab, als es dem Versicherten einen
Assistenzbeitrag von Fr. 7'756.90 pro Monat bzw. von maximal Fr. 85'325.90 pro
Jahr zusprach.

C. 
A.A.________ lässt Beschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des
Entscheids der Vorinstanz sei die Sache im Sinne der Erwägungen an sie
zurückzuweisen; ferner wird um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für
das bundesgerichtliche Verfahren ersucht.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen in
ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Anspruch des
Beschwerdeführers auf einen Assistenzbeitrag bundesrechtskonform ermittelt hat.

2.2.

2.2.1. Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben Versicherte, denen eine
Hilflosenentschädigung der IV nach Artikel 42 Absätze 1-4 ausgerichtet wird,
die zu Hause leben und volljährig sind (Art. 42 ^quater Abs. 1 IVG). Ein
Assistenzbeitrag wird gewährt für Hilfeleistungen, die von der versicherten
Person benötigt und regelmässig von einer natürlichen Person (Assistenzperson)
unter bestimmten Voraussetzungen erbracht werden (Art. 42 ^quinquies IVG).

Grundlage für die Berechnung des Assistenzbeitrags ist die für die
Hilfeleistungen benötigte Zeit. Davon abgezogen wird die Zeit, die folgenden
Leistungen entspricht: (a) der Hilflosenentschädigung nach den Artikeln 42-42 
^ter; (b) den Beiträgen für Dienstleistungen Dritter anstelle eines
Hilfsmittels nach Artikel 21 ^ter Absatz 2; (c) dem für die Grundpflege
ausgerichteten Beitrag der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an
Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG (Art. 42 ^sexies Abs. 1 IVG). Der
Bundesrat legt u.a. die Bereiche und die minimale und maximale Anzahl Stunden
fest, für die ein Assistenzbeitrag ausgerichtet wird, sowie die Pauschalen für
Hilfeleistungen pro Zeiteinheit im Rahmen des Assistenzbeitrags (Art. 42 ^
sexies Abs. 4 lit. a und b IVG).

2.2.2. Nach Art. 39c IVV kann u. a. in den folgenden Bereichen Hilfebedarf
anerkannt werden: (a) alltägliche Lebensverrichtungen; (b) Haushaltsführung;
(c) gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung; (e) Ausübung einer
gemeinnützigen oder ehrenamtlichen Tätigkeit; (g) Ausübung einer
Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt; (h) Überwachung während des
Tages; (i) Nachtdienst. Dabei gelten für Hilfeleistungen in den Bereichen nach
Artikel 39c Buchstaben a-c pro alltägliche Lebensverrichtung, die bei der
Festsetzung der Hilflosenentschädigung festgehalten wurde, folgende monatliche
Höchstansätze: 1. bei leichter Hilflosigkeit: 20 Stunden, 2. bei mittlerer
Hilflosigkeit: 30 Stunden, 3. bei schwerer Hilflosigkeit: 40 Stunden (Art. 39e
Abs. 2 lit. a IVV). Die Hilfeleistungen in den Bereichen nach Art. 39c
Buchstaben d-g sind auf insgesamt 60 Stunden und die Überwachung nach Buchstabe
h auf 120 Stunden limitiert (Art. 39e Abs. 2 lit. c IVV).

Der Assistenzbeitrag beträgt in der Regel Fr. 32.80 resp. 32.90 pro Stunde
(Art. 39f Abs. 1 IVV in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 resp. seit
1. Januar 2015 geltenden Fassung). Muss die Assistenzperson für die benötigten
Hilfeleistungen in den Bereichen nach Art. 39c Buchstaben e-g über besondere
Qualifikation verfügen, so beträgt der Assistenzbeitrag Fr. 49.15 resp. 49.40
pro Stunde (Art. 39f Abs. 2 in der bis 31. Dezember 2014 resp. seit 1. Januar
2015 geltenden Fassung).

Die IV-Stelle legt den Assistenzbeitrag für den Nachtdienst nach Intensität der
zu erbringenden Hilfeleistung fest. Er beträgt höchstens Fr. 87.40 resp. 87.80
pro Nacht (Art. 39f Abs. 3 IVV in der bis 31. Dezember 2014 resp. seit 1.
Januar 2015 geltenden Fassung).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat zunächst festgestellt, die IV-Stelle habe zur Bemessung
des Assistenzbeitrags das vom BSV entwickelte standardisierte
Abklärungsinstrument FAKT2 zu Recht benutzt. Dieses sei im vorliegenden Fall
anzuwenden, da den individuellen Gegebenheiten durch die Wahl der zutreffenden
Stufe und durch die allfällige Berücksichtigung von Zusatz- oder Minderaufwand
Rechnung getragen werden könne (mit Hinweis auf BGE 140 V 543 E. 3.2.2.3 S. 548
f.). Dieses Vorgehen beanstandet der Beschwerdeführer nicht.

3.2.

3.2.1. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, die Auffassung der IV-Stelle, in
Zusammenarbeit mit der SVA des Kantons Zürich habe eine solide Basis für eine
einheitliche Einstufung von Autisten geschaffen werden können, überzeuge nicht.
Gemäss Gutachten des Prof. Dr. D.________ würden bei
Autismus-Spektrum-Störungen drei Schweregrade unterschieden (von Unterstützung
erforderlich bis sehr umfangreiche Unterstützung erforderlich), weshalb der
Hilfebedarf nicht unbesehen des konkreten Einzelfalles einheitlich festgelegt
werden dürfe. Aus diesem Grunde habe sie den Hilfebedarf nicht allein anhand
des letzten Abklärungsberichts der IV-Stelle ermitteln können, weshalb dazu bei
Prof. Dr. D.________ eine Expertise eingeholt worden sei.

3.2.2.

3.2.2.1. Der Beschwerdeführer beanstandet dieses Vorgehen an sich nicht. Er
macht aber geltend, das kantonale Gericht habe zur Beurteilung des Hilfebedarfs
in Verletzung von Bundesrecht nicht in allen Teilen auf die beweiskräftigen
Auskünfte des gerichtlich beigezogenen Gutachters abgestellt, der sämtliche
gemäss Art. 39c IVV zu prüfende Bereiche in die Stufe 4 des anzuwendenden
standardisierten Abklärungsinstruments FAKT2 eingeteilt habe. Dabei beruft er
sich im Wesentlichen auf BGE 125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f., wonach der Richter
bei Gerichtsgutachten nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung des
medizinischen Experten abweicht.

3.2.2.2. Der Richter weicht bei Gerichtsgutachten nach der Praxis nicht ohne
zwingende Gründe von der Einschätzung des Experten ab, dessen Aufgabe es ist,
seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen
bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen. Ein Grund zum Abweichen kann
vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich ist oder wenn ein vom
Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu andern
Schlussfolgerungen gelangt. Abweichende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt
sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter
als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Gerichtsgutachtens in Frage
zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch einen Oberexperten für
angezeigt hält, sei es, dass er ohne Oberexpertise vom Ergebnis des
Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 351 E. 3b/aa
mit Hinweis auf BGE 118 V 286 E. 1b S. 290 und 112 V 30 E. 1a S 32 f. mit
Hinweisen; vgl. ferner BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.).

Fest steht, dass der Beschwerdeführer an einer Autismus-Spektrum-Störung
leidet. Es sind denn auch nicht die medizinischen Befunde, die im vorliegenden
Fall umstritten sind. In Frage steht vielmehr der Hilfebedarf des
Beschwerdeführers in den verschiedenen Bereichen, wozu das kantonale Gericht
ein Gutachten des Prof. Dr. D.________ veranlasste. Dennoch rechtfertigt es
sich, bei der Beurteilung dieses Gutachtens eines Sachverständigen im Bereich
Heil- und Sonderpädagogik (Schwerpunkt Autismus) sinngemäss auf die eingangs
genannten Kriterien, wie auch diejenigen zum Beweiswert von medizinischen
Berichten (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) bzw. von Abklärungsberichten (vgl.
BGE 130 V 61), abzustellen.

Dabei fällt auf, dass die Vorinstanz verschiedene Divergenzen zwischen den
Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Rahmen der Selbstdeklaration
zuhanden der IV-Stelle und den unter deren Mitwirkung getroffenen
Feststellungen des Sachverständigen erhoben hat. Diese unterschiedlichen
Angaben sind im Rahmen des Gutachtens unerörtert geblieben, was im Rahmen der
freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) zu berücksichtigen ist und dessen
Beweiswert in den betreffenden Punkten relativiert. Dementsprechend ist die
Vorinstanz in Würdigung dieser Sachlage schliesslich aufgrund der Angaben der
Mutter in einzelnen Teilbereichen vom Gutachten abgewichen. Dieses Vorgehen
lässt sich aus bundesrechtlicher Sicht nicht beanstanden, hat doch die
Vorinstanz in diesem Zusammenhang weder den Sachverhalt offensichtlich
unrichtig festgestellt noch beweisrechtliche Vorgaben verletzt. Vielmehr hat
sie im Einzelnen nachvollziehbar begründet, weshalb sie in Teilbereichen die
Ausführungen des Gutachters aufgrund der sehr detaillierten, differenzierten
und einlässlichen Schilderungen der Mutter, die mit dem Beschwerdeführer
zusammenlebt, nicht als schlüssig erachtete und gestützt darauf eine andere
Einstufung vornahm. Dabei ist insbesondere mit Blick auf den Anhang des
Kreisschreibens über den Assistenzbeitrag (KSAB) des BSV (Tabelle Bandbreiten
nach Stufen und Bereichen) nicht ersichtlich, weshalb ihr letzteres nicht
möglich gewesen wäre. Zwar fällt auf, dass die Vorinstanz hinsichtlich der
festgestellten Divergenzen nicht zunächst Rücksprache mit dem Sachverständigen
nahm, was hier umso näher gelegen hätte, als sie diesen selbst eingesetzt
hatte. Da aber seitens des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht wird, dass
sich der Sachverhalt gegenüber den von der Mutter gemachten Angaben wesentlich
verändert hätte oder der Beizug einer medizinischen Fachperson geboten gewesen
wäre, erübrigen sich Weiterungen in diesem Zusammenhang. Dies gilt umso mehr,
als in der Beschwerde auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den
vorinstanzlichen Folgerungen nicht stattfindet. Da für die Vorinstanz somit
kein Anlass bestand, nicht auf die Angaben der Mutter des Beschwerdeführers
abzustellen, durfte sie entgegen den Ausführungen in der Beschwerde von der
Befragung des Beschwerdeführers oder der Durchführung eines Augenscheins
absehen.

4.

4.1. Die Vorinstanz hat für die Bereiche gemäss Art. 39c lit. a-c IVV (vgl. E.
2.2.2 Abs. 1 hievor) einen Hilfebedarf von 182.91 Stunden ermittelt. Sie hat
insbesondere gestützt auf die ausführlichen schriftlichen Auskünfte der Mutter
des Versicherten zur Anmeldung zum Bezug eines Assistenzbeitrags im Einzelnen
schlüssig dargelegt, weshalb von den Angaben der gerichtlich eingeholten
Expertise des Prof. Dr. D.________, der den Hilfebedarf sämtlicher erwähnten
Bereiche in die Stufe 4 von FAKT2 einteilte, abzuweichen sei. Der
Beschwerdeführer legt im Kontext nicht dar, inwiefern die Vorinstanz den
Sachverhalt in Verletzung des Willkürverbots festgestellt hat. Vielmehr beruft
er sich selber auf die Auskünfte der Mutter, ohne dass er begründete, inwieweit
das kantonale Gericht diese offensichtlich unrichtig aufgefasst haben soll.
Daher kann auf die nicht zu beanstandenden vorinstanzlichen Erwägungen
verwiesen werden.

4.2.

4.2.1. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, entgegen der Auffassung des
Versicherten handle es sich bei der zweimal wöchentlich ausgeführten Arbeiten
auf dem Bauernhof um keine gemeinnützige Tätigkeit im Sinne von Art. 39c lit. e
IVV, diene der Einsatz doch einzig dem Landwirt und ihm selbst. Das Verpacken
von Schreiben im Dienste der F.________ führe ebenfalls nicht zu einem
anzuerkennenden Hilfebedarf, da es an der erforderlichen Regelmässigkeit fehle.
Sodann sei auch die Ausübung einer Arbeitstätigkeit auf dem regulären
Arbeitsmarkt (Art. 39c lit. g IVV) zu verneinen. Der Versicherte beziehe eine
ganze Rente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 %. Daher könne die
Beschäftigung im Unternehmen seines Vaters im Umfang von 10.5 Stunden pro Woche
nicht berücksichtigt werden.

4.2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Mitarbeit auf dem Bauernhof
erfolge unentgeltlich, weshalb sie mit einer gemeinnützigen und ehrenamtlichen
Tätigkeit vergleichbar sei. Die Besuche auf dem Bauernhof hätten auch einen
therapeutischen Aspekt, der die Annahme einer versicherten Assistenzleistung
nicht ausschliesse. Dem rechtskräftig festgestellten Invaliditätsgrad von 100 %
könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass die notwendige aktive Hilfe
einer Assistenzperson nicht als versicherter Bedarf berücksichtigt werden
dürfe. Hinzu komme, dass der Versicherte beim Vater einen Lohn erziele, weshalb
die Verwaltung die Rentenverfügung hätte revidieren und den Invaliditätsgrad
den tatsächlichen Verhältnissen anpassen müssen.

4.2.3. Den Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht beigepflichtet werden.
Die Vorinstanz hat zutreffend unter Hinweis auf KSAB Rz. 4037 ff. dargelegt,
was aus rechtlicher Sicht unter einer gemeinnützigen oder ehrenamtlichen
Tätigkeit im Sinne von Art. 39c lit. e IVV zu verstehen ist. Unter anderem muss
zumindest nachgewiesen sein, dass sie auch der Öffentlichkeit dient. Diese
Voraussetzung liegt hier unstreitig nicht vor. Was die Beschäftigung im Betrieb
des Vaters anbelangt, erzielt der Beschwerdeführer zwar einen Lohn. Indessen
ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Verwaltung die Rentenverfügung hätte
revidieren sollen. Gemäss Art. 25 Abs. 1 lit. b IVV gelten Lohnbestandteile,
für die der Arbeitnehmer nachgewiesenermassen wegen beschränkter
Arbeitsfähigkeit keine Gegenleistung erbringen kann, nicht als mutmassliches
Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 16 ATSG (vgl. auch die Zusammenstellung der
Praxis zum Soziallohn in: MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung des Bundesgerichts
zum IVG, Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 28a N 20 ff.). Unter diesen Umständen hat
das kantonale Gericht zu Recht festgehalten, dass, nachdem in den Bereichen von
Art. 39c lit. e und g IVV kein Hilfebedarf anzuerkennen sei, der vom
Versicherten geltend gemachte höhere Stundenansatz gemäss Art. 39f Abs. 2 IVV
der Berechnung des Assistenzbeitrags nicht zugrunde gelegt werden könne.

4.3.

4.3.1. Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zum Begriff "Überwachung während
des Tages" (Art. 39c lit. h) zutreffend dargelegt (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.3 S.
548; SVR 2015 IV Nr. 30 S. 92, 9C_598/2014 E. 5.2.1 mit Hinweisen). Darauf wird
verwiesen. Zu wiederholen ist einzig, dass für die Annahme eines Hilfebedarfs
im zu prüfenden Bereich unter anderem notwendig ist, dass er sich nicht bloss
in reiner Präsenz einer Assistenzperson erschöpft, sondern mit deren aktiven
Handlungen verbunden sein muss (vgl. KSAB Rz. 4067).

4.3.2. Frei überprüfbare Rechtsfrage ist die Auslegung und Anwendung des
Rechtsbegriffs der "dauernden persönlichen Überwachung" resp. der "Überwachung
während des Tages", das heisst, welche Tatbestandselemente erfüllt sein müssen,
damit eine Überwachungsbedürftigkeit zu bejahen ist. Tatfrage ist hingegen, ob
sich ein Sachverhalt verwirklicht hat, der unter diese Tatbestandselemente
fällt (SVR 2015 IV Nr. 30 S. 92, 9C_598/2014 E. 5.2.2 mit Hinweisen).

4.3.3. Streitig und zu prüfen ist im Kontext, ob der Hilfebedarf gestützt auf
die Stufe 3 statt 4 des standardisierten Abklärungsinstruments FAKT2 zu
ermitteln sei (vgl. KSAB Rz. 4013 f.).

4.3.3.1. Das kantonale Gericht hat festgehalten, im FAKT2 seien unter der Stufe
4 folgende Vergleichstatbestände hinterlegt: "Die versicherte Person kann
keinen Moment alleine gelassen werden, d.h. es ist permanent die Anwesenheit
einer Drittperson im selben Raum erforderlich, da eine überdurchschnittlich
hohe Aufmerksamkeit und ständige Interventionsbereitschaft notwendig ist. Die
versicherte Person kann nie alleine im Zimmer gelassen werden."

Hiezu hat es erwogen, die Mutter des Versicherten habe in ihrer schriftlichen
Stellungnahme beispielsweise ausgeführt, er erledige bei der Wohnungspflege
manchmal auch kleinere Arbeiten und er dusche weitgehend allein, sie müsse aber
immer in Hörweite sein; er gehe allein zum Metzger ins Dorf und bewältige
kleinere Strecken allein mit dem Fahrrad. Es sei offensichtlich nicht
erforderlich, dass jemand permanent im selben Raum mit dem Versicherten
anwesend sein müsse, andernfalls nicht einzusehen sei, dass er beispielsweise
selber beim Metzger einkaufen gehen könne. Daraus hat das kantonale Gericht
geschlossen, der Bedarf an persönlicher Überwachung sei geringer als in den
genannten Vergleichstatbeständen. Namentlich sei nicht erforderlich, dass
jemand permanent im selben Raum sein müsse.

Weiter hat die Vorinstanz erwogen, im FAKT2 seien unter der Stufe 3 unter
anderem folgende Vergleichstatbestände hinterlegt: "Die versicherte Person kann
nicht verbal kommunizieren und gerät bereits bei verhältnismässig geringen
Anlässen in grossen Stress/Angst/Panik (z.B. schreit er dann laut); es muss
daher viertelstündlich nachgesehen und gegebenenfalls beruhigt werden; eine
permanente Anwesenheit von Drittpersonen im selben Zimmer ist jedoch nicht
erforderlich." "Die versicherte Person hat gelegentlich Absenzen und es besteht
die Gefahr von Fehlhandlungen; sie kann nicht um Hilfe rufen; der Umgang mit
fremden Personen muss immer überwacht/ angeleitet werden, sie kann aber kurz
alleine im Zimmer gelassen werden."

Unter Berücksichtigung der zitierten Aussagen der Mutter hat das kantonale
Gericht erkannt, beim Versicherten sei von einer ähnlichen Situation
auszugehen, wie sie in den Vergleichstatbeständen der Stufe 3 von FAKT2
beschrieben würden. Dies begründe einen anzuerkennenden Hilfebedarf von 120
Minuten pro Tag bzw. von 60 Stunden pro Monat (mit Hinweis auf Art. 39e Abs. 2
lit. c IVV, der im Bereich Überwachung während des Tages von 30 Tagen pro Monat
ausgehe).

4.3.3.2. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag keine
rechtsfehlerhafte Tatsachenfeststellung zu begründen. Er legt im Wesentlichen
gestützt auf die im Gutachten des Prof. Dr. D.________ vom 31. Mai 2016
einlässlich zitierte medizinische Literatur dar, dass er an einer
Autismus-Spektrum-Störung des höchsten Schweregrades 3 leide. Daher sei der
Hilfebedarf aufgrund der Stufe 4 von FAKT2 festzulegen. Bei der Prüfung des
Hilfebedarfs sind die konkreten Auswirkungen der ärztlichen Befunde, nicht aber
die dazu gestellten medizinischen Diagnosen massgeblich (vgl. dazu auch SVR
2015 IV Nr. 30 S. 92, 9C_598/2014 E. 5.2.6 Abs. 3). Der Beschwerdeführer
übersieht, dass die diagnostische Einteilung in Schweregrade in erster Linie
der Beurteilung der Frage dient, wie die aus ärztlicher Sicht kranke Person
therapiert werden soll. Im Übrigen ist nicht einzusehen, inwiefern aus dem
zitierten Urteil 9C_825/2014 vom 23. Juni 2015 E. 4.1.1 für den vorliegenden
Fall hergeleitet werden könnte, der Hilfebedarf des Beschwerdeführers sei im
Bereich der Überwachung in die Stufe 4 von FAKT2 einzuteilen. Der im
letztinstanzlichen Verfahren erstmals vorgebrachte Einwand des
Beschwerdeführers, er habe einmal versucht, selbstständig ein Ladengeschäft
aufzusuchen, welches Experiment gescheitert sei, widerspricht den Angaben der
Mutter in den erwähnten schriftlichen Auskünften.

4.4. Als Zwischenergebnis hat das kantonale Gericht festgehalten, in den
Bereichen gemäss Art. 39c lit. a-c und lit. h IVV bestehe ein Hilfebedarf von
total 242.91 Stunden monatlich, wovon die Hilflosenentschädigung im Umfang von
57.07 Stunden (Fr. 1'872.-./. Fr. 32.80) abzuziehen sei (185.84 Stunden), was
multipliziert mit dem anzuwendenden Stundenansatz von Fr. 32.80 zu einem
Assistenzbeitrag von Fr. 6'095.55 führe.

4.5.

4.5.1. Schliesslich hat die Vorinstanz erwogen, die Voraussetzungen, den
Hilfebedarf im Bereich Nachtdienst (Art. 39c lit. i) gestützt auf die Stufe 4
von FAKT2 festzulegen (mindestens zwei Stunden pro Nacht), seien nicht erfüllt.
Auszugehen sei von der Stufe 3, was auch den Vergleichstatbeständen gemäss
FAKT2 "es ist mindestens ein Toilettengang jede Nacht notwendig, bei welchem
die versicherte Person auf Hilfe angewiesen ist" und "die versicherte Person
wacht jede Nacht auf und muss beruhigt oder wieder ins Bett gebracht werden
(Zeitaufwand weniger als 96 Minuten) " entspreche. Damit komme der Ansatz von
Fr. 54.65 pro Tag bzw. von Fr. 1'661.35 monatlich zum Tragen.

4.5.2. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer räumt
explizit ein, er wache lediglich ein bis zwei Mal pro Nacht auf. Gemäss den
erwähnten schriftlichen Auskünften der Mutter wache der Versicherte sogar nur
zwei bis drei Mal pro Woche auf, um auf die Toilette zu gehen. Manchmal bleibe
er auf dem WC stecken oder gehe ins Bett zurück und lasse das Licht brennen.
Eins von den Eltern lasse immer die Türe offen, um dem Versicherten bei Bedarf
zu helfen. Damit ist die geltend gemachte persönliche und dauerhafte
Überwachung während der Nacht durch eine Assistenzperson nicht belegt und der
von der Vorinstanz berücksichtigte Hilfebedarf gestützt 1-13auf die Stufe 3 von
FAKT2 ist nicht zu beanstanden.

4.6. Zusammenfassend ergibt sich, wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, ein
monatlicher Assistenzbeitrag von Fr. 7'756.90 (Fr. 6'095.55 + Fr. 1'661.35).
Nachdem die Voraussetzungen von Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV vorliegen, beträgt
der jährliche Höchstbetrag Fr. 85'325.90 (11 x Fr. 7'756.90). Das Dispositiv
des angefochtenen Entscheids ist daher zu bestätigen, weshalb die Beschwerde
abzuweisen ist.

5. 
Dem Gesuch des unterliegenden Beschwerdeführers um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist
stattzugeben, da die Bedürftigkeit aktenkundig, die Beschwerde nicht als
aussichtslos zu bezeichnen und die Verbeiständung durch einen Anwalt notwendig
ist (Art. 64 Abs. 1 - 3 BGG). Er wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG
hingewiesen; danach hat er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er
später dazu in der Lage ist.

1-13

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. Juni 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Grunder

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