Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.636/2016
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     

{T 0/2}            
8C_636/2016

Urteil vom 16. November 2016

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Gysler,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Kausalzusammenhang; Arbeitsunfähigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 4. August 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1989 geborene A.________ war Bauarbeiter bei der B.________ AG und damit
bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch
unfallversichert. Am 21. Februar 2013 fiel er von einer Leiter und verletzte
sich an der linken Schulter. Die SUVA kam für die Heilbehandlung und das
Taggeld auf. Am 7. November 2013 wurde der Versicherte im Spital C.________ an
der Schulter links operiert (Arthroskopie, AC-Resektion arthroskopisch). Am 26.
November 2014 verfügte die SUVA die Leistungseinstellung per 30. November 2014,
da keine Unfallfolgen mehr vorgelegen hätten. Dagegen erhoben der Versicherte
und sein Krankenversicherer Einsprache. Letzterer zog sie in der Folge zurück.
Die Einsprache des Versicherten wies die SUVA mit Entscheid vom 10. April 2015
ab.

B. 
Hiegegen führte der Versicherte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Beschwerde. Er reichte einen Bericht des Dr. med. D.________,
Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 28. April 2015 ein. Mit
Entscheid vom 4. August 2016 wies das kantonale Gericht die Beschwerde ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass
sein rechtliches Gehör verletzt worden sei; es seien ihm weiterhin das volle
Unfalltaggeld, eventuell eine Invalidenrente, auszurichten und die Kosten des
Berichts des Dr. med. D.________ vom 28. April 2015 in Höhe von Fr. 800.- zu
ersetzen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht
zurückzuweisen; für das Einspracheverfahren sei ihm ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand beizugeben; für das kantonale und das bundesgerichtliche
Verfahren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389).
 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen betreffend den für die
Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 UVG)
erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111, 129 V 177 E. 3.1 f. S.
181) sowie den Wegfall der Unfallkausalität bei Erreichen des Zustands, wie er
vor dem Unfall oder ohne diesen bestanden hätte (Status quo sine vel ante; SVR
2016 UV Nr. 18 S. 55, 8C_331/2015 E. 2.1.1) richtig dargelegt. Gleiches gilt
bezüglich der Abklärung (Art. 43 ATSG), insbesondere der Auskunfts- und
Mitwirkungspflichten der versicherten Person (Art. 43 Abs. 3 ATSG), sowie der
Rechtsprechung zum massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
(BGE 138 V 218 E. 6 S. 221) und zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 135 V 465
E. 4.4. S. 469 und E. 4.7 S. 471, 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 125 V 351 E. 3a S.
352). Darauf wird verwiesen.

3. 
Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die SUVA habe nach Art. 43 Abs. 3 ATSG zu
Recht gestützt auf die Aktenbeurteilung des Kreisarztes Dr. med. E.________,
Facharzt FMH für Chirurgie, vom 21. November 2014 entschieden, da der
Beschwerdeführer zur Untersuchung durch diesen vom 18. November 2014
unentschuldigt nicht erschienen sei. Die SUVA sei somit auch nicht verpflichtet
gewesen, den zuvor einverlangten Bericht des Dr. med. D.________ abzuwarten,
zumal dieser am 3. September und 2. Oktober 2014 eine kreisärztliche
Untersuchung verlangt habe. Dr. med. E.________ habe in Kenntnis der
medizinischen Vorakten nachvollziehbar dargelegt, der Versicherte habe sich
beim Unfall vom 21. Februar 2013 eine AC-Gelenksluxation Tossy I links mit
Distorsion der coracoclaviculären und acromioclaviculären Bänder sowie eine
"bone bruise" der korrespondierenden Gelenkanteile mit Reizung des AC-Gelenks
zugezogen. Anhand der objektivierbaren Befunde seien acht Monate nach dem
Unfall eine wesentliche Besserung zu konstatieren und die Unfallfolgen im
Wesentlichen abgeheilt gewesen. Die MRI-Aufnahme der Klinik F.________ vom 16.
Oktober 2013 habe eine regrediente Veränderung ergeben. Die Bänder hätten sich
nun vernarbt gezeigt und es habe sich kein Korrelat für die angegebenen
Beschwerden gefunden. Deshalb sei spätestens ab November 2013 die
Arbeitsfähigkeit wieder vorhanden gewesen. Für die Operation vom 7. November
2013 habe sich anhand der Bildgebung keine unfallbedingte Indikation ergeben.
Auch der Bericht des Dr. med. D.________ vom 28. April 2015 vermöge an der
nachvollziehbaren Einschätzung des Dr. med. E.________ nichts zu ändern.
Demnach hätten spätestens bei Leistungseinstellung überwiegend wahrscheinlich
keine Unfallfolgen mehr vorgelegen.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer wendet ein, wegen Ferienabwesenheit habe er die
Vorladung vom 4. November 2014 zur kreisärztlichen Untersuchung vom 18.
November 2014 nicht zur Kenntnis nehmen können, weshalb er dazu unverschuldet
nicht erschienen sei. Die erforderliche angemessene Bedenkzeit sei ihm nicht
gewährt worden. Da er zudem am 25. November 2014 der SUVA seine
Mitwirkungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht und dies im Einsprache- sowie
Beschwerdeverfahren bestätigt habe, habe keine Mitwirkungsverweigerung mehr
vorgelegen. Indem die SUVA den einverlangten Bericht des Dr. med. D.________
nicht abgewartet habe, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Da die Vorinstanz nicht einlässlich begründet habe, weshalb der Bericht des Dr.
med. D.________ vom 28. April 2015 an der kreisärztlichen Beurteilung nichts zu
ändern vermöge, sei die Gehörsverletzung nicht geheilt.

4.2. Die SUVA gab im Schreiben an den Versicherten vom 4. November 2014
betreffend die Anordnung der kreisärztlichen Untersuchung vom 18. November 2014
den vollständigen Wortlaut des Art. 43 Abs. 3 ATSG wieder und wies ihn darauf
hin, bei Nichteinhaltung des Untersuchungstermins werde sie die weiteren
Versicherungsleistungen aufgrund der vorhandenen Unterlagen festlegen. In
diesem Lichte hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass das Mahn- und
Bedenkzeitverfahren korrekt durchgeführt wurde (vgl. auch Urteil 8C_674/2013
vom 20. Februar 2014 E. 4.2). Sie hat zudem richtig erwogen, dass die damalige
Ferienabwesenheit den Versicherten nicht zu entschuldigen vermag, da er mit der
Zustellung der Vorladung zur kreisärztlichen Untersuchung hatte rechnen müssen
(BGE 134 V 49 E. 4 S. 52); hiegegen bringt er keine substanziierten Einwände
vor.

4.3. Erklärt sich die versicherte Person nach verweigerter Mitwirkung an der
Abklärung später zur Teilnahme daran bereit, kann sich die festgelegte Sanktion
- Nichteintreten, Entscheid aufgrund der Akten (Art. 43 Abs. 3 ATSG) - nur auf
die Zeitspanne der Verweigerung beziehen (BGE 139 V 585 E. 6.3.8 S. 591; SVR
2008 IV Nr. 48, I 988/06 E. 7; Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N.
103 zu Art. 43). Aus der Aktennotiz der SUVA über die Vorsprache des
Versicherten vom 25. November 2014 geht nicht hervor, dass er bekundet hätte,
sich der Untersuchung durch den Kreisarzt unterziehen zu wollen. Auch in der
Einsprache vom 12. Januar 2015 machte er dies nicht geltend. Im massgebenden
Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 10. April 2015 (BGE 129 V 167 E. 1 S.
169) entschied die SUVA somit zu Recht aufgrund der Akten. Erst aus dem
vorinstanzlichen Verfahren geht hervor, dass der Versicherte zur Teilnahme an
der kreisärztlichen Untersuchung bereit war. Von dieser ist jedoch abzusehen
(E. 5.3 hienach).

5.

5.1. Entgegen dem Versicherten hat die Vorinstanz rechtsgenüglich begründet,
weshalb der Bericht des Dr. med. D.________ vom 28. April 2015 die
Stellungnahme des Kreisarztes Dr. med. E.________ vom 21. November 2014 nicht
zu entkräften vermag (zu den Anforderungen an die Begründungspflicht vgl. BGE
138 I 232 E. 5.1 S. 237).

5.2. Die Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom 21. November 2014 erfüllt
die rechtlichen Beweisanforderungen an eine Aktenbeurteilung (SVR 2010 UV Nr.
17 S. 63, 8C_239/2008 E. 7.2; RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95 E. 5d; Urteil 8C_843/
2014 E. 5.4).
Der Versicherte wendet ein, vor dem Unfall vom 21. Februar 2013 habe er keine
Beschwerden gehabt, weshalb nicht von einem Status quo sine (Zustand, wie er
sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch
ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte; vgl. SVR 2016 UV Nr. 18 S. 55
E. 2.1.1) gesprochen werden könne. Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Denn
die Vorinstanz ging nicht vom Erreichen des Statuts quo sine aus, sondern
führte gestützt auf die MRI-Aufnahme vom 16. Oktober 2013 und den Bericht des
Dr. med. E.________ vom 21. November 2014 aus, es hätten keine Unfallfolgen
mehr vorgelegen.
Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf und es ist auch nicht ersichtlich,
inwiefern der Bericht des Dr. med. D.________ vom 28. April 2015 auch nur
geringe Zweifel an der Stellungnahme des Dr. med. E.________ vom 21. November
2014 zu begründen vermöchte (vgl. BGE 139 V 225 E. 5.2 S. 229). Insbesondere
bringt der Versicherte im Zusammenhang mit der Bildgebung vom 16. Oktober 2013,
wonach kein Korrelat für die angegebenen Beschwerden mehr bestand, keine
Einwände vor. Seine Argumentation, vor dem Unfall sei er beschwerdefrei
gewesen, läuft auf einen unzulässigen "Post-hoc-ergo-propter-hoc-Schluss"
hinaus (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341; SVR 2016 UV Nr. 24 S. 75, 8C_354/2015 E.
7.2).

5.3. Da von weiteren Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu
erwarten sind, verzichtete die Vorinstanz darauf zu Recht (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_384/2016 vom 13.
September 2016 E. 6).

6. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Verbesserung seines
Gesundheitszustandes sei noch möglich, weshalb der Fallabschluss zu früh
erfolgt sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Leistungspflicht der SUVA zu
Recht mangels Unfallkausalität seiner anhaltenden Beschwerden verneint wurde.
Diesfalls muss nicht geprüft werden, ob durch eine Fortsetzung der ärztlichen
Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes hätte erreicht
werden können (Art. 19 Abs. 1 UVG; Urteile 8C_806/2011 vom 30. März 2012 E. 2.2
und 8C_398/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 4.4).

7. 
Strittig ist weiter, ob die SUVA die Kosten des Berichts des Dr. med.
D.________ vom 28. April 2015 in Höhe von Fr. 800.- zu tragen hat. Die
Voraussetzungen hiefür sind nicht erfüllt, da keine pflichtwidrig unterlassene
Abklärung durch die Verwaltung Anlass für die Einholung dieses Berichts bot und
dieser keine relevanten neuen Erkenntnisse gebracht hat. Das kantonale Gericht
hat daher einen Auslagenersatz zu Recht abgelehnt (Art. 45 Abs. 1 ATSG; SVR
2015 IV Nr. 23 S. 69, 8C_531/2014 E. 7; Urteil 8C_843/2014 E. 10).

8. 
Umstritten ist zudem der Anspruch des Beschwerdeführers auf unentgeltliche
Verbeiständung im Einspracheverfahren. Dieser setzt unter anderem voraus, dass
das Verfahren im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs nicht als aussichtslos
erscheint (Art. 37 Abs. 4 ATSG; BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 201; zur
Aussichtslosigkeit vgl. BGE 140 V 521 E. 9.1 S. 537). Die Vorinstanz hat diesen
Anspruch zu Recht verneint, da die Einsprache nach dem Gesagten von vornherein
aussichtslos war.

9. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Verfahren hat die
Vorinstanz ebenfalls zu Recht wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde verneint
(Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 61 lit. f ATSG).

10. 
Der unterliegende Versicherte trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1). Die
unentgeltliche Rechtspflege kann ihm wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde
nicht gewährt werden (Art. 64 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 16. November 2016

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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