Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.673/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_673/2016

Urteil vom 10. Januar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Evalotta Samuelsson,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 12. September
2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1962 geborene A.________ war zuletzt als Raumpflegerin tätig. Im Juli 2011
meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Diese
holte Verlaufsberichte der behandelnden Ärzte ein, gab den Abklärungsbericht
Haushalt vom 18. Januar 2013 in Auftrag und veranlasste die polydisziplinäre
(Allgemeine Innere Medizin, Rheumatologie, Psychiatrie, Neurologie) Expertise
der Gutachterstelle medaffairs AG (nachfolgend: medaffairs), vom 16. März 2015.
Mit Verfügung vom 18. Mai 2015 verneinte sie einen Rentenanspruch.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern
mit Entscheid vom 12. September 2016 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, und es sei die Sache
zur Einholung eines polydisziplinären Gutachtens und anschliessendem neuen
Entscheid an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG).
Gemäss Art. 107 BGG darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien
hinausgehen (Abs. 1). Heisst es die Beschwerde gut, so entscheidet es in der
Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück
(Abs. 2). Da die Beschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich ein
reformatorisches Rechtsmittel ist, muss die Beschwerdeführerin einen Antrag in
der Sache stellen. Ein blosser Rückweisungsentscheid reicht ausnahmsweise aus,
wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst
entscheiden könnte. Die Beschwerdebegründung kann zur Interpretation des
Rechtsbegehrens beigezogen werden (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f. mit Hinweis).
Aus der Begründung der Beschwerde folgt, dass die Beschwerdeführerin sich
sinngemäss gegen die Abweisung des Gesuchs um Leistungen der
Invalidenversicherung wendet. Ein Antrag in der Sache liegt in diesem Sinne
vor. Die beantragte Rückweisung der Sache an die Beschwerdegegnerin bezweckt,
den nicht als rechtsgenüglich abgeklärt gerügten Sachverhalt durch Einholung
eines Gutachtens der Fachrichtungen Neurochirurgie, Neurologie und Psychiatrie
zu ergänzen, gestützt darauf den Invaliditätsgrad zu ermitteln und über den
Leistungsanspruch neu zu verfügen. Auf die Beschwerde kann grundsätzlich
eingetreten werden.

2.

2.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG beruht und wenn die Behebung
des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs.
1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 8C_760/2015 vom 18. März 2016 E. 1.2 mit weiteren
Hinweisen).

3.

3.1. Im Sozialversicherungsverfahren gelten der Untersuchungsgrundsatz sowie
der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c
ATSG). Der rechtserhebliche Sachverhalt ist von Amtes wegen unter Mitwirkung
der Versicherten resp. der Parteien zu ermitteln. In diesem Sinne
rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über
den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist. Der Verzicht auf
weitere Abklärungen oder im Beschwerdefall auf Rückweisung der Sache zu diesem
Zweck (antizipierte Beweiswürdigung) verletzt etwa dann Bundesrecht (Art. 95
lit. a BGG), wenn der festgestellte Sachverhalt unauflösbare Widersprüche
enthält oder wenn eine entscheidwesentliche Tatfrage, wie namentlich
Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einer versicherten Person, auf
unvollständiger Beweisgrundlage beantwortet wird (Urteil 8C_760/2015 vom 18.
März 2016 E. 3.1).

3.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit handelt es sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393
E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage
dar. Dagegen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen
sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Anforderungen an den
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen (BGE 134 V 231 E. 5.1
S. 232).

3.3. Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das
Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem
Bestehen überzeugt sind. Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen
Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse
Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht.
Das Gericht hat vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die es von
allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 138 V
218 E. 6 S. 221 f. mit Hinweisen).

Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne der
Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des
Sozialversicherungsgerichts (Art. 61 lit. c ATSG) oder der verfügenden
Verwaltungsstelle (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ist, für die Zusammentragung des
Beweismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin
die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der
Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem
unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel
greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu
ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit
zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6 S. 222 mit Hinweisen).

4.

4.1. Das kantonale Gericht hat seinen Entscheid auf die Ergebnisse des im
Auftrag der Beschwerdegegnerin erstellten polydisziplinären Gutachtens der
medaffairs vom 16. März 2015 abgestützt. Die Gutachter haben gemäss Vorinstanz
aus allgemein-internistischer Sicht keine Diagnosen gestellt. Aus
rheumatologischer Sicht lautete die Diagnose: Generalisiertes Schmerzsyndrom,
am ehesten im Sinne einer Fibromyalgie (ICD-10:M79.7); chronisches
Zervicalsyndrom bei radiomorphologisch nur diskreten degenerativen
Veränderungen; unklare sensorische Hemisymptomatik links
(differenzialdiagnostisch im Rahmen des chronischen Zervikalsyndroms). Aufgrund
der bildgebenden und klinischen Untersuchungen liessen sich die von der
Versicherten geschilderten Beschwerden (linksseitige Körperschmerzen,
Gefühlsstörungen mit Parästhesien, vegetative Begleitbeschwerden wie
unerholsamer Schlaf, Schlafstörungen, Erschöpfungsgefühle, Verdauungsprobleme,
Kraftlosigkeit, Konzentrationsstörungen) nicht objektivieren. Für leichte bis
mittelschwere körperliche Arbeiten attestierten die Gutachter eine volle
Arbeitsfähigkeit. Der neurologische Gutachter Dr. med. C.________ stellte
ebenfalls keine Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit. Er ging von
einem generalisierten linksbetonten Schmerzsyndrom und einem (seit vielen
Jahren bestehenden, grössenstationären) Kavernom postzentral rechts
(ICD-10:I67.11) mit Hämosiderineinlagerungen aus. Die durchgeführten
neurologischen Abklärungen ergaben einen unauffälligen Befund. Die
Elektroenzephalographie wies laut dem Facharzt keine auf fokale sensible
epileptische Anfälle hinweisende pathologische Veränderungen auf. Die
Versicherte habe zudem die empfohlene antiepileptische Behandlung nicht
durchgeführt. Das geschilderte attackenweise auftretende Elektrisieren sei für
epileptische Anfälle eher atypisch. Die Versicherte beschreibe die episodisch
auftretenden Störungen im linken Arm überdies eher als unspezifische
Gefühlsstörungen. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sie laut Dr. med.
C.________ nicht eine Halbseitensymptomatik, sondern eine ausgeprägte
psychomotorische Verlangsamung. Der Neurologe konnte die von Prof. Dr. med.
D.________, Leitender Arzt Neurologie am Spital E.________, im Bericht vom 26.
Oktober 2010 postulierten einfach-fokalen sensiblen Anfälle aufgrund der
getätigten Abklärungen weder ausschliessen noch nachweisen. Der psychiatrische
Gutachter, Dr. med. F._______, konnte keine somatoforme Schmerzstörung
diagnostizieren. Die festgestellten Einschränkungen ordnete er der Diagnose der
Verhaltensauffälligkeiten (Sorgen, emotionale Konflikte, ängstliche Erwartungen
vor Zustandsverschlechterung und damit einhergehender körperlicher Schonung mit
entsprechender Dekonditionierung, dysthyme affektive Zustände) zu (Diagnose:
Psychologische Faktoren und Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten
Erkrankungen [ICD-10:F54.0] [Kavernom, Verdacht auf fokal epileptische Anfälle
im linken Arm, Fibromyalgie]). Aus psychiatrischer Sicht wurde eine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit verneint.

4.2. Nach Auffassung des kantonalen Gerichts erfüllt das Gutachten der
medaffairs die Anforderungen an eine beweiskräftige Expertise. Es befasste sich
zudem eingehend mit der von den Ärzten unterschiedlich beurteilten Frage, ob
die von der Beschwerdeführerin vorwiegend in der linken Körperhälfte geklagten
Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, Gefühllosigkeit und Kribbeln auf die
Gefässmissbildung im Gehirn (Kavernom) zurückzuführen und insoweit
objektivierbar seien oder ob es sich dabei um ein nicht objektivierbares
Schmerzsyndrom handle. Zudem setzte es sich mit der Kritik des Dr. med.
G.________, Facharzt für Neurochirurgie, am Gutachten der medaffairs
auseinander. Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz hat sich die Versicherte
einer ärztlich empfohlenen antiepileptischen Medikation aufgrund der möglichen
Nebenwirkungen verschlossen. Eine epileptische Genese der geltend gemachten
Beschwerden konnte daher nicht nachgewiesen werden. Da ein anderweitiger
Nachweis nicht möglich war, ging das kantonale Gericht von Beweislosigkeit aus,
deren Folgen die Versicherte zu tragen habe. Im Rahmen der Begutachtung habe
Dr. med. C.________ zudem festgestellt, dass das attackenweise aufgetretene
Elektrisieren gegenüber den übrigen Beschwerden in den Hintergrund getreten
sei. Nach den Feststellungen der Vorinstanz können die attackenartigen Anfälle
allenfalls auf das Kavernom zurückgeführt werden. Für die übrigen Beschwerden
wie andauernde Sensibilitätsstörungen, Gefühllosigkeit oder die chronische
Schmerzsymptomatik und Schwäche über der linken Körperhälfte treffe dies
indessen nicht zu. Dafür fehle es an einer organischen Grundlage. Bezüglich der
von den Gutachtern diagnostizierten Fibromyalgie prüfte das kantonale Gericht,
ob die gutachterlich attestierte volle Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung
der geänderten Schmerzrechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 einer Überprüfung
standhalte. Mit Blick auf die nicht schwer ausgeprägte Fibromyalgie, fehlende
erhebliche Komorbiditäten und eher günstige persönliche Ressourcen verneinte es
das Vorliegen eines invalidisierenden Gesundheitsschadens. Den Gutachtern der
medaffairs folgend ging die Vorinstanz von einer vollen Arbeitsfähigkeit für
schulterschonende leichte bis intermittierend mittelschwere körperliche
Arbeiten aus. Vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit erzielten
bescheidenen Einkommen bei der Ausübung unqualifizierter Tätigkeiten sah sie
von einem frankenmässig bezifferten Einkommensvergleich ab. Selbst bei einer im
Gesundheitsfall vollzeitlich ausgeübten Erwerbstätigkeit sei offensichtlich
kein rentenbegründender Invaliditätsgrad ausgewiesen. Damit bestätigte sie die
Verfügung der IV-Stelle vom 18. Mai 2015.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Beweislastregel (Art. 8
ZGB) und eine unzutreffende, bundesrechtswidrige Handhabung des Beweismasses
durch die Vorinstanz. Sie macht zudem eine offensichtlich unrichtige
Feststellung des Sachverhalts und eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes
geltend. Aufgrund der Akten bestehe kein Zweifel darüber, dass sie an einem in
das Hirnparenchym eingebluteten Kavernom leide. Dieses könne nicht nur zu
fokalen epileptischen Anfällen führen, sondern auch andere fokale neurologische
Ausfälle bewirken. Laut Dr. med. G.________ (Stellungnahme vom 18. Juni 2015)
und den Neurologen des Spitals E.________ (Berichte des Prof. Dr. med.
D.________ vom 26. Oktober 2010 und des Dr. med. H.________ vom 10. Dezember
2010 und 13. September 2010) sei das Kavernom überwiegend wahrscheinliche
Ursache der Gefühlsstörungen der linken Körperhälfte (Arm, Rumpf und Bein) im
Sinne einer sensiblen Halbseitenstörung. Weder Dr. med. C.________ noch das
kantonale Gericht hätten sich mit der These einer kavernombedingten
Halbseitenparese befasst. Mit der pauschalen Zuordnung der Beschwerden zum
generalisierten Schmerzsyndrom habe die Vorinstanz den Sachverhalt willkürlich
festgestellt und offensichtlich falsch gewürdigt.

5.2. Die Beschwerdeführerin macht ausdrücklich nicht geltend, an epileptischen
Anfällen aufgrund des Kavernoms zu leiden. Dies steht im Einklang mit der
Feststellung des Dr. med. C.________, wonach während der neurologischen
Exploration andauernde Sensibilitätsstörungen, Gefühllosigkeit sowie Kribbeln
der linken Körperhälfte im Zentrum der Klagen standen. Hingegen vertritt die
Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Stellungnahme des Dr. med. G.________
vom 18. Juni 2016 die Ansicht, es liege eine hirnorganisch begründete sensible
Halbseitenstörung (-parese) vor. Laut Dr. med. C.________ hat das Kavernom
jedoch nichts mit den Problemen der linken Körperhälfte der Versicherten zu
tun. Die klinische Untersuchung zeigte keine Halbseitenproblematik. Für die von
der Versicherten beschriebenen Beschwerden über der linken Körperseite fand der
Gutachter aus neurologischer Sicht keine Erklärung. Auffallend war eine
beidseits ausgeprägte psychomotorische Verlangsamung, wie sie bei einem
schweren Parkinsonsyndrom gesehen wird. Bei vertiefter Befunderhebung in
verschiedenen Situationen liess sich aber keine pathologische Tonusveränderung
oder sichere Hypokinese feststellen. Aus neurologischer Sicht sah Dr. med.
C.________ die Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt. Wie die Vorinstanz
zutreffend festhält, hat der das neurologische Teilgutachten kritisierende Dr.
med. G.________ die Versicherte nicht selber untersucht. Er äussert sich auch
nicht zur Arbeitsfähigkeit. Selbst wenn seiner Auffassung gefolgt wird, dass
Gefühlsstörungen, Temperaturempfindungsstörungen und Kribbelparästhesien am
linken Arm, Bein und Körperrumpf grundsätzlich zum nachgewiesenen Kavernom
passen, vermag dies mit Blick auf den von der Beschwerdeführerin grundsätzlich
nicht bestrittenen klinischen und bildgebenden Befund kein invalidisierendes
Ausmass der geklagten Beschwerden zu objektivieren. Das EEG zeigte laut Prof.
Dr. med. D.________ (Bericht vom 26. Oktober 2010) normale Grundaktivitäten
ohne Verlangsamungsherde, epileptiforme Potenziale oder anfallsverdächtige
Ereignisse. Eine fokale neurologische Hemiparese wurde im Bericht des Spitals
E.________ nicht diagnostiziert.

5.3. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Gutachter hätten den
Schweregrad der chronischen Schmerzerkrankung nicht mittels einer umfassenden
Schmerzanamnese geprüft. Die Diagnosestellung sei zudem nicht nachvollziehbar.
Dieser Kritik ist entgegenzuhalten, dass das geschilderte Beschwerdebild laut
den Fachärzten den Kriterien eines generalisierten Schmerzsyndroms im Sinne
einer Fibromyalgie entsprach. In dieser Auffassung sahen sie sich aufgrund der
mittels Symptom Severity Score (SSS) und Widespread pain index (WPI) erhobenen
Signifikanz von hohen 24 Punkten bestätigt. Ob damit der für die
Diagnosestellung relevante Schweregrad erreicht ist und von einer gesicherten
Diagnose einer Fibromyalgie ausgegangen werden kann, lässt sich nicht mit
Sicherheit beurteilen, kann jedoch offen bleiben. Eine Einschränkung der
Leistungsfähigkeit ist sozialversicherungsrechtlich nämlich nur relevant, wenn
sie Folge einer fachärztlich einwandfrei diagnostizierten Gesundheitsschädigung
ist (BGE 130 V 396). Ob eine solche überhaupt vorliegt, ist zweifelhaft.
Zweifel am Vorliegen eines invalidisierenden Schmerzleidens ergeben sich
namentlich daraus, dass die Gutachter keine morphologischen oder strukturellen
Schäden feststellen konnten, die eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zur
Folge hätten. Die aufgrund der chronischen Schmerzen festgestellte
Selbstlimitierung und Tendenz zur Passivität der Versicherten könnten laut den
Gutachtern mittels Psychotherapie, medikamentös schmerzdistanzierender
Behandlung und leichten körperlichen Trainings zur Rekonditionierung positiv
angegangen werden. Aus den von der Vorinstanz anhand der vom Bundesgericht in
BGE 141 V 281 entwickelten Indikatoren vorgenommenen Prüfung der Schwere des
Leidens, insbesondere der damit verbundenen funktionellen Einschränkungen, der
persönlichen und sozialen Verhältnisse und der sich daraus ergebenden
Ressourcen und Belastungen, resultiert ein Gesamtbild, welches nicht auf
bedeutende, therapeutisch nicht angehbare funktionelle Beeinträchtigungen
schliessen lässt. Mit der Vorinstanz ist als erstellt anzusehen, dass die
Arbeitsfähigkeit jedenfalls für schulterschonende leichte bis intermittierend
mittelschwere körperliche Tätigkeiten nicht eingeschränkt ist.

5.4. Von den beantragten ergänzenden medizinischen Abklärungen, wie sie
namentlich von Dr. med. G.________ postuliert wurden, konnte die Vorinstanz
willkürfrei in antizipierter Beweiswürdigung absehen. Der medizinische
Sachverhalt ist umfassend erhoben worden. Von ergänzenden Abklärungsmassnahmen
sind keine neuen entscheidrelevanten Erkenntnisse zu erwarten. Die Vorinstanz
legte zudem willkürfrei dar, weshalb das medaffairs-Gutachten - auch
hinsichtlich der Beurteilung der Beeinträchtigung anhand der
Standardindikatoren nach BGE 141 V 281 E. 4.3 S. 298 ff. - als beweiskräftig
einzustufen ist.

5.5. Insgesamt beschränken sich die Einwendungen der Beschwerdeführerin im
Wesentlichen darauf, die Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung des
kantonalen Gerichts zu kritisieren und insbesondere das Gutachten der
medaffairs als ungenügend zu bezeichnen. Inwiefern die Vorinstanz in Willkür
verfallen sein soll, wird dabei nicht ersichtlich. Eine
Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung erweist sich nur dann als
willkürlich (Art. 9 BV), wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder
wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare
Schlussfolgerungen gezogen hat. Dass die von Sachgerichten gezogenen Schlüsse
nicht mit der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin übereinstimmen, belegt
keine Willkür (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 137 III 226 E. 4.2 S. 234; 136
III 552 E. 4.2 S. 560). Das kantonale Gericht hat sich ausführlich mit der
medizinischen Aktenlage und den von der Beschwerdeführerin erhobenen
Einwendungen auseinandergesetzt. Seine Würdigung ist nachvollziehbar und
willkürfrei.

6. 
Bezüglich der Bemessung des Invaliditätsgrades rügt die Beschwerdeführerin das
Fehlen eines bezifferten Einkommensvergleichs. Sie macht in diesem Zusammenhang
eine Verletzung der Begründungspflicht und des rechtlichen Gehörs durch die
Vorinstanz geltend.

Das bisherige Einkommen der seit Jahren als Raumpflegerin tätig gewesenen
Versicherten lässt sich dem bei den Akten liegenden Auszug aus dem
Individuellen Konto der Versicherten entnehmen. Dieses bestätigt die
Feststellung der Vorinstanz eines in der Vergangenheit stets höchst
bescheidenen Erwerbseinkommens. Ein entsprechendes Einkommen vermöchte die
Beschwerdeführerin auch bei Ausübung einer dem ärztlichen Zumutbarkeitsprofil
entsprechenden leidensangepassten Tätigkeit zu erzielen, wobei die Vorinstanz
die Statusfrage letztlich als unerheblich erachtet hat. Es ergäbe sich auch
kein anderes Resultat, wenn beide Einkommenskomponenten gestützt auf
statistische Werte (Schweizerische Lohnstrukturerhebung; LSE), und zwar nach
Massgabe des Einkommens für die Verrichtung einfacher und repetitiver
Tätigkeiten festgesetzt würden. Sind Validen- und Invalidenlohn ausgehend vom
selben Tabellenlohn zu berechnen, entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der
Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des Abzugs vom Tabellenlohn (BGE 135
V 297 E. 5.2 S. 301; SVR 2008 IV Nr. 2 S. 3, I 697/05 E. 5.4; Urteil 8C_860/
2015 vom 30. Juni 2016 E. 5.2). Dieser sog. Prozentvergleich stellt eine
zulässige Variante des Einkommensvergleichs dar. Aufgrund des festgestellten
Zumutbarkeitsprofils kann ohne Weiteres angenommen werden, dass der
Invaliditätsgrad der Versicherten die rentenbegründende Höhe von mindestens 40
Prozent (vgl. Art. 28 IVG) - selbst unter Berücksichtigung eines Leidensabzugs
im Sinne von BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80 - nicht erreicht. Eine genaue
Ermittlung erübrigt sich, und auch eine Gehörsverletzung liegt in diesem
Zusammenhang nicht vor. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65 Abs. 4 lit. a in
Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Januar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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