Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.651/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_651/2016

Urteil vom 15. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Ursprung, Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rudolf Strehler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Beschleunigungsmechanismus; Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 10. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1992 geborene A.________ war als Lernende der B.________ bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 2. Oktober 2010 erlitt sie als Mitfahrerin auf dem Rücksitz
eines Personenwagens einen Unfall, indem ein nachfolgendes Auto auffuhr und das
von ihr benutzte Fahrzeug in das Heck des vorderen, stillstehenden
Personenwagens geschoben wurde. Der tags darauf aufgesuchte Dr. med.
C.________, Allgemeine Medizin FMH, stellte bei Vorliegen von Schwindel, Nausea
und Nackenschmerzen eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) fest. Eine
nachfolgend wegen persistierender Beschwerden durchgeführte Abklärung im Spital
D.________ ergab am 8. Oktober 2010 ein HWS-Distorsionstrauma ohne ossäre
Läsionen. Die SUVA übernahm die Heilbehandlungskosten und leistete ein Taggeld.
Im Mai/Juni 2011 absolvierte A.________ erfolgreich die Lehrabschlussprüfungen
und nahm eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 75 % bei der bisherigen
Arbeitgeberin auf. Die SUVA erbrachte weiterhin die vorübergehenden Leistungen.
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis auf den 31. August 2012 wegen
zu geringer Leistungsfähigkeit. A.________ begann daraufhin am 24. September
2012 eine Praktikumstätigkeit im Umfang von 50 % in der Kreditorenbuchhaltung
bei der E.________ AG. Vom 15. Januar 2013 bis 31. März 2015 absolvierte
A.________ eine von der Invalidenversicherung finanzierte berufsbegleitende
Ausbildung zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen/Treuhand.
Die SUVA stellte ihre Leistungen auf den 31. Januar 2014 ein mit der
Begründung, die noch geklagten Beschwerden seien organisch nicht hinreichend
nachweisbar und die adäquate Unfallkausalität sei zu verneinen. Daran hielt sie
mit Einspracheentscheid vom 18. März 2014 fest.

B. 
In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen den Einspracheentscheid vom 18. März 2014 auf und
verpflichtete die SUVA, der Versicherten über den 31. Januar 2014 hinaus die
gesetzlichen Leistungen zu erbringen (Entscheid vom 10. August 2016).

C. 
Die SUVA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. A.________ lässt auf
Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet
auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Umstritten ist in diesem Verfahren, ob auch nach dem 31. Januar 2014 ein
natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 2. Oktober
2010 und den weiterhin geklagten Beschwerden nach dem erlittenen
HWS-Schleudertrauma bestehen.

2.1. Der Unfallversicherer haftet für einen Gesundheitsschaden nur insoweit,
als dieser in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum
versicherten Ereignis steht (BGE 129 V 177 E. 3 S. 181). Dabei spielt die
Adäquanz als rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen
Kausalzusammenhang ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich
organisch objektiv ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich
hier die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (BGE 134 V
109 E. 2 S. 111 f.; 127 V 102 E. 5b/bb S. 103).

2.2. Das Vorliegen eines natürlichen Kausalzusammenhanges ist eine Tatfrage und
muss daher mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden (BGE 119 V 335 E. 1 S.
338). Dasselbe gilt für den vom Unfallversicherer zu beweisenden Wegfall des
Kausalzusammenhanges (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 E. 2). Während bei der Frage,
ob ein Kausalzusammenhang überhaupt jemals gegeben ist, die versicherte Person
beweisbelastet ist, trägt die Unfallversicherung die Beweislast für einen
behaupteten Wegfall der Kausalität aufgrund des Erreichens des Zustands, wie er
vor dem Unfall bestand oder sich ohne diesen ergeben hätte (Status quo sine vel
ante; RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, U 355/98 E. 2; 1994 Nr. U 206 S. 326, U 180/
93; Urteil 8C_570/2014 vom 9. März 2015 E. 6.2). Allerdings tragen die Parteien
im Sozialversicherungsprozess in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im
Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die
aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese
Beweisregel greift erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen
des im Verwaltungsverfahren wie auch im kantonalen Sozialversicherungsprozess
geltenden Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen
Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat,
der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221; 117 V 261 E. 3b S.
264).

3.

3.1. Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, das unmittelbar nach dem Unfall
aufgetretene Beschwerdebild sei natürlich kausale Unfallfolge des erlittenen
Schleudertraumas der HWS. Da die Eingliederungsmassnahme der
Invalidenversicherung (Ausbildung zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen und
Treuhand) im Zeitpunkt der Einstellung der vorübergehenden Leistungen noch
nicht abgeschossen gewesen sei, seien der Anspruch auf eine Invalidenrente und
auf eine Integritätsentschädigung zu früh geprüft worden. Zudem sei gestützt
auf die Darlegungen der Frau Dr. med. F.________, Oberärztin Palliativzentrum
Spital G.________, und des Dr. H.________, Chiropraktor, zum Zeitpunkt des
Einspracheentscheids noch von einer namhaften Besserung der somatischen
Beschwerden auszugehen gewesen, weshalb nicht ohne weitere Abklärungen in Form
eines ärztlichen Gutachtens oder eines ausführlichen ärztlichen Berichts mit
persönlicher Untersuchung auf die kreisärztliche Stellungnahme des Dr. med.
I.________ vom 4. Dezember 2013 hätte abgestellt werden dürfen. Die SUVA sei
daher in unzulässiger Weise von einem Behandlungsabschluss ausgegangen. Selbst
bei korrekter Einstellung der vorübergehenden Leistungen (Heilbehandlung und
Taggeld) seien bei dem als mittelschwer zu qualifizierenden Unfallereignis fünf
Adäquanzkriterien erfüllt (Schwere bzw. besondere Art der erlittenen
Verletzung, fortgesetzte spezifische, belastende ärztliche Behandlung,
schwieriger Heilungsverlauf, erhebliche Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener
Anstrengungen, erhebliche Beschwerden), weshalb die adäquate Unfallkausalität
auch über den 31. Januar 2014 hinaus gegeben sei und damit eine weiterhin
andauernde Leistungspflicht der SUVA.

3.2. Die SUVA wendet dagegen in medizinischer Hinsicht ein, gestützt auf die
kreisärztliche Kurzbeurteilung und die übrige Aktenlage sei eine namhafte
gesundheitliche Besserung im Zeitpunkt des Fallabschlusses nicht zu erwarten
gewesen, nachdem weitere Behandlungsmassnahmen (Infiltration, Physiotherapie,
MTT, medikamentöse Behandlung, psychiatrische Betreuung) zu keiner wesentlichen
gesundheitlichen Verbesserung geführt hätten und keine volle Arbeitsfähigkeit
habe erreicht werden können. Es sei von keiner weiteren Behandlung eine solche
Verbesserung mit einer ins Gewicht fallenden Steigerung der Arbeitsfähigkeit
mehr zu erwarten gewesen. So habe auch Frau Dr. med. F.________ im Bericht vom
18. Dezember 2013 bestätigt, dass die vergangenen Behandlungen zu keiner
wesentlichen gesundheitlichen Verbesserung geführt hätten. Dem Bericht des Dr.
H.________ vom 28. Januar 2014 könne zwar entnommen werden, dass sich nach
sechsmaliger chiropraktischer Behandlung die massiv erhöhte
Schmerzempfindlichkeit der Wirbelsäule verbessert habe, weshalb der
Chiropraktor um Kostengutsprache für eine Manipulation des oberen Kopfgelenks
der HWS unter Anästhesie gebeten habe. Eine namhafte, dauerhafte Erhöhung der
Arbeitsfähigkeit liesse sich daraus aber nicht schliessen. Vielmehr sei nach
einhelliger ärztlicher Auffassung von einem chronifizierten zervikozephalen
Schmerzsyndrom auszugehen, was eine nachhaltige Besserung mittels weiterer
Massnahmen ausschliesse.

4.

4.1. Der Einwand ist begründet. Massgeblich ist, ob von einer Fortsetzung der
ärztlichen Behandlung eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes erwartet
werden konnte. Die Verwendung des Begriffs "namhaft" in Art. 19 UVG
verdeutlicht, dass die durch (zweckmässige) Heilbehandlung im Sinne von Art. 10
Abs. 1 UVG erhoffte Besserung ins Gewicht fallen muss (BGE 134 V 109 E. 4.3 S.
115). Nach der Rechtsprechung ist die Frage der namhaften Besserung des
Gesundheitszustands prospektiv bezogen auf den Zeitpunkt der
Leistungseinstellung zu prüfen (Urteil 8C_58/2010 vom 28. Juni E. 2.2 und U 244
/04 E. 3.1 mit Hinweisen, publ. in: RKUV 2005 Nr. U 557 S. 388). Grundlage für
die Beurteilung dieser Rechtsfrage bilden in erster Linie die ärztlichen
Auskünfte zu den therapeutischen Möglichkeiten und der Krankheitsentwicklung,
die in der Regel unter dem Begriff Prognose erfasst werden.

4.2. Den medizinischen Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die ergänzenden
Behandlungsmassnahmen eine solche Besserung erwarten liessen. Frau Dr. med.
F.________ gab am 16. Dezember 2013 an, sie sehe die Versicherte alle zwei bis
drei Monate im Rahmen der chronischen Schmerzsprechstunde, wo Coping- und
Pacing- sowie medikamentöse Massnahmen evaluiert und diskutiert würden. Sie
hoffe auf eine Stabilisierung des Beschwerdebildes auf niedrigem Niveau.
Zutreffend ist auch, dass der Chiropraktor Dr. H.________ im Januar 2014 von
einer Verbesserung der Empfindlichkeit der gesamten Wirbelsäule nach
sechsmaliger chiropraktischer Behandlung sprach und eine Mobilisation des
oberen Kopfgelenks unter Anästhesie plante. Mit Bericht vom 1. November 2016
bestätigte der Chiropraktor Dr. K.________, eine viermalige Mobilisation unter
Narkose, wobei es objektiv zu einer Steigerung der Mobilität der HWS sowie zu
einer veränderten Druckdolenz im HWS-Bereich gekommen sei. Soweit dieses
Dokument als Novum überhaupt zulässig ist (Art. 99 Abs. 1 BGG), ergibt sich
hieraus keine zu erwartende namhafte Verbesserung der gesundheitlichen
Verhältnisse mit einer Steigerung der Arbeitsfähigkeit im Sinne der
Rechtsprechung, die den in Art. 19 Abs. 1 UVG vorgesehenen Fallabschluss (in
Bezug auf vorübergehende Leistungen) zu verhindern vermöchte. Die
Einschätzungen in den früheren medizinischen Berichten stützten sodann die
Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. I.________ vom 4. Dezember 2013, der von
einem medizinischen Endzustand ausging. Das Spital G.________, das die
Versicherte zur Schmerzsprechstunde aufsuchte, berichtete am 15. Dezember 2011
von einem chronifizierten Schmerzsyndrom im Bereich der zervikaIen Wirbelsäule,
ebenso hielt der Hausarzt Dr. med. L.________, am 27. Juni 2012 ein konstantes
Schmerzsyndrom fest. Eine psychiatrische Diagnose stellte die behandelnde
Psychiaterin Frau Dr. med. M.________, am 14. August 2013 nicht mehr,
bestätigte aber die belastungsabhängige Schmerzproblematik. Unter diesen
Umständen lässt sich aus den Aussagen des Chiropraktors Dr. H.________ und der
Frau Dr. med. F.________ nicht darauf schliessen, durch weitere ärztliche
Massnahmen liesse sich noch eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit erreichen. Es
liegt demgemäss keine medizinische Stellungnahme vor, der sich - bezogen auf
den Zeitpunkt der Leistungseinstellung (31. Januar 2014) - die Prognose einer
zu erwartenden gesundheitlichen Besserung mit der Folge einer erheblichen
Steigerung der Arbeitsfähigkeit entnehmen liesse. Da die Frage der ins Gewicht
fallenden gesundheitlichen Verbesserung durch weitere ärztliche Massnahmen, wie
erwähnt, prospektiv bezogen auf den Zeitpunkt der Leistungseinstellung zu
prüfen ist, ergäbe sich aus dem novenrechtlich ohnehin unzulässigen (Art. 99
Abs. 1 BGG) Hinweis der Beschwerdegegnerin, sie habe per 1. August 2014 wegen
sehr guter Arbeitsleistungen im Rahmen des 50%igen Pensums eine Lohnerhöhung
erhalten und ab 1. Februar 2015 ihr Arbeitspensum von 50 auf 80 % steigern
können, nichts zu ihren Gunsten. Das gleiche gilt für die Angabe in der
Vernehmlassung, sie lasse sich ab 23. Oktober 2015 nebenberuflich zur Eidg.
Fachfrau Rechnungswesen und Finanzen mit einer zeitlichen Belastung von ca. 20
% ausbilden.

4.3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war eine Einstellung der
vorübergehenden Leistungen seitens des Unfallversicherers auch nicht deswegen
unzulässig, weil eine am 15. Januar 2013 begonnene berufliche Massnahme im
Zeitpunkt des Fallabschlusses am 31. Januar 2014 noch nicht abgeschlossen war.
Rechtsprechungsgemäss kann sich der in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 UVG vorbehaltene
Abschluss allfälliger Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung,
soweit es um berufliche Massnahmen geht, nur auf Vorkehren beziehen, die
geeignet sind, den der Invalidenrente der Unfallversicherung zugrunde zu
legenden Invaliditätsgrad zu beeinflussen (RKUV 2004 Nr. U 508 S. 165 E. 5.2.2,
U 105/03; Urteil 8C_892/2015 vom 29. April 2016 E. 4). Ist der noch vorliegende
Gesundheitsschaden jedoch nicht unfallkausal, vermag der Umstand der noch
laufenden beruflichen Massnahme den Fallabschluss in der Unfallversicherung
nicht zu verhindern (SVR 2009 UV Nr. 39 S. 134 E. 3, 8C_304/2008; Urteile
8C_588/2013 vom 16. Januar 2014 E. 3.4 und 8C_205/2013 vom 5. September 2013 E.
3.2.4, je mit weiteren Hinweisen). Der Adäquanzbeurteilung stand demnach die zu
diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene Ausbildung zur Sachbearbeiterin
Rechnungswesen/Treuhand nicht im Wege.

5.

5.1. Ein weiterer Leistungsanspruch bestünde nur dann, wenn die noch geklagten
Beschwerden adäquat kausal zum Unfall vom 2. Oktober 2010 wären.
Unbestrittenermassen hat die Adäquanzbeurteilung aufgrund der erlittenen
Verletzung nach der Schleudertrauma-Rechtsprechung (BGE 117 V 359; 134 V 109)
zu erfolgen, nachdem keine organisch ausgewiesenen Unfallfolgen vorliegen und
keine psychische Überlagerung aktenkundig ist.

5.2. Für die Adäquanzbeurteilung ist an das (objektiv erfassbare)
Unfallereignis anzuknüpfen, wobei zwischen banalen bzw. leichten Unfällen
einerseits, schweren Unfällen anderseits und schliesslich dem dazwischen
liegenden mittleren Bereich unterschieden wird (BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126).
Massgebend für die Beurteilung der Unfallschwere ist der augenfällige
Geschehensablauf mit den sich dabei entwickelnden Kräften (BGE 134 V 109 E.
10.1 S. 126; SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07; SZS 2008 S. 183, U 503/05).

5.3. Den Unfallakten ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin als
Mitfahrerin auf dem Rücksitz im Personenwagen der Marke Saab auf einer
Hauptstrasse bis zum Stillstand abbremsen musste, weil ein sich weiter vorne
befindender Personenwagen nach links abbiegen wollte und seine Fahrt
dementsprechend verlangsamte. Der hinter dem Saab folgende Personenwagen der
Marke Honda konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und prallte in das Heck des
stillstehenden Saabs. Dieser wurde durch den Heckaufprall in das Heck des vor
ihm stehenden Autos der Marke Hyundai geschoben. Eine Mitfahrerin des Hondas
erlitt ein Schleudertrauma, die weiteren Unfallbeteiligten blieben gemäss
Unfallprotokoll der Kantonspolizei Thurgau vom 1. November 2010 unverletzt.

5.4. Entgegen der vorinstanzlichen Annahme werden einfache Auffahrkollisionen
auf ein (haltendes) Fahrzeug als mittelschwere, im Grenzbereich zu den leichten
Unfällen liegende Ereignisse qualifiziert. Es bestehen keine Umstände, die zu
einer anderen Beurteilung Anlass geben würden. Dies gilt auch bei der erfolgten
Doppelkollision, indem das Fahrzeug mit der Versicherten, durch den
Heckaufprall in den vor ihr stehenden Wagen geschoben wurde (SVR 2009 UV Nr. 39
S. 134, 8C_304/2008; Urteile 8C_906/2011 vom 6. Juni 2012, 8C_580/2010 vom 30.
August 2010 E. 5.2.2, 8C_252/2007 vom 16. Mai 2008 E. 6.1 f. mit weiteren
Hinweisen). Der Unfallhergang ist nicht mit dem vom kantonalen Gericht
aufgeführten Ereignis gemäss Urteil U 257/99 vom 14. April 2000 zu vergleichen,
bei dem ein Lenker eines Personenwagens frontal mit einem unvermittelt von
links seine Fahrbahn überquerenden Auto zusammenprallte, was als mittelschwerer
Unfall eingestuft wurde. Ebenso wenig rechtfertigt der vorinstanzliche Hinweis
auf das Urteil U 497/06 (recte: 297/06) vom 24. August 2007 E. 4.2 ein
Abweichen von der praxisgemässen Einordnung des Unfallgeschehens. Dort waren
zwei Auffahrkollisionen zu beurteilen, die, ebenfalls wie hier, nicht als
mittelschwere Ereignisse im engeren Sinne qualifiziert wurden. Überdies wurde
in diesem Urteil nicht zwischen dem eigentlichen Unfallgeschehen und den davon
zu trennenden Faktoren unterschieden, indem die Verletzungen der versicherten
Person bereits in die Beurteilung der Unfallschwere einflossen (vgl. die
diesbezügliche Rechtsprechungsbereinigung in SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26 E. 5.3.1,
U 2/07).

5.5. Damit die Adäquanz bejaht werden könnte, müsste von den in die Beurteilung
einzubeziehenden Kriterien somit entweder ein einzelnes in besonders
ausgeprägter Form erfüllt sein oder hätten mehrere in gehäufter Form
vorzuliegen (BGE 134 V 109 E. 10.1 S. 126 f.; 117 V 359 E. 6a S. 367 und 369 E.
4c S. 383). Letzteres trifft bei einem Unfall im Grenzbereich zu den leichten
Ereignissen zu, wenn mindestens vier der Kriterien gegeben sind (SVR 2010 UV
Nr. 25 S. 100, Urteil 8C_897/2009).

5.6. Das kantonale Gericht erachtete fünf der sieben Adäquanzkriterien (die
Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen; fortgesetzt
spezifische, belastende ärztliche Behandlung; erhebliche Beschwerden;
schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen; erhebliche
Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen) als erfüllt. Die
Versicherte geht davon aus, dass dabei die Kriterien der fortgesetzt
spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung, der erheblichen Beschwerden
sowie der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen als
in besonders ausgeprägter Weise erfüllt sind. Die Beschwerde führende SUVA
hingegen sieht keines der Kriterien als erfüllt an.

5.7.

5.7.1. Der Auffahrunfall vom 2. Oktober 2010 ereignete sich unstreitig weder
unter besonders dramatischen Begleitumständen, noch zeichnete er sich durch
eine besondere Eindrücklichkeit aus. Ebenso wenig liegt eine ärztliche
Fehlbehandlung vor.

5.7.2. Der hinsichtlich des Kriteriums der Schwere oder besonderen Art der
erlittenen Verletzungen erwähnte Umstand, die Versicherte habe im Zeitpunkt der
Kollision eine besondere Körperhaltung eingenommen, ist wenig nachvollziehbar.
Aufgrund der initialen Angaben ist nicht erstellt, dass sie sich nach der
Vollbremsung mit dem Oberkörper nach vorne und nach links gedreht hatte, um
zwischen den beiden Vordersitzen hindurch nach vorne schauen zu können. Selbst
wenn gemäss Dokumentationsbogen des Dr. med. C.________ vom 3. Oktober 2010 von
einer rotierten Kopfstellung auszugehen wäre, führte dies nicht zur Bejahung
dieses Kriteriums. Praxisgemäss (BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S. 128 mit Hinweisen)
bedarf es hierzu zusätzlicher Komplikationen, welche gerade durch die beim
Unfall eingenommene besondere Körperhaltung verursacht wurden. Den Akten sind
jedoch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin
spezifische Komplikationen erlitt, welche durch die geltend gemachte abgedrehte
Kopfhaltung verursacht wurden und über das bei Distorsionen der HWS typische
Beschwerdebild (BGE 134 V 109 E. 6.2.1 S. 116) hinausgehen. Sodann hat sie sich
neben dem Schleudertrauma keine erheblichen Verletzungen zugezogen, die
gegebenenfalls die Bejahung des Kriteriums gestatten könnten (vgl. zum Ganzen:
BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S. 127 f. mit Hinweisen).

5.7.3. In Bezug auf das Kriterium der fortgesetzt spezifischen, belastenden
ärztlichen Behandlung verwies die Vorinstanz auf die vierjährige
Behandlungsdauer mit Physiotherapie, medizinischer Trainingstherapie (MTT),
psychologischen Sitzungen und einem stationären Rehabilitationsaufenthalt im
März 2012. Zusätzlich führte sie Injektionen an der HWS sowie Manipulationen
derselben unter Anästhesie auf. Mit Blick auf die Dauer, Intensität und die Art
der Behandlungen in Kombination mit der teilzeitlichen Berufstätigkeit
(Lehrabschluss, Praktikum bei neuer Arbeitgeberin sowie die berufliche
Massnahme der Invalidenversicherung) sei das Kriterium erfüllt. Die zeitliche
Inanspruchnahme durch zielgerichtete Behandlungen lässt sich zwar teilweise als
belastend bezeichnen. Diese ist aber insgesamt nicht als derart intensiv zu
werten, dass deswegen von einer erheblichen - im Sinne einer sich allein daraus
ergebenden zusätzlichen - Mehrbelastung aussergewöhnlicher Natur gesprochen
werden könnte. Dies genügt jedenfalls nicht zur Bejahung der besonders
ausgeprägten Weise, wobei die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hinweist, dass
in diesem Zusammenhang die berufliche Belastung nicht und die
Schmerzexazerbation nach den Injektionen an der HWS beim Kriterium des
schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen Komplikationen zu
berücksichtigen ist.

5.7.4. Das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener
Anstrengungen ist nicht erfüllt. Wohl ist der Einsatz, den die Versicherte
gezeigt hat, anerkennenswert. Sie konnte jedoch ihre Berufslehre im Sommer 2011
beenden und anschliessend ein Jahr im Umfang von 75 % tätig sein, um danach
halbtags ein Praktikum zu absolvieren und daneben am 15. Januar 2013 die
Ausbildung zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen/Treuhand zu beginnen. Mit Blick
darauf, dass sie von ärztlicher Seite fast durchwegs als zumindest hälftig
leistungsfähig eingeschätzt wurde - und auch war - sowie über einen längeren
Zeitraum zu 75 % arbeitsfähig erachtet wurde, fehlt es an der notwendigen
Erheblichkeit der Arbeitsunfähigkeit. Dass sie vermehrt Ruhe- und
Erholungsphasen in Anspruch nehmen musste, rechtfertigt ebenso wenig ein
anderes Ergebnis wie der Umstand, dass ihr bei Klinikaustritt nach der
Facettengelenksinfiltration vom 28. September bis 7. Oktober 2012 eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert worden war, sie jedoch bereits am 1.
Oktober 2012 wieder die Praktikumstätigkeit aufnahm.

5.7.5. Es liegen auch kein schwieriger Heilungsverlauf oder erhebliche
Komplikationen im Sinne des entsprechenden Kriteriums vor. Die gesundheitliche
Entwicklung nach dem Unfall unterscheidet sich nicht wesentlich von dem bei
derartigen Verletzungen Üblichen. Selbst wenn in der Schmerzexazerbation nach
der Facettengelenksinfiltration bei den Halswirbelkörpern 1 und 2 ein
besonderer Grund gesehen würde, welcher die Heilung beeinträchtigte (vgl. SVR
2007 UV Nr. 25 S. 81 E. 8.5, U 479/05; Urteil 8C_9/2008 vom 17. September 2008
E. 6.1.4), konnte die Beschwerdegegnerin ihr gewohntes Arbeitspensum wenige
Tage nach der fehlgeschlagenen Intervention wieder aufnehmen. Eine besondere
Ausprägung dieses Kriteriums ist damit jedenfalls zu verneinen.

5.7.6. Sodann übertreffen die aufgetretenen Schmerzen und die Beeinträchtigung,
welche die Versicherte dadurch im Lebensalltag erfahren hat, das bei derartigen
Verletzungen Übliche nicht in einem Masse, dass das Kriterium der erheblichen
Beschwerden als in besonders ausgeprägter Weise erfüllt erscheint.

5.7.7. Demnach liegt keines der massgeblichen Kriterien in besonders
ausgeprägter Form vor, und es könnten - wenn überhaupt - höchstens drei davon
in einfacher Form bejaht werden. Fehlt es nach Gesagtem am adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Beschwerden,
hat die SUVA ihre weitere Leistungspflicht zu Recht abgelehnt.

6. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 10. August 2016 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom
18. März 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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