Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.718/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_718/2016        

Urteil vom 21. August 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Bernadette Zürcher,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
22. September 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1960 geborene A.________ war zuletzt als Chauffeur bei der B.________ AG
tätig. Im Dezember 1995 meldete er sich nach einem Selbstunfall mit dem LKW bei
der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 11. und
18. Februar 1998 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Aargau rückwirkend ab 1.
Februar 1996 eine ganze Invalidenrente zu. Diese wurde in den folgenden Jahren
bei revisionsweisen Überprüfungen jeweils bestätigt. Als zuständiger
Berufsvorsorgeversicherer liess die Basler Versicherungen AG A.________
observieren und stellte die Ergebnisse am 23. Februar 2012 der IV-Stelle zur
Verfügung. Nach einer gemeinsamen Besprechung mit dem Versicherten und einer
Untersuchung durch Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie, Regionaler Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle (Bericht vom
18. April 2012), sistierte die IV-Stelle die Invalidenrente mit Verfügung vom
7. Mai 2012. Überdies reichte sie Strafanzeige gegen A.________ ein.
Entsprechend ihrem Vorbescheid vom 11. Juli 2012 hob die IV-Stelle mit
Verfügung vom 27. August 2012 die Invalidenrente rückwirkend per 1. Februar
1996 mittels prozessualer Revision auf. Ausgerichtete Rentenleistungen forderte
sie ab Mai 2005 im Umfang von Fr. 122'463.- zurück (Verfügung vom 10. September
2012).

B. 
A.________ erhob gegen die Verfügungen vom 27. August und 10. September 2012 je
Beschwerde. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau vereinigte die
Verfahren. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde gegen die Verfügung vom 10.
September 2012 änderte es diese in dem Sinn ab, dass es die Rückforderung der
Rentenleistungen ab 12. Juli 2005 bestätigte. Bezüglich der Renteneinstellung
vor dem 23. September 2003 sowie der Rückforderung der vor dem 12. Juli 2005
bezogenen Invalidenrente hob es die Verfügungen vom 27. August sowie 10.
September 2012 auf und wies die Sache zur allfälligen Neuverfügung an die
IV-Stelle zurück (Entscheid vom 22. September 2016).

C. 
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm
weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, eventualiter sei die
Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D. 
Das Bundesgericht sistierte das Beschwerdeverfahren aufgrund des hängigen
Strafverfahrens betreffend gewerbsmässigen Betrug (Verfügung vom 1. Februar
2017).

Erwägungen:

1. 
Die Sistierung des Verfahrens gemäss Verfügung vom 1. Februar 2017 kann
aufgehoben werden, nachdem das Bezirksgericht Baden über das Strafverfahren
betreffend gewerbsmässigen Betrug befunden hat. Es sprach den Versicherten des
gewerbsmässigen Betrugs nach Art. 146 Abs. 2 StGB schuldig und verurteilte ihn
zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren (Urteil vom 26. April 2017).

2.

2.1. Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und
Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person
oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen
entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich
war. Tritt nach dem Erlass einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung eine
anspruchsrelevante Änderung des Sachverhalts ein (nachträgliche tatsächliche
Unrichtigkeit), hat gegebenenfalls eine Anpassung im Rahmen einer
Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG stattzufinden. Falls die Verfügung auf
einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruht (anfängliche rechtliche
Unrichtigkeit), ist ein Rückkommen unter dem Titel der Wiedererwägung (Art. 53
Abs. 2 ATSG) zu prüfen.

2.2. Nach Art. 67 Abs. 1 VwVG ist das Revisionsbegehren im Sinne von Art. 53
Abs. 1 ATSG der Beschwerdeinstanz innert 90 Tagen nach Entdeckung des
Revisionsgrundes, spätestens aber innert 10 Jahren nach Eröffnung des
Beschwerdeentscheides schriftlich einzureichen. Nach Ablauf von zehn Jahren
seit Eröffnung des Entscheides ist gemäss Art. 67 Abs. 2 VwVG ein
Revisionsbegehren nur aus dem Grunde von Art. 66 Abs. 1 VwVG zulässig.
Letzterer Absatz regelt die Revision eines Entscheides, welcher durch ein
Verbrechen oder ein Vergehen beeinflusst wurde. Gemäss Rechtsprechung des
Bundesgerichts ist diese zehnjährige Frist auf die prozessuale Revision im
Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG anwendbar (vgl. Urteile 8C_434/2011 vom 8.
Dezember 2011 E. 3 und 8C_302/2010 vom 25. August 2010 E. 4 mit weiteren
Hinweisen).

2.3. Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG bestimmt, dass der Rückforderungsanspruch
mit dem Ablauf eines Jahres erlischt, nachdem die Versicherungseinrichtung
davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren
nach der Entrichtung der einzelnen Leistung. Wird der Rückerstattungsanspruch
aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine
längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend (zweiter Satz
der angeführten Gesetzesbestimmung). Bei den genannten Fristen handelt es sich
um Verwirkungsfristen (BGE 138 V 74 E. 4.1 S. 77).
Liegt bereits ein verurteilendes oder freisprechendes Strafurteil vor, so ist
die über den Rückforderungsanspruch befindende Behörde daran gebunden. Dasselbe
gilt für eine Einstellungsverfügung der zuständigen strafrechtlichen
Untersuchungsbehörden, wenn sie die gleiche definitive Wirkung wie ein
freisprechendes Urteil hat. Fehlt es indessen an einem Strafurteil, haben die
Verwaltung und gegebenenfalls das Sozialversicherungsgericht vorfrageweise
selber darüber zu befinden, ob sich die Rückforderung aus einer strafbaren
Handlung herleite und der Täter dafür strafbar wäre. Dabei gelten die gleichen
beweisrechtlichen Anforderungen wie im Strafverfahren, so dass der sonst im
Sozialversicherungsrecht geltende Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht. Auf jeden Fall hat die Behörde, die sich
auf die strafrechtliche Verjährungsfrist beruft, Aktenmaterial zu produzieren,
welches das strafbare Verhalten hinreichend ausweist. Erforderlich ist, dass
eine objektiv strafbare Handlung vorliegt und dass die auf Rückerstattung
belangte Person die strafbare Handlung begangen hat und die subjektiven
Strafbarkeitsvoraussetzungen erfüllt (BGE 138 V 74 E. 6.1 S. 80 mit Hinweisen).

3.

3.1. Die Vorinstanz erwog zur rückwirkenden Einstellung der Rentenleistungen,
die zehnjährige Frist zur Revision der Verfügungen von 11. Februar und 18.
Februar 1998 sei bei der verfügungsweisen Einstellung der Rente am 27. August
2012 bereits abgelaufen gewesen. Da bei Abschluss des vorinstanzlichen
Sozialversicherungsverfahrens die zuständige Staatsanwaltschaft im
eingeleiteten Strafverfahren noch keine Anklage erhoben hatte, liess es das
kantonale Gericht offen, ob die rentenzusprechenden Verfügungen vom 11. und 18.
Februar 1998 mit dem Rückkommenstitel der prozessualen Revision wegen
Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen auch nach Ablauf der zehnjährigen
Frist aufgehoben werden können. Es schützte aber im Grundsatz die Aufhebung der
Invalidenrente mittels substituierter Begründung der Wiedererwägung. Der
damalige Sachverhalt sei in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
unvollständig abgeklärt und der Invaliditätsgrad gestützt auf die ärztliche
Arbeitsfähigkeitsschätzung anstatt auf die Erwerbsfähigkeit im Sinne eines
Einkommensvergleichs ermittelt worden, weshalb ein Wiedererwägungsgrund
vorliege.

3.2. Hinsichtlich der Rechtmässigkeit der Rückforderung gelangte das kantonale
Gericht zum Schluss, der Versicherte habe die Rentenleistungen unrechtmässig
durch unwahre Angaben erwirkt. Der Tatbestand von Art. 87 Abs. 1 AHVG sei
gestützt auf die Aktenlage ab dem Jahr 2003 erfüllt, nachdem der
Beschwerdeführer dannzumal beobachtet worden sei, wie er ein Fahrzeug gelenkt
und im Widerspruch dazu anlässlich der Begutachtung der MEDAS im Jahr 2004
mehrfach angegeben habe, er fahre seit seinem Unfall im Jahr 1995 nicht mehr
Auto. Auch habe er im Rahmen der Überprüfung des Anspruchs auf
Hilflosenentschädigung falsche Angaben über seine benötigte Hilfe beim An- und
Auskleiden sowie bei der Körperpflege getätigt. Mit der Fähigkeit ein Fahrzeug
zu lenken passe zudem das vom Hausarzt anlässlich einer Kontrolle im September
2003 beschriebene Bild eines völlig apathischen Patienten mit vollständiger
Desorientiertheit nicht überein (Bericht vom 15. Dezember 2003). Es müsse davon
ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auch dem Hausarzt etwas
vorgespielt habe. Ab diesem Zeitpunkt sei erstellt, dass er durch unwahre
Angaben bzw. durch sein Verhalten Leistungen erwirkt habe, die ihm nicht
zugestanden seien. Eine Rückforderung für durch falsche Angaben erwirkte
Leistungen sei daher in Anwendung einer strafrechtlichen Verjährungsfrist von
sieben Jahren (aArt. 97 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 389 StGB) durch
Unterbrechung der Verjährung mit Erlass des Vorbescheids am 11. Juli 2012 ab
12. Juli 2005 zulässig. Für die Prüfung einer weitergehenden
Leistungseinstellung und Rückforderung unter dem Titel des Betrugs nach Art.
146 StGB wies es die Angelegenheit an die IV-Stelle zurück.

3.3. Der Beschwerdeführer wendet hiergegen ein, die ursprünglichen
rentenzusprechenden Verfügungen vom 11. bzw. 18. Februar 1998 seien aufgrund
der damals gegebenen medizinischen Aktenlage nicht zweifellos unrichtig
gewesen, weshalb eine Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 ATSG ausser Betracht
falle. Der gegenteilige vorinstanzliche Schluss sei bundesrechtswidrig. Ferner
komme es einer nach Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK unzulässigen
Vorverurteilung gleich, wenn die Vorinstanz ohne abgeschlossenes Strafverfahren
eine strafbare Handlung bejahe.

4. 

4.1. Ob die damalige Leistungszusprache zweifellos unrichtig im Sinne von Art.
53 Abs. 2 ATSG gewesen war, wie von der Vorinstanz angenommen, ist zumindest
fraglich, kann jedoch letztlich offen gelassen werden. Denn zu Recht stützte
sich die Verwaltung in ihrer Verfügung vom 27. August 2012 für die rückwirkende
Aufhebung der ganzen Invalidenrente per 1. Februar 1996 auf den
Rückkommenstitel der prozessualen Revision (Art. 53 Abs. 1 ATSG). Dabei durfte
sie die Erkenntnisse des mit Schreiben vom 28. Februar 2012 der IV-Stelle zur
Verfügung gestellten Observationsmaterials in Verbindung mit den diese
bestätigenden medizinischen Schlussfolgerungen der psychiatrischen Untersuchung
des RAD-Arztes Dr. med. C.________ vom 18. April 2012, als erhebliche neue
Tatsachen im Sinne der Bestimmung (vgl. dazu etwa Urteil 8C_349/2014 vom 18.
August 2014 E. 3) werten (zu den Voraussetzungen der Verwertbarkeit der
Überwachungsergebnisse und den daraus gezogenen medizinischen Schlüssen:
Urteile 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017, zur Publikation vorgesehen und 8C_735/
2016 vom 27. Juli 2017 E. 5.3.6).

4.2. Dass mit den Ergebnissen der Observation und deren medizinischen
Einordnung durch den RAD neue erhebliche Tatsachen vorlagen, die eine
revisionsweise rückwirkende Rentenaufhebung rechtfertigen, zeigt sich auch
durch die Beurteilung und Würdigung dieser Beweise im Strafurteil vom 26. April
2017. Im Ergebnis gelangte das Bezirksgericht zur Überzeugung, dass der
Beschwerdeführer höchstens während weniger Monate nach dem Unfall
arbeitsunfähig gewesen war und er die zur Rentenzusprache führenden
gesundheitlichen Beschwerden lediglich vorgespielt hatte. Es bezeichnete dabei
die Simulation gestützt auf die Observationsberichte als eindeutig.

4.3. Vor diesem Hintergrund ist die vorinstanzliche Feststellung, dass die
Rentenleistungen zumindest ab dem Jahr 2003 durch unwahre Angaben und
Vorspiegelung falscher Tatsachen sowohl gegenüber der Verwaltung als auch
gegenüber den untersuchenden und behandelnden Ärzten erwirkt wurden, weder
offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig, was auch nicht
geltend gemacht wird. Aufgrund der medizinischen und strafrechtlichen
Abklärungen kann vorliegend als erwiesen gelten, dass der Versicherte
Krankheitssymptome vortäuschte, um Versicherungsleistungen auszulösen. Er
vermag nichts vorzubringen, was die Feststellungen des kantonalen Gerichts zum
nicht auflösbaren Widerspruch zwischen den aktenkundigen Aktivitäten und den
gegenüber den Ärzten und der Verwaltung gemachten Angaben als
bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Soweit er die Rechtsprechung nach BGE 133
V 108 E. 5, die sich auf den zeitlichen Referenzpunkt bei einer materiellen
Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG bezieht, auf die prozessuale Revision nach
Art. 53 Abs. 1 ATSG angewendet haben will, geht dies fehl. Unbehelflich sind in
der vorliegenden Konstellation die Einwendungen zur wiedererwägungsweisen
Aufhebung der Rente nach Art. 53 Abs. 2 ATSG. Damit liegt gestützt auf die
vorinstanzlichen Feststellungen zumindest ein Vergehen nach Art. 70 IVG in
Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 AHVG vor, das die Revision der Rentenverfügungen
auch nach Ablauf von 10 Jahren ermöglicht (Art. 66 Abs. 1 VwVG). Die
rückwirkende Renteneinstellung ist daher rechtens. Mit Blick auf die im
bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren unzulässige reformatio in peius (Art.
107 Abs. 1 BGG) bleibt es aber trotz erstinstanzlicher Verurteilung wegen
gewerbsmässigen Betrugs seit Beginn der Leistungszusprechung, mithin unabhängig
von der Frage der Rechtskraft dieses Strafurteils, bei der vorinstanzlich
festgestellten Aufhebung der Rente ab 23. September 2003).

5.

5.1. Hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs beruft sich die Vorinstanz wegen
des Vergehens nach Art. 70 IVG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 1 AHVG auf die
(siebenjährige) strafrechtliche Verjährungsfrist (aArt. 97 Abs. 1 lit. c und
Art. 389 StGB) gemäss Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz ATSG.

5.2. Das Bezirksgericht Baden verurteilte den Beschwerdeführer wegen
gewerbsmässigen Betrugs. Wie soeben dargelegt (E. 4.3) ist das Bundesgericht
jedoch an die Parteibegehren gebunden und ihm ist eine Abänderung des
angefochtenen Entscheids zum Nachteil des Beschwerdeführers verwehrt, weshalb
letztinstanzlich eine Anwendung der für dieses Verbrechen geltende 15-jährige
Verfolgungsverjährungsfrist hinsichtlich der Rückforderung von vornherein
ausser Betracht fällt (MEYER/DORMANN, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 107 BGG). Der
Beschwerdeführer hat jedoch, wie vorinstanzlich ausgeführt wurde, gegenüber der
Invalidenversicherung mit hinreichender Sicherheit während Jahren durch unwahre
Angaben sowohl gegenüber der Verwaltung als auch gegenüber den untersuchenden
und behandelnden Ärzten Leistungen erwirkt, weshalb die Annahme einer
Verjährungsfrist von sieben Jahren für die Rückforderung nicht zu beanstanden
ist.

5.3. Zusammenfassend gelangte die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise
in Anwendung der im Strafrecht geltenden beweisrechtlichen Anforderungen (BGE
138 V 74) zur Überzeugung, dass zum Zeitpunkt ihres Entscheids zumindest der
Straftatbestand von Art. 87 Abs. 5 AHVG i.V.m. Art. 70 IVG erfüllt ist, was die
Observationsergebnisse mit anschliessender medizinischer Würdigung offenbarten.
Damit liegt zum einen der Rückkommenstitel der prozessualen Revision vor. Zum
andern kommt durch dieses Vergehen die Verwirkungsfrist hierfür von sieben
Jahren zur Anwendung (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 ATSG; aArt. 97 Abs. 1 lit. c StGB).
Dass das Gericht ferner davon ausging, dass der Eintritt der Verwirkung mit
Vorbescheid vom 11. Juli 2012 gehemmt wurde (SVR 2011 IV Nr. 52 S. 155, 8C_699/
2010 E. 2), woraus sich eine rechtmässige Rückforderung ab 12. Juli 2005
ableiten liess, wird in der Beschwerde zu Recht nicht gerügt. Der
vorinstanzliche Entscheid ist somit im Ergebnis - auch was die Rückweisung an
die Verwaltung betrifft - zu bestätigen.

6. 
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Sistierung des Verfahrens wird aufgehoben.

2. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. August 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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