Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.648/2016
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2016


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]             
8C_648/2016    {T 0/2}     

Urteil vom 19. Dezember 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine,
Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Vonesch,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 10. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1976, war seit 14. März 1994 bei der B.________ AG
angestellt und in dieser Eigenschaft gegen die Folgen von Unfällen bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versichert. Am 28. September
2013 wurde er Opfer eines tätlichen Angriffs und erlitt eine Commotio cerebri,
eine Rissquetschwunde sowie mehrere Frakturen im Gesichtsbereich
(Austrittsbericht des Spitals C.________ vom 10. Oktober 2013). Die SUVA
erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2014,
bestätigt mit Einspracheentscheid vom 23. Februar 2015, stellte die SUVA ihre
Leistungen unter Verneinung der Adäquanz für die noch geklagten Beschwerden per
31. Oktober 2014 ein. Nachdem das Versicherungsgericht des Kantons Aargau am
28. Oktober 2015 die dagegen erhobene Beschwerde vom 25. März 2015 gutgeheissen
und den Einspracheentscheid vom 23. Februar 2015 aufgehoben hatte, wies das
Bundesgericht mit Urteil 8C_892/2015 vom 29. April 2016 die Sache unter
Aufhebung des kantonalen Entscheids an die Vorinstanz zur Neubeurteilung
zurück.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies am 10. August 2016 die
Beschwerde vom 25. März 2015 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid, der Einspracheentscheid
vom 23. Februar 2015 sowie die Verfügung vom 15. Oktober 2014 aufzuheben. Zudem
stellt er zahlreiche Leistungsbegehren. Eventualiter sei die Sache an die
Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen; subeventualiter sei die
Vorinstanz vom Bundesgericht anzuweisen, im Sinne der gestellten Anträge zu
entscheiden. Zudem sei ein doppelter Schriftenwechsel vorzunehmen. Schliesslich
ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

1.3. Von der Durchführung des beantragten zweiten Schriftenwechsels ist
abzusehen, da keine Vernehmlassung der SUVA eingeholt wurde, so dass weder
prozessual zulässige, für den Verfahrensausgang wesentliche neue Aspekte, zu
denen der Versicherte vor der Entscheidfällung angehört werden müsste,
vorliegen, noch dient ein zweiter Schriftenwechsel dazu, Anträge und Rügen
vorzubringen, die bereits in der Beschwerde selbst hätten gestellt oder
vorgebracht werden können und müssen (Art. 102 BGG; vgl. Urteil 8C_117/2014 vom
3. Juli 2014 E. 2 mit Hinweis).

2. 
Streitig ist der Leistungsanspruch nach dem 31. Oktober 2014.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis), insbesondere bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfällen (BGE
115 V 133) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Umschreibung der
Objektivierbarkeit von Beschwerden (BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251), den Zeitpunkt
des Fallabschlusses (BGE 134 V 109 E. 4 S. 113; Urteil 8C_892/2015 vom 29.
April 2016 E. 4) und die allgemeinen beweisrechtlichen Anforderungen an einen
ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352),
speziell bei versicherungsinternen Ärzten (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469) sowie
bei Aktengutachten (SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63 E. 7.2, 8C_239/2008). Darauf wird
verwiesen.

4. 
Die Vorinstanz hat in E. 3 ihres Entscheids die massgebenden Berichte
zutreffend wiedergegeben. Darauf wird ebenfalls verwiesen.

5. 
Der Versicherte rügt verschiedentlich eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör, da die Vorinstanz sich unzureichend mit seinen Vorbringen
und den ärztlichen Einschätzungen auseinandergesetzt oder ihre
Schlussfolgerungen ungenügend begründet habe.

5.1. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die
Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch
tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus
folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es
nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr
kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die
Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite
des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die
höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die
Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und
auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188, 229 E. 5.2 S.
236).

5.2. Die Vorinstanz berücksichtigt alle wesentlichen ärztlichen Berichte, nennt
jene, welche sie ihrem Entscheid zugrunde legt, und begründet ihre
Schlussfolgerungen in hinreichender Weise. Namentlich verletzt auch der
Verzicht auf den Beizug der Akten der Invalidenversicherung resp. des
Strafverfahrens weder Art. 29 Abs. 2 BV noch Art. 43 ATSG. Wie sich aus dem
Urteil 8C_892/2015 vom 29. April 2016 ergibt, stellen sich hier spezifisch
unfallversicherungsrechtliche Fragen, die gestützt auf die Akten der SUVA zu
entscheiden sind; dass allenfalls aus invalidenversicherungsrechtlicher Sicht
die Dinge anders liegen, ändert nichts daran. Gleiches gilt für den Beizug der
Strafakten, zumal die SUVA für ihre Belange mit dem Polizeibericht vom 29.
Oktober 2013 und dem Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27.
Februar 2014 hinreichend dokumentiert ist.

6.

6.1. Die Ausführungen des Versicherten zum verfrühten Fallabschluss erfolgen in
Ausserachtlassung des in seiner Sache ergangenen Urteils 8C_892/2015 vom 29.
April 2016. Darin hat das Bundesgericht festgehalten, dass in casu nur dann ein
verfrühter Fallabschluss vorliegt, wenn die Beschwerden, welche die
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung auslösten, auch unfallkausal
sind. Das Bundesgericht hat deshalb die Sache zur Prüfung der Adäquanz an die
Vorinstanz zurückgewiesen. Insofern stossen die Einwände gegen die Vornahme der
Adäquanzprüfung ins Leere.

6.2. Weiter rügt der Versicherte, gemäss Dr. med. D.________, Facharzt für
Neurologie, liege eine Contusio cerebri und nicht bloss eine Commotio cerebri
vor. Dem kann nicht gefolgt werden: Einerseits ergeben sich aus dessen Bericht
vom 26. November 2013 nur Verdachtsmomente und Dr. med. D.________ erwähnt
nicht explizit eine Contusio cerebri, sondern hält es für möglich, dass die
psychiatrische Vorerkrankung mit der neuropsychologischen Untersuchung
interferiere. Am 2. Dezember 2013 hält er fest, eine Contusio cerebri sei nicht
definitiv auszuschliessen. Auch das auf sein Anraten hin durchgeführte MRI vom
2. Dezember 2013 erhärtete seinen Verdacht nicht, woran auch die anonymen
handschriftlichen Anmerkungen nichts ändern. Andererseits diagnostizierte das
Spital C.________, wo der Versicherte vom 28. September bis 4. Oktober 2013
interdisziplinär abgeklärt und behandelt wurde (vgl. Austrittsbericht vom 10.
Oktober 2013), eine Commotio cerebri. Im Austrittsbericht der Klinik E.________
vom 10. April 2014, wo er sich vom 29. Januar bis 9. April 2014 stationär
aufhielt, wird zwar eine "wahrscheinlich leichte traumatische Hirnverletzung"
erwähnt und alleine mit der kurzen Bewusstlosigkeit begründet; angesichts des
durch das erstbehandelnde Spital F.________ erstellten Status ist damit aber
nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE
138 V 218 E. 6 S. 221; vgl. auch SVR 2011 UV Nr. 11 S. 39 E. 10, 8C_693/2010)
eine Contusio cerebri nachgewiesen.

Ebenfalls unbehelflich ist der Einwand, gestützt auf das neuropsychologische
Gutachten der Frau Dr. phil. G.________ vom 26. November 2014 sei ein
objektivierbarer Gesundheitsschaden ausgewiesen. Nach der Rechtsprechung müssen
Untersuchungsergebnisse reproduzierbar und von den Angaben des Patienten wie
des Untersuchenden unabhängig sein, um als objektiviert zu gelten (BGE 138 V
248 E. 5.1 S. 251). Dies trifft auf die neuropsychologischen
Untersuchungsergebnisse nicht zu, hängen diese doch massgeblich von den Angaben
der versicherten Person ab. Deshalb können die darauf gestützten Diagnosen
nicht als objektivierte Gesundheitsstörungen qualifiziert werden (vgl. Urteil
8C_123/2016 vom 12. April 2016 E. 4 mit Hinweis).
Da somit keine Contusio cerebri oder ein objektivierbares anderes Leiden
erstellt ist, hat die Vorinstanz zu Recht die Adäquanz nach der Rechtsprechung
von BGE 115 V 133 geprüft.

6.3. Soweit der Versicherte geltend macht, die Kriterien seien als erfüllt zu
betrachten, übersieht er, dass im Rahmen der Adäquanzprüfung nach BGE 115 V 133
nur die objektiv ausgewiesenen organischen Beschwerden und deren Folgen
berücksichtigt werden. Die vorinstanzliche Prüfung der massgeblichen Kriterien
und die darauf gestützte Verneinung der Adäquanz ist daher nicht zu
beanstanden.

6.4. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht die Leistungseinstellung per
31. Oktober 2014 bestätigt und mangels Adäquanz eine Integritätsentschädigung
für organisch nicht ausgewiesene Beschwerden verneint. Ebenfalls richtig ist
die verweigerte Integritätsentschädigung bezüglich der Augen. Denn der
behandelnde Arzt hält fest, der Zustand der Augen sei zwar noch
besserungsfähig, doch schränkten die nur bei starker Blickdrehung nach rechts
auftretenden Doppelbilder das subjektive Befinden des Versicherten nicht ein
und das posttraumatische Akkomodationsdefizit könne mit einer Arbeitslesebrille
problemlos behoben werden (Bericht des Dr. med. H.________, Facharzt für
Ophthalmologie, vom 9. September 2014). Dr. med. I.________, Facharzt für
Ophthalmologie, Kreisarzt der SUVA, weist in diesem Zusammenhang am 26.
September 2014 auch zutreffenderweise darauf hin, dass seitens der Augen keine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit besteht.

7. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 BGG, d.h. ohne Schriftenwechsel und mit summarischer
Begründung, erledigt.

8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerde ist aussichtslos, weshalb die Voraussetzungen zur Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 BGG) nicht erfüllt sind und das
entsprechende Gesuch des Versicherten abzuweisen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Dezember 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben