Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.672/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_672/2016

Urteil vom 29. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Schaffhausen vom 19. September 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1955 geborene A.________ arbeitete als Mechaniker bei der B.________ AG und
war demgemäss bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 15. September 2008
rutschte er auf dem Maschinentisch aus und stürzte auf den Boden. Er zog sich
dabei eine Kalkaneuskontusion mit Spongiosainfraktion des rechten Fusses zu.
Die SUVA gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Ab dem 3. August
2009 bestand wieder eine volle Arbeitsfähigkeit und die Unfallversicherung
schloss den Fall formlos ab.
Am 14. September 2010 reichte die Arbeitslosenkasse des Kantons Schaffhausen
eine Rückfallmeldung ein, in der als betroffener Körperteil das linke Knie
genannt wurde. Nach Durchführung einer kreisärztlichen Untersuchung zur
Kausalitätsbeurteilung am 26. Oktober 2010 anerkannte die SUVA eine solche
hinsichtlich der wieder aufgetretenen Fussbeschwerden rechts, wohingegen es
weiterer Abklärung bedürfe, ob auch die Kniebeschwerden links auf den
versicherten Unfall zurückzuführen seien. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010
wurde die Leistungspflicht hinsichtlich der Kniebeschwerden abgelehnt.
Schliesslich verneinte die Unfallversicherung mit Verfügung vom 14. März 2012
eine über den 14. Februar 2012 hinaus andauernde Leistungspflicht für die als
Rückfall gemeldeten Fussbeschwerden, da diese ausschliesslich krankhafter Natur
seien. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 18. Mai 2012).

B.

B.a. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 28. Oktober 2014 ab.
Das Bundesgericht hiess mit Urteil vom 26. März 2015 die dagegen geführte
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten dahin gehend gut, als es
den angefochtenen Entscheid aufhob und die Sache an das kantonale Gericht zu
neuer Entscheidung zurückwies (Urteil 8C_879/2014).

B.b. In Nachachtung des bundesgerichtlichen Urteils holte das Obergericht bei
Dr. med. C.________, leitender Arzt der Klinik für Orthopädie und Traumatologie
am Spital D.________, ein Gutachten ein, welches dieser mit Dr. med.
E.________, stellvertretende Oberärztin, am 23. Juli 2015 erstattete
(nachfolgend: Gutachten KSW). Den Parteien wurde in der Folge Gelegenheit
eingeräumt, zum Gutachten Stellung zu nehmen, wovon beide Gebrauch machten.
Mit Entscheid vom 19. September 2016 wies das Obergericht des Kantons
Schaffhausen die Beschwerde wiederum ab.

C. 
A.________ lässt dagegen erneut Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten führen und beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben und es sei festzustellen, die andauernden Fussschmerzen rechts und
die Beeinträchtigungen im linken Knie sowie die daraus resultierende
Arbeitsunfähigkeit seien auf den Unfall vom 15. September 2008 zurückzuführen.
Die SUVA habe Rentenleistungen zu erbringen. Eventuell sei die Sache zu
ergänzender Sachverhaltsabklärung an die SUVA zurückzuweisen. In formeller
Hinsicht ersucht er um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II
257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (BGE 133 II 249 E.
1.4.1 S. 254).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte,
indem es einen Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung
aus dem Unfall vom 15. September 2008 ab dem 15. Februar 2012 verneinte.

2.1. Im vorinstanzlichen Entscheid sind die hauptsächlich interessierenden
Grundsätze zum für einen Leistungsanspruch aus der obligatorischen
Unfallversicherung nebst anderem erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111;
129 V 177 E. 3.1 S. 181 ff.), zum Wegfall dieses Zusammenhangs bei Erreichen
des Zustandes, wie er vor dem Unfall bestand resp. ohne diesen bestehen würde
(status quo ante vel sine; RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, U 355/98, 1994 Nr. U 206
S. 326,), zum massgeblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (
BGE 134 V 109 E. 9.5 S. 125) und zur Beweislastverteilung zutreffend dargelegt
(SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 3.2). Darauf wird verwiesen.

2.2. Zu ergänzen ist, dass der Richter oder die Richterin bei Gerichtsgutachten
nach konstanter Praxis nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung der
medizinischen Experten abweicht, deren Aufgabe gerade darin besteht, ihre
Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen
bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen. Ein Grund zum Abweichen kann
vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich ist oder wenn ein vom
Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu anderen
Schlussfolgerungen gelangt. Abweichende Beurteilung kann zudem gerechtfertigt
sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter
oder der Richterin als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des
Gerichtsgutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass die Überprüfung durch
einen Oberexperten für angezeigt erachtet wird, sei es, dass das Gericht ohne
Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende
Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 351 E. 3b/aa S. 352 f.).

3.

3.1. Nach Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere des gerichtlich
angeordneten Gutachtens des KSW vom 23. Juli 2015, erkannte die Vorinstanz,
dieses erfülle alle Anforderungen an eine beweistaugliche medizinische
Beurteilungsgrundlage. Es weise keine Widersprüche auf. Es bestünden daher
keine Gründe von den gutachterlichen Erkenntnissen abzuweichen. Damit seien die
im Jahre 2010 aufgetretenen Beschwerden im linken Knie nicht Folge des Unfalls
vom 15. September 2008 und die nach dem 14. Februar 2012 noch bestehende
Schädigung am rechten Fuss stehe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in
einem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem versicherten Unfall.

3.2. Der Beschwerdeführer rügt, sein Leiden im linken Knie sei auf eine
Schonhaltung zurückzuführen, die er wegen der Verletzung des rechten Fusses
eingenommen habe, weshalb ein Kausalzusammenhang mit dem Unfall evident sei.
Zudem sei das ungenügende Gutachten des KSW nicht geeignet, den von der SUVA
ausdrücklich anerkannten Rückfall als per 14. Februar 2012 abgeschlossen zu
erachten. Diese Expertise stehe im Widerspruch zu den früheren ärztlichen
Berichten.

4. 
Das kantonale Gericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es auf das Gutachten
des KSW vom 23. Juli 2015 abstellte. Wie dargelegt (E. 2.2), geniesst ein
Gerichtsgutachten nach ständiger Rechtsprechung eine erhöhte Beweiskraft (BGE
125 V 231 E. 3b/aa S. 352 f.). Entgegen der Darstellung in der Beschwerde
vermögen frühere, im Verwaltungsverfahren eingeholte Arztberichte die
Schlüssigkeit der Expertise nicht in Frage zu stellen. Die Aufgabe der
Gutachter am Spital D.________ bestand ja gerade darin, die bis dahin noch
ungeklärte Frage der Kausalität der Beschwerden mit dem versicherten Unfall zu
beantworten (vgl. das Rückweisungsurteil 8C_879/2014 vom 26. März 2015 E. 5.4
und 5.5). Es liegen keine medizinischen Stellungnahmen vor, die dem Gutachten
vom 23. Juli 2015 entgegenstehen würden. Ebenso wenig ist es in sich
widersprüchlich.

5. 
Vorliegend gilt es beweisrechtlich zwischen dem geltend gemachten
Gesundheitsschaden im linken Knie einerseits und jenem im rechten Fuss
andererseits zu unterscheiden.

5.1. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 hatte die SUVA die Behandlung der mit
Rückfallmeldung vom 28. Oktober 2010 geltend gemachten Kniebeschwerden links
mangels Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 15. September 2008 abgelehnt.
Da es folglich um eine erstmalige Leistungspflicht für den betreffenden
Gesundheitsschaden geht, liegt die Beweislast dafür, dass die Kniebeschwerden
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als Spätfolgen auf den Unfall bzw. die
dabei erlittenen Verletzungen zurückzuführen sind, beim Beschwerdeführer (vgl.
E. 2.1 und BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111). Dieser im Rahmen der Abklärungen nach
Art. 43 ATSG zu erbringende Nachweis gelingt im vorliegenden Fall nicht. Aus
dem Gutachten des KSW vom 23. Juli 2015 - auf welches abzustellen ist (vgl. E.
4 hievor) - geht eindeutig hervor, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit dem
Ereignis vom 15. September 2008 und den später entwickelten linksseitigen
Kniegelenkbeschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt. Dem hat der
Beschwerdeführer einzig seine eigene "Schlussfolgerung der Vernunft"
entgegenzusetzen. Das genügt indessen nicht, begründete Zweifel am
Gerichtsgutachten zu erwecken.

5.2. Demgegenüber hat die SUVA den Rückfall für die Beschwerden am rechten Fuss
mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 anerkannt. Entsprechend hat sie
Versicherungsleistungen zu erbringen, bis mit der erforderlichen
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass der Unfall nicht mehr die natürliche
und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn also Letzterer nur
noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Da es sich hiebei
um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die Beweislast - anders als
bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang
gegeben ist - nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (E. 2.1
hievor; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 326, U 180/93 E. 3b).
Wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt wird, ist unbestritten, dass sich der
Versicherte beim Unfall vom 15. September 2008 eine Prellung des Fersenbeins
(Bone bruise des Calcaneus) zugezogen hat. Gemäss Gutachten vom 23. Juli 2015
war diese neun Monate nach dem Ereignis ausgeheilt. Möglicherweise habe die
Unfallverletzung einen vorbestehenden aber bis zum Unfall asymptomatischen
planaren Fersensporn traumatisiert und eine akute Symptomatik verursacht. Eine
Magnetresonanzuntersuchung (MRI) anlässlich der Begutachtung zeigte keine
entzündliche Veränderung der Plantarfaszie mehr. Auch eine möglicherweise
erfolgte Aktivierung eines Vorzustandes durch den Unfall bestand mit dieser
Ausheilung also nicht mehr. Die Dres. med. C.________ und E.________ bezeichnen
im Gutachten vom 23. Juli 2015 einen Kausalzusammenhang zwischen den nach dem
14. Februar 2012 geklagten Beschwerden und dem Unfallereignis vom 15. September
2008 denn auch als unwahrscheinlich. Das kantonale Gericht hat kein Bundesrecht
verletzt, indem es feststellte, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
erwiesen, dass spätestens nach dem 14. Februar 2012 kein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen den weiterhin geklagten Fussschmerzen und dem
versicherten Unfallereignis mehr bestand. Es hat den Anspruch auf weitere
Versicherungsleistungen zu Recht verneint. Die Beschwerde ist abzuweisen.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend trägt der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG;
BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Es wird ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG
hingewiesen, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
hat, wenn sie später dazu in der Lage ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Bernhard Jüsi wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben