Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.663/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]             
8C_663/2016    {T 0/2}     

Urteil vom 17. Januar 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine,
Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
handelnd durch B.________, und diese vertreten durch Rechtsdienst Inclusion
Handicap,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Hilflosenentschädigung/Intensivpflegezuschlag,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 23. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________ kam am 26. November 2014 mit diversen Geburtsgebrechen zur Welt.
Nebst Neugeborenenileus sowie Herz- und Gefässmissbildungen bestand eine
angeborene Störung der Pankreasfunktion, mithin eine Stoffwechselkrankheit, die
auch als Mukoviszidose oder als cystische Fibrose bekannt ist (Ziff. 277, 313
und 459 des Anhangs zur Verordnung über die Geburtsgebrechen [GgV]). Nach
Anmeldung im Dezember 2014 anerkannte die Eidg. Invalidenversicherung ihre
Leistungspflicht in Form von Kostengutsprache für medizinische Massnahmen. Im
August 2015 erfolgte zudem die Anmeldung der Versicherten zum Bezug einer
Hilflosenentschädigung. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau,
IV-Stelle, tätigte hierauf verschiedene Abklärungen in medizinischer Hinsicht
sowie über die Verhältnisse an "Ort und Stelle", worüber am 20. November 2015
ein Bericht erging. Am 9. März 2016 verfügte die IV-Stelle die Abweisung dieses
Leistungsbegehrens nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren, in dessen Verlauf
sie noch eine ergänzende Auskunft des Abklärungsdienstes eingeholt hatte.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die dagegen von der
Versicherten erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 23. August 2016). Es bestehe
kein Anspruch auf Hilflosenentschädigung im Sonderfall, womit sich Weiterungen
bezüglich des ebenfalls beantragten Intensivpflegezuschlags erübrigten.

C. 
A.________ lässt, wiederum gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Anträgen, es seien ihr
in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides eine Hilflosenentschädigung im
Sonderfall sowie ein Intensivpflegezuschlag zuzusprechen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde unter Hinweis auf die
Erwägungen des angefochtenen Gerichtsentscheides. Denselben Antrag stellt das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), zu dessen Stellungnahme sich die
Versicherte nochmals vernehmen liess.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97    Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Die richtige Auslegung und Anwendung des Rechtsbegriffs der Hilflosigkeit,
mitsamt der begrifflichen Konkretisierung im Rahmen des einschlägigen
Verordnungsrechts (Art. 35 ff. IVV), die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes
und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG
sowie der Anforderungen an den Beweiswert von Abklärungsberichten an "Ort und
Stelle" beschlagen Rechtsfragen, die vom Bundesgericht frei zu prüfen sind
(Art. 95 lit. a BGG). Die auf medizinische Abklärungen und auf einen
Abklärungsbericht vor Ort gestützten gerichtlichen Feststellungen über
Einschränkungen der versicherten Person in bestimmten Lebensverrichtungen
betreffen demgegenüber Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398 f.; SVR
2011 IV Nr. 11 S. 29, 9C_410/2009 E. 3). Tatsächlicher Natur ist auch die
konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht
publ. in: BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164; zum Ganzen: Urteil
8C_920/2013 vom 17. Juli 2014 E. 1.2).

2.

2.1. Im Streit liegt die Frage, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt
hat, indem es - mit der Verwaltung - einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf
Hilflosenentschädigung im Sonderfall gemäss Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV verneinte
und darum auch von einer weiteren Prüfung des Anspruchs auf
Intensivpflegezuschlag (Art. 42ter Abs. 3 IVG; Art. 36 Abs. 2 und Art. 39 IVV)
absah. Dass die Beschwerdeführerin die Anspruchsvoraussetzungen für eine
Hilflosenentschädigung nach Art. 37 Abs. 3 lit. a, b, d oder e erfüllen würde,
ist nicht geltend gemacht und darum sowie mangels offenkundiger gegenteiliger
Anhaltspunkte (vgl. Art. 37 Abs. 4 IVV) auch nicht weiter zu erwägen.

2.2.

2.2.1. Nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 IVG haben Versicherte mit Wohnsitz und
gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz, die hilflos (Art. 9
ATSG) sind, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Als hilflos gilt laut
Art. 9 ATSG eine Person, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für
alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen
Überwachung bedarf. Nach Gesetz wird unterschieden zwischen schwerer,
mittelschwerer und leichter Hilflosigkeit (Art. 42 Abs. 2 IVG). Die Bemessung
dieser Hilflosigkeitsgrade wird im Rahmen des Verordnungsrechts konkretisiert
(Art. 37 IVV). Danach gilt die Hilflosigkeit unter anderem dann als leicht,
wenn die versicherte Person trotz der Abgabe von Hilfsmitteln einer durch das
Gebrechen bedingten ständigen und besonders aufwendigen Pflege bedarf (Art. 37
Abs. 3 lit. c IVV: "Sonderfall"). Bei Minderjährigen gilt es sodann für alle
Hilflosigkeitsgrade Art. 37 Abs. 4 IVV zu beachten, wonach bei ihnen nur der
Mehrbedarf an Hilfeleistung und persönlicher Überwachung im Vergleich zu nicht
behinderten Minderjährigen gleichen Alters zu berücksichtigen ist.
Die Hilflosenentschädigung für Minderjährige, die zusätzlich eine intensive
Betreuung brauchen, wird um einen Intensivpflegezuschlag erhöht; dieser
Zuschlag wird nicht gewährt bei einem Aufenthalt in einem Heim (Art. 42ter Abs.
3 Satz 1 IVG; vgl. auch Art. 36 Abs. 2 IVV).

2.2.2. Die hier in erster Linie interessierende,
hilflosenentschädigungsrechtlich bedeutsame Frage der ständigen und besonders
aufwendigen Pflege im Sinne von Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV bezieht sich
praxisgemäss begrifflich nicht auf die alltäglichen Lebensverrichtungen
(Ankleiden, Auskleiden; Aufstehen, Absitzen, Abliegen; Essen; Körperpflege;
Verrichtung der Notdurft; Fortbewegung; Kontaktaufnahme, vgl. BGE 133 V 450 E.
7.2 S. 463). Vielmehr wird sie - gleich wie das in anderem Zusammenhang
verwendete Erfordernis der dauernden persönlichen Überwachung (Art. 37 Abs. 2
lit. b und Abs. 3 lit. b IVV) - als eine Art medizinischer oder pflegerischer
Hilfeleistung verstanden, die infolge des physischen oder psychischen Zustandes
der versicherten Person notwendig ist (BGE 107 V 136 E. 1b S. 139; 106 V 153   
E. 2a S. 158; Urteile 8C_920/2013 vom 17. Juli 2014 E. 2 und 8C_310/2009 vom
24. August 2009 E. 9.1; vgl. ferner Urteil I 231/02 des Eidg.
Versicherungsgerichts vom 23. Januar 2003 E. 3.2). Dabei kann die Pflege aus
verschiedenen Gründen aufwendig sein: Sie ist es nach einem quantitativen
Kriterium, wenn sie einen grossen Zeitaufwand erfordert oder besonders hohe
Kosten verursacht. In qualitativer Hinsicht kann sie es sein, wenn die
pflegerischen Verrichtungen unter erschwerenden Umständen zu erfolgen haben, so
etwa, weil sich die Pflege besonders mühsam gestaltet oder die Hilfeleistung zu
aussergewöhnlicher Zeit (z.B. jeweils gegen Mitternacht) zu erbringen ist
(Urteil 8C_920/2013 vom 17. Juli 2014 E. 2 sowie 9C_384/2013 vom 10. Oktober
2013 E. 4.1, je mit Hinweisen).

2.2.3. Nach der im Zeitpunkt der streitbetroffenen Verfügung massgeblichen
Verwaltungspraxis ist ein täglicher Pflegeaufwand von mehr als zwei Stunden
sicher dann als besonders aufwendige Pflege zu qualifizieren, wenn erschwerende
qualitative Momente mit zu berücksichtigen sind (Urteile I 314/92 vom 28.
Januar 1993 und I 142/86 vom 25. Mai 1987 des Eidg. Versicherungsgerichts). Bei
einem täglichen Pflegeaufwand von mehr als drei Stunden kann eine Pflege als
aufwendig qualifiziert werden, wenn mindestens ein qualitatives Moment (z. B.
pflegerische Hilfeleistung in der Nacht) hinzukommt. Ab einem täglichen
Pflegeaufwand von vier Stunden bedarf es keines weiteren qualitativen Moments
(Rz. 8058 des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der
Invalidenversicherung [KSIH], gültig ab 1. Januar 2015; Stand: 1. März 2016;
vgl. ferner Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 633/00 vom 7. November
2001 E. 1).
Rz. 8059 KSIH hält ferner fest, dass die Voraussetzungen der besonders
aufwendigen Pflege bei solchen Versicherten als erfüllt gelten können, die an
Mukoviszidose leiden oder Heimdialysen durchführen müssen. Soweit die Erfüllung
der Voraussetzungen aus den Akten nicht eindeutig hervorgeht (d.h. ob wirklich
mindestens zwei Stunden und erschwerende qualitative Momente oder mindestens
vier Stunden Pflegeaufwand ausgewiesen sind), muss eine Abklärung vor Ort
erfolgen (vgl. ferner Rz. 8063 betreffend Hilflosigkeit trotz Abgabe eines
Hilfsmittels und dazu Urteil 9C_384/2013 vom 10. Oktober 2013 E. 2). Eine
leichte Hilflosigkeit ist indessen auch bei diesen Diagnosen nicht ohne
Weiteres anzunehmen, wie die Rechtsprechung ihrerseits klargestellt hat (Urteil
9C_384/2013 vom 10. Oktober 2013 E. 4.1).
In der ab Januar 2017 geltenden revidierten Fassung von Rz. 8058 und 8059 KSIH
werden als Beispiele von erschwerenden qualitativen Momenten genannt:
hochgradige Spastik, überaus empfindliche Hautpflege z.B. bei Epidermolysis
bullosa sowie pflegerische Hilfeleistung in der Nacht (22.00-06.00 Uhr). Als
besonders aufwendige Pflege können z.B. komplexe Hautpflege bei Epidermolysis
bullosa, Atemtherapie und Inhalationen, Bewegungsübungen (wenn ärztlich
verordnet) berücksichtigt werden.

2.2.4. Was die Abklärung der Hilflosigkeit betrifft, legt die Rechtsprechung
Wert auf eine sich ergänzende Zusammenarbeit zwischen Arzt oder Ärztin und
Verwaltung, wobei erstere/r insbesondere über die leidensbedingten
Einschränkungen in körperlichen oder geistigen Funktionen Aufschluss zu geben
und bei Unklarheiten eine Rückfrage zu erfolgen hat (BGE 130 V 61 E. 6.1.1 mit
Hinweisen). Es kann in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Gerichtsentscheid verwiesen werden. Gleiches gilt für die
beweisrechtlichen Anforderungen an einen Abklärungsbericht an "Ort und Stelle"
und den gegebenenfalls von den Gerichten zu respektierenden Ermessensbereich
der Abklärungsperson (vgl. Urteil 8C_308/2016 vom 6. September 2016 E. 5.1 mit
Hinweisen).

3.

3.1. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich und unbestritten
festgestellt, dass bei der Beschwerdeführerin - ohne die Sondenernährung - ein
täglicher Hilfebedarf von insgesamt drei Stunden und acht Minuten besteht; dies
entsprechend den zwei Stunden und 41 Minuten, wie gemäss Abklärungsbericht
erhoben, sowie weiteren 27 Minuten für Arzt- und Physiotherapiebesuche. Vor
diesem Hintergrund dreht sich der Rechtsstreit zunächst darum, ob die von der
Beschwerdeführerin benötigte Sondenernährung im Sinne des qualitativen
Kriteriums als besonders aufwendige Pflege zu anerkennen ist. Verneinendenfalls
fragt sich, wie beschwerdeweise geltend gemacht, ob sie als Mehraufwand unter
die Behandlungspflege fällt und als solche im Sinne eines quantitativen
Kriteriums berücksichtigt werden muss.

3.2.

3.2.1. In rechtlich zutreffender Weise ging die Vorinstanz davon aus, dass es
zur Annahme besonders aufwendiger Pflege im Sinne des qualitativen Kriteriums
nach Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV einer pflegerischen Hilfeleistung bedarf, die
sich entsprechend mühsam gestaltet oder die zu ungewöhnlichen Zeiten erbracht
werden muss (vgl.          E. 2.2.2 hiervor). Dass letzteres bei der
Beschwerdeführerin der Fall wäre, hat sie kurzerhand ausgeschlossen. Da in
dieser Hinsicht beschwerdeweise weder eine falsche oder unvollständige
Feststellung des Sachverhalts noch eine anderweitige Bundesrechtsverletzung
geltend gemacht wird und sich derlei auch nicht ohne weiteres ersehen lässt,
kann es damit sein Bewenden haben. Überdies hat die Vorinstanz erwogen, seitens
der Beschwerdeführerin werde nicht begründet dargetan, inwiefern in ihrem Fall
eine besonders mühsame Pflegeleistung vorliege. Obwohl laut Abklärungsbericht
durch die teilweise Ernährung mittels (transnasaler) Magensonde ein zeitlicher
oder quantitativer Mehraufwand bestehe, fänden sich keine Hinweise auf eine
besonders mühsame, mithin schwierige Vornahme dieser Ernährung. Dies werde auch
durch den Umstand belegt, dass die nasale Sonde durch die Mutter der
Beschwerdeführerin selbst, und zwar bei einem relativ geringen zeitlichen
Aufwand gesteckt werden könne, was unter dem entsprechenden
Behandlungspflegeaufwand angerechnet worden sei. Im Übrigen nenne auch Rz. 8010
KSIH im Bereich der alltäglichen Lebensverrichtung "Essen" die Sondenernährung,
weshalb auch aus dieser Sicht ohne weitere erschwerende Umstände nicht von
vornherein von einer besonders mühsamen Pflegeleistung ausgegangen werden
könne.

3.2.2. Was die Beschwerdeführerin gegen diese Würdigung vorbringt, verfängt
nicht und vermag keine Verletzung von Bundesrecht zu begründen. Allein der
Umstand, dass die Sondenernährung bei einem Kind, selbst bei einem solchen, das
an Mukoviszidose leidet, nicht üblich sei, reicht zur Begründung des
qualitativen Kriteriums nicht aus. Ebenso wenig kann entscheidend sein, dass im
Gegensatz zur gewöhnlichen Esshilfe mittels Verwendung der Sonde eine Art
künstliche Ernährung erfolgt. Selbst wenn mit diesem zusätzlichen Element,
seiner Anwendung und Kontrolle Erschwernisse einher gehen mögen, die den damit
befassten Betreuungspersonen entsprechende Sorgfalt abverlangen und einen
gewissen Mehraufwand bereiten, reicht dies für sich im Regelfall nicht aus:
Weshalb das (im Übrigen vom zeitlichen Umfang her als Behandlungspflege
berücksichtigte) Legen der Sonde in einer Weise anforderungsreich wäre, dass es
sich als geradezu besonders mühsam gestalten würde, wird in der Beschwerde
nicht näher begründet und lässt sich auch nicht erkennen. Insbesondere enthält
auch der vor Ort erstellte Abklärungsbericht keine Angaben in dieser Hinsicht.
Gleichermassen gilt dies hinsichtlich der offenbar vor jeder Substanzzufuhr zu
überprüfenden Lage der Sonde. Auch mit der Überwachung der richtigen
Körperhaltung beim Essensvorgang und den weiteren in der Beschwerde genannten
Vorkehren, nämlich mit der Kontrolle des gebotenen Tempos der Nahrungsaufnahme,
der Vermeidung der Luftzufuhr, der Nasenpflege und Spülung der Sonde verhält es
sich - worauf das BSV zu Recht verweist - nicht anders. Inwiefern sich all dies
im Fall der Beschwerdeführerin je einzeln oder gesamthaft betrachtet als
besonders mühsam gestalten würde, ist nicht auf Anhieb ersichtlich. Daran
ändert auch der letztinstanzlich neu aufgelegte, sich wesensgemäss in allgemein
gehaltenen Ausführungen erschöpfenden Internetausdruck (www.pflegewiki.de/ wiki
/Transnasale_Magensonde) nichts Grundlegendes, wobei dahin stehen mag, ob es
sich dabei um ein vom Novenverbot nicht erfasstes zulässiges Beweismittel
handelt (vgl. Urteil 8C_922/2010 vom 22. August 2011 E. 3.1 f.).

3.2.3.

3.2.3.1. Des weitern lehnte es die Vorinstanz ab, bei der Bemessung der
Hilflosigkeit den gemäss den Abklärungen vor Ort für die Ernährung mittels
Magensonden ermittelten zeitlichen Mehraufwand von täglich 100 Minuten
anzurechnen. Dies begründete sie damit, dass im Rahmen von Art. 37 Abs. 3 lit.
c IVV lediglich Hilfeleistungen zu berücksichtigen seien, die nicht bereits
durch die alltäglichen Lebensverrichtungen erfasst würden.

3.2.3.2. Wie bereits erwogen (vgl. E. 2.2.2), bezieht sich die Pflege im Sinne
des Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV nicht auf die alltäglichen Lebensverrichtungen,
sondern sie soll die aufgrund des beeinträchtigten Gesundheitszustandes
notwendige medizinische oder pflegerische Hilfeleistung erfassen. Angesprochen
wird damit der Bereich der Behandlungspflege. Diese gilt es - trotz fehlenden
klaren Hinweises im Verordnungswortlaut - auch im Rahmen des Art. 37 Abs. 3
lit. c IVV von der Grundpflege abzugrenzen, die ihrerseits bereits über den
Hilfebedarf in den allgemeinen Lebensverrichtungen erfasst wird. An dieser der
Praxis zugrunde liegenden Differenzierung orientiert sich namentlich auch der
im vorliegenden Fall erstellte Abklärungsbericht, der Verwaltung und Vorinstanz
als Entscheidungsgrundlage diente.

3.2.3.3. In dieser Hinsicht stellte die Vorinstanz gestützt auf die Erhebungen
der Abklärungsperson verbindlich fest, dass für die Beschwerdeführerin
verschiedene Massnahmen der "quasimedizinischen" Behandlungspflege erbracht
würden, unter anderem das Stecken der nasalen Sonde und die tägliche (teils
mittels Sonde erfolgende) Verabreichung der Medikamente, womit die dafür
aufgewendete Zeit, wie erwähnt, im Rahmen des quantitativen Kriteriums zur
Anrechnung gelangte. Davon grenzte sie die alltägliche Lebensverrichtung
"Essen", die unterstützend ebenfalls mittels der Magensonde ausgeführt werde,
unter Hinweis auf Rz. 8010 KSIH ab und liess den diesbezüglichen zeitlichen
Mehraufwand von 100 Minuten im Rahmen von Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV ausser
Acht.

3.2.3.4. Diese Ausscheidung entspricht dem durch Praxis und Rechtsprechung im
Rahmen von Art. 37 IVV befolgten Grundkonzept       (E. 2.2.2 und 3.2.3.2), das
im Wesentlichen gewährleisten soll, dass der bereits im Bereich der
alltäglichen Lebensverrichtungen über die Grundpflege erfasste Hilfebedarf
nicht unter dem Titel des Abs. 3 lit. b oder c ein weiteres Mal - gleichsam
doppelt - berücksichtigt wird. Eine Abkehr davon dergestalt, dass
beispielsweise pflegerischer Mehraufwand im Bereich der alltäglichen
Verrichtungen ab einem gewissen Umfang auch im Rahmen von Abs. 3 lit. c
beachtlich wäre, steht ausser Frage. Die Voraussetzungen einer Änderung der
betreffenden Rechtsprechung (BGE 142 V 87 E. 5.1 S. 91, 133 V 37          E.
5.3.3 S. 39 mit Hinweisen) liegen nicht vor, und eine solche wird auch gar
nicht gefordert.

3.2.3.5. Darüber hinaus lässt sich bundesrechtlich nicht beanstanden, wenn die
Sondenernährung, die ohne zusätzliche qualifizierende Umstände nicht schon von
sich aus als besonders aufwendig gilt (vgl. E. 3.2.2 hievor), über die
Anerkennung der Hilflosigkeit in der alltäglichen Verrichtung Essen erfasst
wird (Rz. 8010 KSIH: "Sondenernährung"). Dies liegt von der Sache her insofern
nahe, als es bei der fraglichen Vorkehr nicht bloss um einen sehr engen Bezug
zur betreffenden Lebensverrichtung geht, sondern um deren eigentlichen Vollzug.
Anders als beschwerdeweise vorgebracht, steht dem nicht entgegen, dass in
dieser Hinsicht ein erhöhtes pflegerisches Fachwissen erforderlich sein mag:
Zum einen wird zu Recht nicht behauptet, dass es dafür einer Pflegefachperson
bedürfte (Art. 49 KVV) oder eine solche vorliegendenfalls gar beteiligt wäre
(vgl. auch Rz. 8077 KSIH); anderseits wird der Zeitaufwand für das
unbestreitbar anforderungsreiche Anbringen der Sonde, wie mehrfach erwähnt,
sehr wohl unter dem Titel Behandlungspflege berücksichtigt (vgl. auch Rz. 8075
KSIH). Im Übrigen wird die Erfassung über die allgemeine Lebensverrichtung
ebenso wenig dadurch in Frage gestellt, dass Art. 7 Abs. 2 lit. b KLV nebst dem
Einführen von Sonden (Ziff. 5) unter anderem auch die enterale Verabreichung
von Nährlösungen (Ziff. 8) den "Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung"
zuordnet. Zwar mag sich die besonders aufwendige Pflege im Sinne des Art. 37
Abs. lit. c IVV weitestgehend mit den Krankenpflegeleistungen gemäss Art. 7
Abs. 2 lit. b und c KLV überschneiden, worauf das Bundesgericht in anderem
Zusammenhang schon verwiesen hat (vgl. Urteil 9C_886/2010 vom 10. Juni 2011 E.
4.4.4). Dennoch ergeben sich aus der Umschreibung der Leistungspflicht der
Krankenversicherer für Verrichtungen durch Pflegefachpersonal auf ärztliche
Anordnung hin (vgl. Art. 25 Abs. 2 und 25a KVG; Art. 33 lit. b KVV) für die
Auslegung und den Anwendungsbereichs des Art. 37 IVV keine zwingenden
Rückschlüsse. Gleiches gilt für die beschwerdeweise angerufene
Verwaltungspraxis zum Assistenzbeitrag (Art. 42quater ff. IVG; Art. 39a ff.
IVV), die dazu dient, die Leistungsbereiche der Krankenversicherung für die
ihrerseits anerkannten Leistungserbringer bzw. der IV im Rahmen der
medizinischen Massnahmen (Art. 13, 14 Abs. 1 IVG) abzugrenzen (vgl. Rz. 4109
und 4109.1 KSAB).

3.3. Nach dem Gesagten lässt sich bundesrechtlich nicht beanstanden, wenn
Verwaltung und Vorinstanz die Sondenernährung bzw. den dadurch verursachten
Mehraufwand unter dem Titel von Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV in Einklang mit der
bisherigen Praxis (vgl. Rz. 8010 KSIH) nicht berücksichtigt haben.

3.4. Demnach ergibt sich, dass Verwaltung und Vorinstanz einen Anspruch der
Beschwerdeführerin auf Hilflosenentschädigung gemäss Art. 37 Abs. 3 lit. c IVV
zu Recht verneinten, womit zugleich die Grundlage für einen
Intensivpflegezuschlag (Art. 42ter Abs. 3 IVG; Art. 36 Abs. 2 und Art. 39 IVV)
entfällt (SVR 2015 IV Nr. 6 S. 13, 9C_350/2014 E. 4.2.1). Denn es fehlt trotz
Sondenernährung an einem qualifizierenden Kriterium, sei es in qualitativer
oder in quantitativer Hinsicht. Damit erübrigen sich Weiterungen zu den
vorinstanzlich geäusserten Zweifeln, ob im vorliegenden Fall überhaupt von
einer dauernden Hilflosigkeit auszugehen ist. Bei einem zu anerkennenden
täglichen Pflegeaufwand von 188 Minuten muss auch nicht mehr erwogen werden
(vgl. E. 2.2.3), wie es sich mit dem geltend gemachten weiteren Aufwand von 45
Minuten verhält, der für die Essenszubereitung (20 Minuten) und Motivation zur
Nahrungsaufnahme (25 Minuten) anfällt.

4. 
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Januar 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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